Genug ist genug. Predigt für den Buß- und Bettag 2011, Christuskirche Kassel, Friedenskirche Altenbauna. Roland Kupski
Mt 6,24-34
24
Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und
den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern
verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 25 Darum sage ich
euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch
nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr
als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel
unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht
in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr
denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens
Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem
Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29
Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht
gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem
Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen
wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was
werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen
trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all
dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht
für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist
genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Diese
Worte Jesus klingen seit je manchem sicher zynisch in den Ohren - jenen
nämlich, die nicht ihr Auskommen haben und die von Krankheit; Knappheit
und Unheil geplagt werden. Und für manchem sind diese Worte einfach
lächerlich, weltfern und weltfremd: Wie soll es gehen ohne Vorsorge, wie
soll es gehen ohne weitreichende strategische Planung unseres Handelns?
Und wie soll das gehen: einfach aufhören, sich zu sorgen? Das kann
keine Handlungsgrundlage sein.
Zynisch
und lächerlich: so klingen diese Worte. Sie rufen, wie es scheint, auf
zu einer leichtfertigen und kindischen Lebensweise, die davon ausgeht,
dass Pappa es schon richten wird, wenn´s eng wird.
Man
kann diese Worte allerdings auch hören als einen Aufruf zu
Bescheidenheit und Demut, als einen Aufruf, sich zurückzunehmen,
langsamer zu leben, bewußter zu leben und eben nicht der Macht des
Geldes zu verfallen.
Und
das hören wir im Moment dauernd. In den Schulen, in den Zeitungen,
selbst in den politischen Kommentaren im Fernsehen kann man es hören:
„Wir sind dem Mammon, dem Geld und der Gier verfallen, wir müssen
sparen, weniger verschwenden, bescheidener sein!“ Auf einmal reden alle
wie Jesus.
Das aber kann man bald auch nicht mehr hören: es hat etwas Heuchlerisches und Verlogenes.
Hier
möchte man inzwischen ganz besonders laut rufen: Genug ist genug! Wir
wissen das! Wer einigermaßen bei Verstand ist, weiß das doch alles!“
Diese selbsternannten Moralprediger sind kaum noch zu ertragen. Sie
machen die Krise nur noch schlimmer, weil uns dieses Moralgepredige vor
die Unausweichlichkeit stellt, die das alles offensichtlich hat: was
soll ich, der Einzelne, den tun? Man lässt mich ja nicht- und man lässt
mich mit meinem schlechten Gewissen allein.
Worauf
also laufen diese Worte Jesus von „Nicht-Sorgen“ hinaus? Für Jesus
liegt unser Problem viel tiefer. Es ist nicht einfach eine Frage der
Moral. Es ist eine Frage des Glaubens, um die es hier geht. Es ist die
Frage nach der Ewigkeit.
Denn
der Mammon hat uns viel tiefer am Wickel, als es auf den ersten Blick
erscheint. Er schneidet uns von unserer Wurzel ab und verstellt uns den
Blick auf das wahre Leben.
Jesus
kann deswegen so gelassen von der Sorge reden, weil er vor einem andern
Zeithorizont steht. Er hat die Ewigkeit im Blick. Er schaut über den
Tellerrand unseres irdischen Lebens hinaus und sieht eine Weite, sieht
ein Land der Güte, der Vergebung und des unermesslichen Reichtumes, in
dem es keine Gier geben muss, weil keiner Angst hat, zu kurz zu kommen.
Nicht nur, weil es genug gibt- sondern weil wir Frieden im Herzen haben
werden und also unser Genügen.
Jesus sieht Gott, und von Gott her sieht er auf die Erde.
Es ist der Blick des Glaubens, den Jesus uns bringt.
Und
da ist die Erde auf einmal nicht mehr ein Ort für verlorene und
verdammte, die im Schweiße ihres Angesichtes mühsam, aber letztendlich
vergeblich sich um ihr täglich Brot bemühen und sehen müssen, wie sie
klarkommen.
Da
ist die Erde auf einmal nicht mehr ein Ort des Todes, des Schreckens
und der Vergänglichkeit. Von Gott her ist die Erde der Ort, der zu mehr
und Schönerem bestimmt ist. Die Erde ist der Ort, der verwandelt werden
soll in einen Raum des guten, des ewigen Lebens.
