2.Mose 13,20-22
20 So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich
in Etam am Rande der Wüste.
21 Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in
einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer
Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei
Tage noch die Feuersäule bei Nacht.
Man könnte
das Volk Israel ja nur beneiden: Gott ruft es aus der Gefangenschaft in Ägypten
und lenkt sie durch die Wüste in das gelobte Land. Damit sie den Weg wissen,
geht er ihnen voran: Tagsüber in einer Wolkensäule, nachts in einer Feuersäule.
Wir könnten sie beneiden, darum, dass sie ihren Gott so klar vor Augen haben
und ihn sehen.
Doch das
funktionierte nicht wirklich. Wir kennen ja diesen Spruch: „Ich glaube nur, was
ich sehe.“ Sie haben ihren Gott gesehen, zumindest die Zeichen seiner
Gegenwart. Aber geglaubt haben sie trotzdem nicht. Weil Glauben Vertrauen
bedeutet. Und Vertrauen muss von beiden Seiten aufgebracht werden. Gott kann
noch so viel für sein Volk tun: Wenn es nicht bereit ist, sich darauf
einzulassen, wenn es der Zusage nicht vertraut, die Gott ihm gemacht hat, kann
er noch so viele Beweise bringen. Sie werden es nicht glauben. Die Bibel
erzählt: Das Volk hat den gesamten Weg durch die Wüste über ständig gemeckert,
genörgelt und war unzufrieden. Sie hatten ihren Gott vor Augen, aber vertraut
haben sie nicht. Deswegen dauerte ihr Weg durch die Wüste auch so lange: das
Volk stand sich selber im Weg, weil es kein Vertrauen aufbrachte.
Ich
denke, das kommt uns bekannt vor. Das vergangene Jahr war ganz besonders davon
geprägt, dass wir eine Krise des Vertrauens hatten. Und zwar auf allen Ebenen. Ein
paar Beispiele: Das Vertrauen in die Wirtschaftslenker ist geschwächt: Kein
Wunder, nach den Betrügereien in der Automobilindustrie, die wirklich alles Bisherige
überschreiten. Aber von den 3,4 Millionen anderen Wirtschaftsbetrieben arbeiten
die allermeisten gut, zuverlässig und ohne Probleme und sorgen für eine extrem
stabile Wirtschaft. Steht halt nur nicht in der Zeitung.
Das
Vertrauen in das Recht ist bei vielen Menschen getrübt: Dabei ist es doch
gerade unser Bundesverfassungsgericht, das im vergangen Jahr an einigen Stellen
die Politik und die Gesellschaft in die Schranken verwiesen hat, was alle akzeptieren,
die etwas zu sagen haben. Der Rechtsstaat funktioniert, selbst wenn einzelnen
Behörden und Einrichtungen Murks bauen oder es immer wieder zu Härtefällen
kommt, die dann freilich sofort in der Zeitung landen. Und so weiter und so
weiter. Die allgemeine Unzufriedenheit, ja sogar lautstarke Empörung ist von
außen gesehen an vielen Punkten nicht wirklich zu verstehen, wie uns so gut wie
jeder bestätigt, der Deutschland von außen sieht. Das betrifft auch die Frage
des Umganges mit den Flüchtenden, die zu uns kommen. Die Menschen kommen uns,
weil sie um unsere Stabilität, unsere Sicherheit und nicht zuletzt um unseren
Reichtum beneiden und daran teilhaben wollen. Niemand flieht auf ein sinkendes
Schiff! Es ist unser Wohlstand, der uns hier in große Aufgaben führt und in die
Pflicht nimmt. Doch diese Perspektive teilen nur wenige. Die Vetrauenskrise
lebt davon, dass wir uns ganz schnell in Panik versetzen lassen, anstatt in
Ruhe nachzudenken.
Was nicht
bedeutet, dass hier alles in Ordnung ist und wir nicht eine Menge zu tun haben,
alles noch besser zu machen oder Vergessenes, Übersehenes und Verdrängtes zu
bearbeiten: da gibt es wahrlich genug! Aber für Katastrophengeschrei,
Untergangsvisionen und Endzeitstimmung gibt es keinen Grund. Der Satz: „Früher
war alles besser!“ ist schlichter Unfug. Die Israeliten sehnen sich bei ihrem
Gemecker auch immer zurück an die Fleischtöpfe Ägyptens. Und sie blenden völlig
aus, dass sie in Ägypten in entsetzlicher Unfreiheit und Bedrückung lebten. Sie
scheuen die Mühe der Freiheit und vergessen, wie es war. Dabei könnten sie es
besser wissen. Mose wird nicht müde, sie immer wieder daran zu erinnern.
Deswegen sendet
Gott seinem Volk – und damit auch uns – eben nicht nur Zeichen für die Augen.
Denn die sind doppeldeutig, die sagen noch gar nichts. Es muss noch etwas dazu
kommen: eine Stimme. Es muss noch ein Wort dazukommen. Ein Wort, dass uns von Außen
sagt, wie die Dinge stehen. Deswegen spricht Gott zu seinem Volk. Es ist das
Wort Gottes, dass die Menschen zum Gauben führt. Wolkensäule und Feuersäule
allein sagen noch gar nichts: das könnte ja auch ein Wetterspuk sein. Nur wer
Gottes Wort gehört und verstanden hat und bereit ist, ihm Vertrauen entgegen zubringen,
wird in Feuer und Wolke auch Gottes Führung und Leitung sehen. Zum Glauben
gehört die Bereitschaft, sich einzulassen. Wer mit verschränkten Armen an der
Seite steht und abwartet, wer meint von einer höheren Warte aus einen Überblick
zu haben, wird am Ende entweder voller Furcht sein oder eine unerträgliche
Besserwisserei entwickeln, die niemand mehr für voll nimmt oder in sektenhafte
Spinnerei abdriftet.
