Man kann viel theoretisieren, aber für uns Pfarrer im Boten- und
Bodendienst (und ich rede jetzt mal schon so, als ob, sind ja nur noch
ein paar Wochen) sind die Fragen nach der Bedeutung der Ehe höchst
konkret: wir tun´s nämlich und müssen mit klaren Worten vor die Menschen
treten, die von uns nicht Geringeres als den Zuspruch des Segens
erwarten (und nicht etwa eine Grundsatzdiskussion über´s Heiraten)!
Ich
hatte die große Freude, schon vor fast einem Jahr, als von Bewerbung,
geschweige denn Besetzung noch keine Rede war, in Großenritte eine
Trauung angenommen zu haben.
Die habe ich nun gestern vollzogen, und schön war´s.
Trauungen
sind gar nicht mehr so häufig, meine letzte ist fast 3 Jahre her (!),
nicht nur, weil ich keine mehr hatte, sondern weil tatsächlich die Zahl
zurückgeht.
Und ich denke, wir sollten darum ringen,
sie wieder in die Kirche zu holen. Denn wir haben zu diesem Thema etwas
zu sagen, was sonst keiner zu sagen hat. Freilich: Es sollte dann auch
gesagt werden!
Unverbindliches
Mainstream-Liebes-Kitsch Blabla oder pseudokritisches Ehe-Bashing auf
der Kanzel machen die Trauung belanglos. Die Predigt hier ist steil, und
weil sie steil war, wurde zugehört, klar war es auch eine
Herausforderung. Aber wer Spaß haben will, soll sich ein Helene-Fischer
Ticket kaufen, das kann die nämlich besser. Überhaupt: Alles andere
können nämlich auch alle anderen besser. (Für mich ein Sparkriterium
übrigens). Aber Segen zusprechen: das können nur wir.
Auf
der Kanzel jedenfalls bewährt sich, was gefahrlos sonstwo diskutiert
werden kann (weswegen ich übrigens immer fand, dass die Theologen und
Theologinnen, die einigermaßen regelmässig predigten, auch zuverlässiger
waren).
Nebenbeibemerkt sind "Trauungen" natürlich gar
keine solchen bei uns Evangelischen, sondern einfach nur
Segensgottesdienste anläßlich einer Eheschließung. (Wüßten das alle,
hätten wir den Kampfplatz gar nicht, den wir gerade haben. Die Heteroehe
ist nur insofern priviligiert und besonders segensbedürftig, als dass
ihr die natürliche Fähigkeit zur Fortpflanzung mit all ihren auch körperlichen Risiken innewohnt.
Das
ist heute etwas aus dem Blickfeld geraten, aber der sog.
"Fortpflanzungsbefehl" war für die Alten eine ZUSAGE, dass es auch
gelingt und Mutter und Kind es auch mehrfach überleben, man beachte den
Kontext der Paradiesgeschichte mit Evas Fluch. Das ist der wesentliche
Unterschied zu allen anderen Lebensformen mit sexueller Motivation: Das
Schwangerschafts- und Geburtsrisiko sowie die ersten Monate der
Aufzucht. Zu deren sozialer und emotionaler Absicherung dient die Ehe
vor allem.
Und egal, wohin der Zug fährt: wenn wir die
Frauen hier institutionell alleine lassen, weil wir keine feste und
gegebenenfalls einklagbaren Bindungversprechen etablieren, dann tun wir
uns nichts Gutes.
Der Geburtenrückgang spricht für mich an dieser
Stelle Bände. Frauen scheuen - verständlicherweise, so wie die Dinge im
Moment liegen - das Risiko von Schwangerschaft und Geburt. Hat es sie
früher in das gesellschaftliche Leben überhaupt erst hineingekickt,
kickt es sie jetzt oft genug heraus. Wir haben kein Problem mit dem
absoluten Minderheitenphänomen "Homo-Ehe". Wir haben ein Problem mit dem
Mehrheitenphänomen Hetero-Ehe).
Jedenfalls ist eine "Trauung",
weil Gottesdienst, ein öffentliches Ereignis, und folglich ist auch die
Predigt common issue. Das nur so nebenher. Ich habe die Namen natürlich
rausgenommen. Und falls es jemanden auffällt oder gar ärgert: ich
verwende immer das liturgische Du, es sei denn, dass ich zu persönlichen
Dingen etwas sage. Wir sind im Gottesdienst in einem heiligen
Rollenspiel. Das sollte ruhig hörbar werden.
