2 Tim 1, 7-10.
7 Denn Gott hat uns nicht gegeben
den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
8 Darum schäme dich nicht des
Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern
leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. 9 Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt,
10 jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium,
Liebe Gemeinde.
Konfirmanden stellen oft eine sehr einfache Frage: Was habe
ich eigentlich davon, wenn ich glaube? Das erscheint vielen Älteren eine
geradezu ungehörige Frage, weil für sie der Glauben vielleicht noch
selbstverständlich ist. Wir fragen ja auch nicht: was habe ich davon, wenn ich
esse?
Nur ist Glauben aber, anders als Essen, eine freiwillige
Angelegenheit. Wir müssen nicht glauben. Wir können es und wir sollen es.
Was würdet Ihr denn sagen, was ihr vom Glauben habt? Was
bringt es, an Gott und Jesus Christus zu glauben, was bringt es, religiös zu
sein? Nun scheint es ja doch etwas töricht zu sein, diese Frage hier zu
stellen: Ihr seid ja da. Ihr habt zumindest eine Ahnung, was es bringt, oder
doch eine Hoffnung, dass es etwas bringt. Aber das ist ja Grundproblem von
Gottesdienst und Predigt überhaupt: Wir predigen im Grunde den Falschen; denen,
die schon da sind und vom Glauben etwas erwarten. Als ich noch ganz am Anfang war, hat das ein
kluger Konfirmand mal gesagt: Warum wir in den Gottesdienst kommen müssen, kann
ich ja verstehen: wir müssen es noch lernen. Aber bei den anderen verstehe ich
es nicht so richtig.
Dahinter steht natürlich die Vorstellung, dass Glauben so
etwas Ähnliches ist wie Wissen oder Können. Ich habe dem Konfirmanden damals –
nach einigem Nachdenken, ich war ja wirklich noch ein Anfänger und auf solche
Fragen nicht gut vorbereitet - ich habe
also nach einigem Nachdenken gesagt: Es ist nicht wie Schule, es ist eher wie
Sport oder Musik. Man muss auch üben. Der Glaube ist nicht einfach so da, als
ob man es einmal verstanden hätte und dann reicht das für den Rest des leben.
Nein, man kann beim Glauben regelrecht aus der Übung kommen. Schlimmer noch:
man kann seinen Glauben verlieren! Der Gottesdienst ist also dazu da, den
Glauben zu trainieren. Aber was trainiert man da? Es gibt ja keinen Glaubensmuskel,
der geübt werden muss! Also: was bringt der Glaube und warum muss an am Glauben
dran bleiben, wie man beim Sport oder bei der Musik dran bleiben muss? Diese
Frage, die so modern erscheint, ist in Wahrheit eine der Grundfragen des
Glaubens überhaupt. Die ganze Bibel hat mit dieser Frage zu tun, und sie
versucht auf ganz verschiedene Weise, darauf zu antworten. Eine besonders
schöne Antwort hören wir heute. Es sind Worte aus dem Timotheusbrief, und sie
gehören zu meinen speziellen Lieblingsworten. Hören wir also die folgenden
Worte als Antwort auf die Frage: Was bringt es eigentlich, zu glauben und warum
soll ich das ein Leben lang üben?
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der
Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
8 Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn
noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das
Evangelium in der Kraft Gottes.
9 Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen
Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der
Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt,
10 jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres
Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein
unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.
Das sind sehr gewichtige Worte. Das schaffen wir heute
morgen nicht alles. Aber das, was uns heute interessiert, seht ja gleich im ersten
Satz, und auf den möchte ich mich konzentrieren: Gott hat uns nicht gegeben den
Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Also: Einen Geist haben wir von Gott geschenkt bekommen. Was
ist damit gemeint? Damit ist der Heilige Geist gemeint. Es ist der Geist
Gottes, der uns Menschen gegeben wird, damit er unseren Geist erweitert und erneuert.
