Sonntag, 30. März 2014

Predigt 30. März 2014, Lätare. Die Bilder und das Weizenkorn.Joh 12, 24



 Predigt über den Wochenspruch anläßlich der Eröffnung der Ausstellung der Tafelserie "Kreuzweg" von W. A. Friedrich in der Kreuzkirche Großenritte, siehe vorherigen Blogeintrag.


Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Johannes 12,24


Liebe Gemeinde,
Schwestern und Brüder im Herrn.

Der Glaube kommt aus dem Hören:  Denn er ist eine getroste Hoffnung auf das, was man nicht sieht. Das Eigentliche des Glaubens ist unsichtbar. Und darum lebt der Glaube vom Erzählen, von der Erinnerung, von der Weitergabe von Mund zu Mund. Es geht um Vertrauen, um Hingabe, um Trost. Das alles fassen wir zusammen, wenn wir sagen: es geht um „Gottes Wort“. Der Glaube spricht, weil Gott zu uns gesprochen hat und durch die Heilige Schrift und die Predigt immer noch spricht. Wobei „Predigt“ eben das meint: Die Weitergabe des Glaubens. Die gottesdienstliche Predigt ist nur eine Form davon. Auch wenn ihr Euren Kindern von Gott erzählt, ist das Predigt, also Verkündigung. Und das heißt: Erzählen!
Erzählen aber bedeutet: innere Bilder finden. Das ist ja fast schon ein magischer Vorgang: Aus bloßen Worten formen sich in uns Bilder, selbst von Sachen, die wir noch nie gesehen haben. Das macht Lesen und Geschichtenhören so spannend. Sie ziehen uns hinein. Und zwar immer und immer wieder. Ich war nie Wohlhynien. Ich kenne Novo Racoczyzne nicht, der Ort, aus dem mein Großvater stammt. Und dennoch ist mir die weite, sandige, hügelige Ebene mit den Kreidesteinklumpen vertraut. Täglich sprachen meine Großeltern davon. Mein Kopf ist voller Menschen, die ich nie gesehen habe und voll von einer Landschaft, die ich nicht kenne. Sie ist eine innere Heimat, allein durch die Kraft des Erzählens. Photos gibt es nur eines.
Auch der Glaube hat solche Bilder. Er lebt von diesen Bildern. Wir wandern mit Israel durch die Wüste, Feuersäule und Wolkensäule vorneweg. Seht ihr sie? Wir stehen mit  Baruch, dem Freund des Jeremia, vor dem König von Iuda und lesen ihm aus einer Schriftrolle vor, was Gott von ihm will. Wütend schneidet der König Kapitel um Kapitel von der Schriftrolle ab und schmeisst es ins Feuer.
Seht Ihr die Szene?
Wir ziehen mit David in den Kampf gegen Goliath: Mit der Steinschleuder direkt in die Stirn. Wir sehen Goliath vor uns. Und ich will gar nicht wissen, wessen Gesicht ihr das seht. Es ist ein Zauber um diese Bilder, die entstehen, wenn wir Geschichten hören!
Sofort habt ihr Bilder im Kopf. Und die prägen sich ein. Oder es fallen Euch Bilder davon ein, die schon gesehen habt. Jesus mit der Dornenkrone. Maria an der Krippe. Jesus mit seinen Jüngern, wie sie das letzte Abendmahl feiern – wer sieht nicht das Bild von Leonardo da Vinci? Jesus am Kreuz. Unser Kopf ist voller Bilder. Selbst wenn das Wort „Gott“ fällt, haben wir ein Bild, eine Vorstellung. Eine abstrakte der eine, eine kindliche der andere. Ich habe mich soviel mit Theologie befasst, weil es mein Beruf ist, und das bleibt nicht ohne Folgen: Ich sehe, wenn ich das Wort Gott höre, einen leuchtenden, pyramidenförmigen, blauen Kristall, in dem leuchtend rote Fäden der Liebe umeinander kreisen: ein ganz abstraktes Bild. Aber keine Sorge: ich sehe auch, wenn ich die Geschichte vom Paradies höre, den älteren Herren, der abends in der kühlen Luft spazieren geht und sich fragt, was seine Geschöpfe so treiben. Das ist kein Widerspruch. Das sind innere Bilder, die mir helfen, zu verstehen, was ich glaube.
Die Bibel verbietet aber doch Bilder, heißt es. Heißt es nicht: Du sollst Dir kein Bildnis machen? Ja, heißt es. Aber damit sind Götzenbilder gemeint. Betet sie nicht an. Fallt nicht vor ihnen auf die Knie. Dahinter steht ein wichtiger Gedanken: Wir sollen die Bilder nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Der Prophet Jesaja macht sich darüber lustig: Sie fällen einen Baum, die eine Hälfte brauchen sie zum Feuermachen und Suppekochen, die andere schnitzen sie zu einem Gott, malen ihn bunt an und fallen vor ihm auf die Knie. Wie dumm ist das! Wir dürfen die Bilder nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Was für ein moderner Gedanke, im Grunde. Wie viele Menschen verwechseln die Bildern, die sie ihm Fernsehen, im Internet oder in der Zeitung sehen, mit der Wirklichkeit. Die Mediengesellschaft lebt davon, dass wir den Bildern all zu schnell glauben. Davor warnt uns das Gebot. Betet sie nicht an. Verwechselt nicht Bild und Sache.
Und wie gefährlich ist das. Und wie dumm!
Die Bilder reden nämlich nicht von selbst. Wir brauchen für die Bilder einen Schlüssel. Und dieser Schlüssel ist das Wort, das zum Bild immer dazu kommen muss: Die Geschichte, die wir erzählen. Da können wir fragen. Da können wir der Wahrheit redend auf den Grund gehen.
Darum erzählt der Glaube Geschichten.
Glaube ohne Bilder ist blind. Glaube ohne Geschichten ist leer.
Und darum gibt es für den Glauben noch eine ganz besondere Sorte von Bildern. Es sind Bilder, die selber eine ganz Geschichte erzählen. Oder die uns sofort an einen wichtigen Gedanken erinnern. Oder die uns einen Gedanken vor Augen führen, damit wir ihn besser verstehen. Es sind Bilder, die wie ein Suppenwürfel aufgelöst werden müssen.
Wir sehen das Kreuz, wie es uns überall im Alltag begegnet und denken an Jesus Christus, alles, was wir über ihn wissen, fällt uns sein, uns selbst wenn wir gar nichts über ihn wissen, weil das Wissen verschüttet ist oder nie wirklich da war: Das Kreuz erzählt die ganze Geschichte.
Solche Bilder braucht der Glauben. Wir nennen sie Symbole. Sie sind für uns lebenswichtig, denn sie erhalten die Erinnerung wach an das, was uns wichtig und heilig ist. Symbole sind die wichtigsten Bilder des Glaubens. Denn sie helfen uns zu verstehen und zu erinnern, was man eigentlich gar nicht in Bildern ausdrücken kann. Denn der Glaube spricht ja auch von der Hoffnung. Der Glaube spricht ja auch von der Zukunft. Dafür haben wir gar keine Bilder! Und noch etwas können Symbole: Sie können ganz komplizierte, ganz schwierige Dinge einfach ausdrücken und sichtbar machen.

