Samstag, 6. Juni 2015

Der Reiche und der arme Lazarus, Lk 16, 19-30 Predigt 1. S.n.Tr. 2015


Vom reichen Mann und armen Lazarus

19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren 21 und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. 22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.

 23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. 24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du [a]dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.

a) Kap 6,24 26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.

 27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. 29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.[a]

30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. 31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.



Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Der letzte Satz aus diesem Gleichnis klingt sehr bitter.

„Selbst wenn einer von den Toten käme, würden Sie nicht auf ihn hören!“ Aber nur auf den ersten Blick klingt das bitter. Auf dem zweiten Blick zeigt er uns den Weg zur Lösung. In der Tat: wenn einer von Toten käme, um uns Angst zu machen, wie es der Reiche Mann sich für seine Brüder wünscht, würden wir nicht auf ihn hören. Nun ist aber Jesus von den Toten auferstanden, damit wir die Angst verlieren: Und Jesus spricht von der Liebe. Am Ende fällt Gott sozusagen dem Gleichnis in den Arm und geht einen ganz anderen Weg. Es ist einer von den Toten gekommen: Nicht um uns zu drohen, sondern um uns ein neues Herz zu schenken.

Hören wir die Geschichte noch einmal:

Ein reicher Mann lebt in Saus und Braus, trägt kostbare Gewänder, sein Leben ist eine einzige Party. Natürlich habe ich da sofort ganz konkrete Bilder vor Augen: Die Geschichte rückt uns sofort auf die Pelle. Sie rührt an unserer Urangst: mit unserem Guten Lebe das wahre Leben zu verfehlen und am Ende dafür büßen zu müssen. 

Lazarus ist auf der untersten Stufe der sozialen Leiter angekommen. Er ist nicht nur arm, er ist auch krank. Die einzigen, die sich seiner erbarmen, sind die Hunde, die seine Geschwüre lecken: Es ist ein Elend, das hier beschrieben wird. Da haben wir auch sofort Bilder vor den Augen: Dieser Anfang der Geschichte ist wahrlich keine große Herausforderung an unsere Phantasie. Er löst sofort Beklemmung aus, bei mir jedenfalls.

Nun stirbt Lazarus, und die Geschichte bekommt einen märchenhaften Zug: Larazus fährt direkt auf in den Himmel, dort sitzt er neben Abraham, dem Urvater des Glaubens, am himmlischen Tisch und wird von ihm getröstet und bewirtet. 

Und da beginnt die Geschichte schon zu stolpern, wenn man eine Sekunde innehält.

Ausgleichende Gerechtigkeit: ja sicher. Aber das kann es ja nicht sein – das wäre nicht nur ein billiger, das wäre ein zynischer Trost für die Armen. Wir würden die Armen damit nicht trösten, sondern eben nur vertrösten. Das wäre eine bittere Gerechtigkeit, wenn es die nur im Jenseits gibt! Die Hölle auf Erden würde bleiben! 

Jetzt hören wir wieder von dem reichen Mann. Auch er stirbt. Er wird begraben. Er fährt geradewegs in die Hölle. Und wer jetzt denkt: recht so! ist schon in die Falle getappt. Denn auch damit ist niemandem gedient. Am wenigsten dem Lazarus. Es wäre auch hier eine zynische Gerechtigkeit, es wäre reine Häme! Wer hätte etwas davon? Wir merken: Die Geschichte will auf etwas anderes hinaus. Hier wird keine billige Gerechtigkeit angeboten, die im Grunde mit unseren niedersten Instinkten, der Angst und der Häme, spielt. Sollen wir uns Gerechtigkeit so vorstellen, dass die Sieger am Ende wie der Klassenprimus feixen, weil die anderen schlechte Noten bekommen? Gerechtigkeit muss doch mehr sein, als Schadenfreude am Schluss! Wo bleibt hier das Erbarmen? 

Und darum geht die Geschichte noch weiter. Diese billige Gerechtigkeit, die keine ist, soll uns gründlich ausgetrieben werden. Der reiche Mann kommt nun zur Einsicht, er ist nun selber in der Not, er sucht Hilfe. Der Arme und der Reiche können sich sehen. Vater Abraham, ruft der Reiche, sende den Lazarus, dass er mir mit der Spitze seines Fingers die Lippen netze! Nun wird also der Reiche gequält, und er sucht seine Hilfe bei dem Armen. Die Hilfe aber wird ihm verweigert, mit einem unglaublich harten Satz: Du hast dein gutes Leben gehabt. Der Abgrund zwischen Himmel und Hölle ist unüberwindbar. Es gibt keine Rettung für Dich! 

