Wie immer ist das sozusagen der Kanzelentwurf - ich habe den
Predigttext als Lesung genommen, entsprechend eingeleitet und damit die
zweite Lesung während der Predigt vermieden. Das sind so
Schreibtischideen, die vor dem Altar und auf der Kanzel sofort in sich
zusammenfallen. Aber die Richtung blieb: das Wunder ist der Glaube und
die zungenlösende Begegnung mit der Liebe.
Liebe Gemeinde,
Paulus
und Silas sind Apostel, Boten Jesu, die in zuerst einige Zeit in
Kleinasien, also der heutigen Türkei, das Evangelium verkündigt haben,
dann aber nach Europa übergesetzt sind. Sie sind jetzt in der Stadt
Philippi, und dort haben sie relativ schnell Erfolg, weil eine Frau
namens Lydia sich zu Jesus bekennt, und das sie ein erfolgreiche und
bekannte jüdische Geschäftsfrau war, auch relativ schnell Anhänger
gewann. Das und noch ein paar spektaläre und unvorsichtige Aktionen
erzeugte Ärger, die jüdische Obrigkeit zeigte Paulus und Silas an, wegen
Aufruhr, und so wurden sie verhaftet und eingesperrt, nicht ohne sie
vorher zu foltern, damit sie wissen, mit wem sie es zu tun haben.
Schwierige Situation. Und nun hören wir, was geschieht:
23
Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins
Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen
Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte
ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas
und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber
geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses
wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die
Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die
Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich
selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus
aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da
forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd
Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe
Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?
31
Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus
selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem
Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht
und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen
sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den
Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an
Gott gekommen war.
Auf den ersten Blick ist das die Geschichte eines Gefängnisausbruches.
Doch Lukas berichtet uns hier einen Gefängnisausbruch der ganz eigenen und reichlich merkwürdigen Art.
Merkwürdig
daran ist nämlich, dass die Gefangenen gar nicht fliehen, obwohl das
Erdbeben die Türen aufsprengte und die Wandanker der Fesseln löste.
Noch
merkwürdiger ist, dass der Aufseher zuerst in Todesangst ist, weil er
meint, alle seien geflohen – und dann die Gefangenen selber in die
Freiheit führt, nicht ohne vorher vor ihnen auf die Knie gegangen zu
sein.
Und schließlich – dritte Merkwürdigkeit – danken
nicht etwa Paulus und Silas dafür, dass sie frei gekommen sind, sonder
der Aufseher und seine Familie freuen sich, dass sie zum Glauben
gekommen sind.
Es ist gar keine normale
Wundergeschichte nach dem Muster: Sie beten um ein Erdbeben, das kommt,
uns schon sind sie frei: eine fromme Räuberpistole.
Doch
so eine Sorte Wunder wird hier gar nicht erzählt. Das Erdbeben kommt
zwar just im rechten Moment, aber es ist nicht die Antwort auf das Gebet
von Paulus und Silas. Die beten nicht um Hilfe, sondern sie loben Gott.
Sie liegen im Block, also in einer starren Fußfessel, müssen damit
rechnen, zum Tode verurteilt zu werden, der ganze Leib ist voller
Folterwunden, aber sie liegen da und singen, und zwar so, dass es alle
hören. Das Erdbeben kommt also offensichtlich nicht, um ihnen zu helfen.
Sie jedenfalls wollen die Hilfe nicht. Ihr Glaube war stark genug, auch
solcher Situation noch Gott zu loben. Das wäre jetzt ein eigene Predigt
wert, ein andermal. Ich will nämlich heute morgen mit Euch ganz
woanders hin. Ich möchte Euch auch die Zunge lösen, Gott zu loben und zu
singen. Heute ist nämlich der Sonntag Kantate, das heißt auf Deutsch:
Singt! und zwar zum Lobe Gottes. Und dieser Geschichte hier, will uns
zum Singen bringen. Und zwar nicht, weil da vor 2000 Jahren
irgendwelchen wildfremden Leuten etwas Merkwürdiges passiert ist.
