Sonntag, 27. April 2014

Wellness und innere Kraft. Predigt zum Sonntag Quasimodogeniti, 24.4.2014


Jes 20,26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht!

 Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.

27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«?

28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.

29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden.

30 Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Wellness ist in aller Munde. Sie steht ganz vorne in der Wichtigkeit vieler Menschen, jedenfalls dann, wenn man der Werbung Glauben schenken darf. Wellness ist englisch, kommt von dem Wort „well“, das so viel wie „gut“ heißt, aber nicht nur im moralischen Sinne, sondern vor allem so im Sinne von „ich fühle mich gut, es geht mir gut, ich bin gut drauf“. Wellness meint also letztlich nichts anderes, als das, was man früher „Wohlgefühl“ nannte.

Das ist ein Riesengeschäft mit der Wellness. Es gibt Nahrungsmittel, die Wellness verbreiten, weil sie angeblich leicht verdaulich sind und fast schon unsterlich machen, es gibt Möbel für die Wellness, Kleidung für die Wellness und natürlich alle möglichen Mittelchen, die helfen sollen sich wohlzufühlen – wobei hier die Grenze zu den Drogen schon fließend wird: die Verheißen ja auch „Wellness“. Offensichtlich geht es einer ganzen Menge Menschen unglaublich schlecht, sie fühlen sich unwohl. Falsche Ernährung, blöder Beruf, falsche Kleidung, falsche Frau, was weiß ich: alles behindert meine Wellness.

Wenn ich genau darüber nachdenke, dann behindert eigentlich mein ganzes Leben meine Wellness. Ich werde älter, das ist kein Spaß. Ich muss morgens aufstehen, das ist oft auch keiner, und wenn jemand nicht gut schlafen kann, dann ist noch nicht einmal das ins Bett gehen ein Spaß.

Das Leben selber macht offensichtlich müde und kaputt. Es ist anstrengend, wer hätte das gedacht. Und ein gutes Leben: das kann ja, so wollen es uns jedenfalls die Werbemenschen einbläuen, ein gutes Leben kann nur ein Leben sein, in dem alles glatt läuft, in dem wir fit sind, sportlich, biegsam und hellwach. „Fit“ war nämlich das Stichwort in meiner Jugend. Da hieß es: Trimm Dich! die Älteren werden sich erinnern. Da lief jeden Tag in der Fernsehwerbung ein Spot mit einem Männchen, das den Daumen hoch hielt und uns vom Sofa scheuchen wollte, damit wir uns fit halten. Trimm-Dich-Pfade wurden angelegt, durch Wald und Flur, und der sonntägliche Spaziergang sollte nun also der Fittness dienen: und so sah man – damals hat man sich ja für den Sport noch nicht verkleidet – ehrbare Familienväter Baumstämme stemmen und Stepping auf Baumstümpfen machen. Ich habe das Bild immer noch vor Augen, wie mein, von seiner harten Arbeit müde und förmlich erschlagener Vater mit dem Schlaf kämpfend die Fitness-Werbung anschauen musste und ich mir dachte: Wozu um alles in der Welt soll der sich fit halten? Lasst ihn schlafen, das ist sein größtes Glück. Fitness war offensichtlich etwas für Leute, die sonst in ihrem Leben nicht genug zu tun hatten. Und noch früher hieß das Kraft durch Freude, Volksport, und jetzt ist es auf einmal gar nicht mehr witzig. Da wurden junge Männer und junge Mädel in schwarzweißer Turnerkleidung durch die Gegend gescheucht, marschierten im Gleichschritt, sprangen über Kisten, jonglierten mit Keulen: der deutsche Mensch ist gesund und kräftig. für den Führer, versteht sich. Viele von ihnen konnten das gut gebrauchen in Russland und anderswo.

Das ist nicht falsch verstanden werde: Ich will mich hier nicht über den Sport lustig machen. Das wäre hier in Großenritte ein unverzeihlicher Fehler und ziemlich dumm, denn hier wird viele Sport gemacht, was sollte ich dagegen haben? Ein bisschen davon würde mir auch nicht schaden. Es geht um etwas anderes.

 

Ich will mich über einen bestimmten Geist lustig machen, der oft dahinter steht. Als könnten Wellnes und Fitness uns davor bewahren, dass uns das Leben müde macht, als könnten sie uns retten. Ich mag es nicht, wenn mir eingeredet werden soll, dass ich mich mehr bewegen müsste, damit ich ein besserer Mensch werde. Aber meine Melancholie vertreibt das nicht und die Zumutungen des Lebens auch nicht. Und die „Wellness“ kann mir gestohlen bleiben: ich will meine Arbeit gut machen, dann geht es mir gut, ich will mich an den Menschen in meiner Umgebung freuen und mit ihnen leben, dann geht es mir gut, ich will einigermaßen vernünftig schlafen und essen, dann geht es mir gut und ich möchte vermeiden, Böses und Übles zu tun, denn dann geht es mir schlecht, weil es anderen schlecht geht durch mich. Redet eigentlich auch jemand von dieser Wellness und dieser Fitness?