Aber was ist der Geist? Der Geist ist sozusagen alles das an uns, was an uns
nicht sichtbar ist. Gedanken, Gefühle, Bewusstsein. „Geh mir nicht auf den
Geist“, sagen wir, wenn uns jemand nervt. Oder wir reden auch vom „Geist des
Sport“ und meinen damit so etwas wie Fairness und die Bereitschaft, sich für
ein Ziel anzustrengen. Der Geist das, was uns zu Menschen macht. In der
Schöpfungsgeschichte wird das in einem schlichten mythischen Bild sehr einfach erzählt: Gott
knetet den Adam aus Ton, dann haucht er ihm seinen Geist ein, und Adam beginnt
zu leben. Weil er den Geist Gottes hat, das ist die Idee dahinter, kann der Mensch
sprechen, denken und lieben. Der Geist ist das, was alle Menschen gemeinsam
haben. Er ist das Göttliche in uns. Aber es gibt ein Problem: unser Geist ist
sehr anfällig. Unser Geist kann verwirrt werden. Wir nennen ja Menschen, verwirrt
sind oder deren Denken eingeschränkt ist, oft auch „geisteskrank“. In der Tat ist
unser Geist sehr bedroht: und zwar vor allem von der Angst. Der Preis dafür,
dass wir denken, fühlen und sprechen können ist, dass wir Angst haben. Denn es
ist unser Geist, der sich Gedanken macht über die Zukunft, es ist unser Geist,
der Pläne macht und sich sorgt. Unser Geist ist anfällig. Er kann zum Beispiel
so verwirrt werden, dass wir anfangen, andere Menschen zu hassen. Oder dass wir
anfangen, den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren.
Darum schenkt uns Gott seinen Geist. Und das ist kein
geheimnisvoller, mystischer Vorgang. Sondern Gott schenkt uns seinen Geist auf
eine ganz einfach, schlichte Weise: er spricht zu uns. Darum hat er die Propheten
geschickt, darum hat er Jesus geschickt, darum predigen wir. Im Grunde kann man sagen: Die Aufgabe
Jesu war es, den Geist Gottes den Menschen so nahe zu bringen, dass sie sich
von ihm anstecken und begeistern lassen. Und wenn es die Angst ist, die uns von allen guten Geistern verlassen sein lässt, dann ist das, was Jesus
uns schenkt, eben ein Mittel gegen die Angst. Denn wann geraten wir in Angst?
Wenn wir das Vertrauen in die Zukunft, in die Welt und in die Menschen und
schließlich auch in Gott verlieren. Jesus will uns zum Vertrauen führen. Darum kann
man im Grunde das ganze Evangelium in einem Satz zusammenfassen, der darum auch
besonders häufig in der Bibel fällt: Fürchtet Euch nicht! Ihr seid nicht von
Gott verlassen, ihr sein nicht allein, ihr seid dem Tod nicht ausgeliefert. Es
gibt eine Kraft, die in Euch wirken will, damit ihr der Angst etwas
entgegensetzen könnte. Damit hätten wir den ersten Punkt schon erreicht: Gott
hat uns einen Geist der Kraft gegeben. Eine Geist, der uns stark macht, das
Leben zu gestalten. Wie macht er das? Indem er uns zur Besonnenheit führt. Und
das wird so allmählich eine Art Lieblingswort von mir. Besonnenheit: das meint
im Grunde etwas ganz einfaches. Es ist die Fähigkeit, in Ruhe nachzudenken,
sich ein genaues und klares Urteil zu bilden, Besonnenheit meint im Grunde:
mach mal eine Pause, denk erst einmal gründlich nach, schau genau hin. Und das
ist, wenn ich recht sehe, etwas, was wir im Moment so dringend brauchen wie
schon lagen nicht mehr. Im Moment ist die Luft in unserem Lande erfüllt von
einem Geschrei und einem Geplärr, einem Geschwätz und einer Hysterie, das man
manchmal wirklich den Eindruck bekommen kann, das wir von allen guten Geistern
verlassen sind und das Denken völlig verlernt haben. Es geht uns so gut wie
nie: aber zwei Drittel aller Deutschen haben Angst. Vor Terrorismus zum
Beispiel. Das ist bei Lichte betrachtet ein wenig grotesk. Jährlich sterben 10.000
Menschen durch die eigene Hand, 5000 Menschen im Autoverkehr, und auch die Zahl
der Toten, die bei der Hausarbeit umkommen, ist sehr hoch; rund 7000 jährlich,
allein 500 Leute sterben jährlich an verschluckten Kugelschreiberteilen. Aber wir
fürchten uns vor einem Terroranschlag, der so unwahrscheinlich ist, wie vom
Blitz getroffen zu werden, und der in Deutschland in diesem Jahr kaum die 100
erreicht hat. Das Land, in dem faktisch fast gar keine Ausländer leben, und
schon gar keine Flüchtlinge, wählt eine Partei, die sich den Kampf gegen
Überfremdung auf die Fahen geschrieben hat. Eine Nachfrage dieser Partei an die
Regierung in Mecklenburg hat ergeben, dass von rund 2000 politisch motivierten
Straftaten ganze 15 von Ausländern verübt wurden, der Rest von Deutschen. Also:
genau hinschauen und besonnen bleiben.
