Sonntag, 16. April 2017

Fürchtet Euch nicht! Osterpredigt 2017

Aus Urheberrechtlichen Gründen mit Verspätung: meine "Premiumpredigt" zum Ostersonntag 2017,
Mt 28. Wie immer: bezogen auf ein aktuelles Ereignis der Woche.


1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. 2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. 3 Seine Erscheinung war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. 4 Die Wachen aber erbebten aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. 5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. 6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat; 7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. 8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. 9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Die Bilder von den Attentaten in Ägypten stehen uns noch vor Augen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst ein weltweiter Konflikt geworden, der uns Sorgen macht, weil seine Auswirkungen bis zu uns spürbar sind. Überall auf der Welt sind vor allem Christen in Bedrängnis. Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt: hunderttausende unserer Glaubensgeschwister leiden unter Unterdrückung und Verfolgung, aus dem einzigen Grunde, dass sie sich zum auferstandenen Herrn bekennen. Aber auch Muslime leiden untereinander, auch wenn das nicht so stark unsere Aufmerksamkeit beansprucht. In Indien geraten Hindus, Sikhs, Moslems und Christen ständig aneinander, in Afrika verbreiten radikale Anhänger ihrer Religionen Angst und Schrecken. Die tödliche Macht der Religion steht uns vor Augen, wie schon lange nicht mehr. Dieses Ostern ist eingebettet in Gewalt. Woran liegt das? Was geschieht hier? Wieso verfallen gerade die, die doch dem Frieden, von dem die Religionen zumindest immer reden, so der Gewalt? Und warum werden gerade auch Christen ständig Opfer?

Es ist offensichtlich etwas am Glauben und an der Religion, das man ganz schnell missverstehen kann, so dass sich in sein Gegenteil verkehrt, was als heilsame Botschaft gedacht war.

Das ist von Anfang an so. Vergessen wir nicht: Der Ostermorgen ist der Morgen nach einem Justizmord. Jesus wurde Opfer genau jener Form von Gewalt, die wir gerade erleben. Es waren die Frommen, die ihn töteten, und es war ein religiös geprägter Staat, der den Mord vollzogen hat. Wenn davon die Rede ist, dass „die Juden“ und „die Römer“ Jesus getötet haben, wird genau das zum Ausdruck gebracht: Religiöse Fanatiker und kalte Machtmenschen. Es geht hier nämlich gar nicht um die Schuld „der Juden“ und „der Römer“. Etwas platt gesagt: wir sind alle mögliche Juden und Römer Sie stehen hier als Beispiele  dafür, wie Verblendung und Machtgier, wie Angst und falsche Gewissheiten, Vorurteile und Propaganda Menschen dazu bringen können, sich selber Schaden zuzufügen. Denn genau das ist ja hier geschehen! Mit der Ermordung des Jesus von Nazareth wurde der Bote der Liebe umgebracht, der Prediger der Versöhnung, der Gottessohn selber.
 
Warum? Weil er die Erwartungen der Menschen enttäuschte. Alle warteten, wie heute, auf einen Menschen, der die Erlösung bringt, der den Frieden bringt, der Unterdrückung und Not beendet, der Versöhnung ermöglicht. Genau das hat Jesus ja auch gebracht – aber eben auf eine ganz andere Weise, als alle erwartet haben. Nicht mit Gewalt, nicht mit Aufstand und öffentlicher Erregung, auch nicht durch Gründung einer revolutionären Gruppe oder einer politischen Partei. Jesus setzte konsequent auf die Macht des Wortes, und zwar eines Wortes, das Menschen nicht kleinmacht, erniedrigt und entwürdigt im Namen Gottes, sondern aufrichtet. Seine Worte waren Ermutigungen, Zuspruch und heilsame Zuwendung. Und zwar: ohne Voraussetzungen seitens der Menschen.
 
Er ging zu denen, die keine Hoffnung mehr hatten, weil sie keine Hoffnung mehr hatten. Er ging zu denen, die verzweifelt waren, weil sie verzweifelt waren. Er ging zu denen, die allen Glauben aufgegeben hatten, weil sie allen Glauben aufgegeben hatten. Er frug nicht nach Herkunft, nicht nach Würdigkeit und Zugehörigkeit, er überschritt alle Grenzen, auch und gerade die Grenzen der Religion und der Völker. Er heilte den Sohn des heidnischen, sprich: römischen Hauptmannes, er heilte die Tochter der syrophönizischen Frau, spricht: einer Ausländerin und erzählt sein schönes Gleichnis von der Nächstenliebe ausgerechnet von einem Samaritaner, einem verhassten „Ungläubigen“. Er pries die selig, die von den anderen ausgegrenzt wurden, er kritisierte die, die sich ihres Glaubens allzu gewiss waren, er ließ sich von politischer Macht nicht beeindrucken. Am Ende ertrug er die Gewalt, anstatt sie auszuüben und entlarvte sie auf diese Weise. Gerade die, die Gott allzusehr auf ihrer Seite wähnten, erwiesen sich als zutiefst gottlos – selbst seine Jünger ließen ihn im Stich!

 

Und nun hat Gott den, der so getötet wurde, auferweckt! Das heißt ja nichts anderes, als dass Gott diese Botschaft beglaubigt hat, dass Gott sich auf das Spiel von Gewalt und Gegengewalt nicht eingelassen hat. Das ist doch der Kern der Osterbotschaft: Gott vergibt seinen Mördern!
 
