1.Thess
4,1-8
4
1 Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus – da
ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr
ja auch tut –, dass ihr darin immer vollkommener werdet. 2 Denn ihr wisst,
welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.
3 Denn das ist der Wille Gottes, eure
Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht 4 und ein jeder von euch seine eigene
Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, 5 nicht in gieriger Lust
wie die Heiden, die von Gott nichts wissen. 6 Niemand gehe zu weit und
[a]übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das
alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben.
7
Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. 8 Wer
das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen
Heiligen Geist in euch gibt.
Liebe Gemeinde!
Das sind sehr klare Worte.
Wir sollen nach Gottes Willen leben. Und Paulus bringt zwei Beispiele, die mitten
ins Leben greifen. Wir sollen die Unzucht meiden und wir sollen die „gierige
Lust“ vermeiden.
Unzucht ist ein Wort, das
ziemlich aus der Mode gekommen ist. Denn es meint so etwas wie eine
fehlgeleitete Sexualität, das was früher Geilheit genannt wurde. Das ist ein heißes Thema. Viele denken jetzt zum
Beispiel sofort an Homosexualität oder an Pornographie. Es könnte hier der
Eindruck entstehen, als würde der Apostel die Sexualität im Ganzen verdammen. Das
denken ja viele Menschen, dass Sexualität im Grunde schlecht ist. Andererseits
spürt ja jeder, wie stark die Sexualität in uns ist, wie stark das Begehren in
uns ist. Kann es sein, dass Gott die Sexualität im Ganzen verdammt? Aber warum
hat er sie uns dann gegeben? Wir spüren doch ganz deutlich, dass wir diesem
starken Trieb in uns kaum wederstehen können, er ist vielleicht der stärkste
Trieb, den wir haben. Es geht ja nicht nur um Fortpflanzung. Sondern es geht ja
auch um die Lust, es geht um Freude am Leben, Freude an der Beziehung, es geht
um körperliche Nähe, die wir brauchen, wie das tägliche Brot. Kann etwas so Schönes
und Wichtiges wirklich schlecht sein?
Das ist natürlich nicht der
Fall. Es geht hier darum, dass wir lernen, mit unseren Trieben und Gelüsten
umzugehen. Nicht die Sexualität ist schlecht, sondern das, was daraus werden
kann. Auf kaum einem Gebiet können sich Menschen so weh tun, wie auf diesem.
Darum geht es. Damit das klar ist, nennt er noch ein zweites Beispiel. Da geht auch
um die gierige Lust, diesmal aber nicht im Sinne der Sexualität, sondern im
Sinne der Geldgier. Wir sollen einander nicht übervorteilen, das heißt: Wir
sollen einander nicht betrügen, wenn wir miteinander Handel treiben. Das
leuchtet unmittelbar ein. Betrug ist etwas sehr Häßlliches, und wer schon einmal
so richtig betrogen worden ist, wird das auch gut verstehen: Es ist eine ungeheure
Kränkung, wenn wir merken, dass wir übers Ohr gehauen worden sind.
Was haben nun Betrug und
"Unzucht" miteinander gemeinsam? Und warum verstoßen sie gegen Gottes Willen? Was
steckt dahinter?
Das moderne Wort für das,
was Paulus meint, heißt Respekt. Wer seiner Geilheit oder seiner Geldgier
nachgeht, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen, verletzt die Würde des Menschen.
Denn wir haben ein Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Wir haben
ein Recht darauf, respektiert zu werden in unsern Wünschen und Bedürfnissen, in
unserem Verlagen nach Freiheit und Selbstbestimmung, in unserer Persönlichkeit.