Sondern weil wir denselben Grund zum Singen haben, wie der
Gefängnisaufseher. Wenn ihr nämlich genau hinhört, geht es in dieser
Geschichte um die Frage, wer gerettet werden kann. Am Ende sind hier
nämlich nicht Paulus und Silas die Geretteten, sondern der Aufseher. Ich
lese Euch die Geschichte noch einmal vor, und ihr werdet sehen, oder
besser gesagt hören, was sie wirklich erzählt: Wie hier einer sein Leben
geändert kriegt, und zwar gründlich. Hier wird einer gerettet. Und zwar
aus der Angst. Und das ist die Spur in unser Leben.
Also:
23 Nachdem man Paulus und Silas hart geschlagen hatte, warf man sie ins
Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er
diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und
legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und
Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber
geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses
wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die
Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die
Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich
selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus
aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da
forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd
Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe
Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?
31
Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus
selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem
Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht
und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen
sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den
Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an
Gott gekommen war.
Die
ganze Geschichte wird erzählt, um zu zeigen, auf wie merkwürdige Weise
Menschen zum Glauben kommen und was für merkwürdige Menschen zum Glauben
kommen. Mit letzterem fange ich an.
Der Mann hat
einen gewalttätigen Beruf. Antike Gefängnisse waren Orte der Gewalt, wie
wir sie uns kaum vorstellen können. Und man kann schon davon ausgehen,
dass jemand, der diese Arbeit macht, mit der Zeit verroht und
abgestumpft wird. Es wird kein angenehmer Zeitgenosse gewesen sein. Wenn
Lukas hier so nüchtern von dem „Aufseher“ erzählt, dann wussten seine
Hörer damals, was er meinte. Und der nun wird zum Glauben gerufen. Und
zwar weil er Augenzeuge eines Wunders wird. Und jetzt heißt es genau
aufpassen. Das Wunder ist nicht das Erdbeben. Das Wunder ist, dass die
Gefangenen nicht geflohen sind. Das war die Angst des Wärters. Der
Wärter ist so tief erschrocken, weil er Angst hat, dass die Gefangenen
geflohen sind und er damit sein Leben verwirkt hat.
Aber
das Gefangene nicht fliehen, sondern sogar noch ein Wort des Trostes
für ihn übrig haben, dass zwingt ihn auf die Knie. Wir haben ja so einen
ziemlich dummen Spruch: Not lehrt beten. Der ist völlig falsch, dass
will uns die Geschichte deutlich machen. Paulus und Silas flehen nicht
um Freiheit, sei loben Gott, sie singen, weil sie um ihres Glaubens
willen gefangen liegen und also ein ähnliches Schicksal wie Jesus haben.
Und auch unser Gefängniswärter lernt nicht aus Not beten. Sondern weil
er der Gnade und der Liebe begegnet, der Vergebung und der Versöhnung.
Die beiden retten ihn vor dem Selbstmord! „Tu dir nichts an, denn wir
sind alle hier!“ Sie haben die Situation nicht ausgenutzt. Weder sind
sie geflohen, noch haben sie sich an dem, wie wir hörten, schlafenden
Wärter gerächt. Darum fällt er auf die Knie. Vor der Gnade und der
Sanftmut. Erdbeben und Gewitter haben nämlich noch nie jemanden zum
Glauben gebracht, höchsten zu törichten Gelöbnissen. Aber Gnade und
Liebe haben diese Kraft. Der Mann versteht in Sekunden, was ihm hier
begegnet ist: etwas, was er gar nicht kannte. Selbstlosigkeit und
Zuwendung. Und er verstand auch sofort den Zusammenhang: Er hatte sie ja
vorher beten und Singen hören. Er hatte ja gehört, wie sie in Fesseln
ihren Gott gelobt haben. Und er wird sie für einen Haufen verrückter
Fanatiker gehalten haben, Spinner. Das ist jetzt nicht mehr so. Und so
fragt er:
Was muss ich tun, dass ich gerettet werde?