Das
ist es, was Jesus sieht, weil er glaubt. Der Glaube sieht über die Erde
hinaus, und sieht so die Erde im neuen Licht. Denn der Glaube ist eine
festes Vertrauen in die Güte Gottes, gegen allen irdischen Augenschien.
Und daher gewinnt er die Kraft, der Sorge die Gelassenheit
entgegenzusetzen und der Hysterie die Besonnenheit. Denn darum geht es:
um Gelassenheit und Besonnenheit. Nicht als moralische Forderung,
sondern als menschliche Haltung gegenüber dem Leben.
Das
wirklich teuflische und höllische am Mammon ist, dass er uns einredet,
wir seien von Gott verlassen, wir seien allein und hätten im Grund keine
Zukunft. Der Mammon redet uns ein, wir müssten unser Leben selber
halten und gestalten, wir wären unseres Glückes Schmied, und Liebe und
Erlösung, Freiheit und Glück wären nur ein Frage von Erfolg, Status, und
Besitz. Der Mammon lässt uns vergessen, dass das Leben etwas ganz
anderes ist: ein Geschenk, das auf Ewigkeit angelegt ist, durch die
Sterblichkeit hindurch. Der Mammon verdunkelt unseren Horizont. Und das
macht uns hysterisch, hektisch und besinnungslos, bis wir erschöpft
zusammenbrechen: müde, resigniert und ohne Phantasie für das Leben. Der
Mammon ist gottlos, denn er ist nur ein Spiegel unseres gottlosen
Inneren. Das ist die bittere, viel tiefere Wahrheit der Worte Jesu-
darum stoßen sie sofort auf Widerstand.
Und
sie wirkten deswegen damals so zynisch und lächerlich wie heute. Sie
haben damals wie heute die Menschen ihrer Gottlosigkeit, also ihres
mangelnden Vertrauens, überführt: Tagellöhner und Reiche, Kluge und
Törichte, Juden und Heiden. Sie haben alle das Gefühl, nicht genug zu
kriegen, sie haben alle das Gefühl, zu kurz zu kommen - wir leben alle
fern von der Quelle des wahren Reichtums und der wahren inneren
Friedens. In Wahrheit rühren dieses Wort an einen tiefen Schmerz und
einen tiefen Kummer. So wollen uns die Worte Jesu zur Umkehr führen, zur
wirklichen Buße: Das ist die Hinwendung zum Liebe und zum Leben. Ja, es
mag ein wenig verrückt klingen, aber die
wirkliche Buße kommt aus einer tiefen Gier, die Gier nach dem Leben aus
der Fülle, und dass gibt es nur bei Gott. Wer aus Angst von Strafe
umkehrt, wechselt nur von einem Stress zum nächsten, von einer Hysterie
zu anderen. Jesus aber will uns, wie Luther es einmal sagt, locken.
So
haben diese Worte der Bergpredigt mit vordergründiger Moralpredigt
nichts zu tun - hier geht es nicht ums Handeln, hier geht es ums hören.
Sind wir bereit zu hören, dass wir bedingunslos geliebt werden? Sind wir
bereit zu hören, dass unser Leben in Gottes Hand liegt? Sind wir bereit
zu hören, dass das einzige, was wir tun können ist - uns lieben zu
lassen, selbst dann, wenn der Mammon uns zu einem tiefen Selbsthass
geführt hat?
Darum
zeigt uns Jesus die Vögel und die Blumen: Sie zeigen uns das Leben, das
wir nicht gemacht haben und das wir nicht halten können. Der Mammon
aber ist die Todesmacht, die uns einredet, wie müssten alles tun, um
leben zu dürfen.
So
einfach ist es Grunde. In diesem Lichte erscheint es als zutiefst
zynisch und lächerlich, sich nicht für Gott zu entscheiden.
Genug
ist Genug: Für den Glauben hat dieser Satz daher ein doppeltes Gesicht.
Er meint nicht einfach nur: es reicht! Ab morgen machen wir alles
besser! Das zu sagen ist wichtig, und das geschieht ja gerade auf der
ganzen Welt, nicht nur in christlichen Ländern..
Denn „Genug ist genug!“ ist noch kein Satz des Glaubens, das ist ein Satz der schieren Vernunft.
Zum Glaubenssatz aber wird er, wenn er auch eine Alternative anbieten kann: die Gnade Gottes!