In dem Moment, wo mich jemand nicht respektiert, benutzt er mich. Dann macht er
mich zu einer Sache, zu einem Gegenstand seiner Gier und behandelt mich nicht
mehr als Mensch, sondern als ein Ding. Darum
geht es. Denn Gott hat uns als freie Menschen geschaffen, er hat uns eine Würde
gegeben. Tiefster Ausdruck dafür ist es, dass Gott selber ein Mensch wurde, in
Jesus Christus. Damit hat er ein für allemal deutlich gesagt, dass der Mensch
unendlich viel Wert ist und das er niemals zu einer Sache gemacht werden darf, sondern dass wir Menschen ein Anrecht darauf haben, mit Respekt und Liebe behandelt
zu werden. Genau das ist mit dem Wort „Heiligung“ gemeint. Denn Heilig ist
etwas dann, wenn es zu Gott gehört, wenn es Gottes Eigentum ist und nicht das
Eigentum von Menschen. Und also auch mit Ehrfurcht behandelt werden muss und
soll. Darum geht es. Wer seiner Gier soweit nachgeht, dass er andere Menschenzu
seinem Vorteil benutzt, der treibt Unzucht, der gibt sich der gierigen Lust hin
ohne Rücksicht auf Verluste. Darum nimmt er Sexualiität und Handel als
Beispiel, denn hier ist die Gefahr besonders groß, andere Menschen zu
missbrauchen. Darum ermahnt er die Männer, ihre Frauen mit Ehrerbietung zu
behandeln, nicht als ihr Eigentum, sondern als ein Geschenk, das ihnen von Gott
gegeben worden ist. Was immer wir miteinander tun, es darf nur im gegenseitigen
Einvernehmen geschehen. Das ist der Schlüssel. Denn um dieses Einvernehmen zu
erlangen, müssen wir miteinander reden, müssen
wir in Respekt und Ehrerbietung miteinander umgehen. Das schreibt er ja
ganz wörtlich: „und ein jeder von euch suche seine eigene Frau zu gewinnen in
Heiligkeit und Ehrerbietung“. Mit der Eheschließung hat der Mann kein Recht auf
seine Frau gewonnen. Sie ist nicht sein Eigentum, sondern seine Partnerin, und
die Kunst einer guten Ehe besteht darin, auf Augenhöhe miteinander zu
verhandeln. Das war damals eine ebenso radikale Botschaft wie heute, und es
gilt für jede Partnerschaft, egal, ob zwischen Männern und Frauen oder Partnern
gleichen Geschlechtes, egal ob sie verheiratet sind oder sich auf andere Weise
zum gemeinsamen Leben verpflichtet haben. Es gilt zum Beispiel auch im
Verhältnis von Lehrern und Schülern oder zwischen Angestellten und Vorgesetzten.
Darum gilt es auch für den Handel, also für das Wirtschaftsleben. Das Wesen des
Handles ist die Verhandlung, ist das Gespräch unter Partnern, die miteinander
den Preis für eine Sache aushandeln. Redet miteinander, das ist die eigentliche
Botschaft hinter diesen Worten, und redet miteinander als geleichberechtigte
Partner, als Kinder des einen Gottes. Bedenkt immer, was für eine kostbare und
verletzliche Gabe der andere Mensch ist. Denn dann wahren wir unser Würde. Vielleicht
ist das Wort „Würde“ sogar heute die bessere Übersetzung für das, was Paulus
mit „Heiligkeit“ meint. Bewahrt in allem, was ihr tut, die Würde, denn wenn ihr
würdelos handelt, verletzt ihr nicht nur den anderen Menschen, sondern auch
Euch selbst!
