Predigt zum Sonntag Lätare, 11.3.2013, gehalten in Großenritte und Altenritte.
Joh 6, 47-51
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. 48 Ich bin das Brot des Lebens.
Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.
Ich
bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem
Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch,
das ich geben werde für das Leben der Welt.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Hunger
haben wir alle, es ist eines der tiefsten und stärksten Gefühle, zu
denen wir überhaupt im Stande sind. Hunger erinnert uns daran, dass das
Leben auf ständige Zufuhr angewiesen ist. Wenn in diesen Wochen viele
Menschen fasten, dann tun sie dies, um sich künstlich in den Zustand des
Hungers zu versetzen – und so das Leben zu spüren. Wir benutzen das
Wort ja auch im übertragenen Sinne: wir sprechen vom Hunger nach Leben,
vom Hunger nach Liebe, vom Hunger nach Anerkennung.
Wir
müssen Essen, selbst dann, wenn uns gar nicht danach ist. Wir müssen
Essen, unter allen Umständen. Diejenigen von Euch, die noch echten
Hunger erlebt haben, im Krieg, auf der Flucht, auf der Vertreibung oder
in einem Land, in dem echte Knappheit herrschte, werden wissen, was der
Hunger aus uns machen kann: Er
kann das Tier im Menschen freilegen. Manchmal sagen wir ja auch zu einem
Menschen, wenn er nörgelig, unleidlich und irgendwie genervt ist: iss
mal was. Und das hilft oft.
Den
Hunger stillen: das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir Menschen
haben. Auch im Industriezeitalter geht es um Nahrungssuche. Denn essen
hat auch viel mit Vertrauen zu tun. Wenn wir eingeladen werden,
vertrauen wir doch darauf, dass wir nicht vergiftet werden. Darum sind
wir ja auch mit fremden und unbekannten Essen so vorsichtig. Bekommt mir das? Schmeckt mir das? Macht das satt? Ist das in Ordnung?
Und
darum ist gemeinsames Essen auch eine vertrauensbildende Maßnahme. Ich
weiß, wie wichtig es ist, miteinander zu essen, wenn man in Frieden
zusammen leben will. Darum bieten wir einander ja auch immer etwas zu
essen an, wenn wir uns besuchen. Das ist etwas, was ich als Pfarrer
durchaus mag: mit Menschen zusammen essen.
Und
wehe, es schmeckt nicht: peinlich, peinlich. Und es ist ein Stück
Erwachsenwerden, sich auch fremdem Essen auszusetzen. Gerade Jugendliche
haben ja oft Ekel vor allem Möglichen. Für Konfirmanden zu kochen kann
eine echte Herausforderung sein. Einer meiner größten Reinfälle war mal
ein Nudelkochen mit Konfirmanden. Die Nudeln waren natürlich nicht das
Problem, Nudeln gehen immer. Aber meine Bolognesesauce – da hatte ich,
unbedacht, Sardellen und Kapern reingemacht. Das gab lange Zähne! Und
manche haben es nicht geschafft, auch nur zu probieren. So ist das.
Andererseits, das kennen wir ja: „Und, wie war die Klassenfahrt? Och,
ganz schön, super Essen“. Mehr zu erzählen ist dann gar nicht nötig,
warum auch…
Essen ist heikel, weil es uns tief anspricht.
Und
darum widern uns auch die dauernden Lebensmittelskandale an. Beim Essen
belogen und betrogen zu werden ist mit das Schlimmste, was man uns
antun kann. Pferd statt Rind, Eier, die nicht sind, was sei sein sollen;
„Analogkäse“, ich will gar nicht genau wissen, was das wirklich ist,
und Sorge machen uns Lebensmittel,
von denen wir wissen, dass irgendwie Unrecht an ihnen klebt,
Lebensmittel, von denen wir wissen, dass sie schädlich sind,
Lebensmittel, die auf Genmanipulation zu rückgehen wo wir gar nicht so
genau verstehen, was das meint und bedeutet: all das rückt uns schwer
auf den Pelz, verunsichert uns.