Das Kreuz Jesu: das ist ja nicht einfach nur eine Geschichte. Das ist ja noch mehr. Das will uns trösten. Wir erkennen im Kreuz Jesu ja auch unser eigenes Kreuz. Wir erkennen uns wieder, und manchmal sagen wir es ja auch so: jeder hat sein Kreuz zu tragen. Wir verstehen sofort, was gemeint ist. Symbole sind Bilder, die Geschichten erzählen. Der Künstler W. A. Friedrich malt mit Symbolen. Wir stehen vor seinen Bildern, und sehen die Dornenkrone: Symbol für Folter, Spott und Schmerz. Fragt Dich jetzt einer: Was bedeutet das? Dann kannst Du es ihm erklären. Besser aber: die erzählst ihm die Geschichte. Und wenn Du sie nicht kennst: Sie steht in der Bibel. Und wenn Du sie nicht verstehst, dann frage erfahrene Christen. Oder mich. Dafür bin ich da.
Du siehst die Lilie. Du weist, wo du schon Lilien gesehen hast: Auf Särgen, auf Gräbern. Aber auch die Jungfrau Maria hat auf vielen Bildern eine Lilie in der Hand. Weiß ist sie, und wunderschön. Symbol für Leben und Unschuld.
Der Ölzweig: Kennst Du die Geschichte? Die Geschichte von Noah, der eine Taube aussandte nach der verheerenden Sintflut und sie kehrte zurück, einen Ölzweig im Schnabel: Das Ende von Gottes Zorn. Neuer Frieden für die Schöpfung. Das ganze aber hinter Gittern. Das Gefängnis von Angst und Schuld. Dahinter das Kreuz. Lauter Symbole, lauter einzelne Bilder, die doch ein ganzes Bild ergeben: wir verstehen, worauf es hinaus will. Unschuld und Versöhnung, gefangen in der Sünde, vereinigt durch das Kreuz. Wie kompliziert das klingt, wenn ich es erkläre. Aber schauen wir auf das Bild, verstehen wir. Stundenlang könnte ich noch reden nur über dieses eine Bild. Symbole sind unerschöpflich. Es sind die Bilder des Glaubens.
Es gibt aber auch erzählte Symbole. Die nennen wir: Gleichnisse. Sie sind noch wichtiger. Denn die Gleichnisse geben uns etwas zu verstehen, was gar nicht kennen. Sie erzählen uns etwas Neues, Unerhörtes, sie erzählen uns etwas, was uns über unserer Erfahrung hinausführt. Darum erzählt Jesus Gleichnisgeschichten. Denn Jesus will uns erzählen vom Reich Gottes: das kennt doch niemand. Jesus will uns erzählen von der Gnade: die kennt doch niemand. Was ist Auferstehung? Warum sterben wir? Was wird aus uns? Schwere Fragen. Bedrängende Fragen. Und die Antwort?
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Was für ein einfaches Bild. Das versteht jedes Kind.
Und was für eine ungeheure Sache. In diesem einen Satz, in diesem einfachen Bild, das jeder sofort versteht, erklärt er uns, warum er sterben muss, welchen Sinn sein Leiden hat und welch ungeheure Kraft Gott hat, neues leben zu wecken. Eines muss man freilich wissen dafür: Für die Alten war das Wachstum des Halms aus dem Korn ein unbegreifliches Wunder. Sie konnte es sich nur so vorstellen, dass Gott hier am Werk ist. Wir sagen ja heute: Es wächst aus dem heraus, was im Weizenkorn angelegt ist. Wir würden ja sagen: Das Bild ist total schief. Das ist doch keine Auferstehung, was da im Acker geschieht.  Das ist doch ein natürlicher Vorgang. So kann doch Auferstehung nicht funktionieren. Sei kann doch kein natürlicher Vorgang sein!
Richtig, das ist so. Darum sagt Jesus ja auch: Wenn dass Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt. Hier merken wir, dass er etwas sagen will, was über unsere Erfahrung hinausgeht und uns einen neuen Blick auf das Altbekannte beibringen will. Und dann denke noch einen Moment länger darüber nach: dann siehst Du es doch, das ungeheure Wunder, das im Wachstum des Weizenkorns steckt. Du verstehst es neu. Die Natur wird zum Gleichnis:  Aus der dunklen, kalten Erde kommt der Keim des Neuen. Hier ist Gottes Kraft am Werke. Und so wird seine Kraft auf am Werke sein, wenn Du in die dunkle Kalte Erde gelegt wirst. Aus deiner Asche wird er neues Formen, so groß ist die Kraft Gottes.
Und so stark ist das Symbol vom Weizenkorn. Darum hat W.A. Friedrich auf seine Ostertafeln, die heute noch mit dem Rücken zu uns stehen. Vögel und Blumen gemalt. Wir verstehen im Lichte des Evangeliums diese Bilder ganz neu. Hier ist nicht der ewige Kreislauf der Natur am Walten. Hier ist Gott am Walten. Die Natur wird selber zum Gleichnis für das, was Gott tut. Sie ist nicht Gott. Sie zeigt auf ihn, wenn man auf Jesus hört. Seine Auferstehung ist die Kraft, die überall am Wirken ist. Was für ein Bild. Bei jeder Schreibe Brot, die du ab heute ist, wirst Du an das sterbende Weizenkorn denken und an die Kraft der Auferstehung und der Verwandlung.
Erklär mir den Glauben – wenn Dich einer das fragt, halte ihm keine Vorträge. Erzähle ihm Geschichten.
Wenn Dein Kind die fragt: Was wird aus Opa, wenn er tot ist? Dann nimmt eine Weizenkorn in die Hand und sage: er wird in die Erde gelegt wie dieses Korn.  Kommt, wir legen es in die Erde. Und nach ein paar Tagen wird daraus ein neues Blatt kommen, neues Leben. So wird Opa verwandelt werden in etwas ganz anderes, ganz neues, das wir nicht kennen, weil es unsichtbar ist, und doch verstehen können, weil wir ds Bild verstehen: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt….ein einfaches, ein starkes Bild.