So,
Blablah finito: Der Text der Ansprache. Darf übrigens von jedem gerne
verwurstet werden, Predigten unterliegen nicht dem Copyright. Wir sind
keine Künstler oder Literaten, auch wenn mancher so auftrittt
(lächerlich).
Ansprache zur Trauung, Großenritte, 29.6.2013.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. 1. Kor 13,13
Liebes Brautpaar, Liebe Angehörigen, Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Diesen
Vers habt ihr ausgesucht als den Vers, der als Segensspruch über Eurem
gemeinsamen Lebensweg stehen soll. Der ja heute nicht beginnt, aber
einen, wie es heutzutage so schön heißt, neuen Level erreicht. Ihr macht
es nochmal: jetzt vor Gott und vor dem Zeugen aus Familie und Gemeinde.
Verheiratet seid ihr ja schon eine Weile, vor dem
Gesetz, bürgerlich verheiratet. Ihr habt den großen Vertrag schon
geschlossen: Miteinander, voreinander und vor dem Staat. Er verspricht
Euch, Eure Ehe zu schützen und zu stützen, ihr versprecht ihm, die
Gesetze zu halten. Das ist alles.
Aber wer unter der
Golden Gate Bridge heiratet, im fernen Amerika, der will natürlich mehr.
Das Foto hat mich beeindruckt, wo man dieses imposante Bauwerk im
Hintergrund sieht. Der Name ist ja ein Programm: durch die Bucht von San
Franzisko, das „goldene Tor“, kamen die Goldsucher während des großen
Goldrausches 1848 ins Land, auf der Suche nach dem Glück. Die wenigsten
fanden es, wie wir wissen. Und Gold ist auch nicht das Glück. Und doch
ist die Brücke ein Symbol für die Suche nach dem Glück.
Für den christlichen Glauben hat das Glück einen Namen: Es heißt „Segen“. Wer gesegnet ist, darf sich glücklich schätzen.
Und
Segen: Der kann nur von Gott kommen. Denn ein Segen: das ist der
Zuspruch der Kraft Gottes. Wenn jemand gesegnet wird, dann heißt das:
Die Kraft Gottes liegt auf dir. Und deswegen seid ihr hier. Und ich
glaube, ich darf es sagen: Anders als bei vielen anderen Ehepaaren, die
hier manchmal strahlend, ein wenig naiv und unbekümmert fröhlich sitzen,
wisst ihr schon sehr genau, wozu ihr den Segen braucht und warum. Ihr
wisst schon, dass die Ehe - wie das Leben überhaupt - ein Weg ins
Ungewisse ist. Und dass sie, mehr als jede andere Form des menschlichen
Lebens, einen Segen braucht: den Zuspruch der Kraft Gottes. Eine Ehe
kann nicht aus sich allein heraus leben. Sie braucht die Unterstützung
von Außen. Und genau um die geht es hier.
Einmal haben
wir da das Wort Jesu, das wir gleich noch hören werden. Es ist
sozusagen der Anlass, warum wir überhaupt Hochzeit feiern: Weil Jesus
davon spricht, wozu die Ehe da ist. Als Gott die Menschen schuf, schuf
er sie als Mann und Frau, sagt Jesus und bezieht sich damit auf die
Schöpfungsgeschichte. Und dann sagt er: Und darum wird ein Mann Vater
und Mutter verlassen und sie werden ein Fleisch sein. Es geht gar nicht
vordergründig um Familie, wie manche meinen. Es geht um Menschwerdung
und Menschsein.
Und dahinter steckt ein wundervoller
Gedanke: Dass Mann und Frau nur zusammen einen ganzen Menschen ergeben.
Als Mann und Frau sind sie das Ebenbild Gottes. Denn Gott ist die Liebe.
Um nicht mehr und nicht wenig geht es in der christlichen Ehe: Die
beiden verschmelzen zu einem Körper, zu einem Leib, zu einem Fleisch und
werden darin ein Ebenbild Gottes, und das ist sowohl ganz wörtlich als
auch ganz geistlich gemeint. Und dieser Gedanke steht hinter jenem Vers
des Apostels Paulus, den ihr ausgewählt habt: „Glaube, Hoffnung Liebe,
diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“. Und wenn die Ehe
tatsächlich das stärkste Ebenbild der Schöpfung ist - dann müssen
Glaube, Hoffnung und Liebe für sie eine besondere Rolle spielen. Schauen
wir sie uns noch einmal an:
Der Glaube: das ist
nichts anderes als blindes Vertrauen. Denn der Glaube, so heißt es an
andere Stelle, ist das Vertrauen auf das, was man nicht sieht. Wie
anders als in solchem Vertrauen, als in solchem Glauben kann eine Ehe
funktionieren? Als es im beim Sport „Peng“ machte - war das das Ergebnis
langen Nachdenkens? Hast Du ein Notizbuch rausgezogen: Aha, so und so
groß, so und so alt, die habe ich gesucht? Hast Du in Deinem
Traumtypenapp geblättert und gesagt: Aha, der und der Beruf, vom Dorf,
so und so groß - den nehme ich? Habt ihr Euch erst Fragebogen vorgelegt
und bei der Schufa angerufen?
