5 Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! Der
Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein Senfkorn,
dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und
versetze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.
Lc 17,5-6
Vom
Glauben ist hier die Rede, als wäre es die selbstverständlichste und
klarste Sache der Welt. Aber dem ist nicht so. Lasst uns, in der Kürze
der Zeit, die wir haben, sehen, was denn überhaupt wohl gemeint ist,
wenn die Jünger sagen: Stärke uns den Glauben“.
Dazu müssen erst einmal ein paar Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden – die aber sehr verbreitet sind.
1.
Glaube ist nicht der Lückenfüller an der Grenze unseres Wissens. Er
beantwortet nicht die bisher unbeantworteten Fragen unseres Lebens. Ob
die Erde eine Scheibe oder eine Kugel ist, ist für den Glauben völlig
irrelevant, oder ob das Universum endlich ist oder unendlich. Das ist
doch nur eine Frage der Forschung und der Wissenschaft. Wäre Glaube das:
Antwort auf unbeantwortbare Fragen, dann wäre Glaube ja einfach nur
Unwissenheit und Dummheit, die Behauptungen aufstellen, wo einzig Wissen
nötig ist. Wer Glauben so versteht, hat natürlich gut lästern. Viele
sogenannte Atheisten oder aufgeklärte Menschen machen mich immer ganz
ratlos, wenn sie diesen angeblichen Glauben angreifen und sich darüber
lustig machen.
Hier werden Glauben und Wissen in
Gegensatz gesetzt, was grotesk ist. Das wäre, als wolle man Kochen und
Backen gegeneinander ausspielen. Der Glaube ist kein Wissen, sondern
eine Erkenntnis. Er fragt nicht nach Informationen, sondern er fragt:
Tröstet mich, was ich höre?
Erfahre ich Vergebung?
Bekomme ich Ermutigung zum Leben?
2.
Glaube ist auch nicht ungeprüftes Für-Wahr-halten von irgendwelchen
Sätzen über Gott und die Weil. Das ist Aberglaube und Ideologie. Man
wird ebensowenig zum Christen durch Auswendiglernen von frommen Sätzen
wie man ein Koch wird, wenn man das Kochbuch auswendig lernt, oder wie
man zum Politker wird, wenn man das Parteibuch aufsagen kann.
Solcher
Glaube macht aus der Bibel eine Art Orakelbuch und stellt sie damit auf
eine Stufe mit dem Horoskop oder dem hundertjährigen Kalender. Der
Glaube ist keine Lehre, sondern eine Haltung: Es geht darum, offen zu
sein, für das Wort Gottes:
Tröstet mich, was ich höre?
Erfahre ich Vergebung?
Bekomme ich einen Impuls, zu leben?
3.
Glaube ist auch nicht ein mystisches Verschmelzungserlebnis mit, was
weiß ich, Gott, der Natur oder Jesus. Da können uns die Biologen und
Ärzte sehr deutlich sagen, was da in unserem Gehirn geschieht, und
glaubt mir, er ist nicht sehr schmeichelhaft. Glaube ist kein
Rockkonzert und auch kein Trip.
Glaube ist keine
Droge, die unser Bewusstsein außer Kraft setzt und uns in angeblich
höhere Wirklichkeiten versetzt. Was soll uns daran trösten, vergeben
oder einen Lebensimpuls setzen? Der Glaube ruft uns vielmehr ganz
nüchtern zu einer Gemeinde zusammen. Wir sollen, wenn wir überhaupt zu
etwas „verschmelzen“ sollen – ein furchtbares Bild, wenn ich ehrlich bin
- dann zu einer Gemeinschaft von solchen, die genau das tun, was Jesus
mit seinen Jüngern gerade tut: Einander den Glauben stärken, indem sie
einander trösten, vergeben und zum Leben ermutigen. Der Apostel Paulus
hatte viele solcher Erlebnisse. Aber er sagt immer wieder, und ganz
scharf sogar gegen seine Gemeinde in Korinth: das ist alles schön und
gut mit den Geisterlebnissen, die ihr da habt, ich hab die auch, aber
Glaube ist das nicht. Glaube ist Hören auf Gottes Wort, das uns in Jesus
Christus begegnet und uns in die Gemeinschaft führt. Glaube ist kein
Privatvergnügen. Das ist er auch. Jeder darf auch für sich was kochen.
Aber was zählt, ist das Kochen in der Gemeinschaft, um das Bild noch
einmal aufzunehmen.
4. Glaube ist daher auch kein
seelischer Zustand, oder ein Gefühl, ebenso wenig wie die Liebe das ist,
jedenfalls im christlichen Verständnis. Das wäre ja furchtbar. Nichts
ist wankelmütiger als Gefühle, das geht doch hüh und hott. Das würde ja
bedeuten, dass unser Glauben davon abhängig ist, wie es uns geht. Es ist
aber genau andersherum. Der Glaube erzeugt in uns Gefühle: Trost,
Vergebung und Lebensmut. Glaube aber ist eine Haltung des Empfangens,
des Hörens und de Bittens. Es ist eine Art innere Spannung, in die uns
Gott versetzt, wenn er uns anspricht, wie er die Jünger angesprochen
hat. Und die nutzen die Gelegenheit: Herr, stärke uns den Glauben, Gott,
wir sind ganz Ohr. Gefühle kann man nicht lernen. Haltungen schon. Wie
sollte ich meine Konfirmanden den Glauben nahebringen, wenn es ein
Gefühl wäre? Soll ich sie verliebt machen oder sentimental? Soll ich
ihnen Angst einjagen und sie dann trösten, wie es früher allzu oft
gemacht wurde?
Ich möchte sie den Glauben als eine
Haltung lehren: Die Ohren zu spitzen für das, was Gott uns sagt, was er
uns als Trost, Vergebung und Stärkung anbietet. Glauben ist zuerst
Hören.
Und darum muss von ihm gesprochen werden.
Das
ist es, was ich hier tun will, wozu ich berufen bin von der Gemeinde
und heute und hier eingesetzt werde: Mit Euch die Ohren zu spitzen
dafür, was Gott uns als Gemeinde sagen will, und Euch zu sagen, was ich
gehört habe:
Trost, Vergebung, Ermutigung zum Leben .
Wir stehen gemeinsam vor Gott und bitten: stärke uns den Glauben, und wenn es auch weniger als ein Senfkorn ist.
Denn
der Glaube ist zuerst ein Hören, ein Empfangen, ein Vertrauen, wie wir
es unseren Eltern gegenüber aufbringen, lange bevor wir irgendetwas
wissen, meinen oder wollen. Wir sagen nicht ohne Grund: Vater zu unsrem
Gott.
Maritn Luther sagt es sehr schön in seiner
Erklärung des Glaubensbekenntnisse, die ich und viele Ältere zu ihrem
Besten noch lernen durften:
Ich glaube, dass ich nicht
aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn,
glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich
durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten
Glauben geheiligt und erhalten.
Nicht aus eigener
Kraft- darin liegt die gute Botschaft für diesen Tag. Nur so kann ich
dieses Amt annehmen und ausfüllen. Sonst würde ich mich überheben. Darum
rufen wir zu Beginn jedes Gottesdienstes nach dem Heiligen Geist, und
darum rufen wir in diesem Gottesdienst, wo zwei Pfarrer einsegnet
werden, vorsichtshalber gleich doppelt um den Geist: Herr, stärke uns
den Glauben. Nicht wir schenken Gott Glauben, sondern er schenkt uns
Glauben. Das macht uns stark. Amen.
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