Montag, 27. Juni 2022

Predigt Jona 3 2. S.n. Tr. 2022

 Liebe Gemeinde!


Die Einführung des 9.- Euro-Tickets sorgte für eine handfeste Überraschung: plötzlich fuhren so viele Menschen Bus und Bahn, dass der Betrieb auf manchen Strecken zusammenbrach und die Kapazitäten nicht ausreichten. Was als Entlastung für die gedacht war, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, setzte etwas ganz anderes frei: Menschen, die es sich bisher schlicht nicht leisten konnten, mit Bus und Bahn zu reisen, nutzten die Gelegenheit. Und das waren nicht nur Touristen, die sozusagen auf Spritztour gingen. Es waren, das konnte man z.B. in den sozialen Medien ganz gut verfolgen, auch viele darunter, die sagten: Ich wollte mein Auto schon immer stehen lassen, weil ich es für eine Umweltsünde halte, aber die Alternativen waren zu teuer. 

Als der Ukraine-Krieg ausbrach, kam es sofort zu einer großen Flüchtlingswelle aus der Ukraine in die Nachbarländer, und Deutschland war davon auch recht stark betroffen, weil nicht wenige ukrainische Menschen schon Beziehungen hierher hatten. Es war keine Frage, sie aufzunehmen. Alle, die in Sorge gerieten, dass wir eine Art zweites 2015 erleben und sich hier Unmut und Protest breitmachen würde, wurden enttäuscht: Die Bereitschaft in der Bevölkerung, diese Menschen zu unterstützen, war riesig. Noch überraschender aber ist, was Bundeskanzler Scholz unter dem Begriff der „Zeitenwende“ in seiner Rede im Februar auslöste. 100 Millionen Euro für die Bundeswehr – und er stieß auf wenig Widerstand, quasi über Nacht wurde die Bundeswehr, die bis dahin ein Stiefkind der öffentlichen Aufmerksamkeit war oder sogar ziemlich schlecht behandelt wurde, populär, auf einmal saßen Menschen in Uniform in den Talkshows und man hörte ihnen zu. 

Was haben diese drei Bespiele gemeinsam? Offensichtich wird die Bereitschaft der Menschen, tatsächlich etwas zu ändern, den Kurs zu wechseln, ja sogar Einschränkungen und Anstrengungen auf sich zu nehmen, wenn es nur klar gesagt und ins Werk gesetzt wird, höher, als oft vermutet. Wäre das auch ein Signal für die Maßnahmen, die dringend anstehen für den Klimawandel? Könnten hier ein klares Wort, eine klare Anweisung und eine deutliche Benennung dessen, was der Fall ist, am Ende auch Menschen in Bewegung bringen? Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sich vor das Problem gestellt sieht, einem Winter entgegenzugehen, der uns in ernsthafte Schwierigkeiten mit der Gas- und Energieversorgung bringen kann, versucht das seit einiger Zeit, auch, indem er deutlich und klar die Konsequenzen auf den Begriff bringt. Er spricht Sachverhalte an, die noch vor wenigen Monaten höchsten hinter vorgehaltener Hand gesagt werden konnten: Es kann so nicht weitergehen. Und überraschenderweise stößt er auch wenig Widerstand, er ist im Moment einer der populärsten Politiker. 

Es ist offensichtlich so, dass man den Menschen mehr zutrauen kann, als man oft denkt – vor allem auf Seiten der Mächtigen und der Entscheider. Und manchmal müssen die dann auch wenig Druck von unten bekommen, damit sich etwas bewegt und sie erkennen: Die Menschen sind in vielem manchmal viel weiter, als von ängstlichen Politikern angenommen.

Genau das ist die Erfahrungen, die der Prophet Jona macht. Er bekommt von Gott den Auftrag, in die Stadt Ninive zu gehen und dort zu sagen: „Gott hat von Eurer Schlechtigkeit gehört, er wird die Stadt vernichten!“ 

Beim ersten Mal ging Jona diesem Auftrag aus dem Weg. Denn Ninive war die Hauptstadt der Assyrer, des aggressiven Feindes im Osten von Israel, dem heutigen Irak, der schon mehrfach das Land überfallen und ausgeplündert hatte, der Erzfeind. Begreiflicherweise hatte Jona Angst, er flüchtete auf einem Schiff nach Westen, Richtung Spanien. Das aber nützte natürlich gar nichts – das Schiff geriet in einen Sturm, die Seeleute losten, an wem das liegen könnte, und das Los fiel auf Jona. Er wurde über Bord geworfen. Aber er ertrank nicht. Die schöne Geschichte erzählt, dass er von einem großen Fisch verschlungen wurde und nun im Bauch des Fisches erkannte, dass er Gott nicht entwischen kann. Er betete ein langes Bußgebet, und schließlich spuckte der Fisch ihn aus. Jona bekam seinen Auftrag erneut. Diesmal machte er sich auf den Weg. Und wir haben gehört, was geschieht. Ohne große Umschweife wird erzählt: “Und es geschah das Wort des Herrn zum zweiten Mal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage!“

Also predigte er und sprach: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und riefen ein Fasten aus und zogen alle, Groß und Klein, den Sack zur Buße an“.

Die Menschen reagieren! Jonas Ängste waren völlig unbegründet. Wir erfahren ja gar nicht genau, was er ihnen gesagt hat, außer: Es kann so nicht weitergehen, wenn ihr so weitermacht, werdet ihr untergehen! Und sie reagieren, wie man eben in antiken Zeiten reagierte: Sie warfen sich, und das ist ja bis heute sprichwörtlich, in Sack und Asche und fingen an, ihr Verhalten zu ändern. Jona hatte die Menschen völlig falsch eingeschätzt! Aber es geht noch weiter: „Und als das vor den König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche.“ Er verkündigt eine große Staatsbuße und einen Wechsel in der Politik. Jetzt, als der König sieht, wie das Volk reagiert, nimmt er es auch an und verkündet eine Umkehr des gesamten Staates, sogar das Vieh wird miteinbezogen. 