Mit dem, was an Ostern geschah, bricht eine ganz neue Welt an, das, was Jesus immer das „Reich Gottes“ nannte, und das alle missverstanden, weil sie meinten, er spräche von einem irdischen Reich, einen Gottesreich. Aber er sagt immer wieder. Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Aber es ist in dieser Welt, dort nämlich, wo Menschen Gottes Liebe vetrauen. Und hier liegt die Quelle des Missverständnisses: Wer meint, das Reich Gottes sei eine irdische Größe – der hat das Schwert schon in der Hand.
 
Es ist immer wieder der Wunsch nach dem Paradies auf Erden, das die Hölle beschworen hat!

 

Die Ostererzählung macht das sehr deutlich. Wir hören  sie durch den Filter von drei Generationen Erzählen – das Matthäusevangelium wurde erst rund 50 Jahre nach den Ereignissen aufgeschrieben – doch die Erschütterung ist noch zu spüren. Drei Frauen gehen zum Grab, um den hastig beerdigten Toten die letzten damals üblichen Ehren zu erweisen: den Leichnam waschen und salben. Man muss sich das Übermaß ihrer Verzweiflung vorstellen: Jesus war das ganz und gar unschuldige Opfer von religiöser und staatlicher Gewalt geworden. Ein unfassbares Ereignis, das eben nicht nur ein Leben zerstörte, sondern auch die Hoffnungen aller, die auf ihn vertraut haben.
 
Hier geht es um mehr, als um Trauer! Und dann erleben sie den nächsten Schrecken: Ein Erdbeben erschüttert den Boden, die vorsorglich aufgestellten Wachen fallen in Ohnmacht, ein Engel öffnet das Grab – und es ist leer. Panik macht sich breit. Der Engel spricht: „Ihr sucht den Gekreuzigten, er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat und nach Galiläa gegangen“. Das alles können wir uns ganz schwer vorstellen: Was genau ist hier geschehen? Die Auferstehung selber wird ja gar nicht berichtet, nur ihre Wirkung. Mit Furcht und Freude laufen die Frauen davon, eine wahrlich beindruckende Gefühlsmischung! Und schließlich sehen sie auch den Auferstandenen, und auch er sagt: Fürchtet Euch nicht!

Denn das ist im Grunde der Kern der österlichen Botschaft. „Fürchtet Euch nicht!“ Denn die Furcht ist die Quelle allen Übels: Menschen töten aus Angst. Aus Angst zu kurz zu kommen, aus Angst, vergessen und übersehen zu werden, aus Angst, ausgegrenzt und nicht geliebt zu werden, aus Angst von Gott verworfen zu werden. Das Reich Gottes aber ist das Reich, in dem die Angst besiegt ist, weil der Tod besiegt ist. Fürchtet Euch nicht vor Gott, denn er liebt Euch uneingeschränkt und will das Böse nicht. Fürchtet Euch nicht vor den Menschen, denn sie haben genauso Angst wie ihr!

Wem diese Botschaft zu wenig ist, wer meint: Hier müsse doch mehr sein, hier müsse doch mehr geschehen – der prüfe sich, ober er nicht schon auf dem Pfad ist, mit Gewalt durchsetzen zu wollen, was doch nur mit Liebe, Sanftmut und dem Wort durchgesetzt werden kann.
 
Das ist unsere Hoffnung für diese Welt voller Gewalt und Tod: dass dieser Glaube Frieden bringen kann und aller Menschenverachtung in Religion und Politik ein Ende macht. Und in diesem Glauben können wir auch beten für unsere Geschwister im Glauben, die um dieses Glaubens willen getötet worden sind und für die, die um sie trauern. In diesem Glauben können wir auch beten für alle, die im Grab von Hass und Verachtung gefangen liegen, dass Gott sie erleuchten möge -  wie er die drei Frauen am Grab und nach ihnen alle Apostel und Zeugen erleuchtet hat zu Boten des Friedens. Mehr als diese Hoffnung haben wir nicht.
 
Aber eine Hoffnung zu haben, ist das stärkste Mittel gegen die Angst: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Hallelujah!.

 

Fürbitte

 

Herr, unser Gott, durch Deine Auferstehung hast du den Tod besiegt und die Mächte des Todes in ihre Schranken verwiesen. Sie ist das starke Zeichen deiner Liebe, die noch ihren Feinden vergibt. Dafür danken wir dir, darüber freuen wir uns, daraus leben wir.

So bitten wir dich:

Lass Christus auferstehen in unseren Herzen und in den Herzen aller, die gefangen sind im Grab der Angst, der Verzweiflung und des Hasses. Schenke den Regierenden Weisheit und Nüchternheit, den Völkern Geduld und Großmut. Denen, die in deinem Namen Töten, falle in den Arm, heile ihren Irrtum. Widerspreche denen, die dein Wort missbrauchen, um Menschen zu demütigen und zu erniedrigen. Lass Deine Kirche ein Botin des Friedens sein, die selbst Versöhnung mit den ärgsten Feinden sucht. Erweiche die harten Herzen, rolle alle Steine weg, die auf unserer Seele liegen, schaffe den Armen Gerechtigkeit, tröste die Trauernden, nimm die Toten bei dir auf. Lass das Wort der Freude in die Welt gehen und gehört werden: Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.