So seht nun sorgfältig
darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus;
denn es ist böse Zeit. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht,
was der Wille des Herrn ist. Und ]sauft euch nicht voll Wein, woraus ein
unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit
Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in
eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen
unseres Herrn Jesus Christus. Ordnet euch einander
unter in der Furcht Christi.
Liebe Gemeinde.
Was uns hier gesagt wird
ist, was das Leben eines Christen ausmacht. Wer getauft ist und sich auf Gott
beruft, der wird auch in die Pflicht genommen. Denn die Welt ist nach Jesu Tod
und Auferstehung eine andere geworden, als sie vorher war. Sie ist jetzt eine Welt, über der eine Verheißung ausgesprochen ist. Damit wird sie nicht automatisch eine bessere Welt,
wahrhaftig nicht, aber der Blick für die Welt schärft sich. Es ist immer noch die Welt, die der Sünde verfallen ist: ein
Blick in den Fernseher, aber auch ein Blick in die Tiefe der eigenen Seele
genügt, um das zu begreifen. Es ist unverantwortliche Träumerei und geradezu
Realitätsverweigerung, das nicht sehen zu wollen.
Die Welt ist, so wie sie
ist, ein übler Ort und die Zeit, die irdische Zeit, ist eine üble Zeit. Sie ist
dem Untergang geweiht. Über Jahrhunderte hat der christliche Glauben vor allem
davon gelebt, dass er das wusste: Die Erde wird zu Ende gehen, sie wird
sterben, wie jeder von uns sterben muss. Und sie sie ist, für die überwiegende
Mehrheit der Menschen, ein schrecklicher Ort. Eine ernüchternde Erkenntnis.
Das zu wissen, ist weise.
Das nicht zu wissen, ist töricht. Und darum, liebe Gemeinde, leben wir in ganz
besonders törichten Zeiten. Wir lügen uns als gesamte Gesellschaft etwas in die
Tasche, und leider, so muss ich sagen, hat die Kirche auch Züge davon
angenommen. Wir tun so, als wäre alles in Ordnung, von ein paar dummen Sachen,
wie Kriege, Seuchen, Hunger, Gewalt und Katastrophen mal abgesehen. Wir leben
so, als wären die Ressourcen unbegrenzt. Wir tun so, als hätten wir ein Recht
auf Spaß, Unterhaltung und ein gutes Leben, verstanden als ewige Party. Wir
lassen uns vorspielen, wie einfach alles sein könnte, wenn wir nur richtig
lebten und vor allem natürlich: die richtigen Sachen kaufen! Die Welt, in der wir leben, ist eine
Warenwelt, und die wichtigste Aufgabe der Waren, die uns umgeben, ist schon
lange nicht mehr, unsere unmittelbaren Bedürfnisse zu stillen. Die wichtigste
Aufgabe der vielen Dinge, die wir haben, haben sollen und haben wollen, ist,
uns den Kopf zu verdrehen und uns besoffen zu machen. Und zwar von Jugend an.
Die jungen Leute hier trifft es am härtesten. Sie werden mit Drogen
vollgestopft, die sie betäuben. Ich meine natürlich nicht die harten Drogen.
Ich meine die Drogen, die wir als Drogen gar nicht mehr wahrnehmen. Die Medien,
die vielen schönen Dinge, und, was besonders übel ist, der Rausch der
Geschwindigkeit und der Lärm, der uns umgibt. Das sind unglaublich starke
Betäubungsmittel, die uns in einen Rausch versetzen, so dass wir gar nicht mehr
richtig hinsehen und hinhören können, und auch nicht wollen. Wir werden in eine
Art Schlaf versetzt und sollen davon träumen, in der besten aller Welten zu
leben, in der es für alles ein Heilmittelt gibt..
