Predigt zum Karfreitag 2013, Elgershausen. Predigttext: Das
Gottesknechtlied aus Jes 52 f. Vor Verlesung des Textes gab ich ein paar
einleitende Hinweise auf die Entstehung des Textes und wovon die Rede
ist: vom leidenden Gottesknecht, der in der Verkennung die Erlösung
bringt - als Muster zum Verständnis des Karfreitag, aber des
menschlichen Schicksals überhaupt.
13
Siehe, meinem Knecht wird's gelingen, er wird erhöht und sehr hoch
erhaben sein. 14 Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt
hässlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der
Menschenkinder, 15 so wird er viele Heiden besprengen, dass auch Könige
werden ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn denen nichts davon verkündet
ist, die werden es nun sehen, und die nichts davon gehört haben, die
werden es merken.
53 1 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart?
Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem
Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war
keine Gestalt, die uns gefallen hätte.
Er war
der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er
war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben
wir ihn für nichts geachtet.
4 Fürwahr,er trug
unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn
für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde
willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden
hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.
Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht
auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf,
das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
8 Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein
Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen,
da er für die Missetat meines Volks geplagt war. 9 Und man gab ihm sein
Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er
niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Am Karfreitag muss ich oft an Marilyn Monroe denken. Das mag Euch verblüffen, aber im Grunde ist es ganz einfach.
Sie
war der Inbegriff der schönen und begehrenswerten Frau, der Inbegriff
eines erfolgreichen Menschen, ein Idol, geliebt und geehrt von
Millionen, nicht nur Männern.
Sie starb an einer
Überdosis Schlaftabletten am 8. August 1962 in Hollywood, ein
psychisches Wrack, einsam, seelisch tief beschädigt, verlassen,
ausgenutzt, drogenabhängig. Bis heute ist ungeklärt, ob es Selbstmord
war oder ein besonders gemeiner Mord.
Von Außen war sie schön und erhaben, stand sie hoch und, wie ein Fan es schreibt: „Es umgab sie ein herrliches Licht.“
Ihr
Tod aber ist und bleibt eine Schande, denn er hat viel damit zu tun,
dass niemand sehen wollte, wer sie wirklich war, was in ihr vorging. Die
wirkliche Marilyn, die mit bürgerlichem Namen Norma Jeane Baker hieß,
wollte niemand sehen, mit der wollte niemand etwas zu tun haben. Sie war
eine einfache Verkäuferin, die Karriere machte, weil sie mit einem
schönen Körper und einem mässigen Talent zum Schauspielen beschenkt
worden war. Das reichte: mehr brauchte man nicht zum Träumen.
Sie
wurde benutzt und sie hat sich benutzen lassen, sie war die Leinwand
für die Träume der Menschen von einem besseren Leben, von einem
schöneren Körper und einer besseren Welt.
Sie lebte in
äußerer Herrlichkeit, sie starb in äußerster Niedrigkeit – so sieht es
aus, aber in Wahrheit war es noch viel schlimmer: Sie lebte in
Niedrigkeit, und sie starb in noch viel tieferer Niedrigkeit.
Noch
heute wird sie ausgeschlachtet und benutzt, keine Ehrfurcht, keine
Scham ist zu spüren, kein Zurückschrecken davor, einen zerbrochenen
Menschen wenigstens im Tode seinen Frieden zu lassen. Sie lebte in
Niedrigkeit, sie starb in Niedrigkeit und sie bleibt in Niedrigkeit: Ein
elendes Schicksal, den Menschen bleibt sie ausgeliefert, noch nach
ihrem Tod.
Herr, erbarme Dich!
Jesus
starb und lebte auch in Niedrigkeit, aber ohne äußeren Glanz. Wenige
waren es, die ihn bewunderten, und wenn, dann weniger wegen seiner
Worte, sondern wegen seiner Wunder und weil er so mutig gegen die
Mächtigen auftrat und gegen die Weisen sprach, die den Menschen
Vorschriften für ihr Leben machten. Aber er war zu Lebzeiten eher
verachtet und geringgeschätzt, man machte sie über ihn lustig und man
hielt ihn für gefährlich, als die Menschen anfingen, von ihm größere
Taten zu erwarten. Er wurde getötet, damit die Schwachen und die kleinen
Leute gar nicht erst auf den Gedanken kommen, sich gegen ihr Schicksal
zu wehren. Das Unrecht fürchtete sich vor dem Recht – und so töteten sie
ihn, obwohl er eigentlich harmlos war und vielen nur als ein Spinner
erschien. Er starb in Niedrigkeit und Elend, in Gottverlassenheit und
verspottet. Niemand wollte hören und sehen, wer er in Wahrheit war,
niemand sah in dieser Niedrigkeit die Herrlichkeit des Herren. Niemand
vermutet hier das Göttliche. Er war der Allerverachtetste, allein am
Ende, auch von denen verlassen, die ihm gefolgt waren. Da kommen Marilyn
und Jesus zusammen: der Tod in Niedrigkeit. Doch ihr Tod war das Ende
eine Kette von Erniedrigungen, die aus ihrer falschen Herrlichkeit
kamen, den Träumen von Schönheit, Ruhm und Macht der Menschen. Sein Tod
aber war die Wirkung seiner göttlichen Herrlichkeit: denn es war ein
freiwilliger Gang in die Niedrigkeit. Er wusste, was er tat. Und so
erschien in seiner Erniedrigung die Herrlichkeit des Herrn.
