Samstag, 31. Mai 2014

Was macht die Kirche zur Kirche? 80 Jahre Barmen. Predigt Exaudi 1.6.2014, :

Ausnahmsweise gibt es die Predigt schon als Vorabdruck, weil ich morgen nicht dazu kommen werde. Gar nicht so einfach, so ein kompliziertes Thema in eine Predigt zu packen, die nicht im Historischen steckenbleiben soll, die nicht Heldensaga ist und zugleich deutlich macht, was es uns angeht. Ist es gelungen? Gebe Gott!
Ich habe auf der Kanzel den Eingangsteil stark verkürzt, da genügten ein paar Sätze. War doch ein bisschen viel. Aber zum Lesen lasse ich jetzt die Langfassung.
 
 
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn.

Was macht die Kirche zur Kirche? Diese Woche fangen die neuen Konfirmanden an, und einer der ersten Fragen, die wir behandeln, wird genau diese sein: Was ist Kirche?

 

Es wäre sicher spannend, von Euch zu hören, was die Kirche zur Kirche macht. Da kämen, da bin ich mir sicher, eine Menge sehr verschiedene Antworten zum Vorschein. Und noch bunter würden die Antworten werden, wenn wir die Menschen draußen auf der Straße fragten oder die vielen tausend Ratschläge befolgten, die uns in den Medien gegeben werden. Wir sind uns nicht mehr so ganz sicher, wozu wir da sind. Das merke ich ganz besonders, wenn es um die Frage geht: Was soll denn Kirche machen? Was ist denn wichtig? Wir werden in den nächsten Jahren kleiner werden. Deutlich kleiner werden. Und zwar einfach aus dem Grunde, dass wir weniger Menschen sind. Es sterben mehr Menschen, als geboren werden. Und es werden folglich weniger Menschen getauft als beerdigt. Der Trend ist eindeutig. Und weniger Menschen bedeutet auch: weniger Geld. Das muss man ganz nüchtern sehen:Kirche, wie wir sie kennen, kostet Geld. Und das wird knapp. Wir werden uns, kurz über lang, sehr genau und sehr klar und sehr nüchtern fragen müssen: Was wollen, was können, was müssen wir uns noch leisten? Es sieht so aus, als hätten wir in den fetten Jahren mehr Geld ausgegeben, mehr gebaut, mehr auf den Weg gebracht als wir uns aus heutiger Sicht leisten können. Unsere Synode hat - in weiser Voraussicht und fasst schon zu spät! -  beschlossen, dass wir bis zum Jahre 2026, wenn wir ca. 1/3 weniger Mitglieder sind, auch rund 1/3 Pfarrstellen, Gemeindehäuser und Pfarrhäuser streichen müssen.

Ist das erschreckend? Macht uns das Angst? Müssen wir uns fürchten?

Müssen wir nicht. Wir müssen, wie jeder gute Haushalter, wie jeder gute Firmenboss und wie jede kluge Hausfrau rechnen, denken und rechtzeitig uns darauf einstellen. Und wir brauchen uns nicht zu fürchten.

Denn was die Kirche zur Kirche macht, ist eben nicht alles das. Nicht die steinernen Häuser, in denen wir uns versammeln, nicht die Gemeindehäuser, noch nicht einmal die Pfarrer und Pfarrerinnen machen die Kirche.

Sondern Jesus Christus. Um ihn geht es.

Ich sage das so deutlich, weil ich euch heute an etwas erinnern möchte, was für unsere Kirche von ganz großer Bedeutung war und ist, was aber die wenigsten wirklich kennen.

Darum habe ich auch nicht mit einem Bibeltext angefangen. Ich möchte Euch heute ein Wort vorstellen, das für mich zum wWchtigsten gehört, was die Kirche seit der Reformation gesagt hat. Und weil es so wichtig ist, findet ihr es sogar im Gesangbuch unter der Nummer 810.

(aufschlagen).

„Die Theologische Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen vom 29. bis 31 Mai 1934“. Der Text wurde also gestern vor 80 Jahren verabschiedet. Und er hatte eine große Wirkung.

Worum geht es?

