Samstag, 5. Oktober 2013

Predigt Kantate 2012 Elgershausen Apostelgeschichte 16, 23ff

Wie immer ist das sozusagen der Kanzelentwurf - ich habe den Predigttext als Lesung genommen, entsprechend eingeleitet und damit die zweite Lesung während der Predigt vermieden. Das sind so Schreibtischideen, die vor dem Altar und auf der Kanzel sofort in sich zusammenfallen. Aber die Richtung blieb: das Wunder ist der Glaube und die zungenlösende Begegnung mit der Liebe.


Liebe Gemeinde,

Paulus und Silas sind Apostel, Boten Jesu, die in zuerst einige Zeit in Kleinasien, also der heutigen Türkei, das Evangelium verkündigt haben, dann aber nach Europa übergesetzt sind. Sie sind jetzt in der Stadt Philippi, und dort haben sie relativ schnell Erfolg, weil eine Frau namens Lydia sich zu Jesus bekennt, und das sie ein erfolgreiche und bekannte jüdische Geschäftsfrau war, auch relativ schnell Anhänger gewann. Das und noch ein paar spektaläre und unvorsichtige Aktionen erzeugte Ärger, die jüdische Obrigkeit zeigte Paulus und Silas an, wegen Aufruhr, und so wurden sie verhaftet und eingesperrt, nicht ohne sie vorher zu foltern, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Schwierige Situation. Und nun hören wir, was geschieht:

23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?

31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war.



Auf den ersten Blick ist das die Geschichte eines Gefängnisausbruches.

Doch Lukas berichtet uns hier einen Gefängnisausbruch der ganz eigenen und reichlich merkwürdigen Art.

Merkwürdig daran ist nämlich, dass die Gefangenen gar nicht fliehen, obwohl das Erdbeben die Türen aufsprengte und die Wandanker der Fesseln löste.

Noch merkwürdiger ist, dass der Aufseher zuerst in Todesangst ist, weil er meint, alle seien geflohen – und dann die Gefangenen selber in die Freiheit führt, nicht ohne vorher vor ihnen auf die Knie gegangen zu sein.

Und schließlich – dritte Merkwürdigkeit – danken nicht etwa Paulus und Silas dafür, dass sie frei gekommen sind, sonder der Aufseher und seine Familie freuen sich, dass sie zum Glauben gekommen sind.

Es ist gar keine normale Wundergeschichte nach dem Muster: Sie beten um ein Erdbeben, das kommt, uns schon sind sie frei: eine fromme Räuberpistole.

Doch so eine Sorte Wunder wird hier gar nicht erzählt. Das Erdbeben kommt zwar just im rechten Moment, aber es ist nicht die Antwort auf das Gebet von Paulus und Silas. Die beten nicht um Hilfe, sondern sie loben Gott. Sie liegen im Block, also in einer starren Fußfessel, müssen damit rechnen, zum Tode verurteilt zu werden, der ganze Leib ist voller Folterwunden, aber sie liegen da und singen, und zwar so, dass es alle hören. Das Erdbeben kommt also offensichtlich nicht, um ihnen zu helfen. Sie jedenfalls wollen die Hilfe nicht. Ihr Glaube war stark genug, auch solcher Situation noch Gott zu loben. Das wäre jetzt ein eigene Predigt wert, ein andermal. Ich will nämlich heute morgen mit Euch ganz woanders hin. Ich möchte Euch auch die Zunge lösen, Gott zu loben und zu singen. Heute ist nämlich der Sonntag Kantate, das heißt auf Deutsch: Singt! und zwar zum Lobe Gottes. Und dieser Geschichte hier, will uns zum Singen bringen. Und zwar nicht, weil da vor 2000 Jahren irgendwelchen wildfremden Leuten etwas Merkwürdiges passiert ist. Sondern weil wir denselben Grund zum Singen haben, wie der Gefängnisaufseher. Wenn ihr nämlich genau hinhört, geht es in dieser Geschichte um die Frage, wer gerettet werden kann. Am Ende sind hier nämlich nicht Paulus und Silas die Geretteten, sondern der Aufseher. Ich lese Euch die Geschichte noch einmal vor, und ihr werdet sehen, oder besser gesagt hören, was sie wirklich erzählt: Wie hier einer sein Leben geändert kriegt, und zwar gründlich. Hier wird einer gerettet. Und zwar aus der Angst. Und das ist die Spur in unser Leben.

Also: 23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?

31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war.





Die ganze Geschichte wird erzählt, um zu zeigen, auf wie merkwürdige Weise Menschen zum Glauben kommen und was für merkwürdige Menschen zum Glauben kommen. Mit letzterem fange ich an.

Der Mann hat einen gewalttätigen Beruf. Antike Gefängnisse waren Orte der Gewalt, wie wir sie uns kaum vorstellen können. Und man kann schon davon ausgehen, dass jemand, der diese Arbeit macht, mit der Zeit verroht und abgestumpft wird. Es wird kein angenehmer Zeitgenosse gewesen sein. Wenn Lukas hier so nüchtern von dem „Aufseher“ erzählt, dann wussten seine Hörer damals, was er meinte. Und der nun wird zum Glauben gerufen. Und zwar weil er Augenzeuge eines Wunders wird. Und jetzt heißt es genau aufpassen. Das Wunder ist nicht das Erdbeben. Das Wunder ist, dass die Gefangenen nicht geflohen sind. Das war die Angst des Wärters. Der Wärter ist so tief erschrocken, weil er Angst hat, dass die Gefangenen geflohen sind und er damit sein Leben verwirkt hat.

