Sonntag, 20. April 2014

Das Ende der Gewalt, Predigt zu 1. Kor 15, Ostersonntag

In der Osternachtfeier habe ich die Predigt vom Vorjahr aus Elgershausen "recycelt, und das war gut so: manchmal werden Predigten durch Ablagern besser im zweiten Durchlauf. Und die Osternacht verträgt den "hohen Stil" der Homilie sehr gut.
Der Osteruf. Homlie zur Osternacht


Im 10.00 Uhr Gottesdienst habe ich mich dann mit dem OP-Text befasst. Und ich finde, das ist ziemlich schwerfällig geworden. Es predigte sich besser, als es sich liest. wenig österliche Freude, viel theologisches Blei. Der OP Text ist eben, trotz des Themas Auferstehung, kein wirklich österlicher Text. Aber - so mein Erfahrung nach rund 30 Jahren Kanzel - die Predigt entsteht im Ohr der Hörenden. Wer weiß....
1.Kor 15,19-28

19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. 23 Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; 24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat.

25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm »alle Feinde unter seine Füße legt« (Psalm 110,1).

26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.

27 Denn »alles hat er unter seine Füße getan« (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. 28 Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.



Liebe Gemeinde,

das ist ein heftiger Satz, den der Apostel Paulus da am Ende seiner Worte schreibt:

Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Krasser und deutlicher kann man nicht sagen, was der Kern unserer christlichen Hoffnung ist und was wir als Christen an Ostern feiern. Es ist ein Herrschaftswechsel. Aus einer Welt des Todes ist eine Welt des Lebens geworden. Aus einer Welt der Sünde eine Welt der Versöhnung.

Und das gegen allen Augenschein. Ein Blick in die Zeitung und wir wissen: so einfach stimmt das nicht. Wir warten noch auf diesen Letzten Sieg. Es hat erst begonnen. Aber immerhin: begonnen.


Und darum hat es die Osterbotschaft immer schwer gehabt. Schon am ersten Tag war es ja keineswegs so, dass der große Jubel ausbrach. Die Frauen, so hörten wird, verließen das Grab und waren ziemlich verschreckt von dem, was sie erlebt haben. Man muss sich ihre Gemütsverfassung vorstellen: Der schreckliche Tag war ja gerade erst 36 Stunden vorbei. Die drei Frauen, die da zum Grab gingen, waren ja die selben, die Jesus am Kreuz haben sterben sehen. Und mit ihm starb ja nicht nur ein geliebter Mensch: Mit ihm starb auch eine Hoffnung.


Die Hoffnung darauf, dass mit Jesus von Nazareth eine neue Zeit beginnt: eine Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit. Denn ganz Israel hoffte auf so einen Mann, auf so einen König, einen neuen Mose, einen neuen David, der das Volk wieder in die Freiheit führt. In die Freiheit von der römischen Besatzung und in die Freiheit von der Last der Sünde.

Und da kam aus Galiläa, aus dem Norden, aus der äußersten Provinz, ein dreissigjähriger Zimmermannsohn. Das war noch nichts Ungewöhnliches: solche Wanderprediger gab es damals viele. Es waren halt unruhige Zeiten. Doch dieser war so ganz anders, als alle anderen Prediger und Freiheitskämpfer vor ihm. Er verzichtete konsequent auf Gewalt in jeder Form: weder als Brutalität, noch als Ausgrenzung. Ja mehr noch: Jesus heilte Menschen, und zwar einfach so. Und er machte keine Unterschiede. Er ging auch ganz anders mit Gottes Gesetz um, als die meisten Pharisäer und die Schriftgelehrten es lehrten.  Er frug nach dem Sinn der Gesetze und stellte den Umgang mit Gottes Gesetz radikal in Frage. Ihm ging es um die Liebe, die Barmherzigkeit und die Sanftmut. Er sprach auch vom Reich Gottes, wie all die anderen frommen Prediger. Aber er  verstand das Reich Gottes nicht als eine politische Größe, sondern als etwas, das in unserem Herzen und in unserem Denken Raum finden soll, indem wir alte Denk- und Glaubensgrenzen überwinden und von daher die Welt umkrempeln. Er dachte nicht von Sünde und Strafe her, sondern von der Vergebung und der Versöhnung her.

Der Friede muss von innen kommen, als fester Wille zur Gerechtigkeit. Und das geht nur im festen Vertrauen darauf, dass Gott ein unter allen Umständen gnädiger Gott ist, der selbst in seinem Zorn nicht auf Vernichtung aus ist, sondern auf Verwandlung. Denn Angst vor Gott ist eine große Quelle der Gewalt, wie überhaupt die Angst die Quelle der Gewalt ist. So brachte Jesus einen Gott ohne Schwert und Strafe. Das war die größte Leistung Jesu: Er dachte Gott und Gewalt auseinander. Wo Gott ist, kann Gewalt nicht sein. Wo Vergebung ist, kann Strafe nicht sein. Das ist auch heute noch eine aufregende Botschaft.

