ANSPRACHE 1. TIM 3, 16
16 Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis
des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die
Herrlichkeit.
Groß
ist das Geheimnis des Glaubens: er ist offenbart im Fleisch! Und das heißt:
Gott
macht sich klein.
Das
ist die christliche Botschaft in Reinstform. Und sie ist ganz einfach, sie ist
ganz schlicht, so einfach und so schlicht wie die Krippenszene: Der große Gott
macht sich klein. Er trägt Windeln. Deswegen wird dieses Detail so betont. Der
große Gott trägt Windeln.
Ich
bin großgeworden in einer Familie von Bauern und Handwerken. Sie betrieben alle
Landwirtschaft im Nebenerwerb, wie man heute sagt. Ich bin also großgeworden
mit Tieren: Schweine, Enten, Hühner, Kühe, Schafe. Ich schlief schräg über dem
Schweinstall. Das Grunzen und Quieken war mein täglicher Begleiter. Ich habe
das gemocht. Was ich weniger mochte: die Gerüche. Es stank. Nicht nur nach Mist
und Gülle, sondern auch nach säuerlichen Schweinekartoffeln, nach Silage, und
von den Kuhställen nebenan der scharfe Geruch von Kuh und Milch. Oft habe ich
im Stall gestanden und mir überlegt: Hier ist also Jesus geboren. Der muss doch
gestunken haben. War ich drei Minuten im Kuhstall, habe ich drei Tage lang
gerochen! wer Kühe kennt, kennt das. Und dann die Geschichte mit den Königen
aus dem Morgenland. Die bringen Weihrauch mit. Weihrauch kannte ich. Meine
DDR-Verwandtschaft schickte uns immer Räuchermännchen mit Weihrauchkerzen. Ich
stand also im Stall und überlegte mir, wie das wohl gerochen hat: Weihrauch und
Mist. Und dann kamen ja auch noch die Hirten. Die rochen nach ungewaschen und
Schaf. Wie mag es da im Stall gerochen haben? Dann bekam ich einen Bruder. Ich
lernte also auch noch den Geruch von Säuglingen kennen. Auf der einen Seite das
Süßliche, Milchige das leicht auch etwas Säuerliches bekommen kann, auf der
anderen Seite natürlich Windeln. Das ganze Haus roch danach, über Monate.
So
also roch es da in Bethlehem. Nicht nach Plätzchen, Glühwein, Gans und
Tannenbaum. Es war kein gemütlicher Ort, und für die frisch entbundene Wöchnerin
sogar lebensgefährlich.
Der
große Gott macht sich klein. Wir erzählen da an Weihnachten eine ganz ungeheure
Geschichte. Wir erzählen eine Geschichte, die allem, was man so über Gott
denkt, krass entgegensteht.
Die
Hirten haben das verstanden. Sie haben es natürlich nicht sofort geglaubt, aber
sie haben es sich angesehen. Und sie haben verstanden, dass der Engel Recht
hatte. „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist der Christus“. Der lang
verheißene König. Die Armen und die Außenseiter – und genau das waren Hirten
damals – haben sofort verstanden. Sie fallen auf die Knie, beten an. Sie haben
verstanden, dass Gott zu ihnen gekommen ist, als einer von Ihnen.
Der
große Gott macht sich klein.
Die
Weisen aus dem Morgenlande aber – die haben lange gebraucht um es zu verstehen.
Sie haben einen Stern gesehen: ein König wird geboren, weit im Westen. Sie
meinten nämlich, den Willen Gottes aus den Sternen und aus ihrer Weisheit zu
erkennen. Und so machen sie sich auf, und wo suchen sie den neugeborenen König?
Natürlich dort, wo jeder, der einen Funken verstand hat und was von der Welt versteht,
ihn suchen würde: im Palast des Königs. doch
das war ein fataler Missgriff. In Wahrheit hatten sie nämlich überhaupt nichts
verstanden. Weisheit führt nicht zu Gott. Weil sie Gott in den Sternen gesucht
haben. Ihre Weisheit führte sie in die Irre, denn wir alle kennen die
Konsequenzen: Herodes lies alle Kinder unter zwei Jahren in Bethlehem ermorden.
Was für ein entsetzliches Gemetzel!
Der
große Gott wird klein. Die Weisen fanden am Ende en richtigen Weg: weil Herodes
die Schriftgelehrten aus der Bibel vorlesen ließ, woher denn der neue König
kommen sollte. Aus Bethlehem, lasen sie beim Propheten Micha, gar nicht weit
von Jerusalem. Die Weisen zockelten dorthin, und was sie fanden, wissen wir ja
nun. Ich wäre gerne bei ihrer Ankunft dabei gewesen: die erstaunten Blicke! die
zugehaltenen Nasen! Aber sie haben es
dann offensichtlich verstanden und ihre Weisheit Weisheit sein lassen: sie
glaubten, was sie sahen: Sie huldigen dem kleinen Kid, als wäre es ein König.
