Sonntag, 26. April 2015

Predigt zur Konfirmation 2015, Großenritte. Kol 2, 6-10. Nie war der Glaube so wertvoll wie heute.


Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!

Im Grund möchte ich Euch nur einen Satz weitergeben: Nie war die Konfirmation so wertvoll wie heute, weil der Glaube nie so wertwoll war, wie heute!

Genau davon nämlich sprechen die schönen Worte des Apostels Paulus,  die seit alters am Tag der Konfirmation gelesen und gehört werden.:

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm  7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. 8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

 

Glauben ist ganz einfach. Glauben meint einfach nur: Vertrauen haben und Jesus Christus annehmen. Denn Vertrauen ist die Grundlage von allem. Wer auch nur ein bisschen Lebenserfahrung hat, weiß das.

Das Problem am Vertrauen ist, dass es immer wieder enttäuscht werden kann. Eltern enttäuschen ihre Kinder, Kinder enttäuschen ihre Eltern; Partner sind voneinander enttäuscht, Bürger von ihrer Regierung, und was am schmerzlichsten ist: oft genug sind wir auch von uns selbst enttäuscht.

Viele Menschen haben ja den Eindruck, als wäre die Welt in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Aber das täuscht. Es hängt damit zusammen, dass wir so neugierig sind auf das Unglück und eien ganze Industrie von schlechten Nachrichten, von Gewalt, Übertreibung, Lug und Betrug lebt. Wir lieben schlechte Nachrichten, wie man sich in jeder Nachrichtensendung und bei jeder Zeitungslektüre überzeugen kann. Ja mehr noch, durch die neuen Medien, vor allem das Internet, hat sich in unserem Land ein Kultur des Geschreis und Gejammers breitgemacht, in der für gute Nachrichten scheinbar gar kein Platz mehr is, am wenigsten für die gute Nachricht des Glaubens. Man kann leicht den Eindruck gewinnen,  dass die Welt voller Idioten, habgieriger Spekulanten, korrupter Politiker, sexversessener Egoisten und gedankenloser Schwätzer ist. Da hat es das Vertrauen schwer. Die vielen guten Dinge und Erlebnisse unseres Leben werden überdröhnt vom Katastrophengebrüll der Medien.

Wir leben in einer Kultur des Geschreis, in der es die Stimme der Vernunft und der Mäßigung immer schwerer hat. Gerade in der Erziehung von Kindern spielt das eine immer größere Rolle. Ich bin immer wieder erstaunt und auch ein wenig erschrocken, wenn ich mitbekomme, was sich in den Köpfen der Kinder so abspielt. Sie wissen heute mit ihren 13 oder 14 Jahren Dinge, von denen ich mit 13 oder 14 noch nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Erziehung ist schon lange nicht mehr nur die Sache von Eltern, Familie, Schule und anderen, die damit professionell befass sind. Längst erziehen viele andere mit, die wir nicht kennen, die dafür keine Auftrag haben und dafür auch gar nicht vorgesehen sind.  Und es ist unendlich schwer, dagegen anzuerziehen.

Und: Die Welt ist kompliziert geworden. Es ist der ganz normale Alltag, der uns selber oft an den Rand des Wahnsinns treibt. Ich erlebe es auch bei meinen eigenen Kindern: die Schule stellt hohe Ansprüche, sie bestimmt in einer Weise das Leben von jungen Menschen, wie ich es als Schüler nicht erlebt habe. Die Arbeitswelt ist auch hektischer geworden, viele arbeiten weit über ihre Kräfte hinaus, Familien haben es schwer, ein gemeinsames leben auf die Beine zu stellen, in dem Vertrauen wachsen kann.

Und unsere Ansprüche sind gestiegen: sowohl die, wie an uns selbst haben, als auch die, die an uns gestellt werden. Viel Enttäuschung, gerade bei jungen Menschen, hat auch etwas damit zu tun, dass die Erwartungen viel zu hoch sind. Wer sich für sein Leben an den Bildern aus den Medien orientiert, der wird mit Sicherheit enttäuscht werden. Das Leben ist keine Castingshow, und nur eine wird Germanies next Top Modell und ist doch morgen schon wieder vergessen, bei den Allerwengisten kommt Tine Wittler zum Aufräumen und auf Supermann und Batman können wir lange warten. Das Leben ist auch kein Computerspiel, wo nach „Game over“ die Replay-Taste gedrückt werden kann. Zweite Chancen sind selten geworden.

