Donnerstag, 21. April 2022

Postheroischer Hymnus

 Postheroischer Hymnus



Wer ist nun noch blind genug

zu singen von helden

zerfetzt in den gräben

verbrannt in maschinen

in den kellern verschüttet

vergewaltigt, verschleppt, verhungert? 


Wer wagt es 

Achill zu beschwören, 

das eitle narzisstische vieh

Siegfried, 

den unverwundlichen deppen

Jaël, 

die schädelspaltende, 

frevelnd am gastrecht 

David, 

den schlingenschwingenden brecher der regeln von ehre und zweikampf?


Der krieg hat verloren: 

da gibts nichts zu dichten

was es zu singen gibt

erzeugt nur noch ekel

und die schmerzhafte liebe zu dir, 

weise kassandra. 

kenntest du doch

den getöteten gott aus judäa: 


Dein liedloses unheil 

wäre umschlungen 

von singbarem. 


So bleibt nur 

verstummende scham. 

Und das dröhnen der waffen . 


Dienstag, 19. April 2022

Religion

blut kristallenes leben 

zerknirscht unter weihen 

verlogenes träumen

ewigen lebens 

ihr nennt es opfer 

es ist aber: mord.



Dienstag, 12. April 2022

Nicht wirklich

 Es ist keine finsternis  

Es fehlt bloß das licht. 

Es ist kein schrecken

Es fehlt bloß das Glück. 



Kyrie eleison 

Schwester Sonne.

 Auch auf die Sonne

Herrliche, schreckliche

Lachende brennende

Alles versegende

Lebensspendende 

wartet 

in kollaps

das schwarze Loch. 


Kyrie eleison 

Montag, 11. April 2022

Wissen/Tod

Wissen/Tod


Die einen: drei Tag triefnase. 

Die andren: drei wochen  atemmaschine. 

Noch andere: drei monate schwäche. 

Wieder andere: Tod


Noch unsere großeltern: 

ausgeliefert, ohne option,

ratlos, namenlos bedroht: strafangst. 


Was geht vor  in den verächtern des wissens

den komplizen des vermeidbaren Unheils? 


Kyrie eleison  





Sonntag, 10. April 2022

Karwoche

Ich liege im bett

höre radio

und möchte erst recht nicht mehr aufstehen.

So liege ich mitten im leben. 

Wie hast du es

aus dem grab geschafft? 

Ich schaffe es grad

mit mühe zum klo.  

Kyrie eleison

Samstag, 9. April 2022

Passion

so ein unhörbares schreien 

ist in der welt

lauter als der schrei der gebärenden 

stumm geworden unter 

dem beschwichtigenden muff der talare

dein schrei 

Kyrie eleison. 

Freitag, 8. April 2022

Frommer Wunsch

 Wenn alles nur ein traum ist

und träume der spiegel sind

dessen, was der fall ist,

dann möchte ich gar nicht 

aufwachen.  

Es sei denn

Neben dir

Kyrie eleison 

Donnerstag, 7. April 2022

Evolution

Draußen ist sturm

und drinnen

ist sorge  

aber nicht vor dem sturm,

der halt ein sturm ist,

sondern vor dem unbeschreiblichen elend 

der dummheit. 

Warum ist der mensch 

so verloren 

mit seinem großen gehirn?

Wie ich meine katze beneide.

Kyrie eleison 


Feindes Feind. Andacht zur Tageslosung am 11.4.

 Lo  Seid getrost und unverzagt alle, die ihr des HERRN harret!

Ps 31,25

 

Liebe Gemeinde Schwestern und Brüder

 

Der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns alle. 

Diese Passionszeit ist erfüllt

von Bildern namenlosen Schreckens. 

Wir haben einen Krieg vor der Haustür 

 

und ganz neu und anders und

stärker als jemals vorher stellt sich

die Frage,

die wir lange verdrängten: 

 

Ist Wladimir Putin und das wofür er steht

unser Feind

 

Und können wir wollen, was der Eingangspsalm (Psalm 143) will: 

Seine völlige Vernichtung, 

durch Gott sogar? 

 

Jeder von uns wird den Moment gehabt haben

wo genau dieser Wunsch stark war: 

Tod dem Töter. 

