Sonntag, 27. Oktober 2013

Predigt zum 22. S.n.Tr., Römer 7

Keine Predigt heute, jedenfalls keine schriftliche. 8 Taufen in zwei Gottesdiensten: Improvisation über Römer 7 (Perikopentext) mit Unterstützung von Kindern und Gemeinde. Eine Herausforderung. Aber wieder einmal zeigte sich: die Menschen zu unterfordern ist auch nicht gut. Heute gabs Schwarzbrot, und es war gut so. Da haben wir doch etwas zu sagen, wenn es um die Sünde geht. Und da wird auch aufgehorcht: denn davon reden nur wir. Dass wir nun dann Subjekte sind, wenn wir uns von Gott her verstehen. Denn ansosten sind wir lauter undurchschaubaren Mächten ausgeliefert. Die Taufe zieht da eine Grenze: Von Gott gewollt, von Gott geliebt, immer nur Gnade. Frohe Botschaft für eine gnadenlose Welt: wir sind nicht böse, aber wir tun böses. Das ist der heilsame Unterschied zwischen: du hast was falsch gemacht und du bist falsch. Das ist der Unterschied zwichen der Frage: Wer ist Schuld? und der Frage: wie lautet das Problem und wie kann die Lösung aussehen? wir werden nicth verdammt, wenn wir etwas falsch machen. Aber wir werden unglücklich, wenn wir uns dem nicht stellen. Wir brauchen uns nicht zu schämen. Und wir sollten lieber auf unseren Verstand als auf unsere Gefühle hören. Denn der Glaube hilft uns die Welt besser zu verstehen, nicht uns besser zu fühlen. Darum braucht es auch die anderen, die Gemeinde. Alleine kommst Du da nicht drauf.
Das verstehen sogar Kindergartenkinder.

War gut, lockere, aber doch gesammelte  Stimmung. Demnächst mit Mitschnittdienst....

Samstag, 5. Oktober 2013

Genug ist Genug - Predigt Buß- und Bettag, M6, 24-34

Genug ist genug. Predigt für den Buß- und Bettag 2011, Christuskirche Kassel, Friedenskirche Altenbauna. Roland Kupski
Mt 6,24-34
24 Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Diese Worte Jesus klingen seit je manchem sicher zynisch in den Ohren - jenen nämlich, die nicht ihr Auskommen haben und die von Krankheit; Knappheit und Unheil geplagt werden. Und für manchem sind diese Worte einfach lächerlich, weltfern und weltfremd: Wie soll es gehen ohne Vorsorge, wie soll es gehen ohne weitreichende strategische Planung unseres Handelns? Und wie soll das gehen: einfach aufhören, sich zu sorgen? Das kann keine Handlungsgrundlage sein.
Zynisch und lächerlich: so klingen diese Worte. Sie rufen, wie es scheint, auf zu einer leichtfertigen und kindischen Lebensweise, die davon ausgeht, dass Pappa es schon richten wird, wenn´s eng wird.
Man kann diese Worte allerdings auch hören als einen Aufruf zu Bescheidenheit und Demut, als einen Aufruf, sich zurückzunehmen, langsamer zu leben, bewußter zu leben und eben nicht der Macht des Geldes zu verfallen.
Und das hören wir im Moment dauernd. In den Schulen, in den Zeitungen, selbst in den politischen Kommentaren im Fernsehen kann man es hören: „Wir sind dem Mammon, dem Geld und der Gier verfallen, wir müssen sparen, weniger verschwenden, bescheidener sein!“ Auf einmal reden alle wie Jesus.
Das aber kann man bald auch nicht mehr hören: es hat etwas Heuchlerisches und Verlogenes.
Hier möchte man inzwischen ganz besonders laut rufen: Genug ist genug! Wir wissen das! Wer einigermaßen bei Verstand ist, weiß das doch alles!“ Diese selbsternannten Moralprediger sind kaum noch zu ertragen. Sie machen die Krise nur noch schlimmer, weil uns dieses Moralgepredige vor die Unausweichlichkeit stellt, die das alles offensichtlich hat: was soll ich, der Einzelne, den tun? Man lässt mich ja nicht- und man lässt mich mit meinem schlechten Gewissen allein.
Worauf also laufen diese Worte Jesus von „Nicht-Sorgen“ hinaus? Für Jesus liegt unser Problem viel tiefer. Es ist nicht einfach eine Frage der Moral. Es ist eine Frage des Glaubens, um die es hier geht. Es ist die Frage nach der Ewigkeit.
Denn der Mammon hat uns viel tiefer am Wickel, als es auf den ersten Blick erscheint. Er schneidet uns von unserer Wurzel ab und verstellt uns den Blick auf das wahre Leben.
Jesus kann deswegen so gelassen von der Sorge reden, weil er vor einem andern Zeithorizont steht. Er hat die Ewigkeit im Blick. Er schaut über den Tellerrand unseres irdischen Lebens hinaus und sieht eine Weite, sieht ein Land der Güte, der Vergebung und des unermesslichen Reichtumes, in dem es keine Gier geben muss, weil keiner Angst hat, zu kurz zu kommen. Nicht nur, weil es genug gibt- sondern weil wir Frieden im Herzen haben werden und also unser Genügen.
Jesus sieht Gott, und von Gott her sieht er auf die Erde.
Es ist der Blick des Glaubens, den Jesus uns bringt.
Und da ist die Erde auf einmal nicht mehr ein Ort für verlorene und verdammte, die im Schweiße ihres Angesichtes mühsam, aber letztendlich vergeblich sich um ihr täglich Brot bemühen und sehen müssen, wie sie klarkommen.
Da ist die Erde auf einmal nicht mehr ein Ort des Todes, des Schreckens und der Vergänglichkeit. Von Gott her ist die Erde der Ort, der zu mehr und Schönerem bestimmt ist. Die Erde ist der Ort, der verwandelt werden soll in einen Raum des guten, des ewigen Lebens.
Das ist es, was Jesus sieht, weil er glaubt. Der Glaube sieht über die Erde hinaus, und sieht so die Erde im neuen Licht. Denn der Glaube ist eine festes Vertrauen in die Güte Gottes, gegen allen irdischen Augenschien. Und daher gewinnt er die Kraft, der Sorge die Gelassenheit entgegenzusetzen und der Hysterie die Besonnenheit. Denn darum geht es: um Gelassenheit und Besonnenheit. Nicht als moralische Forderung, sondern als menschliche Haltung gegenüber dem Leben.
Das wirklich teuflische und höllische am Mammon ist, dass er uns einredet, wir seien von Gott verlassen, wir seien allein und hätten im Grund keine Zukunft. Der Mammon redet uns ein, wir müssten unser Leben selber halten und gestalten, wir wären unseres Glückes Schmied, und Liebe und Erlösung, Freiheit und Glück wären nur ein Frage von Erfolg, Status, und Besitz. Der Mammon lässt uns vergessen, dass das Leben etwas ganz anderes ist: ein Geschenk, das auf Ewigkeit angelegt ist, durch die Sterblichkeit hindurch. Der Mammon verdunkelt unseren Horizont. Und das macht uns hysterisch, hektisch und besinnungslos, bis wir erschöpft zusammenbrechen: müde, resigniert und ohne Phantasie für das Leben. Der Mammon ist gottlos, denn er ist nur ein Spiegel unseres gottlosen Inneren. Das ist die bittere, viel tiefere Wahrheit der Worte Jesu- darum stoßen sie sofort auf Widerstand.
Und sie wirkten deswegen damals so zynisch und lächerlich wie heute. Sie haben damals wie heute die Menschen ihrer Gottlosigkeit, also ihres mangelnden Vertrauens, überführt: Tagellöhner und Reiche, Kluge und Törichte, Juden und Heiden. Sie haben alle das Gefühl, nicht genug zu kriegen, sie haben alle das Gefühl, zu kurz zu kommen - wir leben alle fern von der Quelle des wahren Reichtums und der wahren inneren Friedens. In Wahrheit rühren dieses Wort an einen tiefen Schmerz und einen tiefen Kummer. So wollen uns die Worte Jesu zur Umkehr führen, zur wirklichen Buße: Das ist die Hinwendung zum Liebe und zum Leben. Ja, es mag ein wenig verrückt klingen, aber  die wirkliche Buße kommt aus einer tiefen Gier, die Gier nach dem Leben aus der Fülle, und dass gibt es nur bei Gott. Wer aus Angst von Strafe umkehrt, wechselt nur von einem Stress zum nächsten, von einer Hysterie zu anderen. Jesus aber will uns, wie Luther es einmal sagt, locken.
So haben diese Worte der Bergpredigt mit vordergründiger Moralpredigt nichts zu tun - hier geht es nicht ums Handeln, hier geht es ums hören. Sind wir bereit zu hören, dass wir bedingunslos geliebt werden? Sind wir bereit zu hören, dass unser Leben in Gottes Hand liegt? Sind wir bereit zu hören, dass das einzige, was wir tun können ist - uns lieben zu lassen, selbst dann, wenn der Mammon uns zu einem tiefen Selbsthass geführt hat?
Darum zeigt uns Jesus die Vögel und die Blumen: Sie zeigen uns das Leben, das wir nicht gemacht haben und das wir nicht halten können. Der Mammon aber ist die Todesmacht, die uns einredet, wie müssten alles tun, um leben zu dürfen.
So einfach ist es Grunde. In diesem Lichte erscheint es als zutiefst zynisch und lächerlich, sich nicht für Gott zu entscheiden.
Genug ist Genug: Für den Glauben hat dieser Satz daher ein doppeltes Gesicht. Er meint nicht einfach nur: es reicht! Ab morgen machen wir alles besser! Das zu sagen ist wichtig, und das geschieht ja gerade auf der ganzen Welt, nicht nur in christlichen Ländern..
Denn „Genug ist genug!“ ist  noch kein Satz des Glaubens, das ist ein Satz der schieren Vernunft.
Zum Glaubenssatz aber wird er, wenn er auch eine Alternative anbieten kann: die Gnade Gottes!
Es war der Hysteriker und Hektiker, der unermüdliche Schaffer und Macher Paulus, der sich sagen lassen musste: „Lass dir an meiner Gnade Genügen, meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“
Und dieses Schwache: Das sind nicht einfach nur die Vögel und die Pflanzen. Dieses Schwache: Das ist auch das Wort Gottes, das schwach ist vor der Welt, weil es entweder wie Zynismus klingt oder lächerlich erscheint. Das Schwache vor der Welt ist der Rabbi aus Nazareth, der so weltfremd davon redet, dass wir uns nicht sorgen sollen und dafür am Kreuz endet. Das Schwache vor der Welt ist auch eine Kirche, die immer wieder an ihren eigenen Ansprüchen scheitert: weil sie zu hoch greift und zu viel will.
Das Schwache vor der Welt, das sind wir, die wir im privaten den Müll säuberlich trennen und öffentlich wahnsinnige Verschwender sind und von diesem Zwiespalt schier zerrissen werden. Das Schwache vor der Welt, das ist der Mensch an der Schwelle des Todes, der sich ängstet und für keinen Trost zugänglich ist. Das Schwache vor der Welt, das sind wir. Dahin will uns Jesus führen mit seinen Worten: An die Schwelle der Zerbrechlichkeit, an der Gott wohnt. Wer von dieser Schwelle zurückkehrt, dem wird sich der Horizont der Ewigkeit öffnen und dem wird sich die Hysterie des Lebenmüssens verwandeln in die Gelassenheit des Lebenwollens und Lebendürfens. Wer von dieser Schwelle zurückkehrt, dem wird sich Kälte eines scheinbar gottlosen Universums verwandeln in die Wärme einer gottdurchfluteten Schöpfung, in der Tod und Mammon das letzte Worte eben nicht haben, sondern Jesus, der scheinbar Schwache. Er überwand den Tod: durch Glauben.
Und was tut der Glaube? Etwas, was vor der Welt  als besonders schwach, ja schwächlich gilt, von dem uns aber gesagt ist, dass es das stärkste ist, was wir tun können angesichts der Zerbrechlichkeit: Beten. Beten kann man nie genug. Darum stehen in der Bergpredigt die Worte des Vaterunsers unmittelbar vor den Worten von der Sorge, und darum heißt der Tag: Buß- und Bettag, und nicht etwa Moral und Programmtag.
Denn betend üben wir Gelassenheit und Besonnenheit, betend stellen wir uns vor den Horizont de r Ewigkeit.
Die Lilien und die Vögel brauchen nicht zu beten, sie wissen nichts von Tod und Sünde, kennen darum keine Gier und kein Einsamkeit. Das ist der Unterschied. Der ist nicht lächerlich und auch nicht zynisch.
Beten macht uns zu Menschen. Davon können wir gar nicht genug haben und tun. Das ist unser erster, vornehmster und wichtigster Dienst an der Welt: Das Gebet ist das Heilmittel gegen Hysterie und Resignation, gegen Zynismus und Lächerlichkeit. Beten ist zutiefst das, was uns als Kirche aufgetragen ist, als erste Antwort auf das Wort der Liebe, das Gott zu uns spricht. Umkehr, Buße, meint genau das: unser Gesicht umkehren zu Gott. Das haben wir der Welt zu bieten. Denn der Mammon kann, wie alle Dämonen und bösen Geister, nur ausgetrieben werden durch Fasten und Beten: Wer betet, tut nichts und doch alles. Und so ist der Ruf zur Umkehr, zur Buße, zu allererst ein Ruf zum Gebet: Alle Eure Sorge werft auch ihn, denn er sorgt für Euch. Wir müssen es nur gefallen lassen wie die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde. Das ist doch ganz leicht und für den Anfang mehr als genug.
Amen.