Und daraufhin ändert auch Gott sein Vorhaben: Er sieht, dass er gehört wird, und „…da reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht“.


Die Stadt war gerettet. Das war nun also genau so ein Moment: Die Menschen hörten Klartext, und sie reagierten. Und als die Regierung das sah, sah sie sich auch genötigt, zu reagieren. 

Interessant ist, wie es weitergeht – Jona wird nämlich wütend. Jona hatte nämlich, mit der durchaus üblichen Arroganz, die einen Propheten schon einmal befallen kann, damit gerechnet, dass Gott sein Vorhaben nicht durchzieht und den Feind Israel nicht vernichtet. Er wollte die Stadt in Schutt und Asche sehen. Aber das geschieht nicht. Für seine Arroganz bekommt er nun eine eindrückliche Lehre verpasst: 

Jona schmollt und setzt sich auf einen Hügel vor der Stadt. Weil es so heiß war, ließ Gott eine Rhizinus-Staude wachsen, die ihm Schatten bot. Das war natürlich angenehm. Aber dann schickte Gott auch einen Wurm, der die Pflanze verdorren ließ, so dass Jona wieder in der Hitze saß. Er beklagte sich darüber bei Gott und musste folgendes als Antwort hören: „Ist es recht von dir, wegen des Rizinusstrauches zornig zu sein? Er antwortete: Ja, es ist recht, dass ich zornig bin und mir den Tod wünsche. Darauf sagte der HERR: Du hast Mitleid mit einem Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen. Soll ich da nicht Mitleid haben mit Ninive, der großen Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die zwischen rechts und links nicht unterscheiden können - und außerdem so viel Vieh?“


Jona musste lernen, anders über die Menschen und über Gott zu denken. Seine heimliche Rachsucht wurde entlarvt, aber auch sein mangelndes Zutrauen in die Menschen und ihre Fähigkeit, sich wirklich zu ändern, wenn es hart auf hart geht. Gott sagt ja: Sie können rechts und links nicht unterscheiden, sie haben keine Orientierung. Aber ich habe ihnen eine gegeben. Soll ich sie darum trotzdem vernichten, nur, damit Du Recht behältst? Gott ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes. 

Die Geschichte endet hier. Es wird kein Fazit gezogen. Sie ist für viele Deutungen offen. 

Heute aber hören wir aus der Geschichte: Man kann den Menschen auch etwas zutrauen, und manchmal sind die Menschen, das Volk, die Bevölkerung, die Bewohner, man mag es nennen, wie man will, viel weiter als die Mächtigen oder die Regierenden und durchaus bereit, aus einer drohenden Katastrophe die nötigen Schlüsse zu ziehen. 

Das kann uns eine Ermutigung sein. Das 9-Euro Ticket, die Zeitenwende-Rede, die Einschränkungen, die möglicherweise auf uns zukommen wegen der Energie- und der Klimakrise: Wir sollten einander da etwas zutrauen, und wir sollten Klartext miteinander reden. Dann kann es geschehen, was in Ninive geschehen ist: Die Menschen besinnen sich und sind bereit, etwas zu ändert, und das bringt dann auch die Regierenden dazu, entschiedene Schritte zu gehen. Wichtig ist halt, die Menschen wirklich mitzunehmen und keine Angst zu haben. 

Das ist die Jona-Geschichte, trotz all ihrer märchenhaften Züge, überraschend aktuell. Vielleicht kann man es in einen einfachen Satz zusammenfassen: Die Menschen sind gar nicht so, wenn man sie ernst nimmt. Traut Euch, die Wahrheit zu sagen. 

Gott gebe uns, als Volk, Bevölkerung und Einwohner, als Regierende und Verantwortliche diesen Mut, die Zeichen der Zeit zu erkennen, die Wahrheit furchtlos auszusprechen und die nötigen Schritte zu tun. Dann kann sich tatsächlich etwas ändern, von dem es eben noch hieß: das geht nicht! Es kann nur besser werden. 

Amen. 


Fürbitte: 

Gott, unser himmlischer Vater, 

es sind schwierige Zeiten, und wir müssen uns ändern. Wir müssen aufhören, de Erde zu plündern, wir müssen aufhören, fragwürdige politische Bündnisse zu schließen und schiefe Kompromisse einzugehen. Wir müssen den Mut finden, neue Wege zu gehen und dafür auch bereit sein, einen Preis zu zahlen. Die Zeichen der Zeit sind eindeutig und klar. Und so bitten wir dich: Sende uns Menschen, die Klartext reden. Öffne die Ohren der Menschen, das auch zu hören. Nimm uns die Angst vor Veränderungen; so wie es ist, kann es nicht bleiben. Gib uns Zutrauen in unsere Kraft, auch schwierige Zeiten zu ertragen, und sie nicht einfach auszuhalten und abzuwarten, sondern etwas zu verändern und neu zu beginnen. Sende den Regierenden den Mut, den Menschen reinen Wein einzuschenken. Und gib uns die Hoffnung, dass Du uns dabei begleitest und uns deine Kraft zur Veränderung sendest. Führe uns zu Umkehr, wie du es durch deine Propheten, durch Jona und Jesus Christus getan hast. Wir wissen, dass wir mehr können, als wir meinen. Lass uns Zutrauen finden zu dieser Kraft, damit die Erde ein guter Ort wird für alle. 

Amen


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