 

Doch was ist dann mit der christlichen

Feindesliebe?

Was mit der Hoffnung auf Frieden

und der Vergebung? 

Was mit Freundlichkeit, Langmut, Geduld?

 

Dazu ein paar hilflose Gedanken,

die vielleicht in ihrer Hilflosigkeit

eine Hilfe sein können. 

 

Die Feindesliebe meint nicht Sympathie

mit dem Feind.  

 

Es geht nicht darum, 

ihm gegenüber warme Gefühle zu hegen

und zu leugnen, 

dass er der Feind ist. 

Der Feind ist doch nur 

der Extremfall des Nächsten

und der Extremfall meiner selbst. 

 

Sonst bräuchte es kein Dreifachgebot der Liebe.

 

Dass Jesus  überhaupt von der

Feindesliebe spricht 

zeigt,

dass es Feinde gibt

in der unerlösten Schöpfung, 

die der Vollendung noch harrt.

 

Die Feindesliebe meint nicht, dass

es keine Feinde gibt.  

Schließlich sagt Paulus, dass Gott sich mit uns

versöhnte, als wir noch Feinde waren, 

seine Feinde. 

Dafür steht das Kreuz

 

Und das ist die Spur

 

 

Feindesliebe meint 

dass wir dem Hass  nicht nachgeben, 

der nach uns greift.

 

Es geht darum, dass wir unserem Feind nicht

ähnlich werden, 

Dass wir nicht unseres Feindes Feind werden, 

sondern Gegner des Bösen, das er tut. 

 

 

Der Feind als Feind will unsere

Vernichtung und unsere Zerstörung 

Dass ist der Sinn des Krieges,  seit es ihn gibt. 

 

Und deswegen muss er als Feind ausgeschaltet

werden 

bewegungs- und handlungsunfähig

gemacht werden. 

Und das muss entschlossen

geschehen.

Und das muss radikal geschehen und

das muss auch schnell geschehen

Denn auch der Krieg

ist eine ansteckende Seuche.

 

Und dabei machen wir uns immer schuldig, 

oder besser: Die Schuld, in der wir leben, 

wird bis an die Erträglichkeitsgrenze sichtbar.

 

Denn der Krieg ist das Menschenmögliche. 

Jeder Krieg beschädigt uns alle.

Schon dass es ihn gibt, ist beschämend. 

Jeder Krieger

ist ein Akteur des Todes. 

 

Darum ist es tröstlich zu hören: 

 

Der letzte Feind der besiegt wird 

ist der Tod.

Golgatha ist das finale Schlachtfeld, 

und die schrecklichen Bilder der Apokalypse, 

des letzten Buches der Bibel

das die letzte Schlacht Gottes schildert,

kaum zu ertragen,

ist nichts anderes als die Ausschmückung 

dessen, was am Karfreitag geschieht: 

Gott stirbt, 

um die Gewalt zu entlarven, als das, was sie ist: 

gottlos. 

 

Und der Karsamstag ist der Tag

der Stille nach der Schlacht. 

von der Arthur Wellington, 

der Sieger von Waterloo, sagte: 

„ Das größte Unglück ist eine verlorene Schlacht, das zweitgrößte eine gewonnene. “.

 

 

Und deswegen sind

auch alle die unsere Feinde 

die Akteure

des Todes sind 

und Wladimir Putin steht

im Moment genau dafür

ein Akteur des Todes zu sein 

ein freund des Todes

 

Der Mensch Wladimir Putin 

den ich persönlich überhaupt nicht kenne 

sondern

nur aus dem Fernsehen

spielt dabei dabei

keine Rolle. 

Möglicherweise ist er wirklich 

ein netter Kerl. 

 

Es geht nicht darum was er ist

das liegt allein in Gottes Urteil.

Und da vertraue ich auf seine Gnade und sein Gericht

Dem er sich wird stellen müssen. 

Auch für ihn liegt die Verwandlung bereit. 

 

Hier geht Gott, 

dafür steht das Kreuz, 

über die Bitte des Psalmes hinaus, 

den wir am Anfang beteten: 

Der Feind, der vernichtet wird, 

ist das, 

was tödlich ist an ihm und seinen Leuten, 

 

auch ihnen blüht die Verwandlung. 

