Sonntag, 26. Januar 2014

1000 Aufrufe

Liebe Leserinnen und Leser,
gestern hatte ich den 1000en Aufruf dieser Seite, wirklich viel Bewegung ist das ja nicht, ich werde den blog aber weiterführen, weil es praktisch ist, auf Predigten bei Rückfragen einfach per link zu veweisen.

Erstaunlicheweise hat mein Zinnfigurenblog mehr als doppelt so viele Zugriffe. Das macht micht schon nachdenklich....;)

Samstag, 25. Januar 2014

Predigt Apg 10. Vom Ekel und der Freiheit. 3.S.n. Epiphanias



Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Essen ist ein zutiefst religiöses Thema. Alle Religionen, ausnahmslos, sagen etwas dazu, was man essen darf und was nicht. So kann man zwischen denen, die dazugehören und denen, die nicht dazugehören, unterscheiden. Diese Speisegebote haben, anders als viele Menschen denken, mit Hygiene oder Gesundheit überhaupt nichts zu tun. Sie sind rein religiös. Für die, die daran glauben, sind diese Gebote der Wille Gottes oder Ihrer Götter. Hindus essen kein Fleisch. Moslems essen kein Schweinefleisch, trinken keinen Alkohol. Und das Judentum hat unter den großen Religionen die ausgefeiltesten Speiseregeln. Im Alten Testament wird über Seiten erklärt, was man essen darf  und was nicht. Schweinefleisch gehört dazu, Blut in jeder Form,  das Fleisch von Unpaarhufern überhaupt, also z.B. auch Pferden, alles was fliegt, aber kein Vogel ist, alles was mehr als 4 Beine hat, alles was schwimmt, aber kein Fisch ist. Also: Keine Insekten, keine Spinnentiere, d.h. auch keine Krebse und Krabben, kein Tintenfisch. Auch darf man nicht zusammen essen, was aus Fleisch oder Milch ist. Also keine Salamipizza mit Käse, keine Käse-Schinkenbrötchen, kein Schnitzel mit Sahnesauce.
Solche Speisegebote sitzen tief, ganz tief. Wer damit groß wird, entwickelt vor dem, was verboten wird, regelrechten Ekel. Das kennen wir ja auch.  Gebannt verfolgen 9 Millionen Menschen, wie eine Schar von Halbpromineten im Dschungelcamp alle möglichen Dinge essen, die – für uns jedenfalls – von unbeschreiblicher Ekligkeit sind: Insekten, roh; pürierte Innereien, Unaussprechliche Körpersäfte von Tieren. Sie wühlen in verrottetem Fleisch, lassen sich mit Kakerlaken, Spinnen und Schlangen überschütten, ihr Ekel fasziniert die Menschen: denn hier wird eine Grenze überschritten, für die allermeisten von uns jedenfalls, und wohl auch für die Kandidaten selber, wie man leicht sehen kann. Für viele ist das unerträglich, für mich übrigens auch. Aber es geht mir nicht ums Dschungelcamp, da ließe sich vieles zu sagen. Nur: auf überraschende Weise können diese entsetzlichen Ekelbilder uns helfen, zu verstehen, wovon ich heute zu predigen habe. Petrus, der fromme Jude, muss eine Grenze überwinden, die für ihn absolut unüberschreitbar war: die Grenze zum Heidentum. Er bekommt den Auftrag, den römischen Hauptmann Cornelius zu besuchen, und das allerschlimmste: mit ihm zu essen  - und ihn am Ende zu taufen. Aber vorher muss er durch eine Prüfung hindurch, eine wahre Dschungelprüfung.

Es ist eine lange Geschichte: Aber sie spricht schon fast für sich. Der Weg in die Freiheit kostet Überwindung, könnte man sie überschreiben.