Das klingt dann auf einmal
ganz modern. Denn unser moderne Gesellschaft baut auf die Würde des Menschen.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es ganz eindeutig: Die
Würde des Menschen ist unantastbar. Und auch wenn das Grundgesetz kein christlicher
Text im engeren Sinne ist, weil es religiös neutral ist, so spiegelt sich doch
darin die christliche Grundlage unsere Kultur. Sie baut ganz auf die
Menschenwürde. Das betrifft zum Beispiel unseren Umgang mit den Fremden
unter uns. Auch dann, wenn es die Zuwanderung der vielen Menschen in unser Land
Sorge bereiten mag, weil es eine riesige Aufgabe voller Risiken ist, dürfen wir
die Fremden nicht anders behandeln, wie wir selber gerne behandelt werden
möchten. Wir verlieren unsere Würde, wenn wir die anderen Menschen würdelos
behandeln. Dabei spielt die Frage, ob unser Ängste vor den Fremden berechtigt sind,
oder nicht, erst einmal gar keine Rolle. Vor allem anderen, was Fremde sind,
sind sie Menschen und als solche von Gott ohne alle Bedingungen geliebte
Menschen. Wenn ihre Häuser angezündet werden, wenn wir sie beschimpfen und
verächtlich von ihnen reden, verletzen wir nicht nur sie, sondern auch uns
selbst. Wir handeln dann weit unter unseren Niveau. Das macht das, was in
unserem Land gerade so geschieht, aus christlicher Sicht so schwer ertragbar. Und
darum müssen wir als Christen dagegen auch unsere Stimme erheben. Andere
Menschen zu verachten, weil sie anders sind, ist nicht der richtige Weg. Der
richtige Weg ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, einander kennenzulernen,
danach zu fragen, was die Menschen jetzt brauchen und ihnen Unterstützung und
Hilfen anzubieten, soweit es in unser Kraft steht, und wenn es über unsere
Kraft geht, woanders Hilfe zu suchen und gemeinsam Wege zu finden, wie wir die
Krise meistern können. Sonst wird aus der Krise schnell ein Krieg, im
übertragenen, aber oft genug auch im wörtlichen Sinne. Wir reden ja auch bei
einer Ehe, in der die Partner den Respekt voreinander verloren haben, vom
Ehekrieg. Das ist nicht so witzig, wie es klingt.
Das gilt für alle
Lebensgebiete. Es ist letztlich die Frage, wie wir miteinander umgehen und was
uns dient und nützt. An anderer Stelle sagt Paulus: Alles ist erlaubt, aber
nicht alles hat einen Nutzen. Lasst uns als Christen, lasst uns als Menschen
immer danach fragen, was wir brauchen und was uns hilft, dann erfüllen wir den
Willen Gottes. In diesem Sinne kann man tatsächlich darin wachsen, „heilig“ zu
werden und bessere Menschen zu werden. Nicht, indem wir nach abstrakten Regeln
fragen, sondern danach, was uns weiter bringt auf dem Weg des Friedens.
Die altmodischen und harten
Worte des Paulus klingen so auf einmal ganz modern, weil sie uns auf den Weg
der Menschlichkeit bringen. Respektloses Verhalten aber, dass andere Menschen
oder andre Geschöpfe zu einer bloßen Sache degradiert, ist kein sehr
menschliches Verhalten. Es ist im Grunde ganz einfach, worum er hier geht, und
Jesus sagt es an anderer Stelle auch ganz einfach: Behandele die anderen so,
wie du auch gerne behandelt werden möchtest. Folge nicht deinen Ängsten und
deinen Lüsten, sondern frag nach der Angst und der Lust der anderen. Dann seid
ihr heilig und lebt, wie es Gott gefällt: nämlich als Geschöpfe, denen von Gott
eine unverlierbare Würde eingesenkt wurde. Das ist die einfache Antwort auf
die einfache Frage, wie wir als Christen richtig leben: lebt in Respekt
voreinander!
Nur so kann die Welt ein besserer
Ort werden, als sie ist: ein Ort, wo Menschen vor Menschen keine Angst mehr zu
haben brauchen, sondern in einem Klima von Vertrauen, Zuversicht und Hoffnung
miteinander leben können. Dann können wir die Sexualität genießen und die Gaben
der Schöpfung in gerechtem Handle miteinander tauschen. Nicht der Sex und nicht
das Geschäftemachen sind böse, sondern wenn wir den Respekt voreinander
verlieren, gewinnt das Böse über uns Macht. Das aber kann nicht unserem
Interessse sein. Denn nur wo Respekt und Rücksichtnahme herrschen, kann der
Frieden wachsen.
Denn mehr wollen wir doch
gar nicht. Mehr will auch Gott nicht. Ich glaube nicht, dass das zu viel
verlangt ist, auch wenn es eine große Herausforderung ist. Aber wir können uns
ihr getrost stellen. Und wenn uns unser Kraft verlässt, wenn Angst und Gier in
uns Überhand nehmen: Dann lasst uns zu Gott beten, dass er uns hilft, den Respekt
und die Würde wiederzufinden: Führe uns nicht Versuchung, sondern erlöse uns
von dem Bösen. Wie du es in Jesus Christus getan hast.
Amen.
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