 

Es ist, etwas paradox gesagt, 

eine Vernichtung des Vernichtenden

zum Leben. 

Das aber

ist nicht unser Werk.

 

Hier aber heute und jetzt 

geht um seine Handlungen 

und die sind

jetzt und hier abgrundtief böse

verachtenswert

und müssen beendet werden,

das wird nicht einfach 

Da kommen wir nicht sauber raus.

Aber es muss um

der Menschen willen geschehen, 

die deswegen sterben müssen 

und zwar auf

beiden Seiten. 

 

Von denen her müssen wir

denken: vom sterben der anderen.

Die Kunst ist immer

dass ich nicht meines Feindes Feind 

werde,

dass ich nicht so werde wie mein Feind 

Die Herausforderung an uns Christenmenschen

die fast schon paradoxe und schwere

Erwartung ist:

dass wir

sanftmütige Feinde sind.

 

Wir sind schon weit gekommen, 

Vergessen wir das nicht: 

Der Krieg als solcher gilt schon als Verbrechen, 

er ist geächtet als Mittel der Politik, 

das war noch vor einem Jahrhundert ganz anders. 

Der Preussische General Clausewitz hat es formuliert, 

und es war 200 Jahre Dogma:

Der Krieg ist die Fortsetzung von Politik 

mit den Mitteln der Gewalt. 

Wir wissen heute: 

Krieg ist das Scheitern der Politik 

vor der Gewalt

Er beschämt das gesamte

Menschengeschlecht

Und verwundet uns alle. 

 

 

Das ist für mich 

der Hoffnungsschimmer.

In all den verworrenen Diskussionen der letzten Wochen

war das immer deutlich zu spüren: 

Krieg ist, was keiner, 

der bei Sinnen ist, 

wirklich will. 

 

Das mag wenig sein. 

Doch das ist es, 

Was wir Christenmenschen immer wachhalten müssen: 

Krieg soll nicht sein, 

und die Rache liegt

in der Hand Gottes

der Vernichtung nicht will. 

 

Aber mir hilft es, 

meinen Hass in den Griff zu bekommen. 

Denn die Ukraine ist die Heimat meiner Väter. 

Mich schmerzt dieser Krieg, wie kaum ein anderer es je tat.

Mir hilft es zu hören,  

was die Losung sagt:

Am Ende dieser komplizierten Gedanken, dieses hilflosen Gestammels, 

steht ein einfacher Satz, 

der dem Psalm des Beginns ins Wort fällt: 

 

Seid getrost und unverzagt alle, die ihr des HERRN harret!

Ps 31,25

 

 

Mittwoch, 6. April 2022

Traum

gestern dachte ich noch: 

das geht mich nichts an. 

gestern dachte ich noch: 

das ist ja weit weg. 

gestern dachte ich noch:

die regeln das schon 

heute wache ich auf

schweißgebadet

vor scham und sorge

ekel und gram

Kyrie eleison  


Tausch

 Die Wahrheit des Krieges:

Die Lüge vom Frieden. 

Kyrie eleison. 

Dienstag, 5. April 2022

Fataler Irrtum

Im glauben geht es nicht um glück.

Es geht um leben im unglück.

Kyrie eleison 

Löcher

 

Es ist schon hart
dass, was gedacht ist als 
öffnung der erleichterung 
nun als bild dient
für menschen, die nur 
beschwernis machen. 
Was sie eint, über den abgrund
der  analogie:
Der geruch. 
Kyrie eleison. 

Montag, 4. April 2022

Doppelte Kontingenz

 Nur schlichte gemüter

halten schlichte gemüter

für schlichte gemüter. 


Herr, bewahre uns. 


Macht und Herrschaft, Premium-Predigt Judika 2022 Mk 10.35-45

(Die Predigt wurde für das Projekt "Premium Predigt" des Bergmoser und Höller Verlages geschrieben, deswegen kann ich sie heute erst veröffentlichen.  Der Wortlaut dieser Predigt weicht von dem, was ich gestern gepredigt habe ab, der leitende Grundgedanke ist aber derselbe).  