Predigt 4. Advent 2012, Elgershausen, 2. Kor 1,18-22

Das ist die Langfassung, die Kanzelfassung ist immer etwas kürzer, damit ich Platz zum Improvisieren habe.


2.Kor 1,18-22

Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe. Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.





Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn,



ein bisschen schwanger gibt es nicht. Entweder man ist es, oder man ist es nicht. Das ist eine biologische Notwendigkeit. Wenn es geschehen ist, dann ist es geschehen, und dann geht es seinen Gang. Ein bisschen heiraten gibt es auch nicht. Entweder man heiratet und verspricht einem anderen Menschen, ein Leben lang treu zu sein, oder nicht. Man kann sich das doch schlecht vorstellen, dass die Eheleute gefragt werden: Wollt ihr bis auf weiteres zusammen leben und mal sehen, ob es klappt? Hier muss man Ja sagen, und das Ja kann man nicht einfach zurücknehmen.



Das ist keine biologische Notwendigkeit, sondern eine psychologische und juristische. Weil es um Treue geht und um Verlässlichkeit. Nichts macht uns Menschen nämlich so viel Angst, als wenn wir das Gefühl haben, wir könnten uns auf einander und auf die Welt nicht verlassen.



Denn unsere Lebenserfahrung lehrt uns, dass auf nichts wirklich Verlass ist – außer auf den Tod. und das ist ja nun keine besonders schöne Perspektive. Es ist eine absolute Grundlage unseres Lebens, dass wir uns auf bestimmte Dinge verlassen können, damit wir nicht ständig in Angst leben.



Ein Kind, dass sich nicht auf seine Eltern verlassen kann – wie soll das leben können? Ich kann mich gut an Abende im Bett erinnern, wo ich voller Angst im Bett lag, dass meine Eltern nicht zurückkommen von ihrer Abendveranstaltung. Oder wo ich voller Angst im Bett lag, ich könnte morgens nicht mehr aufwachen. Das waren so Momente, wo ich mich auf das Leben und auf die Menschen, die ich liebe, meinte, mich nicht verlassen zu können. Ich hatte Grund dazu – meine Schwester war, noch vor meiner Geburt, als kleines Mädchen tödlich verunglückt, und überall in unserem Haus waren noch ihre Spuren zu sehen, bis dahin, dass ich in typischer Mädchenbettwäsche lag. Wir hatten die Erfahrung schon gemacht, wie unzuverlässig das Leben sein kann. Meine Eltern hatte beide jeweils einen Elternteil verloren; mein Großvater väterlicherseits, Russlanddeutscher, hatte zweimal in beiden Kriegen alles verloren und war ein gebrochener Mann. Die Brüchigkeit des Lebens war mir schon sehr früh sehr nahe, und die Frage: Worauf kann ich mich verlassen? war für mich immer sehr wichtig. Und immer wusste ich auch: Von Menschen kann ich das nicht völlig erwarten und verlangen; das ist eine Überforderung und für mich gefährlich. Es ist ungnädig.



Ich erzähle das so freimütig von mir, weil ich weiß, dass viele von Euch, auch von den jüngeren, diese Angst gut kennen. Als Konfirmand und Konfirmandin spürt man das zum Beispiel dann, wenn man sich das erste Mal verliebt hat und plötzlich merkt, dass die Liebe eine ganz schmerzhafte Seite hat: nämlich die Angst um den Verlust und die Frage danach, ob es der andere wirklich ganz, ganz ernst meint. Wir alle haben schon gebrochene Versprechen erfahren und, das wage ich mal zu behaupten, jeder von uns schleppt auch eine Geschichte mit sich herum, wo er selber ein Versprechen nicht gehalten hat. Das ist furchtbar. Menschen können daran zerbrechen, dass ein Versprechen nicht gehalten wurde oder dass sie selbst daran gehindert wurden, ein Versprechen zu halten



Darum sind Treue und Verlässlichkeit für uns etwas ganz und gar Lebenswichtiges. Untreue und Lüge können uns so tief verletzen wie kaum etwas anderes. Unsere ganze Lebenssehnsucht geht daraufhin, dass es doch etwas geben möge, auf das wir uns 100prozentig verlassen können, etwas – mit anderen Worten – an das wir glauben können, ohne zu riskieren, enttäuscht zu werden.



Das ist ja oft der Grund, warum Menschen ihr Leben ganz klein machen, warum sie sich aus dem Leben zurückziehen, misstrauisch oder bitter, traurig oder abgestumpft werden: zu groß die Angst vor Enttäuschung, zu groß die Angst, sich zu binden, zu groß die Angst, aufs falsche Pferd zu setzen und am Ende belogen und betrogen da zu stehen. Es wird ja viel geklagt darüber, dass wir immer weniger in der Lage sind, feste Bindungen einzugehen. Viele Ehen und Beziehungen zerbrechen, viele lassen sich darauf gar nicht erst ein: aus Angst, verletzt zu werden.



Es ist schon so: Die Liebe ist ein Risiko. Sich auf einen Menschen einzulassen ist eine Herausforderung. Kein Mensch kann letztlich mit letzter Gewissheit sagen, dass er ein Leben lang treu sein kann, und es ist, dass wissen wir wohl, auch eine völlig illusorische, übertriebene und ganz und gar unreife Haltung, das von einem anderen Menschen wirklich zu verlangen.



Wir müssen mit dieser letzten Unsicherheit leben, und wir nennen einen Menschen genau dann erwachsen, wenn er gelernt hat, damit zu leben: Absolute Verlässlichkeit ist zwischen uns Menschen nicht zu erwarten, weder von anderen, noch von uns selbst. Damit zu leben, das ist die Kunst und die Herausforderung. Denn im Kern, im innersten Kern, sind wir gespaltene Wesen. Wir erwarten und wollen und sehnen uns nach Treue und Verlässlichkeit, und zugleich fürchten wir sie und weichen aus, weil wir uns nicht festlegen und nicht binden und nicht hingeben wollen. Wir erwarten immer das absolute Ja, aber wir möchten selber am liebsten sagen: Vielleicht, mal sehn, eventuell.