Der
Glauben beruht auf Vertrauen, und zwar nicht auf dem Vertrauen auf Menschen,
sondern auf dem Vertrauen auf Gott. Dafür hat uns Gott Jesus Christus gesandt,
der zu uns spricht, der uns mit Worte bewegt und mit seinen Taten überzeugt.
Wollen wir Gewissheit, wollen wir Sicherheit und wollen wir unsere Angst
verlieren, müssen, können und dürfen wir unser Vertrauen auf Christus richten.
Er zeigt uns den Weg. Welchen Weg geht Jesus? Er geht auf Menschen zu. Er hört
ihnen zu. Er fragt nicht nach Herkunft, Geschlecht, Religion oder Begabungen.
Er fragt die Menschen nach ihrer Not und wie ihr abhelfen kann. Er weist die
Übermütigen zurecht in aller Sanftmut, kann aber auch deutlich werden, wenn
Gottes Barmherzigkeit in Frage gestellt wird.
Er
verurteilt Menschen nicht, aber er rückt sie zurecht, wenn er spürt, dass sie
aus Angst oder Hass auf einen für sie selber schädlichen Weg gekommen sind. Er
spricht Trost zu. Er fordert nicht, er ermutigt. Er wartet nicht, er kommt auf
uns zu. Er ist gelebte Versöhnung, gelebte Vergebung, er ist die Alternative
zur Sünde, die uns auf uns selbst zurückwirft und uns vorgaukelt, wir wüssten
Bescheid und kennten den Weg auch ohne ihn. Denn die Sünde ist die Quelle allen
Geschreis und aller Panik. Sie ist die Wüste, in der wir wandern.
Und Jesus
Christus ist unsere Wolke und unsere
Feuersäule.
Am Ende
eines Jahres blicken wir zurück, das ist gut. Das ist wichtig. Wir machen
Bilanz, fragen und nach Gelungenem und Misslungenen, nach Freude und Schmerz,
wir nehmen uns das eine oder andre vor. Und wir treten vor Gott mit dem
Bekenntnis unserer Sünde: Nicht, weil wir elende Kreaturen sind, sondern seine
geliebten Kinder, sein Volk, dass er ins gelobte Land führen will wie einst
sein Volk Israel. Aber entmündigt uns nicht, gängelt uns nicht, sondern geht
uns voran. Damit wir in Bewegung bleiben. Vergebung der Sünde meint: die
Möglichkeit zum Neuanfang, Neuausrichtung auf die Feuer- und Wolkensäule.
Ich
wünsche Euch allen, ich wünsche uns als Gemeinde, als Kirche, ich wünsche uns
als Volk, ja als Menschheit nichts anderes als das: neues Vertrauen in Gott. Ich
bin zutiefst davon überzeugt, dass wir damit als Christen allen Menschen einen
großen Dienst erweisen, den wichtigsten überhaupt: für Vertrauen werben.
Wir sind,
als Kirche, als Christen, das sichtbare Zeichen dafür, dass Gott nicht ins
Leere redet und dass der Glauben für Millionen Menschen die Wolken- und die
Feuersäule ist, die ihnen hilft, ihren Weg im Leben zu finden – und zwar gerade
deswegen, weil wir nicht unfehlbar sind, sondern Unterstützung und Zuwendung
brauchen. Ich wünsche mir für das kommende Jahr, dass wir noch mehr hören, was
Gott uns zu sagen hat, noch mehr weitersagen, was wir gehört haben, noch mehr
beten, noch mehr verkünden, noch mehr glauben, noch mehr um die Wahrheit
streiten und werben, noch mehr auf die Wolken- und Feuersäule zeigen, auf Jesus
Christus. Ich bin mir sicher, dass das Beste ist, was für unsere Gesellschaft
tun können. Denn Gottes Weg ist der Weg zum Menschen. Und es geht um den
Menschen. Es geht um uns. Wollt ihr einen guten Vorsatz für das nächste Jahr
fassen? Dann nehmt euch doch einmal vor, mehr zu vertrauen und andere Menschen
zum Vertrauen einzuladen. Das ist besser, hilfreicher und förderlicher, als in
den Chor der Nörgler und Meckerer, der Besserwisser und Faktenverdreher
einzustimmen. Erst einmal hören, dann reden, um es noch einfacher zu sagen. In
Zeiten verlorenen Vertrauens ist der Glaube die Stimme der Vernunft, denn
Vernunft kommt von „vernehmen“, und vernehmen heißt: Hören! So wünsche ich
offene Ohren für das Wort Gottes für das kommende Jahr, damit wir die Zukunft
nicht aus den Augen verlieren und gefangen bleiben in der Sehnsucht nach einer
Vergangenheit, die es nie gab, damit wir sehen, dass Gott uns in Feuer und
Wolke vorangeht und sein Wort hören, das uns den Weg weist: den Weg zum
Menschen. Gott segne Euch!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.