Offb 1,4-8
Gruß an die sieben Gemeinden
4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien:
Gnade sei mit euch und Friede von dem,
der da ist und der da war und der da kommt,
und von den sieben Geistern,
die vor seinem Thron sind,
und von Jesus Christus,
welcher ist der treue Zeuge,
der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden!
Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut
und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott,
seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
7 Siehe, er kommt mit den Wolken,
und es werden ihn sehen alle Augen
und alle, die ihn durchbohrt haben,
und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.
Ja, Amen.
8 Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr,
der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Überall
regt sich Protest. Die Stimmung ist recht angeheizt, und man kann es
auch gut verstehen. Von allen seriösen Wirtschaftsinstituten wird
deutlich gesagt, dass die Schere von arm und reich in der ganzen Welt,
aber auch in Deutschland immer weiter auseinandergeht. Immer mehr haben
zu wenig, um nach unseren Standards menschwürdig leben zu können.
Und immer mehr haben immer mehr, mehr, als ein Mensch jemals braucht.
Wobei das noch nicht einmal das Problem ist.
Das
Problem ist, dass so viele Menschen das Gefühl haben, dass es dabei
nicht gerecht zugeht. Preiserhöhungen für Wohnen und Leben gehen vor
allem zu Lasten derer, die weniger haben. Wer 100.000 Euro im Jahr
verdient, der kann die steigenden Benzinpreise locker abfangen: dann
wird eben mal ein etwas bescheidenerer Urlaub gemacht oder auf den
zweiten Urlaub im Jahr verzichtet. Aber wer mit 700.-Euro im Monat
auskommen muss, der spürt jeden Cent. Wer ein Leben lang hart gearbeitet
hat und seine wohlverdiente Rente bekommt, hat trotzdem oft das Gefühl
der Ungerechtigkeit, weil heute mancher Berufseinsteiger ohne jegliche
Erfahrung und Verdienste mit Einstieglöhnen anfängt, die einem die
Tränen in die Augen treiben.
Aber es gibt nicht nur dieses Gefühl der Ungerechtigkeit, das zu Zorn und Wut führt.
Es
ist auch ein Gefühl der Ohnmacht, der mangelnden Wertschätzung, ein
Gefühl, missbraucht und hinters Licht geführt zu werden. In der
Umgangssprache sagen wir das anders, ihr wisst schon, was ich meine.
Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihre Meinung, ihre Vorstellungen,
ihre Wünsche keine Berücksichtigung finden. Politik und Verwaltung haben
sich, so scheints, vom alltäglichen Leben abgekoppelt, haben mit uns
hier unten nichts mehr zu tun,
ist.
Immer mehr Menschen sind darum zornig und wütend.
Auf
der andern Seite: immer mehr Menschen ziehen sich aus dem öffentlichen
Leben zurück. Vereine, Parteien, gemeinnützige Organisationen, auch die
Kirche, spüren, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich für das
Allgemeinwohl einzusetzen. „Macht doch euren Kram alleine“ –das denken
nicht wenige. „Nach uns die Sintflut“, auf Deutsch: „Mir doch egal!“,
das hört man erschreckend oft. Und manch einer versteckt hinter seinem
Gezeter über die Politiker, die Pfaffen und die Reichen nur seine
Faulheit und seinen eigenbrötlerischen Eigensinn.. Also gibt es neben
der Wut auch Resignation und Rückzug.
Und
in solchen Situationen wie die, in der wir jetzt sind, da wünschen wir
uns oft, dass es Ende nehmen möge mit dem allem. Dass einer käme, der
aufräumt. Das endlich einer käme, der durchgreift. Das einer käme, der
die Menschen wieder begeistert und auf den Weg bringt. Ein wenig davon
haben wir gespürt, als mit Joachim Gauck ein kantiger und
lebenserfahrener Mensch statt einer politischen Hofschranze
Bundespräsident wurde. Plötzlich hörten ihm Menschen zu, plötzlich waren
Menschen dabei und verfolgten hellwach, was geschah in Berlin. Für eine
Moment jedenfalls.
Wir haben diese Sehnsucht tief in uns drin, und je schlechter wir uns fühlen, umso stärker wird sie: Wenn
Und
der Wunsch ist alt. Wir Christen tragen ihn mit uns, seit es uns gibt.
Es ist unser Grundwunsch. Dein Reich komme, beten wir, wenn wir denn
noch beten. Und im Glaubensbekenntnis sagen wir: Jesus Christus ist
aufgefahren in den Himmel, von dort wird er kommen zu richten die
Lebenden und die Toten. Diese Sehnsucht nach einem Ende der alten Welt
und dem Beginn einer neuen, besseren, tragen wir Christen in die Welt,
seit es uns gibt. Und er hat er uns getragen durch die Jahrhunderte, und
hat uns, die wir Jesus Christus nachfolgen und auf ihn trauen, durch
Krisen und Katastrophen getragen: Er wird kommen und es richten!“ Ja, er
war schon einmal da und hat es gerichtet.