Meine Lieben: heute ist Lätare. Das kleine Ostern. Mitten in der Düsternis der Passionszeit feiern wir schon das, woher wir kommen: nämlich Ostern. Und freuen uns auf das, was kommt: Das Licht des Ostermorgens.
Alles ganz einfache Bilder. Und doch: Sie erschließen uns das Leben, das mehr ist, als das Leben.  Wir nennen es das Ewige Leben, weil wir kein besseres Wort dafür haben. Wir brauchen Bilder. Doch nicht die Bilder trösten, sondern das, worauf sie zeigen. Auf Gottes unbegreifliche Gnade. Lilie und Dornenkrone, Siegesfahne und schwarzer Regen, ein paar Tropfen Blut, das raue Material der Schalbretter, auf die gemalt wurde. Ein ganzer Kosmos von Zeichen und Bildern. Und doch die einfache Botschaft: Gott verwandelt uns, wie er das Weizenkorn verwandelt, das in die Erde fällt. Und die einfache Botschaft lautet: Fürchtet Euch nicht!
Amen.


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Samstag, 29. März 2014

Kreuzweg. Texte zur Vernissage



 Die Texte zur Vernissage unserer Ausstellung in der Kreuzkirche Großenritte. Kann jetzt täglich von 16-18. Uhr besichtigt werden. Auf Wunsch, und wenn es passt, mit Führung. 

Musik
Eingang
Es kostete mich viel Mühe, der Versuchung zu wiederstehen, in die mich diese Bilder führten: Der Versuchung, hier gleich loszupredigen und das, was mich begeistert, in Worte zu fassen. Denn Kunst löst Rede aus, führt zum Wort, Kunst ruft nach Ant-wort. Doch zuerst kommt das Sehen.
Ich werde also nicht predigen, ich werde etwas anderes versuchen. Ich will lieber dafür sorgen, dass alle gut hinschauen. Darum wird jetzt gleich Folgendes geschehen: Ich sage ein paar Worte dazu, was ein Kreuzweg ist – das ist uns Evangelischen eher unvertraut. Schade eigentlich.
Dann sage ich ein paar Worte dazu, warum der Glaube Bilder braucht und die Bilder den Glauben. Dann spricht Werner A. Friedrich. Er ist der beste Kenner der Werke – er weiß, wie sie entstanden sind und was in ihm vorging, als er die Werke schuf. Das kann unsere Sinne schärfen und helfen, besser zu sehen. Schließlich erlaube ich mir etwas. Wenn ich mir schon das Predigen verkneife und bis morgen aufheben muss, so möchte ich doch ein wenig zeigen, was die Kunst in mir auslöste, möchte Ant-worten mit meinen Mitteln: einer kleinen Meditation über einzelne Symbole auf den Tafeln: Wort trifft Bild und Bild trifft Wort und zusammen deuten sie die Welt.
Die Musik macht Felicia Friedrich, die Tochter des Künstlers und seiner Frau Heilke: Sie singt Psalmen, die alten Lieder Israels, die doch immer neu sind, weil sie niemals alt werden, in einem modernen Klang.
Damit sind alle Künste hier versammelt zum Lobpreis des größten aller Künstler.
Aber ich wollte ja nicht predigen….
Musik