Das alles ist ziemlich gnadenlos. Wir leben in einer gnadenlosen Welt.

Mit einem Wort: Wir leben in einer Gesellschaft, die uns zunehmend überfordert und zutiefst verunsichert. Woran soll man sich halten? Was gilt?

Nie war die Konfirmation so wertvoll wie heute. Denn Konfirmation meint: Innerlich festigen im Glauben, der dem Geschrei der Welt das Vertrauen entgegensetzt.

Denn der Glaube richtet sich nicht an einer Idee, einer Weltanschauung oder irgendwelchen abgehobenen Sätzen aus. Das denken ja viele Menschen: Glauben meint, das für wahr zu halten, was die Kirche sagt, irgendwelche weltfremden Theorien über die Entstehung der Welt, die Unsterblichkeit, viel Menschen denekn, Glauben sei das Gegenteil von Wissen und deshalb völlig unnötig. Aber das ist eine Verzerrung des Glaubens, die sich auch dem Geschrei der Welt verdankt.

Wäre der Glaube unnötig, dann wäre auch die Liebe unnötig.

Denn die Liebe ist auch kein Wissen. Die Liebe ist im Kern nichts anderes als Vertrauen. In der Liebe geht es nicht um Theorien und Meinungen, in der Leibe geht um Menschen. In der Liebe geht es um uns.  Und darum geht im Glauben auch um einen Menschen. Es geht um Jesus von Nazareth. Der hat uns die Liebe gebracht: Er ist der Mensch, in dem die Liebe, indem Gott selber wohnte und zwar vollständig, wie in keinem anderen. Darum ist er unser Held, unser Lehrer und Meister, darum nennen wir ihn unseren Herrn, obwohl das Wort in der Liebe eigentlich gar nichts zu suchen hat. Denn er ist der Herr, der uns dient, was Herrn ja sonst nicht tun. Jesus Christus: das ist keine Idee, das ist ein Mensch, der uns dazu bringen will, menschlich zu sein.

Jesus lehrt uns Vertrauen. Und Jesus gibt uns ein paar einfache Richtlinien dafür, wie das Vertrauen gelingen kann. Wir haben die Worte gehört: Jesus preist die selig, die damit am wenigsten gerechnet haben. Die mit einem schwachen Glauben, die in Angst und Verfolgung leben, die, die sich selber schon aufgegeben haben, mit einem Wort: Jesus preist genau die selig, von denen wir allzu schnell denken, sie seien im Grunde die Verlierer und die Loser, die Luschen und die Schwachen. Gerade denen spricht aber die Liebe Gottes uneingeschränkt zu. Jesus will Vertrauen wecken in die Lebe Gottes, der den Menschen gerade dann liebt, wenn er schwach ist.

Damit stehen die Worte Jesus gegen das normale Denken, gegen den sogenannten gesunden Menschenverstand, so sind die Worte Jesus wie ein  Gegengift gegen das Geschrei in der Welt, dass nur die Superhelden und die Starken, die Schönen und die Reichen glücklich nennt. Nein, Jesus kennt ein besseres, ein stärkeres, ein nachhaltigeres Glück, eine stärker Seligkeit als die von Reichtum, Macht und Ansehen und wovon wir sonst so träumen: Für ihn heißt das Glück Erbarmen,  Zuwendung, Rücksicht auf die Schwachen, Erkenntnis und Annehmen der eigenen Grenzen.

Ich kann Euch nur wünschen, dass der Samen des Glaubens, den wir versucht haben, in eure Herzen zu legen, aufgehen möge in Eurem Leben, damit ihr etwas habt, an dass ihr euch halten könnt, damit ich innere Festigkeit und Stärke bekommt, Euren Wege im Leben zu gehen: Nicht auf Kosten anderer Menschen, sondern als Gewinn für alle Menschen. Nicht auf Kosten Eurer Kraft, sondern so, dass Euch Kraft zuwächst. Die Stimme Jesu, die so einfach Dinge sagt wie die Seligpreisungen, die 10 Gebote oder den 23. Psalm ist am Ende stärker als das Geschrei und das Gebrüll der Welt, und ein Gebet zu rechten Zeit ist stärker und kräftiger als alle großen Pläne, Meinungen und Überzeugungen.

