Samstag, 5. Oktober 2013

Predigt zum Sonntag Lätare, Joh 6, 47-51, Das Brot des Lebens

Predigt zum Sonntag Lätare, 11.3.2013, gehalten in Großenritte und Altenritte. 

Joh 6, 47-51
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. 48 Ich bin das Brot des Lebens.
 Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.

Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!

Hunger haben wir alle, es ist eines der tiefsten und stärksten Gefühle, zu denen wir überhaupt im Stande sind. Hunger erinnert uns daran, dass das Leben auf ständige Zufuhr angewiesen ist. Wenn in diesen Wochen viele Menschen fasten, dann tun sie dies, um sich künstlich in den Zustand des Hungers zu versetzen – und so das Leben zu spüren. Wir benutzen das Wort ja auch im übertragenen Sinne: wir sprechen vom Hunger nach Leben, vom Hunger nach Liebe, vom Hunger nach Anerkennung.
Wir müssen Essen, selbst dann, wenn uns gar nicht danach ist. Wir müssen Essen, unter allen Umständen. Diejenigen von Euch, die noch echten Hunger erlebt haben, im Krieg, auf der Flucht, auf der Vertreibung oder in einem Land, in dem echte Knappheit herrschte, werden wissen, was der Hunger aus uns machen kann:  Er kann das Tier im Menschen freilegen. Manchmal sagen wir ja auch zu einem Menschen, wenn er nörgelig, unleidlich und irgendwie genervt ist: iss mal was. Und das hilft oft.
Den Hunger stillen: das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir Menschen haben. Auch im Industriezeitalter geht es um Nahrungssuche. Denn essen hat auch viel mit Vertrauen zu tun. Wenn wir eingeladen werden, vertrauen wir doch darauf, dass wir nicht vergiftet werden. Darum sind wir ja auch mit fremden  und unbekannten Essen so vorsichtig. Bekommt mir das? Schmeckt mir das? Macht das satt? Ist das in Ordnung?
Und darum ist gemeinsames Essen auch eine vertrauensbildende Maßnahme. Ich weiß, wie wichtig es ist, miteinander zu essen, wenn man in Frieden zusammen leben will. Darum bieten wir einander ja auch immer etwas zu essen an, wenn wir uns besuchen. Das ist etwas, was ich als Pfarrer durchaus mag: mit Menschen zusammen essen.
Und wehe, es schmeckt nicht: peinlich, peinlich. Und es ist ein Stück Erwachsenwerden, sich auch fremdem Essen auszusetzen. Gerade Jugendliche haben ja oft Ekel vor allem Möglichen. Für Konfirmanden zu kochen kann eine echte Herausforderung sein. Einer meiner größten Reinfälle war mal ein Nudelkochen mit Konfirmanden. Die Nudeln waren natürlich nicht das Problem, Nudeln gehen immer. Aber meine Bolognesesauce – da hatte ich, unbedacht, Sardellen und Kapern reingemacht. Das gab lange Zähne! Und manche haben es nicht geschafft, auch nur zu probieren. So ist das. Andererseits, das kennen wir ja: „Und, wie war die Klassenfahrt? Och, ganz schön, super Essen“. Mehr zu erzählen ist dann gar nicht nötig, warum auch…

Essen ist heikel, weil es uns tief anspricht.
Und darum widern uns auch die dauernden Lebensmittelskandale an. Beim Essen belogen und betrogen zu werden ist mit das Schlimmste, was man uns antun kann. Pferd statt Rind, Eier, die nicht sind, was sei sein sollen; „Analogkäse“, ich will gar nicht genau wissen, was das wirklich ist, und Sorge machen uns  Lebensmittel, von denen wir wissen, dass irgendwie Unrecht an ihnen klebt, Lebensmittel, von denen wir wissen, dass sie schädlich sind, Lebensmittel, die auf Genmanipulation zu rückgehen wo wir gar nicht so genau verstehen, was das meint und bedeutet: all das rückt uns schwer auf den Pelz, verunsichert uns.
Essen ist Vertrauenssache: denn es geht um unser Leben.
Und darum haben die Worte Jesus so ein großes Gewicht:
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
 Ich bin das Brot des Lebens.
 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.