Er griff auch den Tempel an. Was ihm ein Dorn im Auge war: eine Religion, die auf Macht und Angst setzt, die also selber gewalttätig ist. Und dafür war der Tempel ein Symbol. Mit der Angst der Menschen vor Sünde und Tod wurde ein Geschäft gemacht. Wir alle kennen die Szene, wie er die Händler aus dem Tempel treibt.

Aber nicht nur, um gegen die Geschäftemacherei vorzugehen. Das wäre doch zu platt. Da geht es um mehr. Es ist ein Teil des Kampfes gegen die Mächte des Todes, von denen Paulus spricht. Wogegen Jesus hier vorgeht, ist die Vorstellung, dass man mit Gott durch ein Opfer ins Reine kommen kann. Dass Blut fließen muss, damit Gott versöhnt wird. Denn die Händler verkauften Opfergaben. Wogegen Jesus hier vorging war die üble Vorstellung, dass Gott durch eine Gabe von uns besänftigt werden kann. Was daran so übel ist? Naja, dieser Gedanke führt dazu, dass man an Gott glauben kann, ohne sein Leben zu ändern. Schlimmer noch: er führt dazu, dass Menschen glauben, sie müssten von sich aus etwas tun, um sich Gottes Gnade und Liebe zu erkaufen. Hinter dem Gedanken des Opfers steht die Idee des frommen Schachers und der sogenannten Wiedergutmachung. Hinter dem Gedanken des Opfers steht nämlich der Gedanke von Rache und Vergeltung. Dieser Gedanke war Jesus zutiefst fremd! Weil er direkt in die Heuchelei führt, wie er an vielen Beispielen immer wieder deutlich macht. Es kommt auf dein Herz an, nicht auf deine Leistung. Liebe ist nicht käuflich.

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt bin, bin ich mitten unter ihnen. Nicht dort, wo ein Priester sein heiliges Brimborium abzieht, um es einmal auf den Begriff zu bringen. Denn eine solche Priesterherrschaft, und jetzt wird es ganz subtil, ist auch nur Anwendung von Gewalt. Religiöse Gewalt, wenn man so will. Die Vorstellung vom Opfer ist im Kern voller Gewalt und Blut.


Und das zeigte sich dann ja auch. Am Ende war er selber ein Opfer der Gewalt und der Sünde. Und er nahm es auf sich. Weil er wusste: Nur so werden uns die Augen geöffnet über den wahren Charakter des Menschen. Dass der Mensch selbst da, wo er ganz fromm zu sein scheint und meint, im Namen Gottes zu handeln, noch gewalttätig ist. Vergessen wir nicht: Jesus wurde im Namen Gottes getötet. Es war ein religiöser Mord!

Aber Gott machte dieses Opfer rückgängig. Das ist das Entscheidende. Er will keine Gewalt. So wie er Abraham, der seinen Sohn zu opfern bereit war, das Messer aus der Hand nahm. Es sollen keine Menschen mehr für Gott sterben. Auch Jesus starb nicht für Gott. Er starb für uns. Es sollen auch keine Menschen mehr sterben in seinem Namen. Auch nicht im Namen von überhaupt etwas. Das Opfer Jesu war das letzte Opfer und machte ganz klar: Religiöse Opfer sind fortan sinnlos. Sie sind die gemeinste und sinnloseste Form von Gewalt. Im Opfer kommen Religion und Tod zusammen. Der Gedanke ist uns so fremd gar nicht, wie er scheint. In der Gestalt des sogenannten Selbstmordattentäters ist er immer noch da. Aber auch der Heldentod fürs Vaterland gehört in diese Abteilung. Und ganz und gar widerlich wird es, wenn das Stichwort vom Heiligen Krieg fällt. Das ist übrigens keine muslimische Erfindung, sondern einen christliche Erfindung. Nur mal so als Erinnerung. Und das widerlichste von allem ist die Todesstrafe – nach Ostern ein Unding. Der Tod steht niemals im Dienste der Gerechtigkeit.


Seit das Kreuz auf Golgatha stand und Gott den Ermordeten ins Leben zurückrief, wissen wir, dass Gott Gewalt nicht will. Noch nicht einmal als Gegengewalt. Als Petrus für einen Moment die Beherrschung verlor und bei Jesu Gefangennahme einem der Soldaten ein Ohr abschlug, nahm ihm Jesus das Schwert aus der Hand und sagte: Wer das Schwert erhebt, wird durch das Schwert umkommen! Keine Gewalt. Seit Karfreitag und Ostern wissen wir das. Das Kreuz erinnert uns daran. Deswegen ist auch so schwer zu ertragen.