Du hast aber niedrige Ansprüche, sagen dann einige.

Nein, sage ich dann, ich habe besonders hohe Ansprüche. ich möchte mein Leben genießen, und mich nicht einem albernen Stress aussetzen, ein entspannter, fitter, allzeit fröhlicher Mensch sein zu müssen. Mir kommt es oft so vor, als wäre dieses ganze Wellness- und Fitness-Gerede nur ein Ablenkungsmanöver, das uns vom Wesentlichen fernhält, eine ganz besonders fiese Variante des Spruches, denn ich ohnehin zutiefst furchtbar finde: „Jeder ist seines Glückes Schmied“  - das ist das krasse Gegenteil des Evangeliums. Denn am Ende bist du nur ganz allein dafür verantwortlich, wie es dir geht. Ganz rief unten in all diesem Gerede steckt nämlich, verborgen, aber tödlich, der Satz: Wenn es dir schlechtgeht, bist du selber schuld. Und das ist nicht witzig.

Da wird es nämlich gemein. Jetzt sind mit einem Schlag alle die draußen, denen es aus Gründen nicht gut geht,die sie nur zum Teil oder gar nicht zu verantworten haben. Menschen, die vom Leben schwer geschlagen sind, Menschen, die chronisch krank sind, Menschen die aus welchen Gründen auch immer im Elend leben  -  das geschieht ja doch eher selten freiwillig: Was ist mit denen? Nehmen die einfach nur die falschen Pillen, sollten die mehr Sport machen oder regelmäßig in die Sauna gehen?

Das macht mich manchmal ganz wütend. Und ich will Euch etwas sagen: Das macht mich manchmal auch müde, so ganz von innen heraus. Die Arbeit erschöpft mich manchmal so, dass ich abends halbtot ins Bett falle und vor Müdigkeit nicht schlafen kann, man kennt das. Da hilft ein bisschen Erholung. Aber dieses Gerede, dieser kaltschnäuzige Zynismus, der sich hier unbemerkt in unserer Gesellschaft breit macht, der macht mich richtig müde, weil er mich traurig macht. Offensichtlich zählen hier nur die Fitten, die Schönen und „Wellen“, die gut drauf sind. Die Kaputten, die Schlaffen, die Müden, Traurigen und Verunstalteten zählen offensichtlich nicht oder sind die Blödmänner.

Ich hoffe, ihr versteht, worauf ich hinaus will: Das Lleben selber setzt uns zu, und da helfen keine Wellnesprodukte, kein Sport und auch kein Trimm dich. Was die meisten Menschen müde und traurig macht, sind Verzweiflung, Frustration und Erfahrungen von Sinnlosigkeit und Leere in ihrem Leben. Unser ganzer Medienrummel überdröhnt das und will uns weißmachen, die Lösung dagegen wären Spaß und Wellness. So wird uns das Geld aus der Tasche gezogen du das Gewissen mit Müll gefüllt.

Das ist im Kern zynisch.

Und darum haben mich die Worte des Propheten auch sehr getroffen. Er sagt es ganz deutlich:

Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich.

29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden.

30 Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden

Der Glaube ist die Kraft, uns von innen zu wecken und zu stärken. Und hier geht es um mehr, als um Wellness, hier geht es um Lebenskraft. Es sind ja starke Bilder, die der Prophet gebraucht: Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen. Das ist doch sehr schön gesagt, man muss es nur modern ergänzten: Männer werden müde und matt und Frauen sinken erschöpft zusammen, Jünglinge straucheln und stürzen und junge Frauen verblühen und fallen genervt in sich zusammen.

Und zwar wegen der fehlenden inneren Kraft. Um sie geht es doch letztlich. Es geht darum, die Kraft zu bekommen, das Leben zu ergreifen, Ja zu sagen um Leben, selbst dann, wenn es schwer ist, wenn es voller Leiden und Kummer ist, wenn uns das Leben zusetzt, wie es das eben tut. Dagegen setzt der Prophet die Kraft der Hoffnung: aber die auf den Herren harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Alder, dass sie laufen und nicht matt werden, das sie wandeln und nicht müde werden.