Darum, meine Lieben, ist es ein großes Geschenk, eine wirkliche Gnade, dass Gott zu uns Ja gesagt hat, ein unerschütterliches, unverbrüchliches Ja, egal was wir tun. Davon spricht der Apostel Paulus in seinen bewegenden Worten. Gott hat Ja gesagt, und das ist der Kern unseres Glaubens. Er hat Ja gesagt, vom ersten Moment der Schöpfung an, als er rief: Es werde Licht! Er hat es nur für uns Licht werden lassen. Er hat ja zu uns gesagt, als er Mose das Gesetz und die Gebote gegeben hat, damit wir eine Richtschnur und eine Richtung für das Leben haben, damit wir eine verlässliche und stabile Welt bauen, in der wir keine Angst voreinander und keine Angst vor Gott haben müssen. Gott hat ja zu uns gesagt, als Noah einen Bund anbot und ihm zusagte: Die Schöpfung bleibt stabil, ihr könnt euch auf Sonne und Mond, auf die Jahreszeiten und den Zyklus von Saat und Ernte verlassen, absolut verlassen, ich stehe mit meinem Wort dahinter. Gott hat Ja zu uns gesagt, als er mit Abraham einen ewigen Bund schloss und zu ihm sagte: Aus dir soll ein großes Volk kommen und ihr sollt mein Volk sein und ich will Euer Gott sein, und alles, was ich erwarte, ist, dass ihr auf mich hört und mich nicht verlasst – und da haben wir es schon.



Gott hat Ja gesagt, wohl wissend, was er von uns erwarten kann. Es ist doch eine traurige Geschichte, die da erzählt wird. Kaum ist der Mensch im Garten Eden, isst er von der verbotenen Frucht. Noch während Mose auf dem Berg ist und die zehn Gebote empfängt, bauen die Israeliten das goldene Kalb und treiben Abgötterei. man könnte schier verzweifeln, wenn man Gott wäre. Die Bibel ist ,wenn man so will, eine einzige Geschichte davon, wie Gott um uns Menschen wirbt, wie ein Bräutigam um eine Braut, und wie wir es immer und immer wieder vermasseln, weil wir Menschen nicht in der Lage und willens sind, treu zu sein und zu bleiben, weil wir immer wieder eigene Wege gehen und einen eigenen Kopf haben. Es wäre zum Verzweifeln – wenn Gott nicht Gott wäre.



Und jetzt sind wir bei Weihnachten und beim Advent angekommen. Ihr werdet Euch ja schon gefragt haben, wovon ich hier eigentlich die ganze Zeit rede – aber ich rede vom Wunder der Weihnacht und von der Verheißung der Adventszeit. Weihnachten ist der Moment, wo Gott wieder zu uns Menschen Ja sagt, und zwar diesmal auf eine ganz besondere, tief bewegende Art und Weise: Er wird selber ein Mensch. Er wird selber ein Mensch, geboren von einer Frau, wie wir alle. Seine Treue, seine Liebe zu uns ist so groß, sein Wille, uns nahe zu sein, ist so stark, dass er alles dafür aufgibt: sein ganze himmlische Herrlichkeit, seine ganze Macht und seinen Glanz, und einer von uns wird. Das ist es, wovon Paulus spricht: In ihm ist nur Ja, soviel Ja, dass er Nein zu sich selber sagen kann, das er sich ganz und gar für uns Menschen dahingibt. Und wir wissen ja, wie die Geschichte ausgeht. Er wird dafür sterben, dass er Mensch geworden ist. Er gibt alles, wir nehmen ihm alles. Und er hört nicht auf zu geben: Am Ende besiegt er für uns auch noch den Tod, öffnet das Grab, zeigt seine Macht, aber nicht, indem er straft und sich abwendet, sondern in dem er uns auch das ewige Leben öffnet und schenkt, indem er uns vergibt und sich mit uns versöhnt und uns in der Taufe ein starkes Zeichen seiner Liebe gibt.



Was soll er noch mehr tun, um unsere Liebe zu erfahren? Welche Zeichen der Treue und der Zuwendung soll er uns noch geben? Gibt es mehr als das: die völlige Hingabe? Es gibt ja Menschen, die denken, Gott ist im Himmel und lenkt dort unser Leben und unser Schicksal wie ein König oder ein Despot. Viele Menschen fühlen sich deswegen von Gott verlassen und haben für den Glauben nichts übrig und sind deswegen verängstigt und verbittert. Andere wieder sagen: Was tut er denn, euer Gott? Die Welt ist doch immer noch der gleiche Schreckensort wie immer, voller Not und Tod und Krankheit und Ungerechtigkeit. Was tut er denn, euer Gott?



Weihnachten ist die Antwort. Gott sagt Ja zu uns und traut uns ein Leben auf dieser Erde zu. Gott sagt Ja zu uns und schenkt uns damit die Freiheit. Gott wird Mensch, damit wir einander zu Menschen werden. Er riskiert damit alles. Weil er Mensch geworden ist, riskiert er es, verlassen, belogen und betrogen, verlacht und verspottet zu werden. Weil er Mensch geworden ist, riskiert er es, zu scheitern und zu versagen. Und so sieht es auch aus. Seine Geburt hat die Welt nicht schlagartig verändert. Für die Kinder in Bethlehem, so hören wir doch auch, war es eine Katastrophe. Seine Worte verhallen bis heute weitgehend ungehört, seine sanfte Predigt von Gnade, Liebe und Vergebung brachten ihn und seine Anhänger nur in Schwierigkeit, am Ende in den Tod. Aber Gott lässt nicht locker. Er wirbt um uns, täglich und stündlich neu, wie es ein guter Ehemann, eine gute Ehefrau auch tun sollte: als müsste die Liebe jeden Tag neu beginnen.



Darum, meine Lieben, feiern wir Weinachten und Advent, alle Jahre wieder, um uns immer und immer wieder diese wundervolle Geschichte erzählen zu lassen, wie Gott Mensch wird und JA zu uns sagt. Und wir sind gebeten, aufgefordert, gerufen von ihm, uns darauf einzulassen, uns eine Liebe gefallen zu lassen wie die Weihnachtsgeschenke, die wir uns ja genau aus diesem Grunde schenken: um einander an die Gnade Gottes, die unverdiente, die geschenkte, die geradezu verschwenderisch an uns geschenkte Liebe Gottes zu erinnern, an sein Ja ohne alles vielleicht, an sein Ja ohne alle Bedingung.



Das meine Lieben, ist das größte aller Weihnachtsgeschenke: Es gibt etwas in unserem Leben, auf dass wir uns vollkommen verlassen können:



auf Gott.



Mehr habe ich gar nicht zu sagen, dafür bin ich heute Morgen hierhergekommen: um es Euch zu sagen und um es mir selber zu sagen, damit wir nicht vergessen, worum es geht im Glauben: Ja zu sagen zum Ja, dass Gott zu uns gesagt hat, wie ein Bräutigam zu seiner Braut. In diesem Sinne gibt es eben auch kein „bisschen“ glauben, sondern immer nur ganzen Glauben: Ja, ich vertraue auf Gott, der uns so viele Zeichen seiner Liebe gegeben hat, ja ich lasse mich lieben. Ja, ich lasse es mir gefallen, beschenkt zu werden von Dir. Auf Hebräisch heißt das „AMEN“. Mehr haben wir gar nicht zu sagen, auf mehr wartet er gar nicht, aber darauf wartet er, liebeshungrig und liebesbedürftig – wie ein kleines Kind. Das ist das tiefe Geheimnis der Weihnacht, auf das wir zugehen in diesen Tagen. Ich wünsche Euch, dass ihr unter allem, was wir Weihnachten so tun und treiben, immer dieses JA hört und immer Euer Amen sprechen könnt. Dann seid ihr sehr beschenkt.

Aufgebohrte Ohren. Andacht zu Psalm 40 (Tageslosung)

Andacht zum Psalm 40, gehalten zur Sitzung des Rates der Landeskirche, Kassel.

Das kommt ganz selten vor: zwei Verse aus einem Psalm an zwei Tagen hintereinander als Losung.

Gestern lasen wir:
Du bist mein Helfer und Erretter; mein Gott, säume doch nicht! Psalm 40,18

Heute lesen wir:
Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den HERRN!
Psalm 40,5
 So wurde ich aufmerksam auf den Psalm 40, der, weil er in keiner Leseordnung ist, kaum im Blick ist. Aber man kann in ihm ein paar faszinierende Entdeckungen machen, und daran, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich Euch teilhaben lassen: Was ich gehört habe, weil mir der Herr die Ohren aufgebohrt hat. Ich schaue auf einige Verse, die mir bemerkenswert erscheinen, denn wir haben heute noch mehr zu tun. Doch das, was wir zu tun haben, hat viel mit dem zu tun, wovon der Psalm singt: Gott loben und preisen in einer beklagenswerten Welt.


Ansprache 

Niemand hat Gott je gesehen, denn er ist unsichtbar.

Aber seine Zeugen werden gesehen, und gehört wird, was sie sagen. Und da steckt eine böse Falle drin.

Die Kirche wird gesehen und gehört. Und darum, so scheint es, kommt es auf uns an, dass wir reden und erzählen begeistern – so könnte man jedenfalls meinen, und so wird es von vielen auch gesehen, und das ist es, was uns krank macht: Die ganze Verantwortung für den Glauben liegt auf uns. Das Gelingen des Lebens als Beweis für die Wahrheit des Glaubens liegt auf uns. Wir müssen uns fragen, wie wir die Verkündigung optimieren, das Gemeindeleben auf die Kenraufgabe zurückführen, wie wir Menschen zur Gotteserfahrung führen und die Kirchen vollkriegen. So steht´s jedenfalls in der Zeitung, das wir das tun sollten und in mancher Pressemeldung aus Hannover und anderswo, wo man die Wahrheit kennt. Und diese Fragen hindern machen Ordinierten und Engagierten am Nachtschlaf und rauben ihm die Freiheit.