Mk 10,35-45

35 Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden. 36 Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? 37 Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. 38 Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde? 39 Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; 40 zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist.

 41 Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. 42 Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an.

43 Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; 44 und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.



Liebe Gemeinde,

„Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an“. Es klingt wie ein Naturgesetz, was Jesus hier sagt. Herrschaft scheint überhaupt nur als Gewalt einiger über viele denkbar zu sein. Und Gewalt meint: Den anderen zwingen, zu tun, was er nicht will unter Androhung von Schmerz oder Vernichtung. 

Der Ukrainekrieg führt uns das gerade wieder vor Augen, und zu all dem Schrecken, den die Bilder in uns auslösen, kommt noch eine Art Enttäuschung, ein Unbehagen, ja sogar eine tiefe Frustration darüber, dass dieser Satz Jesus mehr zu stimmen scheint, als uns in den Jahren des Friedens, die wir erleben durften, lieb geworden ist. Herrschaft, so scheint es, ist tatsächlich letztlich nichts anderes als die Ausübung von Gewalt, und Macht ist letztlich nichts anderes als die Ermächtigung, Gewalt auszuüben. 

Ist also die Demokratie, ist das, was wir im sogenannten Westen kultivieren, eine Selbsttäuschung? Ist die Vorstellung davon, dass man Herrschaft so einzäunen kann, dass daraus Regierung wird, ein Irrtum? Ist die Vorstellung falsch, dass die Gewalt, wenn sie schon nicht ausgerottet werden kann, so aber doch durch Teilung, durch Recht und Gesetz, durch Kontrolle und Beobachtung eingehegt und gezähmt werden kann? 

Der simple Satz, dass wir gegen den Krieg sind, reicht da sicher nicht aus. Auch das System Putin ist "gegen den Krieg". Deswegen nennen sie es „militärische Spezialoperation“. Das Gefühl, dass Gewalt und Krieg letztlich doch keine wirklich guten und moralisch vertretbaren Handlungen sind, scheint selbst dort angekommen zu sein. Erschrecken ist natürlich auch, dass die russisch-orthodoxe Kirche, jedenfalls auf der Ebene ihrer Leitung, so geschlossen und eindeutig die Gewalt bejahrt und unterstützt, die hier entfesselt worden ist.

Das Thema „Macht und Gewalt“ hat uns gerade massiv am Wickel und verunsichert uns als Christen sehr. Das ist deutlich zu spüren. „Ihr wisst, Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an“ – der Satz, den Jesus sagt, geht ja noch weiter: „Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“. Der Zusammenhang von Macht und Gewalt wird hier von Jesus gerade aufgelöst. Macht und Gewalt müssen nicht miteinander verkoppelt sein. Es ist gerade kein Naturgesetz. 

Wie macht er das? Jesus fragt nach der Funktion von Macht. Er sagt nicht: Es darf keine Macht geben. Das wäre sehr naiv. Sondern er gibt der Macht eine Aufgabe, ein Ziel und eine Funktion: Die Macht soll dienen. Und zwar „den Vielen“. Gemeint sind: die Menschen. Macht soll den Menschen dienen, und wer Macht hat und haben will, soll nicht Herrschen, sondern sich in den Dienst der Menschen stellen. Die Macht erhebt sich also nicht über die Menschen, sondern sie unterwirft sich ihnen. Sie ist kein Selbstzweck. Sie hat eine Aufgabe. 

Jesus sagt dann weiter – und das klingt auf den ersten Blick ein wenig rätselhaft: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“. Der Menschensohn: damit beschreibt sich Jesus gerne selbst, es ist ein Wort aus der jüdischen Tradition und es meint letztlich den Boten Gottes, den von Gott abgesandten, der, der Gottes Macht auf der Erde repräsentiert. So sieht sich Jesus. Er ist der von Gott Abgesandte, der mit der Macht Gottes beschenkte Mensch, der diese Macht aber nun eben nicht zum Herrschen benutzt, sondern dazu, sein Leben hinzugeben für die vielen. 