Essen ist Vertrauenssache: denn es geht um unser Leben.
Und darum haben die Worte Jesus so ein großes Gewicht:
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
Ich bin das Brot des Lebens.
Ich
bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem
Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch,
das ich geben werde für das Leben der Welt.
Jesus
stillt unseren Hunger, für ewig. Er gibt uns nicht Brot, er ist das
Brot. Glauben heißt nichts anderes, als darauf zu vertrauen: Er stillt
unseren Hunger nach Leben. Er ist das tägliche Brot, um das wir beten.
Klar,
das zielt auch auf das Abendmahl. Wer das tiefste und wichtigste Ritual
unseres Glaubens kennt, versteht diese Wort sofort. Dann aber sind sie
ganz einfach, ganz schlicht, geradezu von kindlicher Einfalt: Wenn wir
Abendmahl feiern, dann kommen wir einander ganz nahe, dann nehmen wir
Jesus in uns auf, dann werden wir satt.
Aha, werdet ihr sagen, schöne Worte. Und was heißt das für mein Leben? Was folgt daraus für die, die echten
Hunger haben? Was folgt daraus für unser alltäglich Essen? Sollen wir
jetzt Abendmahlsbrot statt Hartz IV austeilen und Abendmahlsbrot nach
Afrika senden anstatt echte Hilfe?
In
gewisser Weise ist das wirklich so. Aber genau andersherum, als man
denkt, wie so oft stellt Jesus unser Denken auf den Kopf und lässt uns
etwas sehen, was wir vorher nicht gesehen haben: Wir
sollten jedes Brot so behandeln, als wäre es das Brot des Abendmahls.
Und mit Brot ist natürlich jedes Nahrungsmittel gemeint, wie im
Vaterunser. Brot steht für Nahrung.
Ich möchte das an drei Punkten zeigen:
Wenn
Jesus sich das Brot nennt, dann möchte er, dass wir in jedem Stück
Brot, in jedem Nahrungsmittel die Gnade Gottes erkennen. Dann sollten
wir lernen und begreifen, dass Nahrung als solche heilig und gut ist,
dass sie uns nicht nur satt macht, sondern Frieden bringt. Bei jedem
Stück Brot, das ihr in die Hand nehmt, bei jedem Stück Fleisch, das ihr
esst, bei jedem Gummibärchen und jedem Eis sollt ihr das hören: Ich bin
das Brot. Essen und Trinken, gemeinsames Essen und trinken, sollte uns
heilig sein, weil es Jesus heilig ist. Im Grunde sollte jede Mahlzeit
wie ein Abendmahl sein: Gemeinschaft, Vergebung, Frieden. Wenn ihr jetzt
eine Sekunde darüber nachdenkt, wie wir heute Essen und trinken, werdet
ihr merken, wie sehr der Glaube unser Leben auch in Frage stellen kann.
Davon, dass unser gemeinsames Essen und Trinken etwas von einem
Abendmahl, etwas von einem Gottesdienst hat, sind wir, wenn wir ehrlich
sind, sehr weit entfernt. Und wir spüren diesen Verlust sehr wohl. Ich
komme ja, mit meinem nordhessischen und russlanddeutschen Hintergrund,
aus zwei Kulturen, in denen das gemeinsame Essen sehr wichtig war und
ist. Wir haben, soweit das möglich war, nicht gegessen, wie es der
Tagesrhythmus vorgab, sondern der Tagesrhythmus richtete sich am Essen
aus. Und ich glaube, das ist sehr gesund. Und das seht ihr, wie die
Worte Jesus etwas unmittelbar Praktisches haben: lasst uns als Christen
dafür sorgen, dass wir eine gute, förderliche und gesunde Esskultur
haben. Damit ehren wir Jesus, das Brot des Lebens, und die Menschen.
Das
ist das zweite. Die Erde versorgt uns mit den Gütern. Letztlich ist uns
das Essen geschenkt, wie uns die Gnade und die Liebe geschenkt ist.