Wenn ihr Euch heute konfirmeiren lasst, dann sagt ihr JA zu Gott, so wie Gott Ja zu Euch gesagt hat, schon bevor ihr überhaupt denken und reden konntet. Wenn wir euch gleich segnen, dann erneuern wir den Segen, dern Gott über euch schon gesprochen hat, bevor ihr überhaupt etwas hören konntet. Wenn wir Euch gleich die Hände auflegen, dann übergießen wir Euch mit einer Kraft, die stärker ist als alle anderen Kräfte dieser Welt: Mit der Liebe. Wir segnen Euch als ein Glied am Liebe Christi, wie es in den schönen Plakat sichtbar wird, dass wir für den Vorstellungsgottesdienst erstellt haben.

Denn der Segen ist das Zeichen des Vertrauens, das wir brauchen wie das tägliche Brot, damit wir an der Welt mit ihrem Geschrei nicht irre werden. Unser Herr, an den wir glauben und auf  den wir vertrauen,  heißt Jesus Christus: Das müssen alle Herren dieser Welt begreifen. Die Macht, aus der wir leben, heißt die Liebe, dass müssen alle Lieblosen dieser Welt begreifen. Die Kraft, die uns trägt, heißt die Hoffnung, dass müssen alle Pessimisten dieser Welt hören. Wer darin fest bleibt, der ist gewappnet für die Stürme des Lebens und kann kraftvoll und ohne Angst leben.

Das wünsche ich Euch. Das wünsche ich uns. Das wünsche ich der Welt. Nie war die Konfirmation so wertvoll wie heute. Denn nie war der Glaube so wertvoll wie heute. Was ihr daraus macht, ist Eure Sache, wie mit allen Geschenken, die ihr heute bekommt. Aber Geld ist eines Tages alle. Glaube, Liebe, Hoffnung aber hören niemals auf.

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm  7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. 8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

 

 

 

Dienstag, 14. April 2015

Predigt Ostersonntag 2015, Altenritte, Mk 16, 1-8


Mk 16,1-8

161 Jesu Auferstehung

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.

2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.

3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?

4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, daß der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.

6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.

7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, [a] daß er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.

 

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!

 

Das ist keine Auferstehungsgeschichte. Wir erfahren gar nicht so genau, was geschehen ist. Wir erfahren nur: das Grab war leer. Der Tote war nicht dort, wo man ihn normalerweise vermutet: er war nicht im Grab. In der gesamten Bibel gibt es keine Erzählung davon, was genau am Ostermorgen geschehen ist. Wir erfahren nur etwas über die Wirkungen. Aber was heitß hier „nur“. Auf die Wirkung kommt es ja an. Und die Wirkung, dessen, was das geschehen ist, die spüren wir bis heute.

Die Frauen finden ein leeres Grab. Sie haben ein Vision: Ein Engel sagt ihnen, dass Jesus auferstanden ist, er ist nicht hier. Sie sollen aber zu den Jüngern gehen, nach Galiläa, wohin sie geflohen sind. Dort werden Sie Jesus sehen.

Und was machen die Frauen: sie geraten, was wohl nur mehr als verständlich ist, in Panik und fliehen. Und sie schweigen.

So war es, als das erste Licht des Tages anbrach. Die Frauen haben gesehen, was geschehen ist, aber sie haben es nicht begriffen. Und sind sie uns, denke ich mal, doch sehr nahe. Das leere Grab bedeutet gar nichts. Es ist ein leeres Grab, und das ist eine merkwürdige Vorstellung. Darüber kann man spotten, darüber kann man sich fürchten, darüber kann man in abergläubische Ehrfurcht verfallen. Aber Glauben ist das nicht.

Was wir heute, an diesem Tage feiern, ist das Ergebnis eines Verstehensprozesses, der fünfzig Tage dauerte. Darum beginnt heute die österliche Freudenzeit.

Darum feiern wir ja auch die österliche Festzeit bis Himmelfahrt. In den folgenden 50 Tagen geschahen die eigentlichen Wunder, die den Osterglauben entzündeten: die Überwindung des Schreckens, des Zweifels und der Ohnmacht. Das Leere Grab ist nur der Anfang: und die Geschichte zeigt uns sehr deutlich, dass es bei Auferstehung um mehr und um etwas anderes geht als um die Wiederbelebung eines Toten. Es geht um einen radikalen Wandel des Denkens. Das leere Grab ist im Grunde ein Symbol für unser leeres Herz. Und gefüllt werden kann es nur durch Verstehen und Begreifen, und das geht nur in der Gemeinschaft. 