Die Menschen damals verstanden es anfangs auch nicht, es war eine zutiefst schockierende Erfahrung für sie. Schon der Tod Jesu war ein Schock. Aber da konnte man immer noch denken: er war halt ein Märtyrer. Aber die Auferstehung machte deutlich: Hier kommt der Tod selber an sein Ende. Hier wird der Gewalt ein Riegel vorgeschoben und bedingungslose Liebe an ihre Stelle Gesetz. Gott schlägt nicht zurück, Gott versöhnt sich mit seinen Mördern. Nicht wegen des Todes Jesu, sondern trotzt seines Todes. So wir die Kraft des Todes besiegt. Nicht durch die Hand, die zum Schlag erhoben ist, sondern durch die Hand, die zur Versöhnung ausgestreckt wird.  

Das ist auch heute noch ein schwer zu denkender Gedanken. Nicht nur das Kreuz, sondern auch die Auferstehung bleibt eine Herausforderung für uns Menschen. Dem sogenannten gesunden Menschenverstand fällt das unglaublich schwer zu glauben.

Weil wir, das ist das Anliegen des Paulus, vom Tod vergiftet sind und eben doch nur Gewalt und Rache denken können. Nach wie vor spielt die Rache in unserem Leben eine riesige Rolle. Das kann man bei vielen Ehescheidungen erleben, aber auch beim Mobbing auf dem Schulhof oder bei fiesen Intrigen am Arbeitsplatz. Kreuzigen liegt uns näher als Versöhnung, wir opfern lieber, als dass wir uns ändern. Wir lassen uns sogar lieber opfern, als das wir uns ändern, das ist das allergemeinste daran.

Darum musste diese eine Blut vergossen werden, es war, wie Paulus dann später schreiben wird, das letzte Opfer, es war, um es zugespitzt zu sagen das Blut Gottes selber, das fließen musste.

Gott offenbart sich an Ostern als ein schwacher Gott – jedenfalls nach unseren Maßstäben. Ein Gott, der lieber Gewalt erduldet, als ausübt. Aber genau darin zeigt er sich als der starke Gott. Er besiegt die Kraft des Todes. Die Römer fanden diese Vorstellung von einem leidenden Gott widerlich und anstössig. Darum verfolgten sie die Christen bis aufs Blut.

Diese Botschaft entriss ihnen nämlich das Recht, Gewalt auszuüben, um herrschen zu können. Und wenn die Kirche vergaß, wer ihr Herr ist und sich selber zur Herrin den Glaubens machte, wurde sie auch gewalttätig. Und so ist der Glaube heute noch für alle, die Gewalt für eine Lösung halten, eine schwere Herausforderung. Und damit meine ich nicht nur die Gotteskrieger aller Art oder die zynischen Machtmenschen. Ich meine auch unser alltägliches Miteinander. Man muss sich völlig klar sein, dass Gott auf dem Schulhof dort zu finden ist, wo der Verlachte und die Gedisste steht. Man muss sich völlig klar machen, dass, wer sich auf Gotte einlässt, in eine Position der Schwäche gerät. Denn der Tod ist immer noch stark.

Aber seine Macht ist gebrochen.

Das ist das Entscheidende. Daraus quillt alle Hoffnung, für die Lebenden und die Toten: Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, sind wir die ärmsten unter allen Geschöpfen, sagt Paulus darum an Anfang. Auch so ein starker Satz, der uns auf das ewige Leben verweist: den Horizont der Hoffnung.

Und diese Hoffnung erreicht uns über die Jahrhunderte: solange Ostern gefeiert wird, bleibt diese Hoffnung in der Welt.

Über Generationen wurde diese Hoffnung an uns weitergegeben, und sie hat dazu geführt, dass wir heute die Gewalt, jedenfalls im Prinzip, verachten. Das ist doch schon mal was! Schon allein deswegen dürfen wir den Glauben nicht zum Erliegen kommen lassen, auch und gerade, wenn er den meisten Menschen egal ist. Darum brauchen wir die Zeichen der Erinnerung: die heiligen Sakramente. Das einzige Blut, das in dieser Welt noch fließen sollte, ist das Blut des Abendmahl – weil es Wein ist, und eben gerade kein Blut. Der einzige Leib, der in dieser Welt noch gebrochen werden sollte, ist der Leib des Herrn – weil es ein Stück Brot ist und eben kein Körper. Der einzige Tod, den wir einander zufügen dürfen, ist die Taufe: weil es ein bloßes Symbol ist für Tod und Wiedergeburt. Unblutig, gewaltfrei, zärtlich. Das sind so einfache Zeichen, aber es sind die Zeichen für den Sieg über den Tod, das Ende aller Opfer und des Anfanges jener Ewigkeit, von der Paulus schreibt, dass dann Gott alles in allem sein wird.

Das ist unsere Hoffnung. Lasst die Welt davon hören: sie braucht sie. Wir brauchen sie.

Amen.

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