Jesus stillt unseren Hunger, für ewig. Er gibt uns nicht Brot, er ist das Brot. Glauben heißt nichts anderes, als darauf zu vertrauen: Er stillt unseren Hunger nach Leben. Er ist das tägliche Brot, um das wir beten.
Klar, das zielt auch auf das Abendmahl. Wer das tiefste und wichtigste Ritual unseres Glaubens kennt, versteht diese Wort sofort. Dann aber sind sie ganz einfach, ganz schlicht, geradezu von kindlicher Einfalt: Wenn wir Abendmahl feiern, dann kommen wir einander ganz nahe, dann nehmen wir Jesus in uns auf, dann werden wir satt.
Aha, werdet ihr sagen, schöne Worte. Und was heißt das für mein Leben? Was folgt daraus für die, die echten Hunger haben? Was folgt daraus für unser alltäglich Essen? Sollen wir jetzt Abendmahlsbrot statt Hartz IV austeilen und Abendmahlsbrot nach Afrika senden anstatt echte Hilfe?

In gewisser Weise ist das wirklich so. Aber genau andersherum, als man denkt, wie so oft stellt Jesus unser Denken auf den Kopf und lässt uns etwas sehen, was wir vorher nicht gesehen haben:  Wir sollten jedes Brot so behandeln, als wäre es das Brot des Abendmahls. Und mit Brot ist natürlich jedes Nahrungsmittel gemeint, wie im Vaterunser. Brot steht für Nahrung.
Ich möchte das an drei Punkten zeigen:
Wenn Jesus sich das Brot nennt, dann möchte er, dass wir in jedem Stück Brot, in jedem Nahrungsmittel die Gnade Gottes erkennen. Dann sollten wir lernen und begreifen, dass Nahrung als solche heilig und gut ist, dass sie uns nicht nur satt macht, sondern Frieden bringt. Bei jedem Stück Brot, das ihr in die Hand nehmt, bei jedem Stück Fleisch, das ihr esst, bei jedem Gummibärchen und jedem Eis sollt ihr das hören: Ich bin das Brot. Essen und Trinken, gemeinsames Essen und trinken, sollte uns heilig sein, weil es Jesus heilig ist. Im Grunde sollte jede Mahlzeit wie ein Abendmahl sein: Gemeinschaft, Vergebung, Frieden. Wenn ihr jetzt eine Sekunde darüber nachdenkt, wie wir heute Essen und trinken, werdet ihr merken, wie sehr der Glaube unser Leben auch in Frage stellen kann. Davon, dass unser gemeinsames Essen und Trinken etwas von einem Abendmahl, etwas von einem Gottesdienst hat, sind wir, wenn wir ehrlich sind, sehr weit entfernt. Und wir spüren diesen Verlust sehr wohl. Ich komme ja, mit meinem nordhessischen und russlanddeutschen Hintergrund, aus zwei Kulturen, in denen das gemeinsame Essen sehr wichtig war und ist. Wir haben, soweit das möglich war, nicht gegessen, wie es der Tagesrhythmus vorgab, sondern der Tagesrhythmus richtete sich am Essen aus. Und ich glaube, das ist sehr gesund. Und das seht ihr, wie die Worte Jesus etwas unmittelbar Praktisches haben: lasst uns als Christen dafür sorgen, dass wir eine gute, förderliche und gesunde Esskultur haben. Damit ehren wir Jesus, das Brot des Lebens, und die Menschen.