Wohl kaum. Es hat Euch
etwas angezogen und hingezogen, ihr habt einfach geglaubt, was mit Euch
passiert ist. Und dieser Glaube ist die Keimzelle der Liebe. Hier
erfahren wir Menschen, wie es Gott mit uns macht und meint: Blindes
Vertrauen. Ja sagen auf Hoffnung hin.
Und damit sind wir bei der Hoffnung. Und da wird es jetzt heikel.
Die
Hoffnung wird nämlich gerne verwechselt mit der Illusion. Das fällt mir
oft auf, gerade in den letzten Jahren, wo das Christliche immer mehr
verschwindet. Je weniger die Menschen glauben, umso mehr verwechseln sie
Hoffnung und Illusion. Aber die christliche Hoffnung ist nicht die
Illusion: „alles wird irgendwie gut“. Es geht nicht um Vertröstung und
Verweigerung der Wirklichkeit. Hoffnung ist das tiefe Vertrauen, dass in
allem was ist, Gottes Liebe zu finden ist.
Letztlich
bedeute die Hoffnung nichts andere als den Glauben daran, dass alles
einen Sinn hat, auch wenn wir ihn nicht sehen. Nicht das Glück ist
entscheidend für ein gutes Leben, sondern die Fähigkeit, Glück und
Unglück gleichermaßen zu ertragen und zu teilen: das ist eine gesegnete
Beziehung! Nicht Stärke ist entscheidend, sondern die Fähigkeit, mit den
Stärken und den Schwächen zu leben und sie zu teilen. Ihr seid beide
sportliche Menschen, und Sie [Ehemann] sogar in einem Bereich, der schon
fast ein Risikosport ist: Ihr wisst, wie wichtig das Vertrauen ist und
die Hoffnung, wie man die eigenen Kräfte kennen muss und die eigenen
Schwächen, wie man sich auf die Mannschaft verlassen und muss auf den
Coach: In der Ehe seid einander Mannschaft und Coach, und den größten
Sieg habt errungen, wenn ihr beide gewonnen habt. Gegeneinander wird’s
nichts. Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei, aber die Liebe ist die
wichtigste. Denn sie ist der Grund der Ehe. Und zugleich die Trophäe:
ein Fleisch!.
Und darum ist die Ehe für den
christlichen Glauben so wichtig. Sie ist selber eine Art Gemeinde, wie
viele andere Formen des gemeinschaftlichen Lebens auch, wenn sie unter
dem Wort Gottes stehen. Und darum feiern wir einen Gottesdienst mit der
Gemeinde. Die ist mehr als nur das tobende Publikum, sie spielt mit: Wir
beten für Euch: Dankbar, freudig, Mitfühlend. Ihr geht nicht allein.
Wir glauben für Euch, wenn Eure Glauben schwach ist. Wir hoffen für
Euch, wenn Eure Hoffnung schwach ist. Wir lieben für Euch, wenn Eure
Liebe schwach ist, denn in Wahrheit ist es Gott, der dies alles an uns
tut.
Und wenn ihr Glaube, Hoffnung, Liebe, wie es uns Menschen manchmal so geht, aus den Augen verloren habt:
Dann
erinnert Euch an diesen Moment, an diesen Tag, an dieses Ja! - und sie
wird wieder sichtbar werden, die Liebe, und mit ihr der Glaube und die
Hoffnung. Dann macht einen Spaziergang am Sonntagmorgen und geht in
diese Kirche in den Gottesdienst: und ihr werdet Euch heilsam erinnern.
In Wahrheit werden gute Ehen nämlich jeden Morgen neu geschlossen, ach
was: Mit jedem Blick neu geschlossen: Danke, das Du da bist! Mit diesem
Satz geht ihr jeden Morgen aufs Neue durch das Golden Gate, durch das
Tor der Liebe. Es ist das große JA! Gottes in kleiner Münze. Es ist der
tägliche Segen als das tägliche Glück.
Wenn ihr so anfangt: jeden Tag mit Glaube, Liebe, Hoffnung, wird der Rest wird sich finden.
Amen.
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