Jes 20,26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht!
Wer hat dies
geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen;
seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.
27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst:
»Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott
vorüber«?
28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige
Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein
Verstand ist unausforschlich.
29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem
Unvermögenden.
30 Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und
fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie
auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass
sie wandeln und nicht müde werden
Liebe Gemeinde!
Wellness ist in aller Munde. Sie steht ganz vorne in der Wichtigkeit
vieler Menschen, jedenfalls dann, wenn man der Werbung Glauben schenken darf.
Wellness ist englisch, kommt von dem Wort „well“, das so viel wie „gut“ heißt,
aber nicht nur im moralischen Sinne, sondern vor allem so im Sinne von „ich
fühle mich gut, es geht mir gut, ich bin gut drauf“. Wellness meint also
letztlich nichts anderes, als das, was man früher „Wohlgefühl“ nannte.
Das ist ein Riesengeschäft mit der Wellness. Es gibt Nahrungsmittel,
die Wellness verbreiten, weil sie angeblich leicht verdaulich sind und fast
schon unsterlich machen, es gibt Möbel für die Wellness, Kleidung für die
Wellness und natürlich alle möglichen Mittelchen, die helfen sollen sich
wohlzufühlen – wobei hier die Grenze zu den Drogen schon fließend wird: die
Verheißen ja auch „Wellness“. Offensichtlich geht es einer ganzen Menge
Menschen unglaublich schlecht, sie fühlen sich unwohl. Falsche Ernährung, blöder
Beruf, falsche Kleidung, falsche Frau, was weiß ich: alles behindert meine
Wellness.
Wenn ich genau darüber nachdenke, dann behindert eigentlich
mein ganzes Leben meine Wellness. Ich werde älter, das ist kein Spaß. Ich muss
morgens aufstehen, das ist oft auch keiner, und wenn jemand nicht gut schlafen
kann, dann ist noch nicht einmal das ins Bett gehen ein Spaß.
Das Leben selber macht offensichtlich müde und kaputt. Es ist
anstrengend, wer hätte das gedacht. Und ein gutes Leben: das kann ja, so wollen
es uns jedenfalls die Werbemenschen einbläuen, ein gutes Leben kann nur ein
Leben sein, in dem alles glatt läuft, in dem wir fit sind, sportlich, biegsam
und hellwach. „Fit“ war nämlich das Stichwort in meiner Jugend. Da hieß es:
Trimm Dich! die Älteren werden sich erinnern. Da lief jeden Tag in der
Fernsehwerbung ein Spot mit einem Männchen, das den Daumen hoch hielt und uns vom
Sofa scheuchen wollte, damit wir uns fit halten. Trimm-Dich-Pfade wurden
angelegt, durch Wald und Flur, und der sonntägliche Spaziergang sollte nun also
der Fittness dienen: und so sah man – damals hat man sich ja für den Sport noch
nicht verkleidet – ehrbare Familienväter Baumstämme stemmen und Stepping auf
Baumstümpfen machen. Ich habe das Bild immer noch vor Augen, wie mein, von
seiner harten Arbeit müde und förmlich erschlagener Vater mit dem Schlaf kämpfend
die Fitness-Werbung anschauen musste und ich mir dachte: Wozu um alles in der Welt
soll der sich fit halten? Lasst ihn schlafen, das ist sein größtes Glück. Fitness
war offensichtlich etwas für Leute, die sonst in ihrem Leben nicht genug zu tun
hatten. Und noch früher hieß das Kraft durch Freude, Volksport, und jetzt ist
es auf einmal gar nicht mehr witzig. Da wurden junge Männer und junge Mädel in
schwarzweißer Turnerkleidung durch die Gegend gescheucht, marschierten im
Gleichschritt, sprangen über Kisten, jonglierten mit Keulen: der deutsche
Mensch ist gesund und kräftig. für den Führer, versteht sich. Viele von ihnen
konnten das gut gebrauchen in Russland und anderswo.
Das ist nicht falsch verstanden werde: Ich will mich hier
nicht über den Sport lustig machen. Das wäre hier in Großenritte ein
unverzeihlicher Fehler und ziemlich dumm, denn hier wird viele Sport gemacht,
was sollte ich dagegen haben? Ein bisschen davon würde mir auch nicht schaden.
Es geht um etwas anderes.
Ich will mich über einen bestimmten Geist lustig machen, der
oft dahinter steht. Als könnten Wellnes und Fitness uns davor bewahren, dass
uns das Leben müde macht, als könnten sie uns retten. Ich mag es nicht, wenn
mir eingeredet werden soll, dass ich mich mehr bewegen müsste, damit ich ein
besserer Mensch werde. Aber meine Melancholie vertreibt das nicht und die
Zumutungen des Lebens auch nicht. Und die „Wellness“ kann mir gestohlen
bleiben: ich will meine Arbeit gut machen, dann geht es mir gut, ich will mich
an den Menschen in meiner Umgebung freuen und mit ihnen leben, dann geht es mir
gut, ich will einigermaßen vernünftig schlafen und essen, dann geht es mir gut
und ich möchte vermeiden, Böses und Übles zu tun, denn dann geht es mir
schlecht, weil es anderen schlecht geht durch mich. Redet eigentlich auch
jemand von dieser Wellness und dieser Fitness?