Und am Ende steht natürlich die drängendste aller Fragen: Wie komme ich selber dahin, Gott zu spüren und aufzuspüren in meinem Leben? Pilgern, fasten, studieren, spenden, sammeln, engagieren? Evaluieren, optimieren, validieren? Das macht uns krank, sage ich, weil es eine geradezu teuflische Einflüsterung ist, wenn wir ihr erliegen: Dass wir es sind, die Sorge tragen müssen für die Ausbreitung des Evangeliums. Tut doch was. Sagt doch was. Ändert was. Macht was Neues! Das ist der Schlamm, in dem wir stecken, die Grube, in der wir hocken.

Der Psalm aber sagt: 4 ER hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unseren Gott. Das werden viele sehen und sich fürchten und auf den Herrn hoffen.

Er hat ein neues Lied in meinen Mund gegeben, und zwar nicht durch eine göttliche Inspiration, nicht durch eine spirituelle Spezial- und Sondererfahrung an einem heiligen Ort  (da kommen wir noch zu!) oder durch einen heiligen Menschen oder eine heilige Handlung. Er hat mir ein neues Lied zu singen gegeben, weil er mich gerettet hat aus der Not, die noch lange nicht vorbei ist.

Da werden sich die Heiden wundern: Wenn einer aus dem Elend heraus das Singen anfängt.



Darum fängt der Psalm mit Klage an und hört mit Klage auf, das ist ja sehr bemerkenswert. Aber er klagt, weil er vom Loben kommt: weiß, dass die Klage nicht vergeblich ist.

5 Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn – denn dem öffnet sich das Leben in seinem unendlichen Horizont. Der Lehrtext zur heutigen Losung ist darum klug gewählt, und beide Verse zusammen sind schon eine Predigt für sich: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, dann sind wir die ärmsten aller Kreaturen“ 1. Kor 15,19. Klar, weil sonst alle Hoffnung am Tod zerbräche. Hoffnung kann ja nur Hoffnung sein, wenn sie über den Tod hinausragt.

Ein bisschen Hoffnung: Das wäre dann schon wieder das alte Lied. Das alte, traurige Lied, das gesungen wird, wenn der Arzt mit besorgter Miene gefragt wird, ob denn noch Hoffnung bestehe, und er mit ebensolcher Miene den Kopf schüttelt: Keine Hoffnung mehr! Was für ein gottloser Satz, im Grunde, erschreckend, wenn man´s recht bedenkt.

Das ist das alte Lied vom begrenzten Leben, das uns so nahe liegt, weil es die Wirklichkeit besingt, die uns fertig macht.

Wie kommen wir dazu, das neue Lied zu singen?



Wir singen das neue Lied vom unbegrenzten Leben, weil wir von Jesus Christus singen. Um seinetwillen sind wir Christen. Er ist es, von dem der Psalm singt, auch wenn er es gar nicht wusste. Aber von der Gnade wusste er doch, und also von Christus. Ja mehr noch: Er ist es, der den Psalm singt. Nur in seinem Munde ist der Psalm wahr und mehr als Pfeifen im Wald. Darum sollen wir uns an ihn wenden, und nicht an die Spötter und die Selbstverliebten, nicht an Unseresgleichen also. Da kommt kein Mut her.

Denn wir singen immer noch das alte Lied vom Kummer und vom Sterben, wir singen das alte Lied von Golgatha, denn das ist unsere Wirklichkeit. Wer von uns kann das neue Lied aus eigener Erfahrung singen? Wer wurde selber aus dem Tod geholt? Wer überlebte von uns eine Kreuzigung? Nur der kann das neue Lied mit Volmacht singen, wir singen auf Hoffnung mit.

Denn die frohe Botschaft ist doch: dass ER es singt!. Und wir dürfen es hören, als wäre es unser Lied.

So öffnen sich mir die Psalmen: Als die Gebete Christi, die er an meiner Stelle singt. Seit ich das verstanden habe, liebe ich sie als Dokumente ungeheurer innerer Freiheit. Wir singen die Psalmen auf Hoffnung hin, Christus singt sie von der Erfüllung her. Wir brauchen für ihre Wahrheit nicht mit unserm Leben einzustehen, weil er es tat. Das ist doch das Evangelium: Er an meiner Stelle! Und dann ich an seiner Stelle!

Und was steht da dann noch für Ungeheuerliches und ganz und gar Protestantisches! Was für ein famoser Vers der Vers 7, was für eine befreiende Botschaft für eine Kirche, die sich gehetzt fühlt vom Anspruch, Religion bieten zu müssen:

Dieser Vers 7, der so klingt,  als wäre er nicht von Luther übersetzt, sondern geradezu von ihm geschrieben

7 Schlachtopfer und Speisopfer gefallen dir nicht, /

aber die Ohren hast du mir aufgetan.

Du willst weder Brandopfer noch Sündopfer.

So kommt der Glaube in uns: Gott, wie es im hebräischen Original heißt, bohrt uns die Ohren auf! Und zwar nicht im Tempel, nicht Ritual des Gebens und Nehmens, nicht im magischen Zauber des rituellen Austausches, nicht im Glöckchengebimmel und Würfelgewerfe der geweihten Männer begegnet er uns, das alles ist des Teufels Mummenschanz, ein Höllenkarneval. So ist manche gut gemeinte Predigt auch nur eine teuflische Büttenrede, wenn sie nämlich nichts ist als Gesetz: „Man müsste“, „wir sollten doch“, und vor allem der geliebte Konditional: „Wenn wir, dann wird…. „

Nein: Wenn Gott tut, dann wird….und besser nocht:  Weil Gott getan hat, darum wird…. Weil er spricht, darum hören wir: Das neue Lied nämlich, das dem alten Lied vom Tun und Machen, von Glück und Schicksal ins Wort fällt.

Ist das nicht großartig? Wenn man bedenkt, dass dieser Psalm, wenn denn die Gelehrten Recht haben, im Tempel gesungen wurde, angesichts des blutüberströmten Altar? Ist das nicht göttliche Ironie in Vollendung – und darin zugleich die einfache, simple, befreiende; Menschen aus einer wirklich quälenden Lebenslast befreiende Botschaft, die da lautet: Opfer sind sinnlos! Was quälen und schinden sich Menschen, weil sie meinen, mit ihrem Leben Schuld abbezahlen zu müssen. Schade um jeden Tropfen Blut, um jeden Tropfen Schweiss und jede Träne, die deswegen vergossen wurde.

Trauen wir uns das als Kirche wirklich zu sagen, in dieser Schärfe: Keine Werke? Nur Vertrauen?

Das genau ist ja die Botschaft, bei der den Heiden und den Frommen Hören und Sehen vergeht und die tonnenschwere Last abfällt, auch von uns als Kirche.

Der Psalm tut es. Christus tut es.

Mit diesem Wort er bohrt uns die Ohren auf, damit wir hören.



Pure Gottesfreude spricht sich hier aus, was zu einem letzten Blick führt auf das Ende des Psalmes. Denn in dieser Gottesfreude ist eben auch Platz für Hass und Zorn, Verachtung, Häme und Neid. Mitten im Leben wird der Beter gerettet, und mitten im Leben ist auch die Gefahr, und die geht nicht von der Natur aus, sondern von den Menschen. Lest den Psalm von Golgatha aus, und ihr wisst, wovon er singt:

Mobbing, Neid, und üble Nachrede, Zauberei (das ist das Mobbing mi t den Mitteln der Magie, sprich des unaufgeklärten Verstandes), klerikale Idiotie von der Wirksamkeit der Rituale und religiöser Wahn von der Notwendigkeit des Opfers – das hat ihn ans Kreuz gebracht, und das ist alles zutiefst hassenswert, weil es Sünde ist, begangen von Sündern.

Im Raum des Lobes darf sich der Hass aussprechen, denn er wird in Gottes Hand gelegt, hier darf sich die Häme aussprechen, denn wer zuletzt lacht, lacht am besten - und das glauben wir doch, dass wir zuletzt lachen, aber eben nicht über die Feinde, sondern mit den Feinden.

Doch Hass frisst auf, der Glaube aber will uns nähren, und darum lautet die Bitte, die aus dem Hass kommt:17 Lass Deiner sich freuen und fröhlich sein alle, die nach dir fragen, und die dein heil lieben, lass allewege sagen: Der Herr sei hoch gelobt!

Das Wort lenkt den Blick weg von dem, was und krank macht und zeigt uns Besseres, die Gemeinschaft der Hoffenden, die Kirche.

Denn lesen wir die Psalmen als Christi neues Lied, das er singt, weil wir es nicht singen können mit unsrem schwachen Glauben, dann lesen wir sie aber auch als das Lied der der Kirche, die doch nichts anderes ist als der sichtbare Leib des Unsichtbaren. Die Kirche ist doch der Chor der Geretteten auf Hoffnung hin, die versammelte, hörende, betende Gemeinde ist die einzige wirkliche Ikone Gottes, in der ER sichtbar wird. Der Einzelne mag zweifeln, die Kirche aber glaubt. Der Einzelne mag gottlos sein, die Kirche aber ist heilig. Der Einzelne mag längst stumm sein, die Kirche aber spricht. Gott mag unsichtbar sein, die Kirche aber ist sichtbar.

Trauen wir dieser Botschaft wirklich?

Wir, dieser jämmerliche Haufen von Angsthasen und Aktivisten, Frommen und Zweiflern, Juden und Heiden, wir machen ihn sichtbar? Doch was singt der Psalm am Schluss:

18 Denn ich bin arm und elend, der Herr aber sorgt für mich. Du bist mein Helfer und Erretter, mein Gott, säume doch nicht!

Hat er ja auch nicht. In wenigen Wochen schon werden wir´s ganz laut sagen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“ aus dem Schlamm und der Grube.



So lasst uns fröhlich Kirche leiten und fröhlich an ihr leiden– denn retten wird sie Gott der Herr. Möge er sich unserer bedienen, wie er sich des Psalmisten bedient hat: Mitten im Geschäft des Alltags, dem bitteren und harten, zog er ihn aus dem Schlamm durch das Wort der Gnade und ließ ihn das neue Lied singen, dass den Heiden und den Frommen die Ohren aufgebohrt werden – bis zum Herzen.