Kreuzweg
Die Idee des Kreuzweges ist einfach: In mehreren Stationen wird der Weg Jesu durch Jerusalem von seiner Verurteilung bis zum Tod am Kreuz nachgegangen und so auf sehr eindringliche Weise erinnert. Seit dem 14. Jahrhundert ist diese Form der Andacht bekannt, seit dem 18. Jahrhundert ist in jeder katholischen Kirchen ein Kreuzweg zu finden. Es hat sich darum herum ein umfangreiches gottesdienstliches Leben entwickelt mit Pilgerweg, Andacht, Mediationen und Bußübungen: das würde jetzt zu weit führen.
Anfangs waren es sieben Stationen: die sieben Stationen, die auch im biblischen Bericht der vier Evangelisten zu finden sind. Dann wuchsen, durch Tradition und theologische Deutung, weitere Stationen dazu, heute sind es meist 14, und sie gehen über Golgatha hinaus mit Kreuzabnahme und Grablegung. Diese Idee setzte eine Fülle von Kunstwerken frei: Schon früh wurden die Stationen bebildert und waren ein Ort, an dem Künstler zeigen konnten, wie sie die Leidensgeschichte Jesu verstanden. Diese Bilder prägen bis heute – auch bei uns Evangelischen! – die Vorstellungen von Jesu letzten Stunden sehr tief. Kein Jesusfilm kommt ohne sie aus.
Jede Station benennt ein Element des Leidens Jesu. Aber nicht nur, um uns das vor Augen zu führen, was damals geschah. Vielmehr geht es dem Kreuzweg darum, dass wir unser eigenes Leiden und das Leiden der Welt darin wiedererkennen. Darum hat der Kreuzweg im 20. Jahrhundert, dem schrecklichsten Jahrhundert der Geschichte, großes Interesse der Künstler gefunden. Er ist nämlich auch sehr politisch und kann ein machtvolles Instrument der Kritik sein. Nicht nur der geschundene Jesus wird heute auf ihm dargestellt, auch die geschundene Schöpfung und der geschundene Mensch. Das tun die sieben Kreuzwegstationen von Werner Friedrich in besonderer Weise.
Warum aber der Kreuzweg, warum diese Erinnerung? Nicht, um uns zu erschrecken und zu demütigen. Nicht aus Menschenverachtung. Wir erinnern uns des Weges Jesu – weil wir von Ostern herkommen. Vier Tafeln stehen mit dem Rücken zu uns. Sie werden in der Osternacht umgedreht. Sie enthüllen das Geheimnis des Glaubens: Mitten im Tod das neue Leben.
Der Kreuzweg ist so für den Glauben ein Weg der Ermutigung. Um es mit dem Psalm zu sagen: „Und dennoch bleibe ich stes bei Dir, denn du hälst mich mit deiner rechten Hand“. Für den Glauben ist das Kreuz ein Zeichen der Hoffnung und der Überwindung des Todes. Darum der Kreuzweg. Er erinnert uns daran, wie sehr wir angewiesen sind auf die Gnade Gottes, der uns dennoch liebt.


Bilder
Glaube braucht Bilder, Bilder brauchen den Glauben.
Der erste Satz so etwas wie das Motto der jährlichen Kunstaktionen in der Kirche zu Großenritte. Darum seien hier Frau Israel und Frau Herrmann so wie alle, die sie unterstützen, an dieser Stelle namentlich als wesentliche Menschen genannt und bedankt. Der andere Satz: Die Bilder brauchen Glauben, ist nicht so selbstverständlich. Er ist sogar eine Provokation.

Glaube braucht Bilder. Aber heißt es nicht: Du sollst Dir kein Bild machen? Ist das nicht im zweiten Gebot der Bibel deutlich gesagt? Ja, ist es. Doch es geht noch weiter:“4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: 5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“ (2. Mose 20). Wir sollen uns keine Götzenbilder machen! Wir sollen die Unsichtbarkeit und die Herrlichkeit Gottes nicht antasten. Dahinter steht ein wichtiger Gedanke: Du sollst das Bild nicht mit dem verwechseln, was es darstellt. Das ist das Geheimnis der Kunst. Kunst zeigt eben nicht einfach, was der Fall ist. Kunst ist nicht Nachahmung der Natur oder Darstellung der Wirklichkeit. Kunst ist Deutung. Kunst ist Auslegung. Kunst zeigt nicht auf die Welt, sondern darauf, wie der Künstler sie erlebt. Darum braucht auch der Glaube Bilder. Um die Welt zu verstehen. Nicht um sie anzubeten. Sondern um zu spüren, wie sehr wir doch gefangen sind, in dem, was wir sehen und schon deswegen für wahr halten. Gerade die guten Bilder, gerade die großen Kunstwerke weisen über sich hinaus. –das gerade macht ihre Größe aus. Das macht den Künstler zum Künstler: das da etwas durch ihn hindurchgeht, das mehr ist, als er selbst. Darum sind die großen Kunstwerke offen und immer voller Geheimnisse und werden nie alt. Sie machen uns staunen. Sie zwingen uns, unsere Wahrnehmung zu überprüfen, zeigen Ungesehenes und Unerhörtes, und weil es schön ist, weil es Kunst ist, können wir den Blick davon nicht abwenden: sie rührt eine Sehnsucht in uns an. Darum braucht der Glaube die Kunst. Wo das Wort an seine Grenzen kommt, führt uns die Kunst weiter. Was ein Bild sagt, ist unausprechlich, und doch müssen wir reden.
Darum brauchen aber die Bilder den Glauben. Denn der Glaube kommt aus dem Hören und dem Reden. Bete sie nicht an: sie sprechen nicht zu dir! Nur das Wort hat die Kraft, das Unsichtbare zu benennen. Nur die Rede hat die Kraft, das erfahrbar zu machen, was hinter den Bildern liegt. Auch der Glaube deutet die Welt. Aber deutet sie aus der Sicht Gottes. Wo wir Tod sehen, sieht Gott Leben. Wo wir Leiden sehen, sieht Gott Bewährung. Wo wir Kreuz sehen, sieht Gott den Himmel. So treten das Wort und das Bild in fruchtbare Spannung, deuten einander, nehmen einander auch in die Kritik. Nicht anbetend sollen wir vor den Bildern stehen. Den Künstler sollen wir ehren und bewundern für seine Kunstfertigkeit und seinen Mut. Das Werk aber sollen wir nicht anbeten. Es gehört zur vergänglichen Welt, ist auch nur Geschöpf unter Geschöpfen. Darum haben wir auf dem Altar die Bibel liegenlassen. Sie verstellt ein wenig den Blick und wird so besonders sichtbar. Und das ist gut so. Hier in diesem Raum treffen das Wort und das Bild aufeinander und öffnen uns so, so Gott will und seinen Geist wehen lässt, einen Blick auf die Welt, die ihr hilft, sich besser zu verstehen. Wir sollen nicht die Bilder anbeten. Aber die Bilder können uns zum Gebet führen. Das Bild zeigt, der Glaube spricht. Und wenn es den Menschen ergreift, dann fängt er an zu singen. Schön, dass wir hier heute auch Musik haben. So zeigt sich die Schöpfung von ihrer besten Seite und auch wir werden zu unserem Besten geführt. Der Glaube braucht Bilder, die Bilder den Glauben: Wir Geschöpfe brauchen beides, damit uns die Wahrheit erreicht.
Möge es so sein in den nächsten Wochen.