Wir haben
es nur vergessen. Wir haben vor lauter Kircheseinmüssen vergessen, dass
wir zu allererst Boten und Beter sind. Daran erinnert uns der Brief des
Johannes an die sieben Gemeinden in der Türkei:
Die
nämlich leiden unter Verfolgung, Spott und Hohn durch die römische und
jüdische Obrigkeit, die nämlich sind wütend, verzagt, resigniert und
enttäuscht: sie hofften auf die Veränderung der Welt, stattdessen sind
sie in noch größeer Schwierigkeiten geraten. Sie hofften auf Erlösung
und das Ende von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, stattdessen wird
alles nur noch schlimmer. Wo bleibt die Rettung? Johannes schreibt:
7 Siehe, er kommt mit den Wolken,
und es werden ihn sehen alle Augen
und alle, die ihn durchbohrt haben,
und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.
Er
wird kommen, sagt Johannes, und alle werden ihn sehen; auch seine
Mörder, auch die, die ihn ans Kreuz geschlegen haben, Römer und Juden,
auch die, die ihn heute ans Kreuz schlagen, indem sie über ihn und seine
Gläubige spotten. Er wird kommen und an ihm wird sich entscheiden, wie
es weitergeht: Mit Gewalt oder mit Frieden. Denn er wird kommen, und
Versöhnung bringen. Aber keine billige Versöhnung. So ist der Glaube oft
verstanden worden: billiger Trost für die Unterdrückten, Opium fürs
Volk. Aber weit gefehlt.
Die Offenbarung des Johannes,
die mit diesen Worten beginnt, beschreibt in den folgenden 20 Kapiteln
eine Orgie der Gewalt und des Konfliktes, beschreibt einen Krieg
zwischen Himmel und Hölle, die die Fantasie der Menschen seit 2
Jahrtausenden nicht mehr loslässt.
Warum aber?
Weil
der der Weg zur Versöhnung nur über den Streit geht, nur über die
Auseinandersetzung, weil nur das Ringen um die Wahrheit zur Wahrheit
führen kann. Dazu wird er kommen. Um uns in diesen Kampf zu führen, der
zu allererst ein Kampf mit uns und in uns selber ist. Gesellschaftlicher
Friede ist nur zu erreichen, wenn man die Konflikte nicht scheut,
innnerer Friede geht nur über schmerzhafte Entscheidungen. Die Wahrheit
liegt nicht auf der Straße, und die sogenannten starken Männer sind
meistens ihre größten Feinde: denn halbe Wahrheiten sind die schlimmsten
Lügen.
Die Wahrheit setzt sich nur durch, wenn sich
Menschen voller Wertschätzung und Würde begegnen und ihre Interessen
ausgleichen, wenn sie ringen und sich etwas trauen, wenn sie sich
einsetzen und engagieren für das Leben.
Was heißt Versöhnung? Verzicht auf Rache, Suche nach Ausgleich.
Dafür
hat Gott am Kreuz gekämpft: Versöhnung statt Rache, Gespräch statt
Gewalt. Das ist der Weg, auf den wir gesandt worden sind von Jesus
Christus, als er endgültig verschwand aus der Welt.
Das
ist die Botschaft des Himmelfahrttages: wir sind in die Freiheit
entlassen. Ja, er ist im Himmel, er ist nicht hier. Also müssen wir es
rucken. Der Tag Christi Himmelfahrt – und jetzt merkt ihr, so hoffe ich
doch, warum ich soweit ausgeholt und mit der Politik angefangen habe –
der Tag Christi Himmelfahrt ist der Tag, an dem wir Menschen in die
Selbstverantwortung entlassen worden sind. Ein Tag, der uns froh und
stolz machen sollte. Ein Tag, an dem uns ein Rückgrat eingezogen wurde
und an dem wir auf den Weg gesandt worden sind, die Botschaft vom
Frieden und von der Versöhnung, die Botschaft von der Vergebung der
Sünden in die Welt zu tragen. Ja, es ist Vatertag: Den heute entlässt
der himmlische Vater seine Kinder in die Welt. Das sind wir Christen.
Nicht gebückte Knechte, sondern losgesandte Söhne und Töchter des
himmlischen Vaters, ausgestattet mit großer Würde und Ehre Wie heißt es
in dem Brief:
Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut
und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott,
seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Wer sich vor ihm verbeugt, der steht aufrecht vor den Menschen.
Er
hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott! Das sind wir. Wir
brauchen keine Paläste und Tempel, brauche niemanden, der uns sagt, wie
wir zu leben haben und zu glauben. Er sagt es uns in seinem Wort, und er
traut es uns zu, das hinzubekommen: Hier wird der Grundstein zu dem
gelegt, war wir heute die Würde des Menschen nennen. Würden wir uns so
verhalten: wie Könige und Priester, voller Würde und Gottesnähe, die
Welt sähe anders aus.
Es muss keiner kommen, der
dazwischen haut. Die Welt muss auch nicht untergehen. Der, der kommen
soll, war längst da. Und die alte Welt, die auf Rache und Vergeltung
baute ist längst vergangen.
Unser Ruf kann nicht der
sein, nach dem Starken, der endlich einmal durchgreift- denn der würde
alles nur noch schlimmer machen.
Unser Ruf lautet: Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Und wir sind die auf der Erde.
Nehmt
das mit, sagt es weiter. Die Welt braucht es. Die Welt braucht Gott.
Und Gott – der braucht uns. Denn wir sind jetzt seine Boten: Könige und
Königinnen, Priester und Priesterinnen, Kinder des himmlischen Vaters.
Durch uns kommen Frieden und Versöhnung in die Welt: Was für eine
ehrenvolle Aufgabe!
Amen.
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