Davon erzählen die Ostergeschichten.

In der Folge begegneten Menschen dem Auferstandenen Jesus. Aber nicht in Fleisch und Blut, sondern als Vision und Erscheinung. Und immer ging es darum, gemeinsam zu essen! Zuerst erschien er zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, aber sie erkennen ihn nicht. Er legt ihnen die gesamte Bibel aus, um sie zu trösten, aber sie begreifen kein Wort. Erst als sie beim Essen sitzen, geschieht es:

Jesus nimmt das Brot, bricht es und gibt es ihnen – und sie erkennen plötzlich, was geschehen ist: Jesus ist bei ihnen. Sie erkennen ihn an den Zeichen, die er tut. Doch in dem Moment, wo sie ihn erkennen, verflüchtigt sich die Erscheinung. Er ist kein wiederbelebter Toter, er ist reiner Geist, der ihnen in körperlicher Gestalt erscheinen ist; und doch sagen sie: Brannte nicht unser Herz? Das Feuer des Glaubens war in ihnen entzündet, nicht, weil sie in einem leeren Grab standen, sondern weil sie bei Feier der Abendmahls plötzlich seine Nähe erfahren haben. Sie laufen zu den anderen, erzählen ihnen das, die hatten inzwischen auch von den Frauen gehört, was geschehen ist – und natürlich auch nicht geglaubt. Erst als auch ihnen der Auferstandene erschien und mit ihnen das Brot brach, verstanden auch sie, was geschehen ist: Gott hat die Mauer des Todes niedergerissen und spricht zu uns von jenseits dieser Mauer, um uns zu trösten. Jetzt erst macht sich der Osterjubel breit, aber langsam – noch in der Abschiedszene an Himmelfahrt hören wird, dass etliche der Jünger zweifeln! Wir hören es von Paulus in der Lesung. Erst erschien er dem Petrus, dann ein paar andren, schließlich 500 Brüdern –das ist das, was uns die Pfingstgeschichte erzählt. Erst langsam brach sich das begreifen Raum, und plötzlich war die Frage, was da genau am Ostermorgen geschehen ist, völlig unwichtig – deswegen wird uns übrigens die Geschichte vom Ostermorgen von Markus, Matthäus, Lukas und Johannes in ganz verschiedenen Fassungen erzählt!. Sie spürten die Kraft des Auferstandenen, sie spüren, dass der Schrecken von Karfreitag nur ein Durchgang war durch das Leiden zum Jubel, durch den Schrecken zur Dankbarkeit und zur Freude, und dass damit die normale Ordnung des Lebens- die ja mit dem Schrecken des Todes endet – auf den Kopf gestellt war. Der Tod Gottes war der Anfang des Ewigen Lebens. Der tiefste Moment seiner Erniedrigung war der Anfang seiner Erhöhung. Ab jetzt können Gott und Mensch nur noch zusammen gedacht werden. Was am Karfreitag gestorben ist, ist ein falsches Bild von Gott. Was am Ostermorgen sich in den Menschen breit macht, ist ein neues Bild von Gott, in dem Gott und Menschen vereint sind, wo Tod und Leben kein Widerspruch sind, wo Vergängnlichkeit und Ewigkeit vereint sind.

Glaube entsteht, wenn Menschen von Jesus ergriffen werden und erkennen, wer er für sie ist. Glauben entsteht,  wenn Menschen hinter den Buchstaben und Wörtern, die ja auch bloß eine Art leeres Grab sind, plötzlich Gott erkennen und begreifen, dass er zu ihnen spricht. Dann geschieht Auferstehung jeden Tag, so ist jeden Tag Ostern:  wenn ein Menschen aus seiner Angst, aus seiner Schuld und seiner Ohnmacht geholt wird, weil er die Nähe Jesu erfährt. Wenn ein Mensch die Angst vor Gott verliert und Vertrauen in seine Kraft findet, dann ist Auferstehung, neues Leben mitten im Alten.  Die Auferstehung am jüngsten Tage ist dann nur die Vollendung dieses Geschehens, das Ziel der Hoffnung, die aber jetzt schon nach uns greift, denn jetzt brauchen wir sie.