Du hast aber niedrige Ansprüche, sagen dann einige.
Nein, sage ich dann, ich habe besonders hohe Ansprüche. ich
möchte mein Leben genießen, und mich nicht einem albernen Stress aussetzen, ein
entspannter, fitter, allzeit fröhlicher Mensch sein zu müssen. Mir kommt es oft
so vor, als wäre dieses ganze Wellness- und Fitness-Gerede nur ein
Ablenkungsmanöver, das uns vom Wesentlichen fernhält, eine ganz besonders fiese
Variante des Spruches, denn ich ohnehin zutiefst furchtbar finde: „Jeder ist
seines Glückes Schmied“ - das ist das
krasse Gegenteil des Evangeliums. Denn am Ende bist du nur ganz allein dafür
verantwortlich, wie es dir geht. Ganz rief unten in all diesem Gerede steckt nämlich,
verborgen, aber tödlich, der Satz: Wenn es dir schlechtgeht, bist du selber
schuld. Und das ist nicht witzig.
Da wird es nämlich gemein. Jetzt sind mit einem Schlag alle
die draußen, denen es aus Gründen nicht gut geht,die sie nur zum Teil oder gar
nicht zu verantworten haben. Menschen, die vom Leben schwer geschlagen sind, Menschen,
die chronisch krank sind, Menschen die aus welchen Gründen auch immer im Elend
leben - das geschieht ja doch eher selten freiwillig:
Was ist mit denen? Nehmen die einfach nur die falschen Pillen, sollten die mehr
Sport machen oder regelmäßig in die Sauna gehen?
Das macht mich manchmal ganz wütend. Und ich will Euch etwas
sagen: Das macht mich manchmal auch müde, so ganz von innen heraus. Die Arbeit
erschöpft mich manchmal so, dass ich abends halbtot ins Bett falle und vor
Müdigkeit nicht schlafen kann, man kennt das. Da hilft ein bisschen Erholung.
Aber dieses Gerede, dieser kaltschnäuzige Zynismus, der sich hier unbemerkt in
unserer Gesellschaft breit macht, der macht mich richtig müde, weil er mich
traurig macht. Offensichtlich zählen hier nur die Fitten, die Schönen und „Wellen“,
die gut drauf sind. Die Kaputten, die Schlaffen, die Müden, Traurigen und Verunstalteten
zählen offensichtlich nicht oder sind die Blödmänner.
Ich hoffe, ihr versteht, worauf ich hinaus will: Das Lleben selber
setzt uns zu, und da helfen keine Wellnesprodukte, kein Sport und auch kein
Trimm dich. Was die meisten Menschen müde und traurig macht, sind Verzweiflung,
Frustration und Erfahrungen von Sinnlosigkeit und Leere in ihrem Leben. Unser
ganzer Medienrummel überdröhnt das und will uns weißmachen, die Lösung dagegen wären
Spaß und Wellness. So wird uns das Geld aus der Tasche gezogen du das Gewissen
mit Müll gefüllt.
Das ist im Kern zynisch.
Und darum haben mich die Worte des Propheten auch sehr
getroffen. Er sagt es ganz deutlich:
Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch
matt, sein Verstand ist
unausforschlich.
29 Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden.
30 Männer werden müde und matt, und
Jünglinge straucheln und fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue
Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt
werden, dass sie wandeln und nicht müde werden
Der Glaube ist die Kraft, uns von innen zu wecken und zu
stärken. Und hier geht es um mehr, als um Wellness, hier geht es um
Lebenskraft. Es sind ja starke Bilder, die der Prophet gebraucht: Männer werden
müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen. Das ist doch sehr schön
gesagt, man muss es nur modern ergänzten: Männer werden müde und matt und
Frauen sinken erschöpft zusammen, Jünglinge straucheln und stürzen und junge Frauen
verblühen und fallen genervt in sich zusammen.
Und zwar wegen der fehlenden inneren Kraft. Um sie geht es
doch letztlich. Es geht darum, die Kraft zu bekommen, das Leben zu ergreifen,
Ja zu sagen um Leben, selbst dann, wenn es schwer ist, wenn es voller Leiden
und Kummer ist, wenn uns das Leben zusetzt, wie es das eben tut. Dagegen setzt der
Prophet die Kraft der Hoffnung: aber die auf den Herren harren, kriegen neue
Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Alder, dass sie laufen und nicht matt
werden, das sie wandeln und nicht müde werden.