Apg 10,1-48
Der Hauptmann Kornelius
9 Am nächsten Tag, als diese auf dem Wege waren und in die Nähe der Stadt kamen, stieg Petrus auf das Dach, zu beten um die sechste Stunde. 10 Und als er hungrig wurde, wollte er essen. Während sie ihm aber etwas zubereiteten, geriet er in Verzückung 11 und sah den Himmel aufgetan und etwas wie ein großes leinenes Tuch herabkommen, an vier Zipfeln niedergelassen auf die Erde. 12 Darin waren allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels. 13 Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! 14 Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen.
Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.
Und das geschah dreimal; und alsbald wurde das Tuch wieder hinaufgenommen gen Himmel.
17 Als aber Petrus noch ratlos war, was die Erscheinung bedeute, die er gesehen hatte, siehe, da fragten die Männer, von Kornelius gesandt, nach dem Haus Simons und standen an der Tür, 18 riefen und fragten, ob Simon mit dem Beinamen Petrus hier zu Gast wäre. 19 Während aber Petrus nachsann über die Erscheinung, sprach der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich; 20 so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt.
21 Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; warum seid ihr hier? 22 Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast. 23 Da rief er sie herein und beherbergte sie.
Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. 24 Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. 25 Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an. 26 Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, [a]ich bin auch nur ein Mensch.
27 Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. 28 Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll. 29 Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.
30 Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand 31und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. 32 So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. 33 Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist.
34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.[36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.

Petrus hat eine Vision davon, das Ekelhafteste essen zu müssen, was man sich als frommer Jude überhaupt nur vorstellen kann: Insekten und unreine Vögel. Es ist eine wahre Dschungelprüfung, der er sich hier zu unterziehen hat. Allen Menschen soll das Evangelium verkündigt werden. Unterschiedslos. Dafür werden alle alten Trennungsregeln aufgehoben: radikal und von Gott selber
Petrus wird vorbereitet darauf, in das Haus eines Heiden, ja nicht nur eines Heiden, sondern sogar eines Feindes zu gehen. Es ist unglaublich, was Gott hier dem Petrus zumutet – aber er mutet ihm eben keine schlimme Prüfung zu, damit andere sich über ihn lustig machen, wie im Dschungelcamp, sondern er mutet ihm die Freiheit zu, die Freiheit vom Gesetz, wie Paulus es später nennen wird. Alles, was die Menschen trennt, alles, was die Menschen angeblich im Namen und im Auftrag Gottes trennt, ist aufgehoben und für null und nichtig erklärt worden. Und darin folgt er Jesus nach.  Wir haben die Geschichte gehört, wie er den Knecht des römischen Hauptmannes heilt. Das war eine echte Provokation für seine Zeitgenossen!
Der Moment, in dem Petrus essen sollte, was er nicht essen durfte, war der Beginn der Ausbreitung der Kirch in alle Völker, auch zu uns. An die Stelle enger Regeln trat die Weite der Liebe. „: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.[36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.“ So fasst es Petrus zusammen.