Darum müssen wir erzählen, und nicht schweigen – die Frauen haben ja am Ende auch erzählt, was ihnen wiederfahren ist, wie sie Auferstehung erlebt haben. Was das leere Grab bedeutet, erschließt sich also im Grunde erst ganz zum Schluss. Es ist unsere eigene innere Leere, von der hier die Rede ist. Suchen wir Gott in der Leere unseres Herzens, werden wir in nicht finden. Wir finden ihn nur in der Gemeinschaft der Glaubenden. Glaube ohne Kirche, Glauben ohne Gemeinde, Glauben ohne Verkündigung ist leer, leer wie das Grab. Erst wenn unser Herz mit dem Worte Gottes gefüllt ist, öffnet sich uns die Wahrheit. Christen glauben nicht an ein übernatürliches Wunder von Wiederbelebung, sondern sie glauben an das natürliche Wunder der Verwandlung aus der Kraft Gottes. Wir erkennen Gott nur und ausschließlich in der Gemeinschaft, die sich um die Zeichen seiner Gegenwart versammelt. Der Theologe Ernst Fuchs hat es einmal so formuliert: Jesus ist in das Wort hinein auferstanden. Wenn wir von ihm reden, dann ist er gegenwärtig.

Darum feiern wir das Abendmahl. Im Abendmahl ist Jesus ganz besonders gegenwärtig: nämlich als ein Stück Brot und ein Schluck Wein, als ein Symbol und Zeichen seiner Nähe. Da ist er uns ganz körperlich nahe. Darum ist das Abendmahl die zentrale Feier unseres Glaubens. Auch Brot und Wein sind letztlich nur leere Dinge, wenn man so will: So, wie sie da jetzt stehen, sind sie ein leeres Grab. Aber wenn wir gleich die Worte dazu sprechen, die Jesus dazu gesprochen hat, dann werden sie zu Zeichen seiner Gegenwart. . Erst das Wort Gottes macht sie für uns zum Zeichen seiner Gnade. Im Grunde ist es ganz einfach. Wir denken immer viel zu kompliziert.

Und so ist auch eine Kirche nur ein leeres Grab, wenn darin nicht das Wort Gotts verkündigt wird. Und so sind auch wir im Grunde wie ein leeres Grab, wenn nicht das Wort Gottes in uns einzieht und uns weckt. Darum müssen wir es immer und wieder hören. Glauben lebt von der Verkündigung, Glauben lebt vom Hören, Glauben lebt von der Gemeinschaft. Glauben lebt genau von dem, was wir hier gerade tun.  

Ostern ist nicht nur der Anfang.  Wir feiern heute nicht nur die Erinnerung an etwas, was vor 2000 Jahren geschah. Ostern ist auch Gegenwart und Zukunft: Denn an Ostern leuchtet das Licht der Ewigkeit in unser Leben. Dafür steht diese schöne Kerze, die heute morgen aus dem Dunkel der Nacht in die Kirche gebracht wurde.

Schwestern und Brüder: lasst euch hineinnehmen in das Licht der Ostertages, das kein anderes Licht ist als das Licht des ersten Schöpfungstages, als Gott aus dem Nichts heraus die Welt in das Sein rief, lasst Euch hereinnehmen in das tiefste Geheimnis des Kosmos, dass da lautet: Über allem waltet die Liebe, das Kreuz ist nicht das letzte Wort!
Das ist im Grunde das, was Gott uns sagen will und was auch der Engel den Frauen gesagt hat: Fürchtet Euch nicht!

Karfreitag 2015. 70 Jahre Kriegsende in Kassel und Region


Was ist das mit dem Karfreitag? Was begehen wir hier? Was wird hier vollbracht, wie es Jesus in seinem letzten Wort sagte?

Der Tag, einst der wichtigste evangelische Feiertag, wird immer weniger beachtet, ja vielen ist er peinlich, manchem sogar anstößig: Wird hier nicht das Leiden verherrlicht? Wir hier nicht auf peinliche Wiese das Ekelhaftestes und Übelste am Menschen sichtbar gemacht, um ihn zu demütigen und zu erniedrigen?

