Ansprache 1. Tim 3, 16
16 Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt bim Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Genau, möchte man
rufen, genau so ist es: das Geheimnis des Glaubens ist groß. Es
übersteigt unsere Fähigkeiten, zu verstehen und zu begreifen. Darum sind
wir ja hier, alle Jahre wieder aufs Neue, um vor das
Geheimnis gestellt zu werden und von ihm zu hören:
Gott wird Mensch. Er
zeigt sich im Fleisch. Er ist gerechtfertigt im Geist. Er ist erschienen
den Engeln. Er wird gepredigt den Heiden. Er wird geglaubt in der Welt.
Er ist aufgenommen in die Herrlichkeit.
Das ist ein Lied, dass
der Apostel hier singt. Es ist ein Weihnachtslied, ein Lied, das davon
singt, wie sehr sich der Apostel freut und wie er davon ergriffen ist.
Von Weihnachten. Genau wie wir. Wir singen
auch, und oft verstehen wir so recht gar nicht, was wir singen. Wir
loben und preisen Gott, und oft verstehen wir gar nicht so genau, warum.
Wir sind tief berührt, wissen aber gar nicht so ganz genau, wovon
eigentlich. Wir kommen in die Kirche, weil uns etwas
zieht, wissen aber gar nicht so genau, was.
Weil es eben ein
Geheimnis ist. Ein Geheimnis darf man nicht verwechseln mit einem
Rätsel. Denn Rätsel kann man lösen. Geheimnisse aber werden immer
größer, je mehr man davon versteht.
Nehmen wir die Musik.
Das ist ein ganz großes Geheimnis, obwohl wir genau wissen, was da
geschieht. Und doch ist es kaum verständlich, wie sie wirkt. Da wird
Luft durch eine Blechröhre geblasen, indem mithilfe
eines hölzernen Schalters eine Klappe geöffnet wird. Die Luft beginnt
darin zu vibrieren, weil sie über eine scharfe Kante geführt wirdDa wird
ein Stahlseitl über einen kleinen Holzksten gespannt, und dann schabt
man mit Pferdehaaren, die mit Baumwachs klebrig
gemacht worden sind, darüber. Beim Ausatmen wird verbrauchte Atemluft
über eine Fleischspalte geführt, die mit Hilfe eines Muskel geöffnet und
geschlossen wird. Was ich hier beschrieben habe: die Orgel, eine Geige,
die menschliche Stimme. Alles gar nicht rätselhaft.
Aber die Geräusche, die da gemacht werden, treiben uns die Tränen in
die Augen, ergreifen unser Herzen, bewegen uns zu zutiefst, wenn wir sie
hören, aber auch wenn wir sie machen: Musik ist ein unbegreifliches
Wunder, obwohl wir genau beschreiben können, was
da geschieht. Musik verändert uns und macht uns zu besseren Menschen,
obwohl es doch nur bewegte Luft ist. Und sie führt uns zusammen in die
Gemeinschaft.
So ist es auch mit dem
Glauben. Wir erzählen Geschichten, die man genau aufdröseln kann. Wie
war das damals in Palästina? Wie sah es das aus? Wie waren die
Verhältnisse, wir wissen heute durch Wissenschaft unglaublich
viel aus der Zeit in der Jesus geboren wurde. Wir wissen, welche
Angaben in der heiligen Geschichte so geschehen sein können und welche
im Laufe der Zeit durch das Erzählen an Genauigkeit verloren haben. Und
doch hilft uns all das Wissen gar nichts, wenn uns
das Geheimnis anrührt, das in diesen Geschichten verborgen ist. Das
Geheimnis, das kein anderes ist, als Gott selber. wir hören in und unter
alle dem seine Stimme. Wir sehen in all den Rätseln ihn am Werke. Und
wir geraten ins Staunen, ins Loben und Preisen,
oder eben auch, und das wird oft unterschlagen, ins Zweifeln und
Grübeln, in Sorge, oder in Angst. Wenn Gott uns anrührt, rührt uns das
Leben selber an: Von außen und doch ganz innen, und wir wissen gar
nicht, wie uns geschieht. Wie die Musik. Das genau ist
der Zauber von Weihnachten: Da berührt uns das Geheimnis ganz tief,
weil es so einfach ist: Ein Kind wird geboren, Gott selber zeigt sich in
ihm. Weihnachten zaubert ein Lächeln in eine freudlose Welt – denn wir
werden vom Geheimnis des Lebens berührt.
Und darum meine Lieben,
ist es so wichtig, dass wir die alten Geschichten immer wieder hören
und dem Geheimnis immer wieder auf den Grund gehen, und dass wir damit
nicht aufhören und dass wir miteinander singen
und loben und Gott preisen für das, was er getan hat. Gott spricht ganz
einfach zu uns. Er kommt als Kind. Einfacher geht es nicht. Er ruft die
einfachen und schlichten Hirten: klarer kann man nicht sagen, wer zum
Glauben berufen ist. Er lässt die Weisen
aus dem Morgenlande kommen und ihn anbeten: klarer und einfacher kann
man nicht sagen, wer hier der wahre König ist. Er lässt die Engel
singen: einfacher und schlichter kann man nicht zum mitsingen einladen.
So will er uns anrühren, damit wir mithinein genommen
werden in das Geheimnis des Lebens, damit sich uns das Leben neu
erschließt und zu einem neuen, besseren Leben gerufen werde: Ehre sei
Gott inder Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines
Wohlgefallens.
Gott teilt sein Geheimnis mit uns in dieser Nacht.
Das lasst uns nach
draußen tragen, in die Dunkelheit der Welt. Vielen Menschen ist der
Glaube ein Rätsel. Viele reden davon, dass sie nicht glauben können,
weil sie denken, dass der Glauben so etwas wie Mathematik
oder Physik ist, das man studieren und lernen muss. Für viele ist der
Glaube ein Rätsel. Viele verloren ihren Glauben, weil er ihnen als
trockene Morallehre oder fromme Besserwisserei, oder gar als
doppelzüngige Heuchelei begegnet ist. Vielen ist der Glaube
egal, weil sie nicht sehen, was er bringt. Aber der Glaube ist nicht
wie Physik oder Mathematik, der Glauben ist eher wie Musik: fang an,
mach mit, lass Dich hineinziehen, höre gut zu, öffne dich für den Klang:
und sie wird dich berühren. So berühren uns die
alten, immer wieder erzählten Geschichten, die uns zum Geheimnis des
Lebens führen wollen. Die Herzen und die Hände sollen uns geöffnet
werden, damit wir Frieden in die Welt bringen, damit die Welt ein wenig
besser machen, als sie ist, damit wir das Licht
in die Welt bringen, das mit Jesus Christus in die Welt gekommen ist:
Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt bim Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
An Weihnachten gehen wir mit nach Bethlehem, stehen wir vor der Krippe und wundern uns und spüren, dass wir gemeint sind.
Denn wie lautet es, das Geheimnis?
Oh, es ist ganz
einfach, und ihr wisst es alle, was da in dem Kind in der Krippe als
Geheimnis der Welt erscheint, was kein Physiker erforschen, kein
Mathematiker berechnen und kein Musiker komponieren kann,
es ist ganz einfach, das Geheimnis, und ihr kennt es und weil ihr es
kennt, sehnt ihr Euch danach und weil ihr euch danach sehnt, hat es Gott
offenbart als das Geheimnis der Weihnacht.
Es ist die Liebe. Was wollen wir mehr. Amen.
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