Aber führt diese totale Aufhebung von Sitte und Tradition nicht zu völliger Anarchie und Chaos? Was soll der Glaube dann noch, wenn alles erlaubt ist? Ist das nicht doch ein bisschen zu radikal gedacht? Das heißt doch auch, dass auf allen anderen Lebensgebieten die bisherigen Regeln aufgehoben sind – man denkt ja gleich auch an Fragen der Sexualtität oder des Rechtes überhaupt: Gelten denn gar keine Regeln für Christen? Ist alles erlaubt? Geht die Freiheit so weit?
Nun, Paulus sagt dazu: Es ist alles erlaubt, aber nicht alles bringet Frucht. Es ist alles erlaubt, aber nicht alles baut den Menschen auf. Wir Christen sind in die Freiheit entlassen, nach dem Sinn von Geboten zu fragen, nach ihrer Lebensdienlichkeit.
Du musst nach der Liebe fragen und nach dem, was dem Leben dient, um herauszubekommen, was richtig und was falsch ist.
So gibt immer in der Tat immer noch Sachen, die man nicht essen sollte. Aber nicht, weil sie von Gottes verboten sind oder eklig sind.
Wir müssen als Christen die Frage nach dem Essbaren und Tragbaren anders stellen lernen. Ich nenne zwei einfach Beispiele:
Eine Ananas, die 10.000 km durch die Luft geflogen ist: die hat eine Spur der Umweltschädigung hinter sich her gezogen, wo man schon fragen sollte, ob sie nicht großen Schaden anrichtet und ob man die wirklich essen sollte.
Und so schwer es mir als Fleischesser fällt: Die Unmengen von Fleisch, die wir inzwischen in uns hineinstopfen haben nachweislich große Wirkungen auf die Umwelt: Der Regenwald wird abgeholzt, damit Äcker angelegt werden können, auf denen Soja angebaut wird, das die Millionen von Rindern fressen, die dann zu Steaks verarbeitet werden. Und die, denen das Land gehört, bekommend dafür einen Hungerlohn, wenn überhaupt etwas. So klebt an unserem Fleisch Unrecht. Da ist die moralische Herausforderung, vor der wir stehen. Und das geht uns nahe, jeder spürt es gerade, da bin ich mir sicher. Es geht nicht mehr um Ekel oder Sitten und Gebräuche. Es geht um das Gewissen.
Paulus wird später von seiner Gemeinde in Korinth gefragt, ob Christen Fleisch essen dürfen, das aus einem heidnischen Tempel stammt. Natürlich dürft ihr das: Es gibt diese Götter doch gar nicht, dann dürft ihr auch das Fleisch essen, das für sie geopfert wurde. Alles andere wäre doch reiner Aberglaube. So sagt Paulus.
Aber  er sagt auch:
Wenn einer am Tisch sitzt, der das nicht mitmachen kann, weil es ihm zu weit geht und sein Gewissen belastet, dann solltet ihr es nicht tun. Beschämt nicht euren Nächsten, schadet ihm nicht, schont einander, geht aufeinander ein, fragt nach der Liebe. Das sollte uns bei allen Fragen nach dem richtigen Leben immer eine Richtschnur sein: das Wohl des Nächsten. Darum ist es auch nicht christlich, mit der Bibel in der Hand herumzufuchteln und zu rufen: es steht geschrieben, es steht geschrieben! Nicht der Wortlaut der Gesetze ist entscheidend, sondern der lebendigmachende Geist, der nach ihrem Nutzen fragt. Der Buchstabe tötet, sagt Paulus, der Geist macht lebendig. So werden die Herzen weit, das Fremde aufzunehmen und die Welt zu einem Ort des guten Lebens in Frieden und Freiheit zu machen. Prüfet alles, schreibt Paulus, aber das Gute behaltet. Das Gute aber ist, was dem Nächsten dient. Alles, was ihr wollt, das Euch die Leute tun, das tut ihnen auch, lautet das neue Gebot, und so lernen es die Konfirmanden: Da haben sie eine Regel, mit der das Leben gelingen kann. Petrus hat die Lektion gelernt, Cornelius wurde getauft, die Welt kam einen Schritt weiter in Richtung Frieden und Menschenwürde, Versöhnung und Gerechtigkeit.
Also sollen sie im Dschungel meinetwegen essen, was sie wollen. Aber dass Menschen in ihrem Ekel, ihrem Schauer und ihrer Not zum Vergnügen eines Massenpublikums vorgeführt werden, dass man sich als denkender Mensch vor dem Fernsehet vor Scham und Entsetzen windet: das geht eben gar nicht. Was immer wir tun, und das ist die einfache Regel am Ende dieser langen Predigt: Niemals darf die Würde des Menschen verletzt werden und die Schöpfung Sachen nehmen, sondern überall sollen Erbarmen, Weite des Herzens und Liebe regieren! Das ist der Kern der christlichen Ethik. Das hat Petrus begriffen und die engen Grenzen seiner Religion gesprengt. Seien wir ihm dankbar. Seien wir Gott dankbar, der uns diese Freiheit schenkt. Nutzen wir sie. Zum Wohle der Welt. Amen.