Ich will das alles nicht verharmlosen: die Gefahren durch
den Terrorismus liegen aber ganz woanders, als darin, selber ein Opfer zu
werden, und die Probleme mit der Integration der Zuwanderer woanders als im
Bereich der Kriminalität.
Also: ein Moment der Besonnenheit genügt, um uns deutlich
zu machen: Wir fürchten uns meisten vor dem Falschen und auf falsche Weise,
weil wir uns von unserer Angst an der Nase herumführen lassen.
Das ist nur ein Beispiel, und ich weiß auch, dass es ein
sehr drastisches Beispiel ist. Der Geist der Besonnenheit aber kann uns helfen,
die Wirklichkeit genauer wahrzunehmen und nicht gleich jedem Impuls zu folgen,
der uns in den Sinn kommt. Der Geist der Besonnenheit will uns helfen, klug zu
werden. Und darum nennt Timotheus diesen Geist der Kraft und der Besonnenheit
auch den Geist der Liebe. Die Liebe nämlich glaubt an das Gute. Die Liebe sieht
das Schöne, Starke und Freundliche in der Welt, und schaut die Welt von da aus
an. Die Liebe ist der Blick, den Gott auf die Welt hat.
Und das ist im Grunde schon die ganze Antwort auf die Frage,
was uns der Glaube bringt. Er bringt einen neuen Geist in unser Herz und übt
mit uns den Blick der Liebe ein, der uns hilft, gegen alles Geschrei, gegen
alle Hysterie anzukämpfen, ruhig und besonnen zu bleiben, gut zu überlegen,
Lösungen zu finden, die allen nützen und schließlich auf diese Weise zum
Frieden in unserem Herzen, in unsere Nachbarschaft und auf der Welt
beizutragen.
Es wird viel geredet in letzter Zeit von den christlichen Werten, die wir bewahren müssen. Die Worte des Timotheus machen uns klar, was einer dieser Werte ist: Die Besonnenheit. Und da wir so anfällig sind für alles mögliche Geschrei und Geschwätz, weil unser Geist schwach ist, will uns Gott durch sein Wort helfen, unseren Geist in der Liebe zu üben. Und darum müssen wir diese Worte immer wieder hören und uns vergewissern, und darum feiern wir Gottesdienst und sollten möglichst viele dazu einladen.
Es wird viel geredet in letzter Zeit von den christlichen Werten, die wir bewahren müssen. Die Worte des Timotheus machen uns klar, was einer dieser Werte ist: Die Besonnenheit. Und da wir so anfällig sind für alles mögliche Geschrei und Geschwätz, weil unser Geist schwach ist, will uns Gott durch sein Wort helfen, unseren Geist in der Liebe zu üben. Und darum müssen wir diese Worte immer wieder hören und uns vergewissern, und darum feiern wir Gottesdienst und sollten möglichst viele dazu einladen.
Das bringt der Glaube, darum brauchen wir den Gottesdienst.
Wir müssen es immer wieder hören, damit die Angst nicht siegt und wir aus der
Angst heraus törichte Dinge tun, weil sie uns den Geist vernebelt. Der Glaube,
meine Lieben, sorgt für Klarheit, weil er mit uns die Liebe einübt.
Und das ist ja nun wahrhaftig nicht wenig.
Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.