Auch Religion kann so eine
Droge sein, jede Form von Fanatismus und Gläubigkeit, die zu einer Abhängigkeit
geworden ist. Denn Drogen machen abhängig: man kann nicht mehr ohne. Wenn der
Rausch aufhört, kommt der Kater und das böse Erwachen, also gleich noch einen
drauf. Ich weiß noch, als ich noch Alkohol getrunken habe: das beste morgens
nach der Fete war, gleich noch eine Flasche Bier draufzutrinken. Den Spiegel
halten, heißt das dann. Gesund war das nicht. Wir leben in einer Gesellschaft,
die alles dafür tut, dass wir wie besoffen leben und aufgeregt durch das Leben
jagen, wie Süchtige von Kick zu Kick.
Sauft Euch nicht voll Wein,
denn daraus folgt ein unordentliches Wesen, schreibt der Apostel, und wenig
vorher hat er geschrieben: Wache auf, der du schläfst, erhebe dich von den
Toten, dann wird dich Christus erleuchten….!
Genau darum geht es. Der
christliche Glaube ist zu allererst ein Weckruf: Wach auf! mach die Augen auf!
Schaue hin! Und er ist ein Ruf in die Nüchternheit: Sauft Euch nicht voller Wein
daraus folgt ein unordentliches Wesen! Damit ist nicht das Glas Wein am Abend oder
das Bier auf einer Feier gemeint. Damit ist gemeint: lasst Euch nicht durch
Drogen aller Art den Verstand rauben, lasst Euch nicht einlullen und für dumm
verkaufen! Bleibt nüchtern!
Nüchternheit ist eine der
wichtigsten Tugenden für einen Christen. Sauft Euch nicht voll Wein, sondern lasst
Euch vom Geist erfüllen. Der Geist, der hier gemeint ist, ist der Geist Gottes.
Und es geht jetzt gerade nicht darum, dass wir den einen Suff der schönen neuen
Waren- und Medienwelt austauschen sollen gegen den Suff der Religion. Das wäre
eine schöne Bescherung! Wir sehen ja gerade, dass Religionen, wenn sie als
Droge verwendet und benutzt werden, warhhaft teuflische Energien freisetzten
können. Glaube ist keine Droge. Wenn er es wird, ist ein kein Glaube mehr,
sondern Aberglaube
Nein, der Glaube will
nüchtern machen. Und es ist äußerst ernüchternd, was der Glaube über die Welt
sagt, weil es die Wahrheit ist:. Sie ist ein Ort der Sünde. Sie ist im große
und Ganzen ein höllischer Ort, wo man auf der Hut sein muss, das man nicht in den
Abgrund gezogen wird.
Das macht es dem christlichen
Glauben natürlich schwer. In einer Gesellschaft, die vom verlogenen Optimismus
lebt, die davon lebt, sich selber vorzugaukeln, es sei im Grunde alles in
Ordnung, hat es so eine Botschaft natürlich schwer. Vor allem, weil sie zur Nüchternheit
ruft. Ich höre schon die Einwände: Aber wir wissen doch, was los ist. Ebola!
Arbeitslosigkeit! Isis, Syrien, Kurden, Ukraine, Pflegenotstand, das
Bildungssystem, die Windkraftanlagen und was noch alles: Aufreger, wohin man
schaut. Es gibt doch lauter Katastrophen
und Skandale! Ja, aber schaut einmal genau hin: wird hier nüchtern darüber
geredet? Oder wird hier nicht eben doch immer eine neue Sau durchs Dorf gejagt?
Was für eine Entrüstung und was für ein Geschrei wird gemacht, was für eine
Panik und was für ein Geheule: Es müssen immer gleich Köpfe rollen, oder
Maßnahmen ergriffen werden oder Gesetze erlassen oder dies oder das. Merkt ihr
was? Dieses ständige Geschrei, das bei uns herrscht, ist nur die andere Seite
dessen, was ich vorhin beschrieben habe. Sobald uns die Droge weggenommen wird,
fangen wir an zu jammern, zu klagen, Vorwürfe zu erheben. Mir macht das
wirklich Sorgen! Wie wollen wir eine vernünftige, nüchterne und auf Lösungen
zielende politische Kultur aufbauen, wenn immer gleich geschrien und gejammert
wird? Eine ganze Gesellschaft verhält sich wie ein Kindergarten oder wie eine
Horde Junkies, denen man ihr Spielzeug und ihre Drogen wegnimmt, wenn die
Wirklichkeit an die Türe klopft. Aber Geschrei hilft niemanden. Wir berausch
uns an unserem Geschrei.