Werner A. Friedrich: Werner A. Friedrich, geboren 1940, lebt in Bad Wildungen. Er ist Bildender Künstler, Musiker, Kunsterzieher und Musiklehrer. Seit 1968 stellt er seine Werke öffentlich aus und betreibt in Bad Wildungen eine Galerie. Er wurde auch schon mehrfach geehrt, so 1993 mit dem Kunstpreis der VEW Waldeck, einem großen Mäzen in unserer Region.
Werner A. Friedrich ist zudem auch Gründer und Leiter der „Wildunger Musik-Werkstatt“, die mit zeitgenössischen Komponisten zusammenarbeitet. Ein vielseitiger Künstler also, der einen langen und verschlungenen Weg zur Kunst hinter sich gebracht hat. Ich zitiere aus der Webseite des Künstler, die ich jedem der Zugang zum Internet hat, wärmsten empfehle:
„Nach der Mittleren Reife begann ein mühevoller „zweiter“ Bildungsweg: Jungarbeiter an der Stempelhobelmaschine und Werkzeugmacher-Ausbildung in den Anker Werken in Bielefeld; Praktika in Gießerei und Modelltischlerei; Werklehrer-Studium in Düsseldorf, unter anderen bei Erwin Heerich; Studium zum graduierten musischtechnischen Fachlehrer für Kunst und Musik in Kassel; neben dem Schuldienst fünf Jahre Fortbildungsstudium an der Gesamthochschule Kassel in den Fächern Kunst und Gesellschaftslehre und noch einmal Referendariat am Studienseminar Marburg. Seit 1966 Lehrer an unterschiedlichen Schulen des Kreises, an der Haupt- und Realschule Breiter Hagen in Bad Wildungen, am Edertal-Gymnasium Frankenberg, an der Gesamtschule Edertal und am Gustav Stresemann Gymnasium in Bad Wildungen. Beauftragter zur Ausbildung von Kunsterziehern im Studienseminar des Kreises Waldeck-Frankenberg.
Die Fortbildung in der Malerei erfolgte bei Bernhard Vogel in Salzburg, mit Erwin Kastner in Venedig, bei Jürgen Meister in der Firma Lukas und im Atelier Eglau in Kampen auf Sylt.
Wie es zu diesen Bildern kam, wird er uns gleich selber erläutern. Ich erlaube mir die Anmerkung: Der Materialmix aus allen Arten von Farben, die Anwendung vieler Techniken aus der Kunstgeschichte und die souveräne Verwendung von Alltagsmaterialien zeigt ihn als zeitgenössischen Künstler auf der Höhe der Zeit.
Soviel von mir. Jetzt gilts der Kunst.
Musik
Ansprache Friedrich
Musik


Zu den Tafeln.
1. Material
Der Baum
der gefällt wurde
um daraus zu machen
Bretter,
Das Erz,
das geschmolzen wurde
um daraus zu machen
Stahlkanten
hätten auch sein können
der Baum
der gefällt wurde
zu machen ein Kreuz
das Erz,
das geschmolzen wurde,
zu machen die Nägel.
Das ist der Kummer der Welt:
sie weiß nie,
was aus ihr wird.
2. Der Neuntöter
Der Neuntöter,
ein schöner Vogel,
tut, was er muss
weil er nicht anders kann.
Darum ist er kein Mörder.
Der Millionenmörder,
tut, was er nicht muss
weil er auch anders kann.
Darum ist er ein Mörder.

3. Blutstropfen
Wie schön ist doch
auf tristem Grau
die leuchtende Farbe
des Blutes!
Lebendiges Rot,
strahlende Kraft.
Doch wenn Du es sieht,
rinnend,
ist irgendwo
Haut aufgegangen,
Ader geöffnet,
fließt Leben.
Darum ist
von allen Säften
einzig das Blut
zum Heiligsein
fähig.


