Predigt
12
Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes
zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch
Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
Und
kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt
vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Liebe
Gemeinde!
Ein
übles Wort ist schnell gesagt – und kann nicht mehr zurückgenommen werden. Wir
können uns mit Worten verletzen, so sehr, dass es viel schwieriger heilt als
jede andere Wunde. Seelische Wunden sind sehr tiefe Wunden. Dadurch, dass wir
sprechen können, haben wir, von Kindesbeinen an, eine scharfe Waffe bei uns.
Und Erziehung meint zum nicht geringen Teil: zu lernen, mit dieser gefährlichen
Waffe umzugehen. Die Zunge, sagt eine Redensart, ist schärfer als jedes
Schwert, und weil das auch für die geschriebene Sprache gilt, heißt auch: Die
Feder ist mächtiger als das Schwert. Ich glaube nicht, dass ich dafür viele
Beispiele bringen muss. Jedem und jede wird sofort etwas einfallen. Schmerzen,
die wir mit Worte anrichten, könne sehr tief gehen.
Aber
das ist ja nur die eine Seite. Auf der anderen Seite können wir mit Worten auch
Gutes tun. Ein gutes Wort zu rechten Zeit gesagt, kann sehr tröstlich, sehr
heilsam und sehr aufbauend sein. Loben können wir, und unsere Zuneigung
ausdrücken, ja letztlich ist auch die Liebe auf gute Worte angewiesen. Auch
hier brauche ich wohl keine Beispiele zu bringen: Auch hier wird jedem und jede
sofort etwas einfallen, wo ein gutes Wort heilsame Wirkung hatte, uns gestärkt
und aufgebaut hat.
Seltsam
ist nur, dass uns solche guten Worte sehr viel schwerer von der Zunge gehen.
Seltsam auch, dass wir solche guten Worte oft sehr viel schwerer hören können.
Einen Tadel, eine Beschimpfung, eine Rüge erreicht uns sofort. Ein gutes Wort
hat es sehr viel schwerer. Sich loben zu lassen und ein Lob anzunehmen: das
will offensichtlich auch geübt werden.
Woran
liegt das? Nun, vermutlich liegt es an unserer Angst. An der Angst, nicht
richtig zu sein, den Ansprüchen nicht zu genügen, ein falscher Mensch zu sein.
Diese Angst hat viele Wurzeln. Sie hängt auch mit dem Bild zusammen, dass wir
von uns selbst haben. Wir möchten doch gerne oft ein anderer, ein andere sein,
als die, wir sind. Und da fällt natürlich ein böses Wort sofort auf fruchtbaren
Boden und bestätigt uns: „Siehste, ich wusste es doch, ich bin nichts wert, ich
tauge nicht, ich bringe nichts, keiner liebt mich“.
Es
ist sehr bequem, sich in so einem Bild von sich selbst einzurichten – denn
dafür bekommt man immer Bestätigung. Wer sich selbst klein macht, wird immer
jemanden finden, der das bestätigt und befeuert. Mit unserem Selbstbewusstsein
ist es nicht weit her.
Und
es gibt noch einen zweiten Grund. Wenn uns jemand seine Wertschätzung und seine
Zuneigung, seine Achtung oder sogar seine Liebe ausdrückt, dann spüren wir
darin auch eine Verpflichtung. Da möchte jemand mit mir eine Beziehung
aufnehmen. Da möchte mir jemand nahe kommen. Da möchte jemand, dass ich mich
auf ihn einlasse. Davor schrecken wir auch oft zurück, obwohl wir uns zugleich
mit jeder Faser unseres Leben danach sehen.
Menschen
sind eben widersprüchliche Wesen. Hab mich lieb und lass mich in Ruhe. Komm mir
nahe und bleib mir fern. Wir sind innerlich oft sehr zerrissen.
Das
macht das Leben manchmal wirklich schwer. Paare, die schon länger zusammen
sind, kennen das sehr genau. Und auch die Beziehung von Kindern und Eltern ist
davon geprägt. Und in der Politik erleben wir es jeden Tag.
Wir
warten auf ein gutes Wort, und wir hören es nicht. Wie sagen ein gutes Wort,
und es wird nicht gehört. Aber der kleinste Anflug von Kritik macht uns nervös
oder sogar aggressiv, wir ziehen uns zurück – und werden noch unerreichbarer.
Ein wahrer Teufelskreis, der eine Beziehung, eine Freundschaft, ja sogar eine
tiefe Liebe auf Dauer zersetzen kann.
Was
braucht es, damit dieser Teufelskreis gar nicht erst in Gang kommt?
Es
braucht Vertrauen. Und zwar ein doppeltes Vertrauen. Zum einen braucht es das
Vertrauen in den anderen Menschen. Dass er es wirklich gut mit mir meint, auch
wenn er das vielleicht nicht so ausdrücken kann. Dass er es auch gut mit mir
meint, wenn er mal ein böses Wort sagt, Kritik äußert oder schlicht genervt und
gereizt ist.
Und
darum braucht es zugleich auch Selbstvertrauen, ein Vertrauen darauf, dass ich
im Grunde in Ordnung bin, dass ich liebenswert bin, und dass der andere mich
auch dann noch liebt, wenn ich das gar nicht spüre. Es ist ein Stück
Erwachsenwerden, damit umzugehen. Einen Menschen, der ein gutes Vertrauen in
sich und die anderen Menschen hat, den nennen wir reif und erwachsen, und es
wäre schön, wenn wir immer so wären.
