Mt
10,34-39
34
Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde.
Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
35
Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die
Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. 36
Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der
ist meiner nicht wert.
38
Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner
nicht wert.
39
Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um
meinetwillen, der wird's finden.
das sind
harte Worte, die Jesus hier spricht, sie widersprechen auf dem ersten Blick so
ziemlich allem, was wir erwarten. Ja, schlimmer noch: Sie sprechen eine große
Angst an: dass der Glaube uns von den anderen Menschen entfremdet und dass er
nicht Frieden bringt, sondern Gewalt und Streit.
Diese
Erfahrung machen wir freilich auch. Es endet in unserer Gesellschaft Gott sei Dank
nicht gleich in Mord und Totschlag, aber dass man als Christin und Christ immer
wieder einmal auf Gegenwind stößt, für lächerlich, dumm oder verblendet gehalten
wird, kann schon vorkommen. In anderen Winkeln der Welt werden Menschen um
ihres Glaubens willen verfolgt, gejagt und sogar getötet. Die Geschichte aller
Religionen zieht auch eine Blutspur hinter sich her, das steht völlig außer Frage,
und für die Kritiker der Religion ist das ein starkes Argument, Glauben und
Religion vollständig abzulehnen oder sogar für die Wurzel allen Übels zu
halten. Und so richtig widersprechen kann man dem ja auch nicht. Und nicht nur
Christen werden und wurden verfolgt, es waren auch Christen selbst, die als Verfolger
und Mörder auftraten und noch auftreten. Wie damit umgehen? Es steht ja da: er
bringt das Schwert, und er stellt knallhart vor die Alternative: entweder ich
oder die anderen. Und der Riss geht dann durch Familien und Völker.
Wie damit
umgehen?
Nun, im
Grunde ist es ganz einfach: Jesus spricht hier in einem Bild. Seine Worte sind
eine Gleichnisrede, wie viele seiner anderen Gleichnisse auch. Nur, dass die
Gleichnisse, die wir kennen und lieben, eben von der Versöhnung sprechen, von
der Liebe und von der Gnade, etwa das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Oder von
der geheimnisvollen Kraft des Wortes Gottes, dass wie ein kleines Senfkorn
daherkommt und am Ende ein großer Baum wird. Das sind Bilder, und Bilder müssen
ausgelegt und verstanden werden. Sie wollen etwas veranschaulichen. Und so auch
hier. Wenn Jesus davon redet, dass er das Schwert bringt, dann meint er: Er
ruft in eine Entscheidung. Entweder ich oder die anderen. Das ist immer noch
eine harte Rede. Doch bei Lichte betrachtet, ist es nicht anderes als das, was
das erste Gebot auch sagt: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine
anderen Götter haben neben mir“. Und Luther hat dieses Gebot so ausgelegt: „Woran
du dein Herz hängst, das ist dein Gott“. Vertraust Du auf Güter und Erfolg?
Vertraust Du auf Gewalt und autoritäres Verhalten? Vertraust Du nur Dir oder
auch anderen? Worauf vertraust Du? Was tröstet dich, was gibt dir Kraft, was
hält dich? Von wo aus blickst du auf die Welt: aus deinem kleinen,
eingeschränkten Blickwinkel oder aus der Perspektive Gottes? Und wenn Jesus von
Gott spricht, und jetzt kommen wir der Sache schon näher, dann spricht er von
dem Gott, der uns gnädig ist, der sich uns in Liebe zuwendet, der uns unsere
Sünden vergibt und sich mit uns versöhnt. Das Schwert also, von dem hier die
Rede ist, ist ein Bild für die Liebe. Das klingt nun sehr verblüffend und auch
ein bisschen schräg. Kann man das denn zusammendenken, ein Schwert und die
Liebe? Es gib ein schönes Lied, das Gustav Mahler auch ganz wundervoll vertont
hat, aus den „Liedern eines fahrenden
Gesellen“. Darin kommt eine Zeile vor, an die ich hier denken muss: „Ich habe
ein glühend Messer, ein Messer in meiner Brust, O weh! O weh! Das schneid’t so
tief.“ – das Messer ist seine Liebe zu einer Frau, die nicht erwidert wird.