Es
war der Hysteriker und Hektiker, der unermüdliche Schaffer und Macher
Paulus, der sich sagen lassen musste: „Lass dir an meiner Gnade Genügen,
meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“
Und
dieses Schwache: Das sind nicht einfach nur die Vögel und die Pflanzen.
Dieses Schwache: Das ist auch das Wort Gottes, das schwach ist vor der
Welt, weil es entweder wie Zynismus klingt oder lächerlich erscheint.
Das Schwache vor der Welt ist der Rabbi aus Nazareth, der so weltfremd
davon redet, dass wir uns nicht sorgen sollen und dafür am Kreuz endet.
Das Schwache vor der Welt ist auch eine Kirche, die immer wieder an
ihren eigenen Ansprüchen scheitert: weil sie zu hoch greift und zu viel
will.
Das
Schwache vor der Welt, das sind wir, die wir im privaten den Müll
säuberlich trennen und öffentlich wahnsinnige Verschwender sind und von
diesem Zwiespalt schier zerrissen werden. Das Schwache vor der Welt, das
ist der Mensch an der Schwelle des Todes, der sich ängstet und für
keinen Trost zugänglich ist. Das Schwache vor der Welt, das sind wir.
Dahin will uns Jesus führen mit seinen Worten: An die Schwelle der
Zerbrechlichkeit, an der Gott wohnt. Wer von dieser Schwelle
zurückkehrt, dem wird sich der Horizont der Ewigkeit öffnen und dem wird
sich die Hysterie des Lebenmüssens verwandeln in die Gelassenheit des
Lebenwollens und Lebendürfens. Wer von dieser Schwelle zurückkehrt, dem
wird sich Kälte eines scheinbar gottlosen Universums verwandeln in die
Wärme einer gottdurchfluteten Schöpfung, in der Tod und Mammon das
letzte Worte eben nicht haben, sondern Jesus, der scheinbar Schwache. Er
überwand den Tod: durch Glauben.
Und was tut der Glaube? Etwas, was vor der Welt als
besonders schwach, ja schwächlich gilt, von dem uns aber gesagt ist,
dass es das stärkste ist, was wir tun können angesichts der
Zerbrechlichkeit: Beten. Beten kann man nie genug. Darum stehen in der
Bergpredigt die Worte des Vaterunsers unmittelbar vor den Worten von der
Sorge, und darum heißt der Tag: Buß- und Bettag, und nicht etwa Moral
und Programmtag.
Denn betend üben wir Gelassenheit und Besonnenheit, betend stellen wir uns vor den Horizont de r Ewigkeit.
Die
Lilien und die Vögel brauchen nicht zu beten, sie wissen nichts von Tod
und Sünde, kennen darum keine Gier und kein Einsamkeit. Das ist der
Unterschied. Der ist nicht lächerlich und auch nicht zynisch.
Beten
macht uns zu Menschen. Davon können wir gar nicht genug haben und tun.
Das ist unser erster, vornehmster und wichtigster Dienst an der Welt:
Das Gebet ist das Heilmittel gegen Hysterie und Resignation, gegen
Zynismus und Lächerlichkeit. Beten ist zutiefst das, was uns als Kirche
aufgetragen ist, als erste Antwort auf das Wort der Liebe, das Gott zu
uns spricht. Umkehr, Buße, meint genau das: unser Gesicht umkehren zu
Gott. Das haben wir der Welt zu bieten. Denn der Mammon kann, wie alle
Dämonen und bösen Geister, nur ausgetrieben werden durch Fasten und
Beten: Wer betet, tut nichts und doch alles. Und so ist der Ruf zur
Umkehr, zur Buße, zu allererst ein Ruf zum Gebet: Alle Eure Sorge werft
auch ihn, denn er sorgt für Euch. Wir müssen es nur gefallen lassen wie
die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde. Das ist doch
ganz leicht und für den Anfang mehr als genug.
Amen.
Sehr mutige und klare(!)Predigt. Herzlichen Dank für diesen Blog. Noch schöner wäre nur das gesprochene Wort. Schön war es in Albungen...
AntwortenLöschenHerzliche Grüße in Verbundenheit
Ihr JH
ich arbeite dran.....ist eine technische Frage. Ich bin überall "verkabelt", muss nur die richtigen Anschlüsse finden. Jetzt erst mal umziehen.
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