Und das war er ja auch. Der große Gott, den alle zu kennen meinen, macht sich klein.
Das
nämlich hat Herodes sehr gut begriffen. Er war ein brutaler Gewaltherrscher von
der Römer Gnaden, einer der größten Widerlinge der Geschichte. Er geriet in
Panik, erst als die Weisen von einem neugeborenen König redeten, aber vollends
drehte er durch, als die Schriftgelehrten ihm erklärten: das wird der Nachkomme
des Königs David sein, der in Bethlehem geboren werden wird, wie die Propheten
sagen, und ein neues Reich aufrichten wird. Keine gute Nachricht für einen
Tyrannen. Er verstand sofort: dieses Kind wird die Welt verändern. Gerade weil
es so niedrig und so schwach geboren wurde. Der Gott, der hier in der Krippe
liegt, ist nicht der Gott der Koppelschlösser und der Kriegsfahnen. Der Gott,
der hier in der Krippe liegt ist auch nicht der Gott der Philosophen, der
Naturschwärmer und der Weltverbesserer, das ist nur der Schatten von Gott. Der Gott, der hier in der Krippe liegt,
ist der Gott, der Mensch geworden ist.
Groß
ist das Geheimnis. In der Tat. Und es bleibt für uns immer wieder ein
Geheimnis. Immer wieder fallen wir auf unsere Träume von Gott herein, immer
wieder arbeiten wir uns an einem Bild von Gott ab, das gar nicht Gott ist,
sondern ein Zerrbild unserer Angst und unserer Träume. Der große Gott macht
sich klein, nicht, wie er ohnmächtig ist, sondern weil seine Macht die größte
Macht ist, die es überhaupt gibt: die Macht der Liebe! Darum wird er Säugling,
liegt in der Krippe, zwischen Vieh und Futter, in Gestank und Durcheinander,
darum riskiert er sein Leben von Anfang an: damit wir ihn dort sehen und ihn
lieben lernen, wie man eben einen Säugling liebt und einen liebenswürdigen
Menschen, zu dem der Säugling dann wurde..
Haben
wir dieses große Geheimnis wirklich verstanden? Wir vergessen es immer wieder.
Zu groß ist die Verlockung der Macht, zu groß ist die Verlockung von Besitz,
Erfolg und Rechthaberei, immer wieder fallen wir hinter Weihnachten zurück,
immer wieder träumen wir uns einen Gott, der größer ist als wir selbst, weil
wir meinen, dass wir dann auch größer sind, immer wieder fallen wir hinter den
Glauben zurück. Das hat zu schrecklichen Ereignissen geführt: wenn die Kirche
vergessen hat, wie sich uns Gott gezeigt hat und an die Stelle des
menschgewordenen Gottes wieder einmal den Popanz unserer Träume von Macht und
Gewalt gesetzt hat. Kein Wunder, das viele Menschen sich davon abwenden! Der
Gott in der Krippe aber will keine Fanatiker: er will herzliche Menschen.
Darum,
meine Lieben, hören wir diese Geschichte immer wieder, Jahr für Jahr, seit 2000
Jahren, darum feiern wir Weihnachten und all die andren schönen christlichen
Feste, darum feiern wir jede Woche Gottesdienst, damit wir eine Chance haben,
dem großen Gott zu begegnen, der darin groß ist, dass er sich klein macht. Und
warum tut er das? Warum wird er Fleisch, warum wird er Mensch? Damit wir
lernen, den Menschen zu lieben. Damit wir in jedem Menschen das Ebenbild Gottes
erkennen, das Kind in der Krippe. Damit auch wir barmherzig werden, und der
Glaube uns zu unserer Menschlichkeit bringt. Die alte Welt, die Welt der
Gewalt, der Lüge und der Rechthaberei, die Welt von Krieg und Mord und
Totschlag, sie ging an diesem Abend zu Grunde. „Welt ging verloren, Christ ist
geboren“, singen wir am Ende des Gottesdienstes. An Weihnachten beginnt, mitten
in der alten Geschichte, eine neue Geschichte: die Geschichte der Liebe.
Kommt
mit an die Krippe, fallt auf die Knie wie die Hirten und die Weisen, betet ihn
an und werdet Teil dieser Geschichte, der besseren Geschichte, der Geschichte
der Liebe, denn aus dem erbärmlichen Anfang kommt ein herrliches Ende: der Tod
wird besiegt. Ja, das ist ein Geheimnis.
Aber ein öffentliches Geheimnis, das wir Christen hinausrufen in die Welt: Die
alte Welt vergeht, weil die neue Welt Gottes angebrochen ist, mitten unter uns.
Im Gestank und in der geistigen und weltlichen Armut der Welt leuchtet in einem
Kind das Licht des ersten Schöpfungsmorgens, denn er will, wie am ersten Tag,
alles neu machen. Das ist unsere Hoffnung, dass ist unser weihnachtlicher
Glaube.
Denn groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des
Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die
Herrlichkeit.
Amen.
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