Damit spielt er auf seinen Tod an. Dass Jesus sterben wird, und zwar von der Hand mächtiger Menschen, dass Jesu ein Opfer der Macht, der falschen Macht, der Macht der Gewalt wird: gerade darin zeigt sich seine Macht. Sein Tod wird befreiende Macht haben, so wie ein Lösegeld, mit dem man Geiseln befreit. Worin besteht diese Befreiung? Sie besteht darin, dass im Tod Jesus etwas sichtbar wird: dass Macht, die sich als Herrschaft versteht und Gewalt ausübt, gegen den Willen Gottes ist. 

Denn was geschieht am Karfreitag? Die weltliche Macht, repräsentiert durch die Römer und die von ihnen eingesetzte jüdische Regierung, wird Jesus im Namen Gottes töten. Aber Gott lässt diesen Tod nicht gelten. Er hebt ihn auf. Gott widerspricht der Gewalt in der Auferstehung. Das Kreuz soll nicht sein. Das Kreuz entlarvt die Macht der Gewalt als falsche, anmaßende und lebenszerstörende Macht. Das Kreuz ist ein deutliches, unübersehbares Zeichen dafür, dass Gewalt nach Gottes Willen nicht sein soll. 

Hier zeigt sich ein völlig neues, völlig anderes Verständnis von Macht. Macht wird nicht als Gewaltausübung verstanden, sondern als Hingabe. Und Hingabe ist nicht anderes als äußerste Liebe, der tiefste Akt der Zuwendung, den wir uns als Menschen überhaupt vorstellen können. Der gewaltsame Tod Jesu ist ein Zeichen für das Ende der Gewalt von Gottes Seite aus. Nie wieder wird sich Gewalt und wird sich Herrschaft, die sich auf Gewalt stützt, auf Gott berufen können. Macht ist nur als Hingabe, als Liebe, als Zuwendung, als Lebensförderung denkbar und möglich. Alles andere ist Missbrauch von Macht, ist ihre Perversion. Das heißt also: Nicht die Macht ist böse, aber die Art und Weise, wie sie ausgeübt wird, die kann böse sein. Nämlich dann, wenn sie Leben zerstört, anstatt Leben zu ermöglichen. Das ist an Klarheit nicht zu überbieten und völlig eindeutig.

 

Jesus sagt das zu seinen Jüngern, die genau das nicht verstanden haben. Die beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, haben eine Bitte an Jesus: sie möchten gerne, als Lohn für ihre Treue, am Ende der Zeiten neben Jesus auf dem Thron sitzen und mit ihm herrschen. Aber Jesus weist dieses Ansinnen ab. Sie werden nicht die Kraft haben, den letzten Weg zu gehen, den Jesus geht. Denn nur Gott selbst kann den Weg durch die Gewalt gehen, und sie so beenden. Bekommen Menschen Macht in die Hand, ist die Gefahr immer da, dass sie zur Gewalt wird. Denn die letzte Kraft zur Liebe fehlt uns. Die totale Hingabe ist uns nicht möglich. Davor haben wir viel zu viel Angst. Denn heißt totale Hingabe nicht, dass man sich selbst dabei völlig aufgibt? Nur Gott kann das. Nur Gott hat die Macht zur totalen Liebe. So weist Jesus das Ansinnen der Jünger ab. Nur Gott kann dafür einstehen, dass Macht nicht zur Gewalt wird. Nur er kann den letzten Weg gehen, den Weg durch den Tod in das Leben, durch die Gewalt in die Gewaltfreiheit.

Und was heißt das nun für uns? Wie umgehen damit? Diese Sätze Jesu zeigen uns, dass wir gegen unseren natürlichen Impuls, Macht als Gewalt zu denken, angehen müssen. Dass wir immer damit rechnen müssen, dass Macht zur Gewalt führt. Und dass wir deswegen alles für tun müssen, Macht zu begrenzen und einzudämmen, dass wir mit Macht ganz vorsichtig umgehen müssen, dass wir auf der Hut sein müssen. 

In der Tat: Diese Sätze Jesu sind ein Stachel in unserem Fleisch. Sie sind eine massive Kritik an unserem sogenannten normalen Denken. Indem Jesus Macht nicht mit Gewalt verbindet, sondern mit der Liebe, verändert er den Umgang mit Macht. Diese Worte Jesu hatten eine große Wirkung. Sie sind einer der Gründe, warum in unserer, der sogenannten westlichen, der christlichen Welt, Methoden der Aufteilung von Gewalt entwickelt worden sind, die Gewaltenteilung, die die Grundlage aller Demokratie ist, die Idee, dass wir die Macht nur zeitlich befristet verteilen und dass die Macht von Volk, von den vielen verliehen wird und das Macht nur verliehen wird, um sie in den Dienst der Menschen zu stellen. 

