Dienstag, 27. Dezember 2016

Predigt 1. Weihnachtstag Mi 5,1-4

Diese Predigt stand bis gestern als "Premium-Predigt" zum Download bereit. Ich habe sie in Haddamar und Heimarshausen (bei Fritzlar, Gemeinde Züschen) etwas gekürzt, gehalten - mit schönem Echo.



5 1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.
2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel.
3 Er aber wird auftreten und ]weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.




Liebe Gemeinde!



Eine große Hoffnung wird hier ausgesprochen in hoffnungslosen Zeiten. Eine Hoffnung auf Neuanfang und Wiederaufbau, eine Hoffnung auf eine gerechte Herrschaft und auf eine gute Ordnung. Und sie wird nicht irgendwie und irgendwo ausgesprochen, sie richtet sich nicht an die ganze Welt oder die ganze Menschheit; dann wären es nur große Worte. Sie ist kein leerer Apell, wie wir sie in den letzten Tagen und Wochen so oft gehört haben. Sie ist ganz konkret. Sie nennt den Namen eines Ortes: Das kleine Bethlehem, ein Dorf in der Nähe von Jerusalem, und Ephrata ist eine kleine Sippe darin. Aus diesem kleinen Bethlehem, aus dieser kleinen Sippe soll der kommen, der das Land, nämlich das Israel des siebten Jahrhundert vor Christus, wieder in den Frieden und die Herrlichkeit führen wird.



Gesprochen wurden diese Worte zu einer Zeit, als das Land unter Krieg, Plünderung und Terror litt wie kaum zuvor. Assyrien, der Feind aus dem Norden, dem heutigen Irak, hat mit unglaublicher Rohheit und Gewalt das Land erobert, die Oberschicht entführt, die ohnehin wenigen Schätze geplündert, Menschen versklavt, Städte geschleift, Ernten vernichtet. Die Prophetenbücher von Hosea, Amos Jesaja und Micha geben uns ein anschauliches Bild davon. Wir kennen die Bilder auch. Gerade in diesen Tagen haben wir Bilder von Aleppo vor Augen: die zerbombte Stadt, die verstörten Menschen. Flüchtlinge, die von einer Not in die nächste flüchten, Soldaten, die kaum unter Kontrolle gehalten werden können. Und kaum kann man Freund und Feind auseinanderhalten, immer wieder hören wir von neuen Greueln, sehen wir vor allem das Leiden der Zivilbevölkerung. Bomben und Granaten machen keinen Unterschied. Der Krieg ist ein Elend und der Krieg verursacht Elend. Und eben nicht nur dort, wo er tobt. Sondern bis zu uns reichen die Wirkungen. Die Bluttat von Berlin hat uns das erschreckend nahegebracht, hat auch uns in Ohnmacht, Schock, Wut und Trauer versetzt. Wir müssen ohnmächtig zuschauen. Wir bekommen nur bruchstückhafte Informationen, denen man kaum trauen kann. Denn das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Darum zerstört ein Krieg nicht nur Städte und Menschen. Er richtet auch in den Herzen und Köpfen der Menschen Zerstörung an, er sät Hass und Vergeltungswünsche, er sät Rache und Verzweiflung über Generationen hinweg, er streut Verunsicherung und Angst, er erzeugt Geschrei, Gerücht und Lüge.



Darum genügt es nicht, nach dem Waffenstillstand oder nach dem Friedensschluss einfach nur aufzuräumen, oder sich zurückzulehnen, wenn ein Attentäter festgenommen wurde. Es muss mehr geschehen: Die Herzen der Menschen müssen geheilt werden.