Es ist genau andersherum. Der Karfreitag ist der zutiefst menschliche Tag, der wie kein anderer deutlich macht, wie es um uns Menschen bestellt ist. Es war der Tag, an dem die Menschen, vertreten durch Juden und Heiden, wie wir es in der Lesung gehört haben, versucht haben, Gott aus der Welt zu drängen. Es war der Tag des abrundtief  Bösen. Wir reden aber von ihm, weil an diesem abgrundtief Bösen zugleich die abgründige Tiefe der Liebe Gottes sichtbar wurde.

Das klingt sehr theologisch, sehr abgehoben und sehr fern. ich will daher versuchen, es ein wenig deutlicher zu machen. Und dazu nehme ich einen Jahrestag zum Anlass, den wir in diesen Tagen auch begehen: Das Ende des 2. Weltkrieges und damit auch das Ende der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland. In diesen Tagen des Jahres 1945 kamen die amerikanischen Truppen im Raum Kassel an, in der Stadt Kassel am 4. April. Die entscheidende Wende für die deutsche Geschichte ereignete sich in der Wochen zwischen Karfreitag und Himmelfahrt. Für Baunatal kam das Kriegsende sogar am 1. April, direkt am Ostersonntag.

Aus christlicher Sicht ist diese letzte Woche des Krieges von besonderer symbolischer Bedeutung: Es war der Mittwoch nach Ostern, in der österlichen Freudenwoche also, als die 80. Infanteriedivision der US-Armee über die Wilhelmshöher Allee in Kassel eintraf. Damit war der Krieg für Kassel zu Ende.  Und es war der nach christlichem Kalender dunkelste und finsterte Tag des Jahres, Karsamstag, als dort in Kassel, in Wilhelmshöhe, in letzter Minute, 78 italienische Zwangsarbeiter erschossen wurden. Sie hatten sich, als das Ende des Krieges schon zu sehen war und die meisten Nazis sich längst aus dem Staub gemacht hatten, an Plünderungen beteiligt: Es ging um einige Güterwagen mit Nahrungsmitteln; und sie waren nicht allein, auch die Kasseler Bevölkerung beteiligte sich daran. Diese 78 Italienischen Kriegsgefangenen, die als Zwangsarbeiter nach Kassel verschleppt wurden, aber wurden am Karsamstag des Jahres 1945 hingerichtet, als der Geschützdonner der Amerikaner hinter dem Herkules schon zu hören war. Ein unbegreifliches Verbrechen, selbst nach den Standards des internationalen Kriegsrechtes. Das dies am Karsamstag geschah, ist von tiefer symbolischer Bedeutung. Denn der Karsamstag ist der dunkelste Tag für uns Christen, weil an ihm die Grabesstille des toten Gottes herrschte. An ihm war das mörderische Werk des Karfreitag scheinbar an ihr Ziel gekommen: die Liebe, die Gerechtigkeit, das Erbarmen, das sich in Jesus Christus in der Welt gezeigt hat, aus der Welt zu schaffen. Der Karsamstag ist der Tag, an dem es aussieht, als habe das abgrundtief Böse gesiegt. So haben es die Jünger und Jüngerinnen Jesu auch erlebt. Der Schrecken war masslos.

Was ist das abgrundtiefe Böse?  Das ist der Hass auf das Leben schlechthin, aus dem aller Hass auf das Andere und Fremde und auf alles, was uns an uns selber hassenswert und fremd erscheint, seine Quelle hat. Die alte christliche Überzeugung, die man sich heute oft nur noch hinter vorgehaltener Hand zu sagen traut, steht uns am Karsamstag vor Augen: das abrundtief Böse ist eine Möglichkeit des Menschen, und nur des Menschen, denn nur er kann das Böse wollen oder eben auch nicht wollen. Und darum kann man auch nur beim Menschen von Schuld sprechen. Es hätte nicht sein müssen, heißt der Satz, der die Schuld sichtbar und offenbar macht. Es ist ein vernichtender Satz, ein lähmender Satz. Es ist ein vernichtender Satz, wenn er nicht zugleich mit dem Satz gesagt wird, dass Schuld vergeben werden kann. Aber dieser zweite Satz darf nicht zu früh kommen. Dann wird er eine Ausflucht. Dann wird er das, was der Theologe Dietrich Bonhoeffer die „billige Gnade“ genannt hat. Er starb übrigens, auch dessen sollten wir gedenken, ebenfalls in letzter Minute durch die Hand des Henkers am 9. April 1945, als einer der wenigen Christen, der öffentlich und unter Einsatz seines Lebens gegen das abgrundtief Böse aufgestanden ist. Das gibt ihm das Recht, von der billigen Gnade zu sprechen, die allzuschnell, allzu eilfertig, allzu wenig aus echter Buße und Reue heraus auf die Knie geht.