Dieser Gedanke ist einer der Grundlagen unserer Kultur – und genau dieser Gedanke wird gerade durch den Krieg in der Ukraine in Frage gestellt. Dieser Krieg ist nicht nur ein Krieg eines Volkes gegen ein anderes. Es geht hier nicht nur um Ressourcen und Einfluss. Es geht hier auch um die Demokratie, es geht hier auch darum, wie Macht ausgeübt werden kann und darf. Dieser Krieg richtet sich zutiefst gegen unsere moderne, christliche fundierte Tradition. Das ist die große Beunruhigung, die er auslöst. Und darum müssen wir, gerade als Christen, diesen Kampf auch unterstützen. Mit unseren Gebeten, die nicht ablassen dürfen, um Frieden zu bitten. Aber auch ganz konkret mit Waffen und Beistand. 

Die Gewalt, die hier entfesselt wurde, wird nur mit Gewalt beendet werden können – aber mit einer Gewalt, die letztlich das Ziel des Friedens hat, und zwar eines Friedens, der die Gewalt eindämmt. Das ist ein Dilemma. Das steht völlig außer Frage. Es fühlt sich nicht gut an. Sehr groß ist die Gefahr, dass sich aus dieser, sozusagen gut gemeinten Gewalt am Ende verselbstständigt und doch wieder selbst zu dem wird, was sie gerade verhindern will. Deswegen dürfen die Gespräche nicht abreißen. Deswegen muss versucht werden, selbst diese Gegenwalt in den Griff zu bekommen. 

So schwierig der Gedanke auch ist: Selbst in diesem Krieg muss die Feindesliebe zu Wort kommen und eine Chance bekommen. Das ist unsere große Aufgabe als Christen in diesem Krieg: Dafür das Bewusstsein wach zu halten und das Gespür dafür nicht zu verlieren, wie gefährlich die Gewalt ist, dass sie nur ein äußerstes Mittel sein kann. Das ist nicht leicht zu ertragen. Es ist eigentlich nur ertragen, wenn wir die Hoffnung auf die Kraft der Liebe nicht verlieren, der Liebe, die Herrschaft nicht als Gewalt, sondern als Hingabe versteht. 

Diese Kraft können wir gewinnen, wenn wir auf das Kreuz Jesu schauen und daran immer wieder aufs Neue lernen: Gewalt darf niemals das letzte Wort sein, Gewalt darf niemals ein Mittel der Politik sein, sie ist das, was wir beenden müssen, um Gottes und der Menschen willen. Gott gebe uns die Kraft, das wachzuhalten und uns von der Gewalt, die hier ausgebrochen ist, nicht mitreißen zu lassen. Es steht zu viel, es steht alles auf dem Spiel. Gewalt soll um Gottes Willen nicht sein. Davon dürfen wir nicht lassen, selbst wenn wir, weil es uns aufgezwungen wurde, Gewalt anwenden müssen. 

Kyrie elesion, Herr erbarme dich, gib uns die Kraft der Liebe, die die Gewalt eindämmt. Lass uns der Versuchung der beiden Jünger widerstehen, herrschen zu wollen. Gib uns die Kraft, mit Liebe zu regieren. Amen.


Sonntag, 3. April 2022

Vergebliche Liebe

 Sie sagen: 

Es geht alles kaputt. 

Ich frage: 

War es je ganz? 

Du sagst: 

😑

Kyrie eleison.  

Samstag, 2. April 2022

Irrtum (historisch)

Die vernunft 

die sich selbst so nennt

ist der fieseste trick 

des todes. 

Der Riss

Der Riss

Auf beiden seiten 

des uferlosen flusses 

wuchert die lüge 

es gäbe einen fluss

und es wäre unserer

So täuscht sich

die wüste.

Und bringt den tod 

durch erblinden. 

Kyrie eleison