Amen.

Osterpredigt 2009

Osterpredigt über 1 Kor 15,1ff, gehalten in Hitzerode, 2009.


Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, 2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, daß ihr umsonst gläubig geworden wärt. 3 Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Daß Christus gestorben ist für unsre Sünden [a] nach der Schrift; 4 und daß er begraben worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage [a] nach der Schrift; 5 und daß er [a] gesehen worden ist von Kephas, [b] danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach [a] von allen Aposteln. 8 Zuletzt von allen ist er [a] auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. 9 Denn [a] ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, daß ich ein Apostel heiße, [b] weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. 10 Aber [a] durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. 11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn.
Was Paulus hier seiner Gemeinde mitteilt, gilt auch noch für uns. Wie entstand, wie entsteht der christliche Glaube, unser Glauben?
Der Glaube entstand nicht am Ostermorgen, als die Frauen das leere Grab fanden. Das leere Grab, wir hörten es ja gerade, führte sogar dazu, dass die Frauen erschraken, flohen und niemandem etwas erzählten. ER führt zum Verstummen. Das kann man gut verstehen, wenn man sich einen Moment in ihre Situation versetzt. Wer hätte ihnen geglaubt? haben sie selber geglaubt, was sie gesehen haben? Das leere Grab kann der Grund des Glaubens nicht sein. Es führt dazu, dass sie sich erst einmal erschrecken, davonlaufen und schweigen.
Was aber dann? Etwas muß doch geschehen sein, dass die Menschen zum Glauben an den Auferstandenen gekommen sind. Paulus berichtet es uns. Er bringt in seinem Brief an die Korinther, die genau diese Frage hatten, ein altes Glaubensbekenntnis.
Jesus Christus ist gesehen worden von Petrus, danach von den Zwölfen, dann von allen anderen Aposteln, schließlich von 500 und ganz zum Schluss auch von ihm.
Denn der Glaube entstand nicht an einem leeren Grab. Der christliche Glaube entstand, weil die Jünger dem auferstandenen Herrn begegnet waren. Davon berichten die ältesten Zeugnisse. Ihr kennt die Geschichte alle, bei jeder Taufe wird sie vorgelesen, und aus aus dem Grunde, dass hier der wahre Anfang des Glauben erzählt wird.
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: [a] Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und [a] machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, [a] ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Due Jünger waren ja alle aus Jerusalem geflohen, als Jesus gekreuzigt wurde, weil sie Angst hatten und völlig niedergeschlagen waren, von dem , was am Karfreitag geschah, Und sie gingen heim, nach Galilaä, denn das hatte Jesus ihnen befohlen für den Tag seines Todes. Geht heim, und wartet auf mich. Nur, dass sie das letzte natürlich nicht verstanden haben.
Aber als sie dort versammelt waren, traurig, entmutigt, verängstigt, da erschien er ihnen auf einem Berg, wo sie sich versammelt hatten, um gemeinsam zu trauern. Aber selbst dann glaubten die meisten noch nicht. Sie gerieten aber in Zweifel. Sie trauten ihren Augen und Ohren nicht – das kann man  ebenso gut verstehen wie die Angst der Frauen am leeren Grab. Mich würde so eine Vision eines Toten auch eher erschrecken.
Aber dann sprach er zu ihnen und gab ihnen einen Auftrag. Und daran erkannten sie ihn. „Darum gehet hin und  machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“
Sie bekamen einen Auftrag. Und der lautete: erzählt weiter, was ihr erlebt und von mir gehört habt. Hört jetzt nicht auf, fangt jetzt erst richtig an, denn mit meinem Tod kommt die Sache, um die es mir geht, erst richtig in Schwung. Geht übr die Grenzen den Volkes Israel hinaus damit, sagt es aller Welt und gebt ihnen ein Zeichen, an dem sie sich erkennen: die Taufe.
Jetzt entstand der Glaube an den lebendigen Christus. Erst Tage später treffen sie in Jerusalem auf die Frauen, dann erst hören sie die Geschichte vom leeren Grab. Die bewirkt den Glauben nicht, die bestätigt ihn nur. Paulus schweigt davon übrigens ganz. Er weiß, dass diese Geschichte eigentlich für den Glauben nichts austrägt, sondern wenn, dann nur der Auftrag, den auch er bekommen hat. Und so geht es j auch weiter. Die Frauen waren die ersten Zeugen der Auferstehung, das ist wohl so, aber die Jünger waren die ersten Zeugen des Auferstandenen und damit des Glaubens. Zusammen sind sie die ersten Zeugen des größten Geheimnisses der Welt.
Und so ist es auch mit Paulus. Auch sein Glaube entstand nicht, weil er mit eigenen Augen das leere Grab sah. Im Gegenteil. Das, was die Christen davon erzählten, schürte ja überhaupt erst seinen Hass und seine Verachtung für die Anhänger Jesu, genau diese Geschichten machten ihn erst zum Verfolger der christlichen Gemeinde.
Er wurde zum Apostel – weil auch ihm, wie er es sagt, als letztem und Unwürdigesten von allem, wie einer Fehlgeburt – der Auferstandene erschien du ihm einen Auftrag gab. Durch die Begegnung mit Christus bekam sein Leben einen neuen Sinn und eine neue Richtung, es wurde vollständig umgekrempelt. Das wäre am leeren Grab niemals passiert. Er musste die Stimme des Herren hören, um gehorsam zu werden. Dass Jesus ihn in den Dienst nahm, war Ursprung und Anfang seines Glaubens und seiner rastlosen Tätigkeit im Auftrage des Herrn.
Das will er seiner Gemeinde und uns damit sagen, wenn  diese Kette, diese Wolke von Zeugen benennt. Ich habe es empfangen, und ihr habt es durch mich empfangen, so beginnt der Glaube. Und so geht es bis heute. Nicht die Auferstehung, sondern der Auferstandene ist Inhalt und Gegenstand unseres Glaubens.
Das feiern wir an Ostern. Das unser Lebe durch Christus eine Richtung und einrn Sinn bekommt, obwohl und gerade weil er gekreuzigt wurde und alles wie Scheitern aussieht, in Wahrheit aber Liebe ist. Wir sind Berufene und Auserwählte, nicht weil wir das wollen, sondern weil Gott das will. Das ist die Spitze der Osterbotschaft
So leben wir unter einer Hoffnung, mit einem Auftrag. So sind wir alle Apostel, Ohrenzeugen des Herren: die Botschaft, sein Auftrag, erreicht uns durch die Zeitalter und die Geschichte, durch das Wort der Zeugen und das Zeugnis der Kirche und die Zeichen der Sakramente Taufe und Abendmahl. Solche tut, sooft ihrs tut, zu meinem Gedächtnis, werden wir gleich beim Abendmahl hören, und genau das ist es, was wir tunn sollen: an ihn erinnern. Und zwar uns selbst, die nächsten, die ganze Welt. In jedem Gottesdienst tun wir es, immer und überall, wo von ihm die Rede ist, in jeder Feier des Sakramentes, in jeder Tat, die in seinem Sinne geschieht.
So sind auch wir Zeugen, nicht der Auferstehunung, die niemand gesehen hat, sondern des Auferstanden, der uns begegnet in seinem Wort. Darin sind wir Christen, dass wir an ihn erinnern: der gestorben war, der auferweckt wurde und der bei uns ist bis an der Welt Ende. Damit die Furcht ein Ende hat und die Hoffnung beginnen kann, damit die Hoffnung nicht stirbt und wir leben können, Tag für Tag, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Keiner von uns stand am leeren Grab. Keinem von uns begegnete der Auferstandene persönlich: Paulus war der Letzte. Aber uns allen begegnet er im Zeugenis, das diese ersten Zeugen abgeben haben und das die Kirche durch die Zeiten gereicht hat. Die Kirche hat gefehlt, gesündigt und oft genug ihren Auftrag geradezu verraten. Aber dennoch verstummte niemals dieses Wort unter aller Doppeldeutigkeit und Menschlichkeit blieb die Stimme Gottes, die Stimme des Auferstanden hörbar: Siehe ich bin bei Euch alle Tage, bis and er Welt Ende.
Selbst wenn wir ein Video hätten von dem, was am Ostermorgen geschehen ist: unser Glaube ensteht nicht daran, sondern an jeder anderen Botschaft, die die Jünger hörten:
„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden und dem Petrus erschienen„
Daran halten wir uns, denn davon werden wir gehalten. Denn diese Stimme verstummt nicht in Ewigkeit.
Amen.

Predigt Kantate 2012 Elgershausen Apostelgeschichte 16, 23ff

Wie immer ist das sozusagen der Kanzelentwurf - ich habe den Predigttext als Lesung genommen, entsprechend eingeleitet und damit die zweite Lesung während der Predigt vermieden. Das sind so Schreibtischideen, die vor dem Altar und auf der Kanzel sofort in sich zusammenfallen. Aber die Richtung blieb: das Wunder ist der Glaube und die zungenlösende Begegnung mit der Liebe.


Liebe Gemeinde,

Paulus und Silas sind Apostel, Boten Jesu, die in zuerst einige Zeit in Kleinasien, also der heutigen Türkei, das Evangelium verkündigt haben, dann aber nach Europa übergesetzt sind. Sie sind jetzt in der Stadt Philippi, und dort haben sie relativ schnell Erfolg, weil eine Frau namens Lydia sich zu Jesus bekennt, und das sie ein erfolgreiche und bekannte jüdische Geschäftsfrau war, auch relativ schnell Anhänger gewann. Das und noch ein paar spektaläre und unvorsichtige Aktionen erzeugte Ärger, die jüdische Obrigkeit zeigte Paulus und Silas an, wegen Aufruhr, und so wurden sie verhaftet und eingesperrt, nicht ohne sie vorher zu foltern, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Schwierige Situation. Und nun hören wir, was geschieht:

23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?

31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war.