Ein harter Satz, schwer erträglich. Doch er führt dazu, dass der Reiche nun zum ersten Mal in seinem Leben nicht an sich denkt, sondern an andere. Und jetzt wird es interessant: Er bittet Abraham, den Lazarus noch einmal in die Welt zu senden, damit er die Menschen warnt. Aber so ganz ist der Reiche von seiner Selbstsucht noch nicht geheilt. Denn er möchte, dass seine 5 Brüder gewarnt werden. Sie sollen hören, wie es ihnen ergehen wird, wenn sie nicht ihr Leben ändern. Also: der Reiche sieht selbst in der Hölle nicht die Not des Lazarus, sondern er sieht auch hier nur seine eigene Not und möchte, dass das seinen Brüdern erspart bleibt. Er möchte, dass einen Brüdern Angst gemacht wird, damit sie sich bekehren. Der Reiche ist nicht etwa erschüttert über das irdische Leben des Lazarus, sondern er macht sich Sorgen um das himmlische Leben seiner Brüder!

Doch Abraham wehrt das ab. Ich brauche den Lazarus nicht zu senden. Lazarus hätte deinen Brüdern nichts Neues zu sagen. Es ist alles bekannt. Sie können es in der Bibel nachlesen. Sie können es im Tempel hören. Zum Beispiel das schöne, klare Wort des Propheten Amos: Barmherzigkeit will ich, keine Opfer. Oder das klare Gebot aus dem fünften Buch Mose: Du sollst den Armen nicht bedrücken, oder eben auch das 7 Gebot: Du sollst nicht stehlen, denn auf Kosten der Armen zu leben ist Diebstahl. Da ist das Wort Gottes völlig eindeutig. Und darum sagt Abraham auch: Es ist nicht nötig, den Lazarus zu senden. Sie haben doch Mose und die Propheten. Auf die sollen sie hören! 

Und der reiche Mann versteht das auch sofort: Nicht der Reichtum ist das Problem, sondern die Gottlosigkeit. Nicht sein Reichtum hat ihn dahin gebracht, wo er jetzt ist, sondern seine Gottlosigkeit und seine Lieblosigkeit, die daraus folgt. Und darum ruft er jetzt: Ja, sie hören nicht! Aber wenn einer von den Toten kommt und es ihnen sagt, dann werden sie hören! Und jetzt kommt dieser fatale letzte Satz: Abraham aber sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.
Es geht hier gar nicht um Arm und Reich. Es geht um Glauben und Unglauben. Es geht darum, worauf wir unser Leben bauen und worauf wir hören. Arm und Reich sind hier nur Beispiele. Es könnte auch um eine schöne und eine hässliche Frau gehen, wobei ja diese Unterscheidung schon das Problem ist. Oder. wie eben schon angedeutet, um einen guten und einen schlechten Schüler. Denn es geht nicht zuerst um Gerechtigkeit in dieser Geschichte. Es geht um Erbarmen.. Die Brücke über diesen von Armut und Reichtum, die Brücker über den Graben von Gedankenlosigkeit und Elende heißt: die Liebe! 

Und darum ist es wichitg, darauf zu hören, wer uns diese Geschichte erzählt. Es erzählt ja einer, der von den Toten gekommen ist. Und er kommt nicht, uns macht uns Angst, der kommt und mach tuns die Augen auf.

Der auferstandene Jesus, der aus dem Reich der Toten zu uns spricht, zeigt uns seine Wunden: und lenkt damit den Blick auf Lazarus, den wir, gefangen in unsere Angst, wie der Reiche Mann, ganz vergessen haben. Um ihn geht es. Die Liebe zu Lazarus will er in uns wecken. Die Liebe lenkt den Blick vom Himmel der guten Vorsätze auf die Erde der echten Not. Sie macht nicht Angst, sie macht die Not sichtbar. Sie führt zum Erbarmen. Das ist es, was dem Reichen fehlte. Und damit wir da Ebarmen lernen, erzählt uns der Auferstandene, der von den Toten gekommene, diese Geschichte. In Jesus habe wir Lazarus vor Augen: da sollen wir hinschauen. Vergesst die jenseitige Höllennot des reichen Mannes, schaut auf die idirsche Höllennot des armen Lazarus. Der braucht sein täglich Brot.

 Das Gleichnis, dass scheinbar so märchenhaft und absonderlich mythisch von Himmel und Hölle spricht, will unseren Blick auf Erde lenken.

Vergesst die Hölle. Vergesst den Himmel. Liebt die Erde. Liebt den Lazarus. Denn in ihm liegt Gott vor unserer Tür.

Das ist am Ende die ganz einfache Botschaft dieser nicht ganz einfachen Geschichte, die uns um drei Ecken durch einen Alptraum von Gerechtigkeit jagt, damit wir bei einem Traum vom Erbarmen ankommen. Der letzte Satz der Geschichte ist nicht der letzte Satz, den wir zu sagen haben: „Sie hören ja doch nicht!“ Doch, wir hören, und die Bitte lautet: „Herr, lass uns verstehen, dass wir Larazus nicht übersehen.“ 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, erleuchte Eure Herzen und Sinne.



Amen.