So ist der Jahrestag des Kriegsendes für uns Deutsche nach wie vor ein zwiespältiges Ereignis, indem sich das Zusammenspiel von Karfreitag und Ostersonntag spiegelt: Über der Freude und der Dankbarkeit über das Ende des Krieges liegt der Schatten der wachsenden Erkenntnis der Schuld – jener Schuld, die eben auch daraus entsteht, dass man nicht gegen das Böse aufsteht und schweigt. Auch die Kirchen haben sich hier schuldig gemacht. Wenn es auch im Einzelnen, in der historischen Tiefe und genau betrachtet, viele Formen von Widerständigkeit, Verweigerung, Widerspruch und von schlichter Humanität auch in den Reihen der Kirchen gab, so muss man im Rückblick mit Schrecken erkennen, dass auch die Kirche vieles mitangesehen hat – und da und dort sogar: mitgetragen und mitgemacht hat –, was im Rückblick nur noch mit Scham und Erschrecken betrachtet werden kann. Schon im Oktober 1945, anlässlich der Neugründung der Evangelischen Kirche in Deutschland, wurde von führenden Vertretern diese Schuld benannt und öffentlich bekannt: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“ Dieses Schuldbekenntnis stieß auf Widerstand, auf Empörung und Abwehr, es kam für viele viel zu früh; auch wenn es, historisch gesehen, zum richtigen Zeitpunkt kam, weil es den evangelischen Christen in Deutschland den Zugang zur weiten Welt der Ökumene wieder öffnete, was sich für viele als großer Segen erwies, weil in der Folge aus der Ökumene viel Hilfe kam für unser Land. Zu früh aber kam es, weil zum wirklichen Bekenntnis der Schuld auch die Erkenntnis der Schuld gehört, zu wirklicher Versöhnung gehört auch, mit den Opfern zu reden, die Geschichten zu hören und zu ertragen, mit denen zu weinen, an denen wir schuldig geworden sind. Versöhnung ist ein langer Prozess, und schon in den 10 Geboten wird gesagt, dass Schuld und Schulderkenntnis andauert bis ins dritte und vierte Glied. Und darum ist die Gnade, auch wenn sie uns geschenkt wird, ein teures Gut, das unter Schmerzen erworben werden muss, wenn es in uns zu einer guten Kraft werden soll. Und darum ist es gut und wichtig und immer noch ein Gebot der Stunde, dass wir uns, gerade als Generation der Spätgeborenen, immer wieder dem aussetzen, was damals geschah – sowohl an jenem ersten Karfreitag, als auch allen anderen Taten von menschlicher Schuld, wie sie in unbegreiflicher Weise uns vor allem in den Vernichtungslagern der Nazis sichtbar wird, aber auch überall dort, wo gemordet, getötet, gefoltert und verfolgt wird. Wir erinnerun uns nicht nur, um denen Gerechtigkeit zukommen zu lassen, die damals verfolgt, verachtet, gefoltert und gemordet worden sind. Sondern auch, um die Schuld als das Menschenmögliche zu erkennen und zu begreifen, das keineswegs aus der Welt ist und vor dem wir weiterhin auf der Hut sein müssen. Der erste Karfreitag war nicht der letzte Karfreitag!. Aber Das Böse  ist durch den Karfreitag, den Karsamstag und den Ostermorgen ein für allemal entlarvt worden als das, was es ist: Menschliche Tat. Gott will die Gewalt nicht. Er antwortet auf das radikal Böse nicht mit noch Böserem, nicht mit Rache und Vergeltung, sondern mit Gnade und Vergebung. Wir können das als Christen getrost, wenn auch unter Seufzen sagen. Der Weg zur Versöhnung geht über die Erinnerung an Schuld und Gnade. Der Karsamstag des Jahres 30 spiegelt sich im Karsamstag des Jahres 1945 und er spiegelt sich überall dort, wo unbegreiflich Böses geschieht. Es ist Christenpflicht, und das ist das Erbe des Stuttgarter Schuldbekenntnisses, das Böse als das zu benennen, was es ist: das Menschenmögliche. Wir können davor nur mit Scham und Erschrecken stehen, und können nur auf die Knie gehen und um die Vergebung bitten, die uns zugesagt ist. Die Vergebung aber können wir uns eben nicht selber zusprechen. Sie muss, wie damals im Jahre 33, als der Auferstandene den Jüngern und Jüngerinnen aufs neue begegnete, aus dem Mund der Opfer kommen, und da die nicht sprechen können, aus unserem Munde, wenn wir uns, als Christen mit Christus, und also mit allen Opfern von menschlicher Gewalt, identifizieren, und betroffen und beschämt, aber auch mutig und aufrichtig mit der alten Liedzeile von Paul Gerhardt sagen: „Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.“ ( EG 85,4). Nur dann werden wir frei werden und aus der Lähmung geholt und können, aus Erfahrung klug geworden, dem Bösen Wiederstand leisten, der Versöhnung den Weg bereiten und die Erde zu einem Ort des guten Lebens machen. Nicht nur das abgrundtiefe Böse ist das Menschenmögliche. Auch das Gute steht in unserer Macht. Daran erinnert uns der Karfreitag eben auch, weil wir ihn nie ohne Ostern bedenken können. Tage wie diese, an denen wir schaudernd des abgrundtief Bösen gedenken, das in und durch unser Volk geschehen ist, und zugleich auch des Guten, das uns wiederfahren ist, können und wollen uns helfen, den Weg des Guten zu suchen: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Das Stuttgarter Schuldbekenntnis kommt uns auch heute noch – wie jedes andere Schuldbekenntnis - schwer über die Lippen, wenn man vor konkreten Gräbern steht. Gerade wenn wir das spüren, werden wir auf unsere Verantwortung als Christen verwiesen und bei ihr behaftet: „Aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“ Wir dürfen diesen Satz sagen, heute, am Gründonnerstag 2015, weil uns am Ostertag des Jahres 33 zugesagt wurde, dass wir mit der Schuld leben dürfen als solche, die auf Vergebung hoffen dürfen. In diesem Geiste tiefster Humanität begehen wir den Karfreitag. Er ist der Tag der Wahrheit.