Auf den ersten Blick ist das die Geschichte eines Gefängnisausbruches.

Doch Lukas berichtet uns hier einen Gefängnisausbruch der ganz eigenen und reichlich merkwürdigen Art.

Merkwürdig daran ist nämlich, dass die Gefangenen gar nicht fliehen, obwohl das Erdbeben die Türen aufsprengte und die Wandanker der Fesseln löste.

Noch merkwürdiger ist, dass der Aufseher zuerst in Todesangst ist, weil er meint, alle seien geflohen – und dann die Gefangenen selber in die Freiheit führt, nicht ohne vorher vor ihnen auf die Knie gegangen zu sein.

Und schließlich – dritte Merkwürdigkeit – danken nicht etwa Paulus und Silas dafür, dass sie frei gekommen sind, sonder der Aufseher und seine Familie freuen sich, dass sie zum Glauben gekommen sind.

Es ist gar keine normale Wundergeschichte nach dem Muster: Sie beten um ein Erdbeben, das kommt, uns schon sind sie frei: eine fromme Räuberpistole.

Doch so eine Sorte Wunder wird hier gar nicht erzählt. Das Erdbeben kommt zwar just im rechten Moment, aber es ist nicht die Antwort auf das Gebet von Paulus und Silas. Die beten nicht um Hilfe, sondern sie loben Gott. Sie liegen im Block, also in einer starren Fußfessel, müssen damit rechnen, zum Tode verurteilt zu werden, der ganze Leib ist voller Folterwunden, aber sie liegen da und singen, und zwar so, dass es alle hören. Das Erdbeben kommt also offensichtlich nicht, um ihnen zu helfen. Sie jedenfalls wollen die Hilfe nicht. Ihr Glaube war stark genug, auch solcher Situation noch Gott zu loben. Das wäre jetzt ein eigene Predigt wert, ein andermal. Ich will nämlich heute morgen mit Euch ganz woanders hin. Ich möchte Euch auch die Zunge lösen, Gott zu loben und zu singen. Heute ist nämlich der Sonntag Kantate, das heißt auf Deutsch: Singt! und zwar zum Lobe Gottes. Und dieser Geschichte hier, will uns zum Singen bringen. Und zwar nicht, weil da vor 2000 Jahren irgendwelchen wildfremden Leuten etwas Merkwürdiges passiert ist. Sondern weil wir denselben Grund zum Singen haben, wie der Gefängnisaufseher. Wenn ihr nämlich genau hinhört, geht es in dieser Geschichte um die Frage, wer gerettet werden kann. Am Ende sind hier nämlich nicht Paulus und Silas die Geretteten, sondern der Aufseher. Ich lese Euch die Geschichte noch einmal vor, und ihr werdet sehen, oder besser gesagt hören, was sie wirklich erzählt: Wie hier einer sein Leben geändert kriegt, und zwar gründlich. Hier wird einer gerettet. Und zwar aus der Angst. Und das ist die Spur in unser Leben.

Also: 23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?

31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war.





Die ganze Geschichte wird erzählt, um zu zeigen, auf wie merkwürdige Weise Menschen zum Glauben kommen und was für merkwürdige Menschen zum Glauben kommen. Mit letzterem fange ich an.

Der Mann hat einen gewalttätigen Beruf. Antike Gefängnisse waren Orte der Gewalt, wie wir sie uns kaum vorstellen können. Und man kann schon davon ausgehen, dass jemand, der diese Arbeit macht, mit der Zeit verroht und abgestumpft wird. Es wird kein angenehmer Zeitgenosse gewesen sein. Wenn Lukas hier so nüchtern von dem „Aufseher“ erzählt, dann wussten seine Hörer damals, was er meinte. Und der nun wird zum Glauben gerufen. Und zwar weil er Augenzeuge eines Wunders wird. Und jetzt heißt es genau aufpassen. Das Wunder ist nicht das Erdbeben. Das Wunder ist, dass die Gefangenen nicht geflohen sind. Das war die Angst des Wärters. Der Wärter ist so tief erschrocken, weil er Angst hat, dass die Gefangenen geflohen sind und er damit sein Leben verwirkt hat.

Aber das Gefangene nicht fliehen, sondern sogar noch ein Wort des Trostes für ihn übrig haben, dass zwingt ihn auf die Knie. Wir haben ja so einen ziemlich dummen Spruch: Not lehrt beten. Der ist völlig falsch, dass will uns die Geschichte deutlich machen. Paulus und Silas flehen nicht um Freiheit, sei loben Gott, sie singen, weil sie um ihres Glaubens willen gefangen liegen und also ein ähnliches Schicksal wie Jesus haben. Und auch unser Gefängniswärter lernt nicht aus Not beten. Sondern weil er der Gnade und der Liebe begegnet, der Vergebung und der Versöhnung. Die beiden retten ihn vor dem Selbstmord! „Tu dir nichts an, denn wir sind alle hier!“ Sie haben die Situation nicht ausgenutzt. Weder sind sie geflohen, noch haben sie sich an dem, wie wir hörten, schlafenden Wärter gerächt. Darum fällt er auf die Knie. Vor der Gnade und der Sanftmut. Erdbeben und Gewitter haben nämlich noch nie jemanden zum Glauben gebracht, höchsten zu törichten Gelöbnissen. Aber Gnade und Liebe haben diese Kraft. Der Mann versteht in Sekunden, was ihm hier begegnet ist: etwas, was er gar nicht kannte. Selbstlosigkeit und Zuwendung. Und er verstand auch sofort den Zusammenhang: Er hatte sie ja vorher beten und Singen hören. Er hatte ja gehört, wie sie in Fesseln ihren Gott gelobt haben. Und er wird sie für einen Haufen verrückter Fanatiker gehalten haben, Spinner. Das ist jetzt nicht mehr so. Und so fragt er:

Was muss ich tun, dass ich gerettet werde? Gerettet aus diesem falschen Leben voller Gewalt und Angst, aus diesem Leben, das den wahren Gott nicht kennt, der seine Jünger dazu bringt in der Not zu singen?

Und die Antwort ist ja noch verblüffender. Keine Buße, keine Reue, keine Wiedergutmachung, keine erpressten Geständnisse, kein erzwungene Sündenbekenntnis, nichts dergleichen. Ist fast schon ein bisschen ärgerlich, oder? Das wäre jetzt doch eine schöne Gelegenheit gewesen, zu sagen: Da siehst Du die Macht Gottes, da siehst du, was Du für ein schlechter Mensch gewesen bist na und so weiter: die Süße Rache des Rechthabens, für die gerade fromme Menschen so anfällig sind. Sie findet aber nicht statt. Stattdessen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst Du und Ein Haus selig!

So einfach. Einfach glauben. Einfach vertrauen. Seht ihr: das ist das Wunder. Diesem verrohten Gefängniswärter, Folterknecht und Menschenschinder begegnet der Aufruf zum Vertrauen. Vertraue, und du wirst gerettet.

Und er tut es. Er lässt sich und seine Familie taufen, er wäscht ihnen nun die Wunden, die ihnen selber geschlagen hat oder doch hat schlagen lassen, was für eine Szene, was für einen überraschende Wandlung.

Liebe und Gnade weckten in diesem Menschen Glauben, der doch so tief in der Gewalt, in der Rohheit, um Unrecht steckte, der sich verloren gab und von andren verloren gegeben wurde.

Glaube, und du wirst gerettet werden. Es gibt eben kein zu spät und es gibt auch keine Bedingungen dafür, zum Glauben zu kommen. Es ist ganz einfach: vertraue auf Jesus. Vertraue auf die Liebe. Wirf dein Leben nicht weg, wirf es ihm in die Arme. Das ist die Botschaft, die wir Christen zu verkündigen haben: und ich bin fest davon überzeugt, dass sie diese Kraft immer noch hat, Menschen dazu zu bringen, ein Loblied auf Gott zu singen. Bibelausteilen und moralische Appelle, Gestöhn über die unchristlichkeit unser Gesellschaft und aufwändie Konzepte, wie Menschen wieder zu Kirche zu bringen sind, bringen gar nichts. Aber laut von Gottes guten Taten singen und im eigenen Leben ein Zeuge Gottes sein: das wird’s bringen.

Und wisst ihr was: Ich traue Euch zu, dass ihr sehr genau versteht, was hier über Euer Leben gesagt worden ist und dass jeder wissen wird, warum er Gott loben kann wie der Gefängniswärter vor 2000 Jahren. Geht in Eure Häuser und denkt darüber nach: Wo sind Euch überraschend Liebe, Versöhnung und Gnade begegnet? Wo wurde Eurer Hartherzigkeit Sanftmut entgegengesetzt? Und dann singt davon in euern Herzen und redet davon mit Euren Mündern.

Wir werden es, mit modernen Worte, gleich singen: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer. Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis, gebaut aus Steinen unser Angst.

Ach so: Wir erfahren übrigens, wie das Ganze ausgegangen ist. Paulus und Silas wären sowieso am nächsten Morgen entlassen worden, und die Obrigkeit von Philippi hätte die ganze Sache ohnehin im Sande verlaufen lassen, weil es für sie äußerst peinlich geworden wäre, dem römischen Bürger Paulus ohne Rechtsvorgang länger festzuhalten – da wäre also auch unser Wärter mit einem blauen Auge davongekommen.

Himmelfahrt 2012, Offenbaurng 1, 4-8

Offb 1,4-8

Gruß an die sieben Gemeinden

4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien:



Gnade sei mit euch und Friede von dem,

der da ist und der da war und der da kommt,

und von den sieben Geistern,

die vor seinem Thron sind,

und von Jesus Christus,

welcher ist der treue Zeuge,

der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden!



Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut

und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott,

seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.



7 Siehe, er kommt mit den Wolken,

und es werden ihn sehen alle Augen

und alle, die ihn durchbohrt haben,

und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.

Ja, Amen.



8 Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr,

der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.





Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!