Der
so in Niedrigkeit lebte und in Niedrigkeit starb, lebte in Wahrheit in
Herrlichkeit, denn er lebte aus der Kraft Gottes, er lebte ganz aus in
der Liebe – bis hin zu seinem Tode, den er auf sich nahm, damit wir frei
würden von falschen Bildern und falschen Hoffnungen und falschen
Illusionen. Der Tod am Kreuz war der tiefste Punkt dieses Menschen, und
doch sehen wir heute, sehen wir jetzt darin die Herrlichkeit Gottes, die
Herrlichkeit eine liebenden, solidarischen, sanften Gottes, der uns im
Kreuz nicht nur zeigt, wer wir in Wahrheit sind, sondern auch, wer er in
Wahrheit ist: der uns in den Leidenden begegnet, an der Grenze des
Lebens - ein Gott in der Niedrigkeit. Da ist Gott: ganz unten.
So
wissen wir im Glauben, wie es in Wahrheit ist: Der Glanz der Marilyn
Monroe, ihre Herrlichkeit, ihre Schönheit ist nicht das, was göttlich an
ihr war. Das ist nicht, was des Menschen Herrlichkeit und Schönheit
ausmacht.
Da, wo sie hässlich war, zerbrechlich,
zerschlagen, zerstoßen und zerrissen, da sehen wir auch in ihrem Antlitz
Gott, wie wir Gott sehen im Gesicht des zerschlagenen Jesu von
Nazareth.
Im Lichte des Ostermorgens aber leuchten auch sie, wie das Leben aller Gedemütigten, verlassenen und geknechteten.
Meine
Lieben. Das werden wir auch als Kirche lernen müssen. Wir sind nicht
herrlich und schön. Wir sind für immer weniger Menschen wichtig. Ja,
vielen sind wir inzwischen sogar ein Dorn im Auge. Überall auf der Welt
werden Christen verfolgt, z.T. sogar bis in den Tod. Selbst in der
Katholischen Kirche ist es zu spüren: weltliche Macht und Herrlichkeit
uns ihre Insiginien und Symbole sind Christus unangemessen. Als Kirche
sind wir stark, wenn wir schwach sind: Denn unsere Schwäche ist nur von
außen Schwäche. Sanftmut, Solidarität, Vertrauen auf die Kraft der
Liebe, der recht verstandenen Demut und der Kraft des Wortes sind keine
wirklichen Schwächen. So sollten wir alles das, was wir gerade erleben
als Kirche, geistlich ernst nehmen und uns dem stellen, wie sich Jesus
dem gestellt hat im Garten Gethsemane. Das Geld wird knapp: also lasst
uns allen unnötigen Plunder abwerfen. Und wir werden uns wundern, was
alles unnötig ist, und wie beim Kellerausmisten werden wir die Last erst
spüren, wenn wir uns ihr entledigt haben. Die Pfarrer und Pfarrerinnen
werden weniger: also lasst sie als Geistliche arbeiten, und nicht als
hochbezahlte Gemeindemanager, Hausmeister und Vorstandsvorsitzende. Die
sog. Ehrenamtlichen – also Menschen, die freiwillig, unentgeldlich
arbeiten – werden wichtiger: also lasst uns sie stützen und tragen und
geistlich festigen, dass gute Zeugen der Gnade werden können..
Die
Menschen wenden sich von der Kirche ab: dann schimpft nicht auf sie,
sondern fragt: warum? Vielleicht wenden sie sich von der Kirche ab, weil
wir allzunah an den Mächtigen, allzunah an den Wichtigen, allzunah an
den scheinbar Erfolgreichen waren? Vielleicht sind wir als Kirche auf
einem völlig falschen Weg, wenn wir uns an der „gesellschaftlichen
Mitte“ und ihren Bedürfnissen orientieren anstatt an den Rändern und am
Worte Gottes?
Sind wir als Kirche wirklich ein Bild
des zerschlagenen, leidenden, solidarischen Christus, der die Menschen
tröstet, oder wären wir – prüft euch ernsthaft – nicht doch lieber eine
geliebte, strahlende, superwichtige Institution von Menschen, die besser
Bescheid wissen als „die anderen“?
Der Karfreitag
erinnert uns daran, wo unser Platz ist: in der Niedrigkeit. Das hat mich
falscher und verlogener Demut nichts zu tun. Das hat auch nichts zu tun
mit Kriecherei oder gar mit Ohnmacht. Lass dir an meiner Stärke
genügen, meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, musste Paulus hören
und ertragen.
Jetzt wisst ihr, warum ich an Karfreitag
so oft an Marilyn Monroe denken muss: Wir wären als Kirche auch gerne
oft wie eine sexy Blondine, der die Menschen scharenweiser
hinterherlaufen. Aber Ihr Schicksal sollte uns mahnen und das Wort des
Propheten von der Niedrigkeit des Gottesknechtes sollte uns zu denken
geben. In Licht des Kreuzes wird alles, was auf Erden glänzt, zu Plunder
und Staub. So ist der Karfreitag, weil an ihm Niedrigkeit und
Herrlichkeit die Rollen tauschen, der Tag der Gerechtigkeit und der
Wahrheit. Kein Wunder, dass ihn niemand von den Stolzen, Mächtigen,
Schönen, Reichen und Partymachern ihn wirklich haben will: Und dafür
liebe ich ihn. Es ist der Tag der Erniedrigten und Sterblichen. Es ist
unser Tag.
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Anreger
für diese Predigt war Ernesto Cardenals Gebet für Marilyn, für mich
einer der schönsten und bewegensten Texte der Theologie der Befreiung.
Lang ist´s her...
gebet-fur-marilyn-monroe
Vielleicht hat die Theologie der Befreiung jetzt wieder eine Chance?????
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