4. Lilien
Weil die reinweiße Lilie
Leben meint,
legen wir sie
auf Särge.

5. Dornenkrone
Jede Krone
ist so wie diese:
Eine Schande.
Es sei denn
es ist
die Krone des ewigen Lebens.

6. INRI
Iesus
Nazarenus
Rex
Iudaeorum
Eine Lüge
und doch wahr.
Der Spott dieses Titels
verspottet die Spötter.
Der Mob
wird gemobbt.
Das ist
inmitten des Geschreis
ein Lächeln Gottes:
himmlische Ironie.

7. Schienen
Zuviel des Leides.
Wir verderben uns daran
den Mitleidsmagen.
Und Ausschwitz wird
oft viel zu schnell
zur kleinen Münze
des großen Schreckens,
billig getauscht.
Wohl dem
dem so noch
vor einem toten Vogel
die Tränen kommen können.


8. Kreuz
Hätten sie ihn erschossen,
wir trügen heute
goldene Gewehre
um den gewaschenen Hals,
und die Ältäre
zierten Patronen.
Hätten sie ihn erschlagen
dann wäre es wohl
eine goldene Keule
und wir grüßten einander
mit dem göttlichen Schlag.
Ein Kreuz aber
schmückt
ganz ungemein.

10. Schwarzer Regen

Schwarzer Regen
Asche und Ruß.
Es strömt herab
auf uns
der eigene Unrat.
Der Mensch zeigt sich
dem Menschen
als Unmensch.
11. Osterglocken
Dass wir es erinnern
sei es verkündet
immer und immer:
Es wächst nichts
aus eigener Kraft!
Jede Blüte
ist uns eine Siegesfahne
des Herrn aller Herren.
Auch das große Gestirn,
die heitere Sonne,
ist nur Lampe
des göttlichen Lichts,
Fenster des ersten Tages:
als solches
ein leuchtendes Gleichnis.
Schon, wo kein Tod ist,
ist mehr als Leben:
Gnade.


12. Ostern
Vier Stelen
sind stärker
als sieben Platten.
Sie zeigen
nach so viel Ende
den neuen Beginn.
Wir kommen nicht aus dem Gestern.
Wir kommen aus dem Morgen
und gehen getrost
dahin
wo er herkommt:
leuchtende Zukunft,
ewiges Leben.

Musik
Danksagungen und Einladung
Abendgebet und Segen:
Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.
Bleibe bei uns und bei deiner ganzen Kirche.
Bleibe bei uns am Abend des Tages, am Abend des Lebens, am Abend der Welt.
Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte, mit deinem heiligen Wort und Sakrament, mit deinem Trost und Segen.
Bleibe bei uns, wenn über uns kommt die Nacht der Trübsal und Angst, die Nacht des Zweifels und der Anfechtung, die Nacht des bitteren Todes.
Bleibe bei uns und allen deinen Gläubigen in Zeit und Ewigkeit.
Es segne und behüte uns
Gott der Allmächtige
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen
Musik

Sonntag, 9. März 2014

In Teufels Küche. Predigt Jak 1, 12-18, Invokavit 2014



12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. 13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. 14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. 5 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.
16 Irrt euch nicht, meine lieben Brüder. 17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. 18 Er hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien.


Erst einmal: Auch Frauen, die die Anfechtung erdulden, sind selig. Selig der Mensch, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. Das ist die Kernaussage. Glücklich gepriesen wird – denn das meint „Selig“ – glücklich gepriesen wird, wer den Zumutungen von Leiden, Bösen, Krankheit und standhält und den Versuchung.
Versuchung ist ein sehr altmodisches Wort. Es meint aber etwas ganz Einfaches: die Versuchung ist der Versuch, uns zu überreden, den scheinbar einfachen Weg zu gehen. Versuchung ist der Versuch, dass wir unseren ersten Impulsen, unseren Meinungen und Stimmungen folgen, anstatt zu denken. Genau darum geht es: der Glaube schützt uns vor Versuchungen, in dem er uns zum Denken führt. Und alles, was uns vom Denken abhält, ist teuflisch, denn es beraubt uns unserer Würde und bringt uns in erhebliche Schwierigkeiten. Darum kann die Versuchung sehr einfach benannt werden: Gier, Gewalt, Lüge. Der Glaube aber stellt uns eine einfache Frage und will uns so vor der Versuchung schützen. Gott stellt uns eine einfache Frage – und die ist eben nicht böse gemeint, die will uns nicht blamieren, erniedrigen und demütigen. Sie will uns ganz im Gegenteil vor Demütigen, Erniedrigung und Blamage bewahren. Es geht um die Krone des Lebens, nicht um die Dschungelkrone, die das Symbol tiefster Erniedrigung und Schmach ist. Es geht um unsere Ehre als Menschen. Zu dieser Ehre gehört es, den Versuchungen des leichten Weges, der Macht, der Gewalt und der Lüge zu widerstehen.
Und dazu hilft uns die göttliche Frage. Und diese Frage kommt aus tiefer Liebe zu uns. Sie lautet:  Worauf baust Du Dein Leben?