Die Kraft der Versöhnung kommt aus der Erinnerung, und zur Erinnerung braucht es Mut, und den Mut finden wir im Vertrauen auf die Gnade Gottes, die will, dass wir leben. Lasst es uns besser machen als damals, lasst uns nicht schweigen, wo wir reden müssen und lasst nicht ab vom Gebet. Und lasst und dankbar sein gegenüber denen, die uns gerettet haben unter Einsatz ihres Lebens. Das ist es, was uns die Toten von damals zurufen: und weil sie tot sind, müssen wir ihr Mund sein. Indem wir die frohe Botschaft von der Gnade Gottes verkünden, die selber das Böse auf sich nahm, damit wir es sehen können, sind wir dieser Mund der Opfer. Das gilt für die sinnlos Erschossenen von damals ebenso wie für unser alltäglichen Bosheiten, die wir einander antun, das gilt für die Opfer der menschlichen Katastrophe in den französischen Alpen ebenso wir für die Opfer unsers Raubbaues an der Natur: Indem wir uns der Schuld stellen, können wir der Gnade ansichtig werden. Indem wir den Opfern eine Sprache geben, könenn wir auch der Versöhnung eine Sprache geben. Es ist vollbracht, sagte Jesus, der sich von Gott verlassen, mit letzter Kraft.  Was er vollbracht hat, ist nicht weniger als das Heil der Welt. Im Vetrauen auf die Kraft der Auferstehung, die das Geschehene nicht ungeschehen macht, aber zur Versöhnung führt, können wir mit dem Bösen leben, das wir tun und das uns wiederfährt, können wir aber auch und mehr noch,d em Bösen wiederstand leisten, wenn es nach uns greifen will. Dafür steht der Karfreitag. Gott sei Dank, dass er den Weg der Gnade suchte und nicht der Gewalt, der liebe, und nicht der Rache, der Versöhnung, und nicht der Vergeltung. Reden wir vom Karfreitag, dann tun wir, was als Kirche, als Christen, unser Auftrag ist: Lasst Euch versöhnen mit Gott, damit ihr versöhnt werdet miteinander.