Das ist jetzt kein frommes Wellnes und Fitness-Programm. Das
wäre ja höchst lächerlich. Ich könnte mich immer beömmeln, wenn man vor allem
in frommen Zeitschritten ließt, dass fromme Menschen länger leben, besseren Sex
haben und im Durchschnitt gesünder sind und was noch alles. Als ob es darauf
ankäme. Der Prophet will uns deutlich sagen, worauf es in Wahrheit ankommt:
dass wir wissen, wozu wir hier sind, dass wir Vertrauen und Hoffnung haben im
Leben, dass wir uns mit dem Leben versöhnen.
Gesundheit ist wichtig. Aber Heil ist wichtiger.
Denn kann haben auch die Hässlichen und die Kaputten, die Kranken
und die Verzagten ein gutes Leben, weil sie aus ihrem Zweifel und ihrer
Verzweiflung heraus geholt werden. Der Glaube macht nicht fit. Er macht auch
nicht gesund, höchstens mal in Ausnahmefällen, nicht ohne Grund werden solche
Geschichten als Wunder erzählt. Selbst die katholische Kirche erwartet von
ihren Heiligen keine Heilungswunder mehr, wie man gerade anlässlich der
Heiligsprechung zweier Päpste erfahren konnte. Der Glaube verbreitet auch keine
Wellness. Sonst müssten wir hier Gymnastik machen oder irgendwelche Wässerchen
trinken. Der Glauben greift viel tiefer: er macht uns von innen heraus stark,
dass wir unser Leben ergreifen können, so wie es ist – mit unsere Hinfälligkeit
und Müdigkeit. Die Kraft, von der der Prophet spricht, ist diese Kraft zu
leben.
Ein schönes warmes Bad im einem schönen teuren Badeöl ist
doch in der Tat etwas Feines, eine heiße Hühnersuppe übrigens auch. Aber geheilt, getröstet werden können wir nur
von Gott, der uns seine Liebe zusagt. Gegen die tiefe Traurigkeit und die tiefe
Lebensmüdigkeit hilft nur sein Wort, das unserem Leben Richtung gibt und ein
Ziel. Dann kann sogar der Tod seinen Schrecken verlieren, denn er ist der
größte aller Müdemacher, wie alle wissen, die traurig sind, weil sie einen
Menschen verloren haben oder eine Lebensperspektive.
Wie kommen wir aber an diese Kraft Gottes? Nun durch zwei
Dinge: wir hören auf sein Wort, immer wieder und immer wieder neu. letzten
Sonntag feierten wir in dunkler Nacht mit einem uralten Ritual die Auferstehung
Gottes. Das tat nicht nur gut. Das richtete auf. Jeden Sonntag wird sie verkündigt,
jeder kann es hören und kann es wissen: In jedem Gottesdienst wird uns diese
Kraft Gottes als Segen zugesprochen, und wenn wir Abendmahl feiern, fließt sie
geradezu wörtlich in uns hinein. Das ist das eine. Das andere aber ist das
Gebet. Betend nehmen wir Kontakt auf mit dem Leben selber. Wer betet, spricht
nicht nur zu Gott, er spricht immer auch zu sich selber, wer betet, vergewissert
sich seines Glaubens, wie es Thomas auch tat. Was ihn aus seinem Zweifel holte,
war die Bitte, Gott möge sich ihm doch zeigen und sich ihm offenbaren.
Gott ist die Quelle der Kraft, ohne die alle Wellness, alle
Fittnes und alles Trimm-dich ins Leere laufen. Das ist die alte Verheißung, die
alte Erfahrung, das ist es, was uns seit Generation als Grunderfahrung des
Menschseins weitergeben wird, dafür sind wir Kirche, diesen Ruf weiterzugeben:
Die des Herren harren, kriegen neue Kraft!
Probiert es mal aus.
Denn das Tolle daran ist: es kostet nichts. Es ist umsonst.
Vielleich ist das das Problem. Wir sollten Eintritt nehmen
und Gebühren für das Wort Gottes und das Gebet: vielleicht käme es dann auch
wieder in Mode?
Aber ich will hier nicht albern werden. Nur ein bisschen,
damit ihr mit einem Lächeln aus der Kirche geht. Es ist doch Ostern, und heißt
die Botschaft doch: Freut Euch des Lebens – denn: die des Herren harren,
kriegen neue Kraft. dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie
laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. der
Sonntag heute hat einen komplizierten lateinischen Namen: Quasimodogeniti. Das
heißt aber auf Deutsch einfach nur: wie neugeboren!
Das wünsche ich Euch, alle Tage!
Und mir auch. Amen.
Gehe jetzt in die Sauna ;-) Ein guter Ort um zu Denken - und Danken...
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