Die Frage bekommt ja auch Jesus gestellt, wir haben es in der Lesung gehört. Jesus geht für 40 Tage in die Wüste, um dort zu fasten und nachzudenken und zu beten und Gott zu begegnen. Aber wie das so ist, wenn wir Gott begegnen wollen, dann melden sich ganz andere Geister und Töne. Der Teufel, so wird hier erzählt, spricht Jesus an. Nun glauben wir ja nicht mehr an den Teufel, jedenfalls nicht so wie früher. Der Teufel steht einfach für unser Unbewußtes, für all das, was an uns auch böse ist und verführbar ist, der innere  Schweinehund sozusagen,  obwohl das eine viel zu harmlose Formulierung ist.
Also: für uns moderne Menschen ist der Teufel nichts, was von Außen kommt, sondern von innen. Das macht aber keinen Unterschied. Böser Geist ist böser Geist, und Einflüsterungen der übelsten Art hören wir trotzdem. Es wäre leichter, wenn es den Teufel wirklich gäbe: dan könnte man ihn ja erkennen. Aber so?
Zurück zu Jesus: Der Teufel macht Jesus nämlich ein paar Angebote, die sehr attraktiv sind. Er stellt ihm auch eine Frage: Wenn Du doch soviel göttliche Mach hast, sagt der Teufel, dann nutze sie doch, die Menschen zu beeindrucken und dir ein gutes Leben zu machen. Und er will Jesus dazu überreden, seine göttliche Macht zu allerhand Kunststücken zu benutzen, mit denen er sicherlich ein absoluter Superstar geworden wäre, ein Superheld der Antike, hochverehrt, gefürchtet, berühmt, mächtig und reich, König aller Könige!. Aber Jesus wehrt das ab. Mit Versen aus der Bibel macht er dem Teufel klar, dass es Höheres und Wichtigeres gibt als Macht und Reichtum, nämlich Gottes Wort und der Dienst für Gott, was ja nichts anders meint, als den Dienst am Menschen. Jesus wählt den schwierigeren Weg, den Weg der Liebe.
Wie wir wissen, wird es sogar der Weg in den Tod sein: dieser Weg wird kein leichter sein.
Aus der Sicht des Teufels und des sogenannten gesunden Menschenverstandes, der des Teufels liebstes Werkzeug ist, ist das ziemlich dumm: Da verschenkt einer sozusagen seine Lottomillionen. Doch Gott gab Jesus und seinem Weg und seiner Entscheidung Recht. Der schwierigere Weg war der Bessere, weil es der Weg der Liebe war. Jesus wurde der König der Herzen. Das ist das, was wir mit Auferstehung meinen: Gott wählt sich Jesus aus, damit wir an ihm lernen und erkennen, worum es im Leben geht. Eben nicht um Macht und Gewalt und Ehre und Ruhm, sondern um Glaube, Liebe Hoffnung.  Der Teufel hat also auf ganzer Linie verloren. Jesus bekommt am Ende die Krone des ewigen Lebens, was ich immer noch ein wundervolles Bild finde für das, was wir heute so trocken die Menschenwürde nennen.
Nicht nur, dass Jesus ein Angebot abgeschlagen hat, er ist am Ende auch noch viel berühmter rund mächtiger geworden, als es er auf dem Teufelswege jemals hätte werden können.
Denn die, die den Einflüsterungen des Teufels folgen, kommen am Ende auch in Teufels Küche, und auch dafür braucht man auch nicht an die Hölle zu glauben. Wenn wir sehen, wen wir so als berühmt und erfolgreich verehren, dann sind es doch meistens historische Schwerverbrecher, Massenmörder oder Lügner – oder es sind eben eitle, aufgeblasene Wichtigtuer, die mit einer Mischung von Glück und Talent nach Oben kamen. Gute Helden, die der Nachfrage standhalten, gibt es unter den Berühmten nicht so viele, und im Moment sind sie auch nicht so in Mode. Wir liebe die schillernden Helden und Heldinnnen, und leider lieben vor allem den schönen Schein. Denn von ihnen geht eine Anfechtung aus: die Anfechtung, eigentlich doch ein gutes Leben führen zu wollen. Wir neigen heute eher zu Vorbildern, die den falschen Weg gehen, oder uns doch einen falschen Weg vormachen. 
Ein schönes Beispiel: die sogenannte XL-Models. Also Mannequins, die so ab Größe 38 bis 42 ausgestattet sind. Das nennt man in der Modebranche bereits dick oder fett, auch wenn des die absolute Mehrheit der Frauengrößen ist. So, nun sollte man meinen, dass diese Modells großen Zulauf und große Zustimmung finden. Aber weit gefehlt. Gerade Frauen, die diese Größe haben – also auch nach medizinischen Gesichtspunkten absolut durchschnittlich und gesund sind – lehnen XL Models ab. Sie wollen nicht sehen, was sie selber sind. Sie schauen sich lieber die riesigen Magermodells an und sind unglücklich – reingefallen auf die jahrzehntealten Lügen vom weiblichen Ideal und einer Industrie, die sich an Diäten, falschen Größenangabe auf Unterwäsche und einem völlig verquasten Bild von Weiblichkeit dumm und dusslich verdienen. Ich komme darauf, weil gestern der Welt-Frauentag war. Die Versuchung für Frauen lautet: Wenn du gut aussiehst, ist alles einfach. Kauf unsere Produkte, und Du wirst sehen: alles wird leicht.
In Wahrheit leben Millionen von Frauen in einer Horrorwelt, in der Spiegel und Waage ihr Feind sind. Das meine ich damit, wenn ich sage: wer den Einflüsterungen folgt, landet in Teufels Küche. Ein bisschen Denken würde genügen.