Davon erzählt die Schöpfungsgeschichte: Gott gibt der Erde den Befehl,
Nahrung hervorzubringen. Es ist genug für alle da – freilich nur, wenn
alle teilen. Freilich nur, wenn alle mitarbeiten. Gerade weil die Erde
so überreichlich mit ihren Gütern ist, stellt sich die Frage nach der
der Gerechtigkeit ganz besonders scharf. Die Güter der Erde sind nicht
knapp, sie sind schlecht verteilt. Wenn wir wollen, dass Menschen im
Brot die Gnade Gottes erkennen, dann müssen wir ihnen auch welches
geben. Menschen satt zu machen, ist eine politische Aufgabe. Da sind wir
als Christen, weil Jesus das Brot des Lebens ist, besonders wachsam.
Und das dritte:
Im
Brot steckt ein großes Geheimnis. Es war eine der größten Entdeckungen
der Menschheit, als sie herausbekamen, was mit Getreidebrei geschieht,
wenn man ihn stehenlässt: er fängt an zu gären. Er stinkt sogar, und je
nachdem, welche Bakterien und Pilze am ‚Werke sind, nimmt er sogar eine
ziemlich eklige Farbe an. Es war immer ein Highlight in der Schule, wenn
ich eine Portion Sauerteig mitbrachte. Wir hatten sogar einmal einen
Schulgottesdienst gemacht, indem wir Sauerteig verteilt haben. Das war
ein großes Hallo. Aber wir haben auch Anleitungen verteilt, was man
damit machen soll. Das gab dann drei Tage später ein großes Hallo. Aus
der stinkenden und etwas schleimigen Masse war knuspriges, duftendes
Brot geworden.
Es
ist das Geheimnis der Verwandlung, das im Brot steckt. Ich habe, zu
Zeiten, als ich noch Hausmann war, das Brotbacken immer als etwas
geradezu Mystisches erlebt. Und so ist es auch von Jesus gemeint. „Ich
bin das Brot“ ist auch eine Anspielung daraus, dass sich an ihm das
tiefste Geheimnis unseres Glauben vollzieht: Tod und Auferstehung, die
große Verwandlung. Da ist der Kern unsere Hoffnung, liebe Gemeinde,
Schwestern und Brüder, dass wir verwandelt werden wie das Korn zu Mehl,
das Mehl zu Teig, der Teig zu Sauerteig und der Sauerteig zu Brot: Durch
Zerstörung, Vernichtung, durch Leiden, Schmerz und Kummer hindurch zum
ewigen Leben. Wenn wir Abendmahl feiern, feiern wir das Leben und teilen
die Hoffnung, dass wir nicht gefangen sind in unserem Leben, sondern
dass es eine treibende Kraft gibt, die uns am Leben hält. Wann immer wir
gemeinsam essen, erinnern wir uns daran, dass wir das Brot zum Leben
brauchen und das jedes gemeinsame Essen ein Schritt zur Versöhnung ist.
Wann
immer ihr, Schwestern und Brüder, ein Stück Brot in der Hand haltet,
sollt ihr an diese Wort denken: Ich bin das Brot des Lebens. Ein Stück
Hoffnung, weit über jeden Hunger hinaus, ein Stück Leben, weit über
jedes Leben hinaus: Wann immer wir Brot essen, tauchen wir ein in das
Geheimnis des Ewigen Lebens, Wann immer wir Brot essen, wird der
Ruf nach Gerechtigkeit laut. Wann immer wir Brot essen, erinnern wir
uns an die Liebe Gottes, die sich reichlich ausschüttet in Jesus
Christus, dem Brot des Lebens. Wann immer wir Brot essen, erinnern wir
uns daran, das auch wir verwandelt werden sollen: vom Tod ins Leben, vom
Dunkel ins Licht, von der Verzweiflung zum Glauben, von Hungernden in
Satte.
Das wünsche ich euch: Immer einen Kanten Brot in der Nähe und das Wort Gottes im Herzen.
Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.