Erwachsene
Menschen wissen, dass Wörter zweischneidige Schwerter sind, die tief verletzen können
und gut heilen können. Und darum nennt der Apostel das Wort Gottes auch ein
zweischneidiges Schwert. Denn mit Gottes Wort ist es genauso. Auch dieses Wort
kann uns verletzen und kann uns heilen, kann uns kleinmachen und kann uns
aufbauen.
Glaube
meint nun: Darauf zu vertrauen, dass Gottes Wort zwar zweischneidig ist, aber
dass es immer zum Guten gemeint ist. Dass Gott sein Wort niemals dazu einsetzt,
uns zu verletzen, sondern immer nur, um uns Gutes zu tun. Alles, was wir von
Gott hören, ist sozusagen von der Liebe eingeklammert, ist zu uns gesagt in der
Absicht, uns zu stärken und zu trösten.
Nehmen
wir die 10 Gebote, als die vielleicht bekanntesten Worte Gottes. Sie sind
gemeint als Richtschnur zum Leben, sie beschreiben, wie das Leben gelingen kann
und wie wir in Frieden leben können. Das ist gut gemeint, sehr gut gemeint
sogar. Diese Gebote sind ein großes Geschenk. Aber natürlich erinnern sie uns
zugleich auch daran, dass wir eben nicht so leben, wie es die Gebote sagen.
Dass wir es mit der Wahrheit oft nicht so genau nehmen, dass wir eben doch auch
neidisch und missgünstig sind, dass unser Begehren sich oft auf andere richtet
und wir damit Beziehungen in Gefahr bringen, dass wir eben nicht ständig unser
Leben vor Gott führen. Dann klingen die Gebote wie Drohungen. Obwohl sie gut
gemeint sind. Obwohl sie Worte zum Leben sein wollen, hören wir sie als
Anklage, oder wie man früher sagte: Als Gericht, als Verurteilung.
Und
jetzt kommt der Glaube ins Spiel. Jetzt kommt auch Jesus ins Spiel. Seine ganze
Botschaft, sein ganzes Leben war darauf ausgerichtet, uns Gottes Wort, uns die
Botschaft Gottes, als etwas Gutes, Wohlmeinendes, Wertschätzendes nahe zu
bringen.
Für
mich ist das alles in den einen schönen Wort von Jesus versammelt: „Ich lebe,
und ihr sollt auch leben“. Wir sollen und brauchen uns vor Gott nicht fürchten,
sondern wir können und sollen sein Wort als ein Wort der Liebe und der
Zuwendung hören – auch dann, wenn es uns mal schneidend vorkommt: So ist doch
zu unserem Besten gemeint. Es ist auch wichtig, und auch ein Ausdruck von
Wertschätzung, dass er uns auf unsere Fehler und Schwächen aufmerksam macht,
dass er uns warnt vor bestimmten Verhaltensweisen, weil sie uns Schaden
zufügen. Ist das nicht das, was Eltern, Lehrer und Lehrerinnen, gute Freunde
und Freundinnen und geliebte Menschen auch tun?
Es
ist auch an uns, wie wir die Worte hören wollen. Und anders als bei Menschen,
wo immer auch ein Rest an Zweifel bleiben wird, ob sie es wirklich gut mit uns
meinen, und anders als bei Menschen, wo wir eben doch damit rechnen müssen,
dass sie es übel mit uns meinen, ist das bei Gott eben nicht so.
Er
meint es immer gut. Darauf können wir uns verlassen. Es ein Zeichen für einen
reifen Glauben, dass er Gott nur Gutes unterstellt. Und wer aus diesem Glauben,
aus diesem Vertrauen heraus lebt, der wird auch genug Selbstvertrauen, genug
innere Stärke bekommen, mit den Verletzungen zu leben, die uns Menschen
zufügen.
Wer
aus diesem Glauben lebt, wird die Kraft und die Stärke finden, auf ein böses Wort
mit einem guten Wort zu reagieren. Das ist was die Bibel „Versöhnung“ nennt,
die der Anfang des Friedens ist.
Letztlich
ist es eine Entscheidung, ob wir Menschen oder ob wir Gott das letzte und
gültige Wort über uns sagen lassen. Für Jesus, nachdem wir uns ja nicht ohne
Grund Christen nennen, ist es völlig klar: Gott kann es nur gut mit uns meinen.
Er spricht das letzte und gültige Wort über mich.
Dieser
Gedanke, dieses Wort ist der Anfang und Weg in ein gutes Leben, in dem nicht
die Angst, sondern das Vertrauen unseren Weg bestimmt. Lasst Euch darauf ein,
es lohnt sich. Fürchtet Euch nicht vor dem Wort Gottes, auch wenn es ein
zweischneidiges Schwert ist.
Das
wird euch helfen, damit zurecht zu kommen, das menschliche Worte oft zweideutig
sind. Das Wort Gottes ist es nicht. Wer das gute Wort Gottes als gutes Wort
hört, wird auch gute Worte für sich und andere finden und damit einen Weg zum
inneren und äußeren Frieden. Das ist jedenfalls unsere Hoffnung.
Amen.
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