Gerettet aus diesem falschen Leben voller Gewalt und Angst, aus diesem
Leben, das den wahren Gott nicht kennt, der seine Jünger dazu bringt in
der Not zu singen?
Und die Antwort ist ja noch
verblüffender. Keine Buße, keine Reue, keine Wiedergutmachung, keine
erpressten Geständnisse, kein erzwungene Sündenbekenntnis, nichts
dergleichen. Ist fast schon ein bisschen ärgerlich, oder? Das wäre jetzt
doch eine schöne Gelegenheit gewesen, zu sagen: Da siehst Du die Macht
Gottes, da siehst du, was Du für ein schlechter Mensch gewesen bist na
und so weiter: die Süße Rache des Rechthabens, für die gerade fromme
Menschen so anfällig sind. Sie findet aber nicht statt. Stattdessen:
Glaube an den Herrn Jesus, so wirst Du und Ein Haus selig!
So
einfach. Einfach glauben. Einfach vertrauen. Seht ihr: das ist das
Wunder. Diesem verrohten Gefängniswärter, Folterknecht und
Menschenschinder begegnet der Aufruf zum Vertrauen. Vertraue, und du
wirst gerettet.
Und er tut es. Er lässt sich und seine
Familie taufen, er wäscht ihnen nun die Wunden, die ihnen selber
geschlagen hat oder doch hat schlagen lassen, was für eine Szene, was
für einen überraschende Wandlung.
Liebe und Gnade
weckten in diesem Menschen Glauben, der doch so tief in der Gewalt, in
der Rohheit, um Unrecht steckte, der sich verloren gab und von andren
verloren gegeben wurde.
Glaube, und du wirst gerettet
werden. Es gibt eben kein zu spät und es gibt auch keine Bedingungen
dafür, zum Glauben zu kommen. Es ist ganz einfach: vertraue auf Jesus.
Vertraue auf die Liebe. Wirf dein Leben nicht weg, wirf es ihm in die
Arme. Das ist die Botschaft, die wir Christen zu verkündigen haben: und
ich bin fest davon überzeugt, dass sie diese Kraft immer noch hat,
Menschen dazu zu bringen, ein Loblied auf Gott zu singen. Bibelausteilen
und moralische Appelle, Gestöhn über die unchristlichkeit unser
Gesellschaft und aufwändie Konzepte, wie Menschen wieder zu Kirche zu
bringen sind, bringen gar nichts. Aber laut von Gottes guten Taten
singen und im eigenen Leben ein Zeuge Gottes sein: das wird’s bringen.
Und
wisst ihr was: Ich traue Euch zu, dass ihr sehr genau versteht, was
hier über Euer Leben gesagt worden ist und dass jeder wissen wird, warum
er Gott loben kann wie der Gefängniswärter vor 2000 Jahren. Geht in
Eure Häuser und denkt darüber nach: Wo sind Euch überraschend Liebe,
Versöhnung und Gnade begegnet? Wo wurde Eurer Hartherzigkeit Sanftmut
entgegengesetzt? Und dann singt davon in euern Herzen und redet davon
mit Euren Mündern.
Wir werden es, mit modernen Worte,
gleich singen: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer. Unser
versklavtes Ich ist ein Gefängnis, gebaut aus Steinen unser Angst.
Ach
so: Wir erfahren übrigens, wie das Ganze ausgegangen ist. Paulus und
Silas wären sowieso am nächsten Morgen entlassen worden, und die
Obrigkeit von Philippi hätte die ganze Sache ohnehin im Sande verlaufen
lassen, weil es für sie äußerst peinlich geworden wäre, dem römischen
Bürger Paulus ohne Rechtsvorgang länger festzuhalten – da wäre also auch
unser Wärter mit einem blauen Auge davongekommen.
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