Überall regt sich Protest. Die Stimmung ist recht angeheizt, und man kann es auch gut verstehen. Von allen seriösen Wirtschaftsinstituten wird deutlich gesagt, dass die Schere von arm und reich in der ganzen Welt, aber auch in Deutschland immer weiter auseinandergeht. Immer mehr haben zu wenig, um nach unseren Standards menschwürdig leben zu können.

Und immer mehr haben immer mehr, mehr, als ein Mensch jemals braucht.

Wobei das noch nicht einmal das Problem ist.

Das Problem ist, dass so viele Menschen das Gefühl haben, dass es dabei nicht gerecht zugeht. Preiserhöhungen für Wohnen und Leben gehen vor allem zu Lasten derer, die weniger haben. Wer 100.000 Euro im Jahr verdient, der kann die steigenden Benzinpreise locker abfangen: dann wird eben mal ein etwas bescheidenerer Urlaub gemacht oder auf den zweiten Urlaub im Jahr verzichtet. Aber wer mit 700.-Euro im Monat auskommen muss, der spürt jeden Cent. Wer ein Leben lang hart gearbeitet hat und seine wohlverdiente Rente bekommt, hat trotzdem oft das Gefühl der Ungerechtigkeit, weil heute mancher Berufseinsteiger ohne jegliche Erfahrung und Verdienste mit Einstieglöhnen anfängt, die einem die Tränen in die Augen treiben.

Aber es gibt nicht nur dieses Gefühl der Ungerechtigkeit, das zu Zorn und Wut führt.

Es ist auch ein Gefühl der Ohnmacht, der mangelnden Wertschätzung, ein Gefühl, missbraucht und hinters Licht geführt zu werden. In der Umgangssprache sagen wir das anders, ihr wisst schon, was ich meine. Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihre Meinung, ihre Vorstellungen, ihre Wünsche keine Berücksichtigung finden. Politik und Verwaltung haben sich, so scheints, vom alltäglichen Leben abgekoppelt, haben mit uns hier unten nichts mehr zu tun,

ist.

Immer mehr Menschen sind darum zornig und wütend.



Auf der andern Seite: immer mehr Menschen ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Vereine, Parteien, gemeinnützige Organisationen, auch die Kirche, spüren, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen. „Macht doch euren Kram alleine“ –das denken nicht wenige. „Nach uns die Sintflut“, auf Deutsch: „Mir doch egal!“, das hört man erschreckend oft. Und manch einer versteckt hinter seinem Gezeter über die Politiker, die Pfaffen und die Reichen nur seine Faulheit und seinen eigenbrötlerischen Eigensinn.. Also gibt es neben der Wut auch Resignation und Rückzug.



Und in solchen Situationen wie die, in der wir jetzt sind, da wünschen wir uns oft, dass es Ende nehmen möge mit dem allem. Dass einer käme, der aufräumt. Das endlich einer käme, der durchgreift. Das einer käme, der die Menschen wieder begeistert und auf den Weg bringt. Ein wenig davon haben wir gespürt, als mit Joachim Gauck ein kantiger und lebenserfahrener Mensch statt einer politischen Hofschranze Bundespräsident wurde. Plötzlich hörten ihm Menschen zu, plötzlich waren Menschen dabei und verfolgten hellwach, was geschah in Berlin. Für eine Moment jedenfalls.

Wir haben diese Sehnsucht tief in uns drin, und je schlechter wir uns fühlen, umso stärker wird sie: Wenn

Und der Wunsch ist alt. Wir Christen tragen ihn mit uns, seit es uns gibt. Es ist unser Grundwunsch. Dein Reich komme, beten wir, wenn wir denn noch beten. Und im Glaubensbekenntnis sagen wir: Jesus Christus ist aufgefahren in den Himmel, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Diese Sehnsucht nach einem Ende der alten Welt und dem Beginn einer neuen, besseren, tragen wir Christen in die Welt, seit es uns gibt. Und er hat er uns getragen durch die Jahrhunderte, und hat uns, die wir Jesus Christus nachfolgen und auf ihn trauen, durch Krisen und Katastrophen getragen: Er wird kommen und es richten!“ Ja, er war schon einmal da und hat es gerichtet.

Wir haben es nur vergessen. Wir haben vor lauter Kircheseinmüssen vergessen, dass wir zu allererst Boten und Beter sind. Daran erinnert uns der Brief des Johannes an die sieben Gemeinden in der Türkei:

Die nämlich leiden unter Verfolgung, Spott und Hohn durch die römische und jüdische Obrigkeit, die nämlich sind wütend, verzagt, resigniert und enttäuscht: sie hofften auf die Veränderung der Welt, stattdessen sind sie in noch größeer Schwierigkeiten geraten. Sie hofften auf Erlösung und das Ende von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, stattdessen wird alles nur noch schlimmer. Wo bleibt die Rettung? Johannes schreibt:

7 Siehe, er kommt mit den Wolken,

und es werden ihn sehen alle Augen

und alle, die ihn durchbohrt haben,

und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.



Er wird kommen, sagt Johannes, und alle werden ihn sehen; auch seine Mörder, auch die, die ihn ans Kreuz geschlegen haben, Römer und Juden, auch die, die ihn heute ans Kreuz schlagen, indem sie über ihn und seine Gläubige spotten. Er wird kommen und an ihm wird sich entscheiden, wie es weitergeht: Mit Gewalt oder mit Frieden. Denn er wird kommen, und Versöhnung bringen. Aber keine billige Versöhnung. So ist der Glaube oft verstanden worden: billiger Trost für die Unterdrückten, Opium fürs Volk. Aber weit gefehlt.

Die Offenbarung des Johannes, die mit diesen Worten beginnt, beschreibt in den folgenden 20 Kapiteln eine Orgie der Gewalt und des Konfliktes, beschreibt einen Krieg zwischen Himmel und Hölle, die die Fantasie der Menschen seit 2 Jahrtausenden nicht mehr loslässt.

Warum aber?

Weil der der Weg zur Versöhnung nur über den Streit geht, nur über die Auseinandersetzung, weil nur das Ringen um die Wahrheit zur Wahrheit führen kann. Dazu wird er kommen. Um uns in diesen Kampf zu führen, der zu allererst ein Kampf mit uns und in uns selber ist. Gesellschaftlicher Friede ist nur zu erreichen, wenn man die Konflikte nicht scheut, innnerer Friede geht nur über schmerzhafte Entscheidungen. Die Wahrheit liegt nicht auf der Straße, und die sogenannten starken Männer sind meistens ihre größten Feinde: denn halbe Wahrheiten sind die schlimmsten Lügen.

Die Wahrheit setzt sich nur durch, wenn sich Menschen voller Wertschätzung und Würde begegnen und ihre Interessen ausgleichen, wenn sie ringen und sich etwas trauen, wenn sie sich einsetzen und engagieren für das Leben.

Was heißt Versöhnung? Verzicht auf Rache, Suche nach Ausgleich.

Dafür hat Gott am Kreuz gekämpft: Versöhnung statt Rache, Gespräch statt Gewalt. Das ist der Weg, auf den wir gesandt worden sind von Jesus Christus, als er endgültig verschwand aus der Welt.

Das ist die Botschaft des Himmelfahrttages: wir sind in die Freiheit entlassen. Ja, er ist im Himmel, er ist nicht hier. Also müssen wir es rucken. Der Tag Christi Himmelfahrt – und jetzt merkt ihr, so hoffe ich doch, warum ich soweit ausgeholt und mit der Politik angefangen habe – der Tag Christi Himmelfahrt ist der Tag, an dem wir Menschen in die Selbstverantwortung entlassen worden sind. Ein Tag, der uns froh und stolz machen sollte. Ein Tag, an dem uns ein Rückgrat eingezogen wurde und an dem wir auf den Weg gesandt worden sind, die Botschaft vom Frieden und von der Versöhnung, die Botschaft von der Vergebung der Sünden in die Welt zu tragen. Ja, es ist Vatertag: Den heute entlässt der himmlische Vater seine Kinder in die Welt. Das sind wir Christen. Nicht gebückte Knechte, sondern losgesandte Söhne und Töchter des himmlischen Vaters, ausgestattet mit großer Würde und Ehre Wie heißt es in dem Brief:

Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut

und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott,

seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Wer sich vor ihm verbeugt, der steht aufrecht vor den Menschen.

Er hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott! Das sind wir. Wir brauchen keine Paläste und Tempel, brauche niemanden, der uns sagt, wie wir zu leben haben und zu glauben. Er sagt es uns in seinem Wort, und er traut es uns zu, das hinzubekommen: Hier wird der Grundstein zu dem gelegt, war wir heute die Würde des Menschen nennen. Würden wir uns so verhalten: wie Könige und Priester, voller Würde und Gottesnähe, die Welt sähe anders aus.

Es muss keiner kommen, der dazwischen haut. Die Welt muss auch nicht untergehen. Der, der kommen soll, war längst da. Und die alte Welt, die auf Rache und Vergeltung baute ist längst vergangen.

Unser Ruf kann nicht der sein, nach dem Starken, der endlich einmal durchgreift- denn der würde alles nur noch schlimmer machen.

Unser Ruf lautet: Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.

Und wir sind die auf der Erde.

Nehmt das mit, sagt es weiter. Die Welt braucht es. Die Welt braucht Gott. Und Gott – der braucht uns. Denn wir sind jetzt seine Boten: Könige und Königinnen, Priester und Priesterinnen, Kinder des himmlischen Vaters. Durch uns kommen Frieden und Versöhnung in die Welt: Was für eine ehrenvolle Aufgabe!

Amen.





Karnevalspredigt Estomihi 2013, Elgerhausen. Gereimt...

Der Winter ist ein zäher Hund
Und dennoch gibt es guten Grund
Den Frühling schon zu ahnen.
Sieben Wochen Passion
Beginnen nun am Mittwoch schon:
Sie wollen uns ermahnen!

Doch weil das Leben schon so schwer
Brauchen wir doch nicht noch mehr
Finstere Gedanken.
So feiert man in diesen Tagen
Den Abschied von des Winters Plagen
Und von den Alltags Schranken.