Ich höre im Wort des
Apostels eine wirklich weise und kluge Mahnung. Kauft die Zeit aus: das ist ja
eine merkwürdige Formulierung. Sie klingt wie: Nutze die Zeit! Mach was aus
deinem Leben! Verschwende keine Zeit! So hören wir das, weil wir genau das
gewohnt sind: die Hektik, die Arbeit, das „immer muss was gemacht werden“ ist auch eine Droge. Und der Satz wurde auch
oft so verstanden, und auch so gepredigt. Wir dürfen als Christen keine Zeit
verschwenden. Wir müssen doch, wir sollten doch und zwar jetzt und gleich und
sofort und am besten alle und am besten rund um die Uhr.
Merkwürdigerweise meint der
Satz genau das Gegenteil. Er sagt gerade nicht: Sauft Euch voll, macht euch
besoffen, stürzt Euch in die Welt und krempelt sie um. Er sagt gerade nicht, dass wir uns betäuben
sollen mit hektischer Aktivität. Sondern nüchtern sollen wir werden. Die Zeit
ist böse. Und gut ist Gott. Darum heißt die Zeit auskaufen: die Zeit damit
füllen, Gott zu loben und zu preisen und einander mit dem Gotteslob zu stärken
und zu ermuntern. Ja, in der Tat: beten sollen wir, singen, auf das Wort Gottes
hören, uns besinnen. Dann kaufen wir die Zeit aus, weil wir Gott in unser Leben
lassen. Darum geht es.
Nun hören wir bei dem Wort „Besinnen“
sofort: „Besinnlich“, das heute schon fast dasselbe bedeutet wie: Gemütlich.
Die Kirche also ein Ort der Besinnung, das meint dann oft: die Kirche als ein
Ort, wo wir es uns gemütlich machen.
Aber weit gefehlt. Darum
geht es hier nicht. Es geht nicht um Gemütlichkeit. Die gehört ins Wohnzimmer!
Hier geht es darum, sich darauf zu besinnen, wo wir wirklich leben: in der vergehenden
Welt, über der Gott aber seinen Segen ausgeschüttet hat, seine Verheißung. Dafür
steht das Kreuz. Es ist ein Durchhaltezeichen, ein Trostzeichen. Es durchkreuzt
im wahrsten Sinne des Wortes unsere Träumereien, weil es uns zeigt: So ist die
Welt! Und es wäre unerträglich, wenn das alles wäre, was über die Welt zu sagen
ist. Der Glaube sagt aber eben auch noch etwas anderes über die Welt: sie ist
bestimmt als Ort der Verwandlung!
Wir reden doch auch, nein,
wir reden zuallererst von der Auferstehung, und dann vom Kreuz. Das ist die Erfahrung,
die die ersten Christen gemacht haben und als eine Erfahrung des Geistes
verstanden haben: Diese Welt, dieser Ort des Schreckens, ist der Ort, den Gott
erwählt hat, um in ihm mi t uns zu wohnen, bis er dem ein Ende macht und alles
verwandeln wird. Aber bis dahin, liebe Schwestern und Brüder, leben wir in der
Hoffnung. Sie ist die Kraft, die aus der Nüchternheit kommt. An sie sollen wir
erinnern, auf sie sollen wir uns einstimmen. Darum kommt nach dem Ruf zur
Nüchternheit eben kein politisches Programm, kein Fitnesplan für das Gutmenschentum
und kein Aufruf zu heiligen Kriegen gegen alles Böse in der Welt. Sondern es
folgt ein Aufruf, Gottesdienst zu feiern. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und
Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen
und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus
Christus. 21 Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.
In dieser Welt, in diesem
schrecklichen Ort, sollen wir einander erinnern, was Gott uns verheißen hat.