Davon spricht der Prophet Micha. Das ist es, was er ankündigt. Nicht die Geburt eines neuen Königs, der neuen Krieg bringen wird. Nicht ein neues Herrscherhaus, das neue Zwietracht und Gewalt bringen wird. Er spricht von einem Neuanfang, der tiefer geht. Selbst die Tage der Schwangerschaft der werden noch Tage des Leidens sein. Aber wenn die Frau geboren hat, wird das anders werden. Dann wird ein Herrscher kommen, der einen neuen, einen anderen Frieden bringen wird: Frieden für die Herzen. Er wird kein Wolf sein, sondern ein Hirte. Er wird nicht nur sein Volk befrieden, sondern die ganze Welt. Dieser König wird aus Bethlehem kommen, aus dem Stamme Efrat: die Zeitgenossen haben das sofort verstanden. Denn aus Bethlehem, aus dem Stamme Efrat, stammte David, der große, erste König des Landes, der das Land geeinigt hat und vor der Gefahr der aggressiven Nachbarn beschützte. Und die Zeitgenossen des Propheten Micha haben in seinen Worten noch mehr gehört: eine beißende Kritik an den Königen nach David. Sie haben es verdorben. Sie haben es, um einen jüdischen Ausdruck zu verwenden, im wahrsten Sinne des Wortes vermasselt. Darum wird Gott mit seinem Volk noch einmal von vorne beginnen, noch einmal aus dem kleinen Bethlehem einen König erwecken, der einen anderen Weg geht. Der Prophet spricht Worte der Hoffnung, die aber zugleich auch Worte des Gerichtes und der Kritik sind: Der Weg von Macht und Gewalt ist der falsche, er führt nur immer wieder von Krieg zu Krieg, von Trümmerstädten zu Trümmerstädten, von Gräbern zu Gräbern. Guernica, Hiroshima, Dresden, Aleppo, Paris, Nizza, Berlin. Wir haben die Bilder vor Augen. Wir hören, wie wahr das ist. Aber wir hören auch von der Hoffnung aus Bethlehem.