Der Karneval, die Faschingszeit
Macht uns innerlich bereit
Den Tod selbst auszulachen.
Mit Masken und mit Mummenschanz
Tanzen wir den Lebenstanz
Und machen schöne Sachen.

Und seltsam ist: in dieser zeit
Sind für die Wahrheit wir bereit,
und können sie gut hören.
Denn sie kommt als Jux und Scherz
Und versüßt somit den Schmerz
Und will uns so betören.

Die Narrenkappe lässt uns wagen
Dinge frei heraus zu sagen
In klapperichten Reimen
So solls auch auf der Kanzel sein:
Freut Euch drauf und lasst euch ein:
Das Wahrheitskorn soll keimen!

So hören wir von Jesus heute
Und der dummen, blinden Meute
Die uns so furchtbar ähnlich ist.
Sie macht  immer groß Geschrei
Ist mit Verboten schnell dabei
Weil sie die Liebe ganz vergisst.

Von einem Blinden wird erzählt,
den seine Dunkelheit sehr quält
und der nach Jesus schreit.
Er sieht ganz ohne Augenlicht,
In Jesus Gottes Angesicht
Und ist darum erfreut.

Die Jünger aber, diese frommen,
haben gar nichts mitbekommen:
Als Jesus sprach von seinem Tod.
Begreifen und verstehn sie  nicht
Dass Jesus von Erlösung spricht
Vom Ende unsrer Not

So sind am Ende die die Narren,
die auf ihrer Sicht beharren
und anderen den Mund verbieten.
Sie sprechen viel von Religion
Und halten sich für weise schon:
In Wahrheit sind sie Nieten!

Weil Gott nicht nach den Weisen fragt
Und Jesus zu uns Menschen sagt:
Was macht ihr bloß für Sachen!
Er will, dass wir die Wahrheit sehen
Und aufmerksam durchs Leben gehen
Erlöst – und voller Lachen.

So hören wir die Worte nun
Die uns am Ende Gutes tun:
Vom  blinden Mann zu Jericho
Der, weil er ganz auf Jesus hofft,
sich mit der blöden Menge zofft
am Ende ist er froh.

Und wenn du fragst: was geht’s mich an?
Ich sage Dir: du bist der Mann!
Mit den verschlossnen Augen.
Ich sage Dir: du bist die Frau,
die meint, sie sei besonders schlau
Euch soll die Predigt taugen!

Lukas 18, 31-43

31Jesus nahm die Zwölfbeiseite
und sagte zu ihnen:
"Seht doch,
wir ziehen jetzt hinauf nach Jerusalem.
Dort wird alles in Erfüllung gehen,
was die Prophetenüber den Menschensohngeschrieben haben:
32Er wird den Heidenausgeliefert,
die unser Land besetzt haben.
Er wird verspottet,
misshandelt
und angespuckt werden.
33Sie werden ihn auspeitschen und töten.
Aber am dritten Tag wird er vom Tod auferstehen."

34Die Zwölf verstanden kein Wort.
Der Sinn dieser Worte
blieb ihnen verborgen.
Sie begriffen nicht,
wovon er sprach.
35Dann, als Jesus in die Nähe von Jericho kam,
saß ein Blinder am Straßenrand
und bettelte.
36Er hörte,
wie die Volksmenge an ihm vorbeiging,
und fragte:
"Was ist denn los?"
37Die Leute sagten zu ihm:
"Jesus von Nazaret kommt gerade hier vorbei."
38Da rief er laut:
Hab Erbarmen mit mir!"
39Die Leute,
die vor Jesus hergingen,
fuhren ihn an:
"Sei still!"
Aber der Blinde schrie noch viel lauter:
Hab Erbarmen mit mir!"
40Da blieb Jesus stehen
und sagte:
"Bringt ihn zu mir!"
Als der Blinde bei ihm war,
fragte Jesus ihn:
41"Was willst du?
Was soll ich für dich tun?"
Der Blinde antwortete:
"Herr, dass ich sehen kann!"
42Und Jesus sagte zu ihm:
"Du sollst sehen können!
Dein Glaubehat dich gerettet."
43Sofort konnte er sehen.
Er folgte Jesus
und rühmte Gott.
Auch das ganze Volk,
das alles miterlebt hatte,
lobte Gott





So mancher Mensch irrt sich gar sehr
Wenn er denkt er sähe mehr
als andere Menschen sehen.
So manche sind in Wahrheit blind
wie man es beim Maulwurf find
weil sie nichts verstehen.

Solche bilden sich dann ein
sie sollten was Besonderes sein
die die anderen führen.
Und laufen, peilungslos und ohne Plan
in die Irre, voller Wahn
Und ohne was zu spüren.

Solche Blinden kennt man gut
Und sie schüren unsre Wut:
vor allem, wenn sie an der Macht.
selbstverliebt und Gottvergessen
sind sie von sich selbst besessen:
und finden sich besonders gut.

Da möchte man so manches mal
schreien voller Seelenqual:
Jesus komm, Erbarme dich

Jeder ist ist seinem Leben
gelegentlich mal ganz daneben
und rennt mit Volldampf vor die Wand.
Und die Schuld wird dann gesucht
bei denen, über die man flucht
und die allzugut bekannt:

Der Chef, die Frau, der schwere Ranzen
Regierung, Kirche und das Amt für die Finanzen,
Sie treiben uns zum Wahnsinn hin!
Der Nachbar und sein Laubgebläse
Der Bauer und die Gartenfräse
rauben uns den letzten Sinn.

Und dann sind wir völlig blind,
dass wir selbst oft schuldig sind.
Denn was man reinruft, ruft der Wald zurück
Die eigne Blindheit sieht man nicht,
Das gibt der Sache sehr Gewicht
und raubt und jedes Lebensglück.

Denn es folgt daraus Geschrei
Gezeter, Mobbing, Keiferei
und die Luft wird ganz vergiftet.
Lauter Blinde schreien dann
einander ganz „erleuchtet“ an.
und die Stimmung driftet.

Da möchte man so manches mal
schreien voller Seelenqual:
Jesus komm, Erbarme dich

Solches sind die Geistesblinden,
die wir ganz beschwerlich finden,
vor allem, wenn wir´s selber sind.
Wir haben ganz schön große Lücken
Es fehlt uns doch in manchen Stücken
Der Durchblick und der Geisteswind.

Als Kanzelmann kann ich es sagen:
Wo ist der Ursprung dieser Plagen?
Ich darf es kühn die Sünde nennen.
Es brennt in uns kein Gotteslicht
drum ist es finster und sehr schlicht:
wir können Wahrheit nicht erkennen.

Wir sind in dieser Welt die Narren,
die doch auf ihrer Sicht beharren,
und wenn es auch Gespinste sind.
Ein Blinder, der zu sehen glaubt,
und so sich selbst die Würde raubt,
das sagt man doch, der spinnt.


Da möchte man so manches mal
schreien voller Seelenqual:
Jesus komm, Erbarme dich


Der Blinde einst in Jericho:
der war ganz gewiss nicht so.
und bittet um ein Wunder.
Obwohl er gar nicht sehen kann,
spricht er Jesus Christus an:
und wird dann ein Gesunder.

Er sieht, ganz ohne Augenlicht,
wer da zu ihm von Gnade spricht.
Die andern wollens ihm verwehren
Er aber weiß: sie sind die Toren,
die in Wahrheit schon verloren:
Der Blinde hat die Geistessicht!

Mit Jesus laufen viele rum,
viele aber auch sehr dumm,
weil sie nichts begreifen.
Sie sehen nicht, wer dieser ist:
Der Davidssohn, Erlöser, Christ
an dem wir alle reifen.

Sie meinen nur, sie wären fromm,
doch keiner ruft: Herr Jesus komm
und mach mich wieder heile!.
Weil sie sich für die Starken halten
wird ihr Herz bald ganz erkalten
und eingeschnürt in bittere Seile.


Da möchte man so manches mal
schreien voller Seelenqual:
Jesus komm, Erbarme dich

Ewig war der Sünder krank:
jetzt lacht er wieder, Gott sei dank!
Weil Gott der größte aller Narren ist:
Er liebt, obwohl wir ihn verspotten,
und lauter dummes Zeug vergotten
uns ohne Falsch und List.

Wir wollen doch nicht närrisch sein
und stimmen in den Ruf mit ein:
Herre Gott, erbarme Dich
Er macht dir die Augen auf
für den wahren Weltenlauf
wenn du rufst: Errette mich!

Denn wirklich weit hat´s nur gebracht,
wer zuletzt am Ende lacht.
und mit völlig klarer Sicht
in jedem Mensch den Narren sieht
für den das alles hier geschieht:
Gott der Herr vergißt dich nicht


Da möchte man doch allezeit
Schreien laut und ganz befreit:
Herre Gott, wir danken Dir!

Und die Moral von der Geschicht:
glaubt es mir, die gibt es nicht.
Gott will uns nicht belehren.
Er will dass wir in Frieden leben
und ab und zu mal einen heben:
Unser Lachen soll ihn ehren.

Dem wahren Narren dieser Welt
nur sein eignes Ich gefällt:
das ist wirklich blindes Huhn.
Da dürfen wir auch gern mal lachen
wenn die sich dick und wichtig machen:
Wir haben besseres zu tun.

Gut essen, trinken, feiern, lieben,
auch mal ´ne ruhige Kugel schieben
und suchen nach Gerechtigkeit.
Gemeinsam beten, hören, singen,
dann wird das Leben auch gelingen:
mit klarem Blick und Echtigkeit.

Echtigkeit? Was soll das sein`
Liebe Leut: mir fiel nichts ein.
Die Reime sind verbraucht.
Gemeint war nur das Wörtchen „echt“:
ihr merkt es auch, der Reim war schlecht.
und der Geist verraucht.

So kommt, bevor wir ganz erlahmen,
erbarmungsvoll auch hier:
das Amen.