Aber das Gefangene nicht fliehen, sondern sogar noch ein Wort des Trostes für ihn übrig haben, dass zwingt ihn auf die Knie. Wir haben ja so einen ziemlich dummen Spruch: Not lehrt beten. Der ist völlig falsch, dass will uns die Geschichte deutlich machen. Paulus und Silas flehen nicht um Freiheit, sei loben Gott, sie singen, weil sie um ihres Glaubens willen gefangen liegen und also ein ähnliches Schicksal wie Jesus haben. Und auch unser Gefängniswärter lernt nicht aus Not beten. Sondern weil er der Gnade und der Liebe begegnet, der Vergebung und der Versöhnung. Die beiden retten ihn vor dem Selbstmord! „Tu dir nichts an, denn wir sind alle hier!“ Sie haben die Situation nicht ausgenutzt. Weder sind sie geflohen, noch haben sie sich an dem, wie wir hörten, schlafenden Wärter gerächt. Darum fällt er auf die Knie. Vor der Gnade und der Sanftmut. Erdbeben und Gewitter haben nämlich noch nie jemanden zum Glauben gebracht, höchsten zu törichten Gelöbnissen. Aber Gnade und Liebe haben diese Kraft. Der Mann versteht in Sekunden, was ihm hier begegnet ist: etwas, was er gar nicht kannte. Selbstlosigkeit und Zuwendung. Und er verstand auch sofort den Zusammenhang: Er hatte sie ja vorher beten und Singen hören. Er hatte ja gehört, wie sie in Fesseln ihren Gott gelobt haben. Und er wird sie für einen Haufen verrückter Fanatiker gehalten haben, Spinner. Das ist jetzt nicht mehr so. Und so fragt er:

Was muss ich tun, dass ich gerettet werde? Gerettet aus diesem falschen Leben voller Gewalt und Angst, aus diesem Leben, das den wahren Gott nicht kennt, der seine Jünger dazu bringt in der Not zu singen?

Und die Antwort ist ja noch verblüffender. Keine Buße, keine Reue, keine Wiedergutmachung, keine erpressten Geständnisse, kein erzwungene Sündenbekenntnis, nichts dergleichen. Ist fast schon ein bisschen ärgerlich, oder? Das wäre jetzt doch eine schöne Gelegenheit gewesen, zu sagen: Da siehst Du die Macht Gottes, da siehst du, was Du für ein schlechter Mensch gewesen bist na und so weiter: die Süße Rache des Rechthabens, für die gerade fromme Menschen so anfällig sind. Sie findet aber nicht statt. Stattdessen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst Du und Ein Haus selig!

So einfach. Einfach glauben. Einfach vertrauen. Seht ihr: das ist das Wunder. Diesem verrohten Gefängniswärter, Folterknecht und Menschenschinder begegnet der Aufruf zum Vertrauen. Vertraue, und du wirst gerettet.

Und er tut es. Er lässt sich und seine Familie taufen, er wäscht ihnen nun die Wunden, die ihnen selber geschlagen hat oder doch hat schlagen lassen, was für eine Szene, was für einen überraschende Wandlung.

Liebe und Gnade weckten in diesem Menschen Glauben, der doch so tief in der Gewalt, in der Rohheit, um Unrecht steckte, der sich verloren gab und von andren verloren gegeben wurde.

Glaube, und du wirst gerettet werden. Es gibt eben kein zu spät und es gibt auch keine Bedingungen dafür, zum Glauben zu kommen. Es ist ganz einfach: vertraue auf Jesus. Vertraue auf die Liebe. Wirf dein Leben nicht weg, wirf es ihm in die Arme. Das ist die Botschaft, die wir Christen zu verkündigen haben: und ich bin fest davon überzeugt, dass sie diese Kraft immer noch hat, Menschen dazu zu bringen, ein Loblied auf Gott zu singen. Bibelausteilen und moralische Appelle, Gestöhn über die unchristlichkeit unser Gesellschaft und aufwändie Konzepte, wie Menschen wieder zu Kirche zu bringen sind, bringen gar nichts. Aber laut von Gottes guten Taten singen und im eigenen Leben ein Zeuge Gottes sein: das wird’s bringen.

Und wisst ihr was: Ich traue Euch zu, dass ihr sehr genau versteht, was hier über Euer Leben gesagt worden ist und dass jeder wissen wird, warum er Gott loben kann wie der Gefängniswärter vor 2000 Jahren. Geht in Eure Häuser und denkt darüber nach: Wo sind Euch überraschend Liebe, Versöhnung und Gnade begegnet? Wo wurde Eurer Hartherzigkeit Sanftmut entgegengesetzt? Und dann singt davon in euern Herzen und redet davon mit Euren Mündern.

Wir werden es, mit modernen Worte, gleich singen: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer. Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis, gebaut aus Steinen unser Angst.

Ach so: Wir erfahren übrigens, wie das Ganze ausgegangen ist. Paulus und Silas wären sowieso am nächsten Morgen entlassen worden, und die Obrigkeit von Philippi hätte die ganze Sache ohnehin im Sande verlaufen lassen, weil es für sie äußerst peinlich geworden wäre, dem römischen Bürger Paulus ohne Rechtsvorgang länger festzuhalten – da wäre also auch unser Wärter mit einem blauen Auge davongekommen.

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