Für uns heute hat der Name Bethlehem einen vertrauten Klang. Denn die Prophezeiung hat Jahrhunderte gebraucht, bis sie in Erfüllung ging. Bis in Bethlehem, aus dem Stamm und der Familie Davids, ein Kind geboren werden sollte, mit dem sich alles änderte. Der Neuanfang aus Bethlehem: Das ist Jesus Christus, der König der Herzen. „Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ verkündigen die Engel den Hirten auf dem Felde, und die verstehen die Botschaft sofort. Christus ist geboren: das ist der gesalbte Herrscher, der lang erwartete neue König. Und später singen die Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!“ Gott wird Mensch, damit wir Menschen einander Menschen werden. Mit diesem Kind kam eine Hoffnung in die Welt, die die Welt so vorher nicht kannte. Mit diesem Kind kam Gott selber als barmherziger und gnädiger Gott in die Welt, der die Kranken heilte, die Verzagten aufrichtete und den Sündern vergab, und allen Menschen gilt diese Botschaft. Er richtete ein neues Reich auf, das nicht von dieser Welt ist. Ein Reich des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung. Und auch er wurde hineingeboren in eine Welt voller Gewalt und Grausamkeit, ja, er musste Gewalt und Grausamkeit selber erleben. Der Weg von der Krippe führt an das Kreuz. Doch er schlug nicht zurück. Er übte nicht Rache. Er wollte keine Vergeltung. Auf den Ausbruch menschlicher Gewalt am Kreuz, die vor einem unschuldigen und friedfertigen Menschen nicht zurückschreckte, antwortet Gott mit noch größerer Liebe, noch größerer Gnade, noch größerer Versöhnung. Das ist die christliche Hoffnungsbotschaft, die wir an Weihnachten verkünden, und sie ist eine Botschaft für die ganze Welt. Niemals mehr wird im Namen Gottes Krieg geführt werden, und die es tun, sind nichts anderes als elende Verbrecher und Schänder des guten Namen Gottes. Sie vergehen sich an Gott selber, wenn sie Krieg führen in seinem Namen, sie vergehen sich an dem Kind, wie es schon Herodes versuchte, als er alle Säuglinge in Bethlehem töten ließ. Sein Machtinstinkt hatte gerochen, dass dieser König anders sein wird, dass er alle menschliche Macht und alle menschliche Gewalt als Mittel der Macht in Frage stellen wird. Doch es gelang ihm nicht, wie es auch denen nicht gelang, die es nach ihm versuchten, als sie Christus kreuzigten. Die Botschaft von Weihnachten war in der Welt, und sie konnte aus ihr nicht mehr vertrieben werden. Darum tun wir recht daran, dieses Fest so groß zu feiern, und darum tun wir recht daran, diese Botschaft in die ganze Welt zu tragen, ob das den Mächtigen, passt oder nicht. Und wir tun es gerade angesichts von Aleppo und Berlin. Denn noch ist die Welt voller Gewalt. Noch ist das Reich des Friedens nicht endgültig angebrochen. Noch warten wir darauf, dass er endgültig kommen wird und sein Friedensreich aufrichten wird. Derselbe Prophet Micha hat die schönen Worte gesagt. „Dann werden sie die Schwerter zu Pflugscharen machen“. Bis dahin aber haben wir diese Worte vom Frieden unauslöschlich im Herzen. Bis dahin wissen wir, dass Frieden eben mehr ist als Wiederaufbau und Neuanfang. Wir wissen nun, dass Frieden nur sein kann, wo Versöhnung stattgefunden hat. Das ist das tiefe Geheimnis der Weihnacht, die uns so berührt: Versöhnung an der Krippe, Versöhnung angesichts eines hilflosen Kindes, in dem doch alle Macht Gottes leuchtet. Das ist eine Botschaft auch für Aleppo und Berlin und die Menschen dort, aber auch für uns: Wir können, wie die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland, diesen Frieden in unsere Herzen holen, wenn wir Gott anbeten und loben und preisen und ihm danken für seine Gnade. Wir sind nicht ohnmächtige Zuschauer, wir können etwas tun: Beten können wir, und aus der Kraft des Gebets Zuversicht schöpfen für die geschundene Schöpfung. Aus dem kleinen Bethlehem, nicht aus dem Palast der Mächtigen, kam und kommt die Kraft, die Welt zu verändern. Im Licht der Weihnacht liegt selbst über den Trümmern von Aleppo und den Toten von Berlin noch der Glanz der göttlichen Herrlichkeit, die uns zum Frieden führen will: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“. Diese Botschaft gilt der ganzen Welt, und sie ist sehr konkret, denn sie hat einen Namen: Jesus Christus. Amen.



















Fürbitte



Lass es Weihnachten werden, Herr unser Gott, in unseren Herzen und in die ganze Welt. Lass alle Welt das Licht erkennen, das uns aus der Krippe leuchtet.



Bewege die Herzen der Mächtigen, einen Frieden zu finden, der mehr ist, als das Schweigen der Waffen.



Bewege die Herzen der Völker, eine Versöhnung zu finden, die Gräben zuschütten und Hass beendet.



Nimm denen die Waffen aus der Hand, die mit ihnen meinen, das Heil der Welt zu finden.



Reiße denen dein Wort aus dem Mund, die damit neuen Hass säen wollen und meinen, sich auf dich berufen zu können.



Stifte Frieden auch unter den Religionen: Lass sie deine Barmherzigkeit erkennen.



Deiner Kirche schenke den Mut, unverdrossen Botschafterin deines Friedens zu sein, der höher ist als unsere Vernunft.



Unsere Gemeinde führe an die Krippe, dass wir innerlich vor dir auf die Knie gehen wie die Hirten und die Weisen.



Den Geschundenen und Gequälten schenke eine neue Hoffnung.



Wir denken insbesondere an die Opfer der Bluttat von Berlin und alle, die davon betroffen sind: Sende Ihnen Menschen, die trösten und Gedanken, die heilen.



Und führe uns zum Gebet, in dem wir uns vereinen als dein Volk aus Völkern, dass die Erde ein Ort des Friedens werde.



Amen.

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