Hier leuchtet uns das Bild sofort ein. Die Liebe kann auch wehtun, vor allem,
wenn sie nicht erwidert wird. Dann ist sie wirklich ein zweischneidiges
Schwert, das sehr verletzen kann. Und jetzt kommen wir in die tiefste Schicht
dieses Bildes: Das ist ja genau Jesu Schicksal! Er selbst erleidet auch einen
ziemlich schrecklichen Tod – weil er der Bote der Liebe, ja sogar die Liebe selber
ist. „Liebe ist stark wie der Tod“, heißt es im Hohelied (Hoheslied 8,6b), und
wer je Liebe gefühlt hat, wird das kennen. Aber sie ist eben nicht der Tod, sie
ist stark wie der Tod. Auch hier also: ein Bild!
Gerade wenn
man die Welt liebt, gerade wenn man unter dem leidet, was wir mit ihr gerade
tun und wie wir uns in ihr bewegen, fühlen wir Schmerzen. Wir möchten, dass
sich das ändert, dass die Welt ein guter Ort wird, dass das Böse und Üble, das
wir ihr und uns antun, aufhören möge, dass jemand mit einem Schwert
dazwischenginge und es beseitige. Jesus spricht also hier von der
Zweideutigkeit der Liebe, von der Leidenschaft, die sie freisetzen kann, von
dem Schmerz, die sie zufügen kann. Diese Erfahrung spiegelt sich in den Worten Jesu.
Es ist ein zugespitztes Bild dafür, was geschehen kann, wenn man sich für die
Liebe entscheidet. Und das kann tatsächlich Gräben aufreißen. Junge Menschen
möchten, dass wir aufhören, die Welt mit unserem Müll zuzuschütten, sie auszubeuten
und durch den Menschenanteil am Klimawandel zu zerstören. Sie greifen dazu zu drastischen
und deutlichen, aber gewaltlosen Mitteln. Sie versammeln sich Freitags während
der Schulzeit und bringen Ihren Protest zum Ausdruck. Diese jungen Menschen
sind voller Leidenschaft und Liebe für die Erde, sie handeln nicht aus böser
Absicht oder aus rein eigennützigen Motiven. Aber jeder bekommt auch mit, auf
welche Schwierigkeiten sie stoßen. Greta Thunberg, die junge Frau, die sich an
die Spitze der Bewegung gesetzt hat, bekommt Morddrohungen. Indem diese jungen
Menschen für die Liebe zur Erde und zur Schöpfung eintreten, „bringen sie das
Schwert“ und bekommen es zu spüren. Ist das nicht furchtbar? Diese jungen
Menschen haben sich für etwas entschieden, und allein dadurch geraten sie in
Schwierigkeiten und erfahren Hass und Ablehnung. Und dieser Riss geht tatsächlich
auch durch Familien!