Wir sollen hören auf das, was er sagt. Und er sagt eben nicht: Tod und
Vernichtung! Er sagt eben nicht: Untergang! Sondern: Verwandlung, ewiges Leben,
Reich Gottes. Das ist es, worauf wir Christen warten, seit der Ruf Gottes in
der Welt ist. Ganz nüchtern sollen wir werden. Bevor wir uns alarmieren lassen
von all den Hiobsbotschaften oder uns betäuben lassen von all den schönen
Dingen:: erst einmal innehalten und nach dem Wort Gottes fragen. Bevor wir
tausend Programme zur Weltbeglückung auf den Weg bringen: erst einmal beten!
Bevor wir Menschen verdammen oder in den Himmel loben, bevor wir unser Hoffnung
auf vergängliche Dinge setzen, erst einmal genau hinhören, erst einmal den Gang
der Dinge unterbrechen. Kauft die Zeit aus heißt: haltet sie an, denkt nach,
besinnt euch, bringt Ordnung in das Leben, lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen
durch die Versprechungen der Werbung, aber auch nicht durch das Geschrei der
Medien. Bittet Gott um Weisheit, stellt Euch unter das Kreuz, betet und weckt
in Euch die Hoffnung. Seht sorgfältig darauf, wie ihr das euer Leben lebt. Im griechischen
steht hier ein Wort, dass die meisten von euch kennen: akribisch. achtet
akribisch darauf, wie ihr lebt. Werdet langsam, haltet inne. Das ist das, was
das Wort „sich besinnen“ einst meinte. Und auch das Wort Demut meinte genau
das: Achtet die Tatsache, dass die Welt und die Dinge größer sind als ihr,
rechnet mit Irrtum, rechnet mit der Sünde. Seid nüchtern, dient einander mit
Klugheit..
Kann man das Menschen
vermitteln, kann man das Konfirmanden vermitteln? Ist das nicht total
altmodisch, konservativ und völlig überholt: Seid nüchtern?
Ich glaube nicht. Gerad die
Jugendlichen haben ein schönes Wort dafür, auch wenn es langsam aus der Mode
kommt. Bleibt cool.
In der Tat: so zu leben,
also nüchtern, besonnen, mit der Hoffnung auf Gott und gehörigem Abstand zu
allem, was uns besoffen machen will, das ist cool. Glauben ist cool. Die völlig
überhitzte Welt voller Leid und Geschrei braucht diese Coolness: Kauft die Zeit
auf. Werdet langsam, lasst Euch Zeit. Gott schenkt sie euch. Die ganze
Ewigkeit. Darum ist Gottesdienst eben gerade keine Zeitverschwendung, sondern
Zeitgewinn: wir teilen Glaube, Liebe, Hoffnung, wir üben Dankbarkeit ein und
lernen, akribisch hinzusehen. Damit wir gestärkt, ernüchtert, aufgeweckt ins
Leben gehen können.
Hört noch einmal den ganzen
Text: ist das nicht cool?
Ich lese Euch die Worte noch
einmal vor, in einer modernen Übersetzung:
15Darum achtet genau auf
eure Lebensweise! Lebt nicht wie Unwissende, sondern wie Menschen, die wissen,
worauf es ankommt.
16Nutzt
die Zeit; denn wir leben in einer bösen Welt*.
17Seid
also nicht uneinsichtig, sondern begreift, was der Herr von euch erwartet.
18Betrinkt
euch nicht; denn zu viel Wein verführt zu einem liederlichen Lebenswandel.
Lasst euch lieber vom Geist*
Gottes erfüllen!
19Ermuntert
einander mit Psalmen und Lobliedern, wie der Geist sie euch eingibt. Singt und
spielt Christus, dem Herrn, von ganzem Herzen.
20Dankt
Gott, dem Vater, zu jeder Zeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Darum geht es: Aus
Glauben klug zu werden und cool zu bleiben. Anstatt kollektives Besäufnis: die nüchterne Liebe! Damit dienen wir der Welt. Die
braucht das: dringend!
Amen.
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