Das ist jetzt kein frommes Wellnes und Fitness-Programm. Das wäre ja höchst lächerlich. Ich könnte mich immer beömmeln, wenn man vor allem in frommen Zeitschritten ließt, dass fromme Menschen länger leben, besseren Sex haben und im Durchschnitt gesünder sind und was noch alles. Als ob es darauf ankäme. Der Prophet will uns deutlich sagen, worauf es in Wahrheit ankommt: dass wir wissen, wozu wir hier sind, dass wir Vertrauen und Hoffnung haben im Leben, dass wir uns mit dem Leben versöhnen.

Gesundheit ist wichtig. Aber Heil ist wichtiger.  

Denn kann haben auch die Hässlichen und die Kaputten, die Kranken und die Verzagten ein gutes Leben, weil sie aus ihrem Zweifel und ihrer Verzweiflung heraus geholt werden. Der Glaube macht nicht fit. Er macht auch nicht gesund, höchstens mal in Ausnahmefällen, nicht ohne Grund werden solche Geschichten als Wunder erzählt. Selbst die katholische Kirche erwartet von ihren Heiligen keine Heilungswunder mehr, wie man gerade anlässlich der Heiligsprechung zweier Päpste erfahren konnte. Der Glaube verbreitet auch keine Wellness. Sonst müssten wir hier Gymnastik machen oder irgendwelche Wässerchen trinken. Der Glauben greift viel tiefer: er macht uns von innen heraus stark, dass wir unser Leben ergreifen können, so wie es ist – mit unsere Hinfälligkeit und Müdigkeit. Die Kraft, von der der Prophet spricht, ist diese Kraft zu leben.

Ein schönes warmes Bad im einem schönen teuren Badeöl ist doch in der Tat etwas Feines, eine heiße Hühnersuppe übrigens auch.  Aber geheilt, getröstet werden können wir nur von Gott, der uns seine Liebe zusagt. Gegen die tiefe Traurigkeit und die tiefe Lebensmüdigkeit hilft nur sein Wort, das unserem Leben Richtung gibt und ein Ziel. Dann kann sogar der Tod seinen Schrecken verlieren, denn er ist der größte aller Müdemacher, wie alle wissen, die traurig sind, weil sie einen Menschen verloren haben oder eine Lebensperspektive.

Wie kommen wir aber an diese Kraft Gottes? Nun durch zwei Dinge: wir hören auf sein Wort, immer wieder und immer wieder neu. letzten Sonntag feierten wir in dunkler Nacht mit einem uralten Ritual die Auferstehung Gottes. Das tat nicht nur gut. Das richtete auf. Jeden Sonntag wird sie verkündigt, jeder kann es hören und kann es wissen: In jedem Gottesdienst wird uns diese Kraft Gottes als Segen zugesprochen, und wenn wir Abendmahl feiern, fließt sie geradezu wörtlich in uns hinein. Das ist das eine. Das andere aber ist das Gebet. Betend nehmen wir Kontakt auf mit dem Leben selber. Wer betet, spricht nicht nur zu Gott, er spricht immer auch zu sich selber, wer betet, vergewissert sich seines Glaubens, wie es Thomas auch tat. Was ihn aus seinem Zweifel holte, war die Bitte, Gott möge sich ihm doch zeigen und sich ihm offenbaren.

Gott ist die Quelle der Kraft, ohne die alle Wellness, alle Fittnes und alles Trimm-dich ins Leere laufen. Das ist die alte Verheißung, die alte Erfahrung, das ist es, was uns seit Generation als Grunderfahrung des Menschseins weitergeben wird, dafür sind wir Kirche, diesen Ruf weiterzugeben:

Die des Herren harren, kriegen neue Kraft!

Probiert es mal aus.

Denn das Tolle daran ist: es kostet nichts. Es ist umsonst.

Vielleich ist das das Problem. Wir sollten Eintritt nehmen und Gebühren für das Wort Gottes und das Gebet: vielleicht käme es dann auch wieder in Mode?

Aber ich will hier nicht albern werden. Nur ein bisschen, damit ihr mit einem Lächeln aus der Kirche geht. Es ist doch Ostern, und heißt die Botschaft doch: Freut Euch des Lebens – denn: die des Herren harren, kriegen neue Kraft. dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. der Sonntag heute hat einen komplizierten lateinischen Namen: Quasimodogeniti. Das heißt aber auf Deutsch einfach nur: wie neugeboren!

Das wünsche ich Euch, alle Tage! Und mir auch. Amen.

 

1 Kommentar:

  1. Gehe jetzt in die Sauna ;-) Ein guter Ort um zu Denken - und Danken...
    LG

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