Das Wort Jesu,
dass so furchtbar klingt, als wäre es eine Aufforderung, zum Schwert zu greifen
und gewalttätig zu werden, hält uns also einen Spiegel vor: Wer sich für die Liebe
entscheidet, wird auf Schwierigkeiten stoßen und kann sich schwere Verletzungen
holen. Es ist also entscheidend wichtig, zu begreifen, dass Jesus hier ein Bild
benutzt. Nicht um uns einen Schrecken einzujagen, sondern um den Ernst der
Frage deutlich zu machen: Wofür entscheidest du Dich? Für die Liebe oder für
die Gleichgültigkeit? Bist Du bereit, für die Wahrheit auch Schwierigkeiten in
Kauf zu nehmen oder nicht? Wer sich für den Glauben entscheidet, wer auf die Liebe
vertraut, wird in der Welt, die so sehr mit sich beschäftigt ist, diese
Erfahrung immer wieder machen. Sie darf uns aber nicht müde werden lassen oder
in die Resignation führen. Auf eine merkwürdige Art und Weise entpuppt sich das
harsche Wort Jesu, das so gewalttätig und abweisend klingt, sogar als ein
Zuspruch oder ein Trost: Wer sich für mich entscheidet, wird leiden um der
Liebe willen. Aber er hat mich an seiner Seite. Wer sich für die Liebe
entscheidet, entscheidet sich für die Kraft Gottes, die die Welt eben gerade
nicht mit Gewalt, sondern mit Sanftmut und mit dem Wort verändern will. Es geht
also gar nicht darum, den Konflikt, die Auseinandersetzung und den Streit zu
suchen. Es geht darum, nicht zu erschrecken, wenn wir die Erfahrung machen,
dass das Eintreten für die Liebe auf Abwehr stoßen kann, dass wir, wenn wir glauben,
auch ein glühendes Messer in unsere Brust haben. „Brannte nicht unser Herz?“ Fragen
die beiden Jünger am Morgen nach Ostern, als sie Jesus begegneten und ihn nicht
erkannten? Am brennenden Herzen haben sie ihn schließlich erkannt. Der Apostel
Paulus spricht in seinem Brief an die Epheser auch in einem militärischen Bild:
"So steht nun, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit, bekleidet mit dem
Brustpanzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft
zur Verkündigung des Evangeliums des Friedens! Bei alledem ergreift den Schild
des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen könnt!
Nehmt auch den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist Gottes
Wort!" (Epheser 6:14-17). Hier ist es ganz deutlich: das ist ein Bild, das
ist nicht wörtlich gemeint.
Es ist also
völlig absurd und geradezu bösartig, im Namen der Religion oder des Glaubens
zum Krieg oder zur Gewalt aufzurufen und sich dabei auf dieses oder andere
Worte der Bibel zu berufen. Man muss schon genau hinhören, wer hier spricht.
Der Bote der Liebe bringt das Schwert der Liebe. Und darum gehört unser Mitgefühl,
unsere Solidarität und unser Einsatz allen Menschen, die um des Glaubens willen
verfolgt, verleumdet, gejagt oder getötet werden. Darum sollten unsere
Sympathie und unser Aufmerksamkeit all jenen zukommen, die um der Liebe willen
kämpfen und dafür Widerstände nicht scheuen.
Jesus sagt
diese Worte zu seinen Jüngern. Er rief sie letztes Mal in die Entscheidung, bevor
er sie in die Welt sandte und zeigte Ihnen die Konsequenzen. Sie sind trotzdem
losgezogen als Boten der Liebe und haben so das Evangelium in die Welt
gebracht. Manche haben das mit ihrem Leben bezahlt. Wir nennen sie Märtyrer,
Blutzeugen, in der katholischen und Orthodoxen Kirchen werden sie als Heilige
verehrt und auch wir ehren sie, denken wir an Dietrich Bonhoeffer, der im KZ um
seines Glaubens willen hingerichtet wurde.
Die harten Worte
Jesu, die eine harte Wirklichkeit benennen, sind am Ende eine Ermutigung: Lasst
Euch nicht einschüchtern, kämpft den guten Kampf des Glaubens, auch wenn ihr
Gegenwind bekommt: Das ist zu erwarten! Aber vergesst niemals: Das Schwert ist
die Liebe, nicht die Gewalt. Die große Kunst des Glaubens ist es, auf diese Gewalt,
diese Verachtung, diesen Spott, dem wir begegnen, nicht wieder mit Verachtung,
Spott und Gewalt zu antworten. Sonst huldigen wir dem falschen Gott. Da gibt es
keine Alternative. Dem müssen wir uns stellen. Nirgendwo steht geschrieben,
dass der Glaube das Leben einfacher macht. Er macht es erträglicher, weil er
uns starke Bilder der Hoffnung gibt in einer Welt voller Not und Tod. Das
Schwert des Geistes ist stärker als alle Schwerter der Welt, weil es nicht den
Tod bringt, sondern das Leben. Die Liebe ist stark wie der Tod, aber sie
gewinnt am Ende.
Amen.
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