Das ist das zweite. Die Erde versorgt uns mit den Gütern. Letztlich ist uns das Essen geschenkt, wie uns die Gnade und die Liebe geschenkt ist. Davon erzählt die Schöpfungsgeschichte: Gott gibt der Erde den Befehl, Nahrung hervorzubringen. Es ist genug für alle da – freilich nur, wenn alle teilen. Freilich nur, wenn alle mitarbeiten. Gerade weil die Erde so überreichlich mit ihren Gütern ist, stellt sich die Frage nach der der Gerechtigkeit ganz besonders scharf. Die Güter der Erde sind nicht knapp, sie sind schlecht verteilt. Wenn wir wollen, dass Menschen im Brot die Gnade Gottes erkennen, dann müssen wir ihnen auch welches geben. Menschen satt zu machen, ist eine politische Aufgabe. Da sind wir als Christen, weil Jesus das Brot des Lebens ist, besonders wachsam.
Und das dritte:
Im Brot steckt ein großes Geheimnis. Es war eine der größten Entdeckungen der Menschheit, als sie herausbekamen, was mit Getreidebrei geschieht, wenn man ihn stehenlässt: er fängt an zu gären. Er stinkt sogar, und je nachdem, welche Bakterien und Pilze am ‚Werke sind, nimmt er sogar eine ziemlich eklige Farbe an. Es war immer ein Highlight in der Schule, wenn ich eine Portion Sauerteig mitbrachte. Wir hatten sogar einmal einen Schulgottesdienst gemacht, indem wir Sauerteig verteilt haben. Das war ein großes Hallo. Aber wir haben auch Anleitungen verteilt, was man damit machen soll. Das gab dann drei Tage später ein großes Hallo. Aus der stinkenden und etwas schleimigen Masse war knuspriges, duftendes Brot geworden.
Es ist das Geheimnis der Verwandlung, das im Brot steckt. Ich habe, zu Zeiten, als ich noch Hausmann war, das Brotbacken immer als etwas geradezu Mystisches erlebt. Und so ist es auch von Jesus gemeint. „Ich bin das Brot“ ist auch eine Anspielung daraus, dass sich an ihm das tiefste Geheimnis unseres Glauben vollzieht: Tod und Auferstehung, die große Verwandlung. Da ist der Kern unsere Hoffnung, liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder, dass wir verwandelt werden wie das Korn zu Mehl, das Mehl zu Teig, der Teig zu Sauerteig und der Sauerteig zu Brot: Durch Zerstörung, Vernichtung, durch Leiden, Schmerz und Kummer hindurch zum ewigen Leben. Wenn wir Abendmahl feiern, feiern wir das Leben und teilen die Hoffnung, dass wir nicht gefangen sind in unserem Leben, sondern dass es eine treibende Kraft gibt, die uns am Leben hält. Wann immer wir gemeinsam essen, erinnern wir uns daran, dass wir das Brot zum Leben brauchen und das jedes gemeinsame Essen ein Schritt zur Versöhnung ist.
Wann immer ihr, Schwestern und Brüder, ein Stück Brot in der Hand haltet, sollt ihr an diese Wort denken: Ich bin das Brot des Lebens. Ein Stück Hoffnung, weit über jeden Hunger hinaus, ein Stück Leben, weit über jedes Leben hinaus: Wann immer wir Brot essen, tauchen wir ein in das Geheimnis des Ewigen Lebens, Wann immer wir Brot essen, wird  der Ruf nach Gerechtigkeit laut. Wann immer wir Brot essen, erinnern wir uns an die Liebe Gottes, die sich reichlich ausschüttet in Jesus Christus, dem Brot des Lebens. Wann immer wir Brot essen, erinnern wir uns daran, das auch wir verwandelt werden sollen: vom Tod ins Leben, vom Dunkel ins Licht, von der Verzweiflung zum Glauben, von Hungernden in Satte.
Das wünsche ich euch: Immer einen Kanten Brot in der Nähe und das Wort Gottes im Herzen.
Amen.

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