 Davon lebt ja unsere gesamte Popkultur: Von der Lüge des einfachen Erfolges und des leichten Weges, von der Lüge, dass Schönheit, Reichtum und Talent auch ein gutes Leben bedeuten: unser Fernseher ist voll von solchen Erfolgszombies, ob es nun Milliardäre oder Modeschöpfer sind oder arme verwirrte halbverhungerte Mädchen, die berühmt werden wollen. Aber die Krone, die eine Heide Klum vergibt ist gewiss nicht die Krone des ewigen Lebens, aber das Abitur oder eine abgeschlossene Berufsausbildung alleine sind es auch nicht. Das sind alles leere, äußerliche Heilsversprechen, wer allein auf sie baut, hat schon verloren, langfristig jedenfalls. Jesus weiß, dass Macht, Schönheit und Erfolg alleine nicht genügen, sondern eine große Versuchung darstellen.
Das sind harte Worte, das weiß ich. Aber sind wir es zum Beispiel nicht gerade den Konfirmanden schuldig, ihnen reinen Wein einzuschenken über das Leben? Sind wir es uns nicht selber schuldig, immer wieder intensiv darüber nachzudenken, woran wir unser Leben ausrichten?
Es gibt keinen einfachen Weg zum erfüllten Leben. Der Weg geht nur die Versuchungen und Anfechtungen, die Verlockungen und Einflüsterungen hindurch, die uns einreden wollen, es gäbe diesen Weg und wer es sich schwer mache, sei selber schuld und ein Loser.
Paulus sagt: Ich will euch einen besseren Weg zeigen als den vordergründigen Weg von Erfolg und Ruhm. Es ist die Liebe.
Es muss uns immer wieder aufs Neue gesagt werden, worum es wirklich geht: nämlich um die Liebe. Das ist die Anfechtung, von der hier die Rede ist. Wir werden von der Liebe angefochten, sie stellt uns massiv in Frage -  also Gott stellt uns massiv in Frage. Aber nicht, um uns wie der Teufel auf den einfachen Weg zu bringen. Was immer uns begegnet: Wir sollen die Liebe darin suchen. Eine verdammt schwierige Aufgabe! Aber eine lebensnotwendige.
Sage niemand, schreibt Jakobus, die Schwierigkeiten, vor denen erste steht, kämen von Gott, von Gott kommt nur Gutes. Misstraue lieber Deinem Denken. Das Schlechte kommt von Euch, da müsste ihr anfangen: rechnet mit der Sünde. Das wird nicht gesagt, damit wir hier verzweifeln oder in Sack und Asche herumlaufen. Das ist gerade kein mieses Menschbild, das ist ein gnädiges Menschenbild. Wer ein naives Menschbild hat, das den Menschen entweder nur für im Kern gut oder nur für im Kern böse hält, wird in die Irre laufen. In der Politik ist das tödlich, wie wir gerade erleben. Es sind nicht nur Gutmenschen auf der einen und Bösewichter auf der anderen Seite  am Werk im Streit um die Halbinsel Krim. Es sind Menschen, verführbar und fähig zu Lüge, friedensliebend und gewaltbereit in einem, freiheitsliebend und ausgrenzend in einem. Frieden kann es nur geben, wo man das weiß und also eine Welt baut, in der die Menschen zugleich vor sich selbst geschützt und auf ihre besten Anlagen hin angesprochen werden. Das ist extrem  mühsam und wir ohne die Kraft des Gebetes nicht gehen. Ich bin froh und dankbar, dass die Kirchen in der Ukraine – die vor Jahren noch selber streng nationalistisch und kriegstreiberisch waren .  diesen Weg gehen und beide Seiten aufrufen, den schwierigen Weg der Liebe zu gehen, anstatt den teuflischen Weg der Macht.
Es geht einfach darum sensibel und empfindlich zu werden für das Leben selber. Darum, meine Lieben, macht der Glaube das Leben schwieriger, weil er uns zum Denken aufruft. In einer Gesellschaft, die nur nach Erfolg, Geld, Gewalt, Ansehen und Schönheit fragt, gerät man sofort in Schwierigkeiten, wenn man nach Liebe, Gnade und Erlösung fragt. Das werden wir als Christen noch erleben, der Ton wird jetzt schon rauer. Weil man uns für abergläubische Deppen hält oder für denkfaule Ewiggestrige. Da werden wir immer mehr in Schwierigkeiten geraten, um der Liebe willen.
Also meine lieben Konfis: lasst Euch von den Dieter Bohlens dieser Welt und den Heidi Klums dieser Welt und den Jogi Löws dieser Welt und den Bachelors dieser Welt, aber auch von selbsternannten Bildungsfachleuten und Wirtschaftsweisen nicht einreden, alles sei möglich, Erfolg sei wichtig und wer nichts kann, der sei nicht wert.
Das sind Lügen, die euch den Verstand umnebeln wollen; es ist bloß eine raffinierte Art, Geld zu verdienen: erst reden Sie euch was ein, dann helfen sie Euch, wenn es nicht klappt. Nehmt es als Unterhaltung, wenn auch als schlechte. Denkt selber. Fragt nach dem Willen Gottes: dient das, was mir das gesagt wird, der Liebe, also den Menschen? Den Teil der Frage lässt der Teufel – unser sogeanntes Buachgefühl – nämlich meistens aus. Ach, und ich sage das zu den Konfis, weil ich denke: Wenn die es verstehen, verstehen es auch alle anderen, denn im Glauben bleiben wir ein Leben lang Konfirmanden.
Der Ernst des Lebens aber ist die Liebe, die bereit ist, auch zu leiden und das Leiden an der Welt zu ertragen. Wer das aushält, wer dazu bereit ist, der wird die Krone des Lebens empfangen, sagt der Jakobusbrief in einem tollen Bild vom wahren Glück. Wer bereit ist für die Liebe: Der wird leben: nämlich bewusst, denkend, verantwortlich mit Gott an seiner Seite, hellwach und getröstet.
Amen.