1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland. Sie hatten den Anspruch, die "Deutsche Idee", die Idee von der absoluten Vorherrschaft des "deutschen Menschen" in allen Gebieten der Gesellschaft durchzusetzen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste und mit brutalster Gewalt. Ihr wisst, dass dazu auch die Idee gehörte, die Juden, als angebliche Quelle aller Übel in der Geschichte, auszurotten und zu beseitigen, alles Fremde zu unterdrücken und alles angeblich lebensunwerte Leben, also nach der Lehre der Nazi alle geistig und körperlich behinderten Menschen, zu beseitigen und zu vernichten. Dazu gehörte auch die Idee, ganz Europa mit Krieg zu überziehen, um unter dem Dach eines "großdeutschen Reiches" die Vorherrschaft Deutschlands in der Welt durchzusetzen. Dazu wurden von Anfang an Vorkehrungen getroffen. KZs wurden eingerichtet, Lager also, in denen missliebige Menschen, Homosexuelle, Sinti, Roma, Sozialdemokraten, Kommunisten und vor allem Juden und übrigens auch nicht eben wenige Pfarrer eingesperrt, gefoltert und später dann massenhaft getötet worden sind: 6 Millionen jüdische Menschen, hunderttausende andere, ganz zu schweigen von den Millionen Opfer der Kriege kostete das am Ende. Und die innere moralische Zerstörung eines ganzen Volkes, an der wir bis heute zu leiden haben. Auch Pfarrer waren dabei, denn die Kirche musste auch, wie es damals hieß, "gleichgeschaltet" werden. Adolf Hitler versuchte mit aller Macht, die Bewegung der sogenannten „Deutschen Christen“ in der Kirche an die Macht zu bringen, dafür wurden, wie üblich, Wahlen gefälscht, Menschen bedroht, verschleppt und in ihrer Existenz vernichtet. Unter einem Reichsbischof von Hitlers Gnaden sollte aus der Kirche Christi die Deutsche Kirche werden. Dazu wurde auch die Theologie umgebaut. Alles Jüdische wurde aus der Bibel entfernt, aberwitzige Theorien darüber aufgestellt, dass Jesus Christus der uneheliche Sohn eines germanischen Söldners gewesen sei und was dergleichen Haarsträubendes mehr war. Das Schlimme daran ist: viele Menschen glaubten das damals, machten bereitwillig mit, kaum einer merkte, dass Hitler eigentlich darauf aus war, die Kirche zu vernichten und zu zerstören. Viele Menschen wussten eben gar nicht mehr so genau, wozu die Kirche eigentlich da war und wem sie wirklich verpflichtet war. Da hat die Kirche auch ein ganzes Stück versagt. Der Gipfel wurde erreicht, als 1934 die „Nürnberger Rassengesetze“ und der sogenannte „Arierparagraph“ erlassen wurde. Fortan durften Menschen jüdischer Herkunft keine öffentlichen Ämter mehr übernehmen, viel wurden unter fadenscheinigsten Argumenten enteignet und verjagt – Pfarrer jüdischer Herkunft sollten Ihr Amt verlieren. Und es regte sich wenig Wiederstand. Viele Menschen glaubten den Nazis, erhofften von Ihnen eine neues, besseres Leben. Ich will darüber heute und hier nicht richten. Ich erzähle es einfach. Wir tragen schwer an diesem Erbe, das wisst ihr alle.

Und doch gab es auch in der Kirche nicht wenige, die sehr schnell erkannten, womit sie es zu tun hatten. Das war nicht einfach ein vorübergehender politischer Spuk. Hier war eine antichristliche Bedrohung für die Kirche und für die Menschen herangewachsen, die auf Vernichtung aus war. Und so trafen sich im Mai 1934 in Barmen, heute Wuppertal, aus ganz Deutschland – durchaus unter Lebensgefahr -  Abgesandte aus vielen Gemeinen und kirchlichen Werken, um zu beraten, was zu tun sei. Sie luden dazu auch einen berühmten Theologen aus der Schweiz ein, der schon Ende der 20er Jahre vor den Nazis gewarnt hat und seine mahnende Stimme erhoben hatte: Karl Barth, der vielleicht wichtigste Deutsche Theologe des letzten Jahrhunderts, dem ich mich übrigens auch besonders verpflichtet fühle. Und diese Synode, diese Zusammenkunft einigte sich auf eine Reihe von Thesen, die im wesentlichen von Karl Barth stammen, in denen sie deutlich machten, was Kirche in Wahrheit ist und wovon wir als Kirche niemals auch nur einen Zentimeter abweichen dürfen, wenn wir nicht untergehen wollen und den Auftrag Gottes vergessen wollen. Es war für alle Beteiligten ein ziemliches Wunder, dass es gelang, Christen aus so vielen verschiedenen evangelischen Kirchen, die sich untereinander alles andere als grün waren, auf einen Text, auf ein Bekenntnis zu vereinen. Das hat es seit der Reformation nicht mehr gegeben! Diese Worte, die wir heute die „Barmer theologische Erklärung“ nennen, hat dann dazu geführt, dass die sogenannte Bekennende Kirche gegründet wurde, die gegen Adolf Hitler und die Nazis standhaft blieb, wenn auch in sehr verschiedener Weise und die dazu führte, dass die Kirche sich nicht so einfach gleichschalten lies, wie die Nazis sich das erhofften. Deshalb ließen sie übrigens nach 1936 von der Kirche die Finger, nicht ohne einzelne Christen immer wieder zu drangsalieren und zu verfolgen. Darunter übrigens auch der Großvater meiner Frau, Pfarrer Karl Hilmes aus Ulfen bei Eschwege, der gegen die Tötung von behinderten Kindern öffentlich von der Kanzel gepredigt hatte und deswegen im KZ Dachau gefangen gehalten und mit medizinischen Experimenten gequält wurde. Dietrich Bonhoeffer, der andere große deutsche Theologe, ging sogar in den offenen Widerstand und gehörte im weitesten Sinne zu den Männern, die am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Hitler verübten, das bekanntlich schiefging und dazu führe, dass Bonhoeffer 1944 hingerichtet wurde. Sein Lied, das er im Gefängnis schrieb, kennt ihr alle: Von guten Mächten wunderbar geborgen.  

Soviel Vorgeschichte – die war nötig, denn ich denke, jetzt wird sofort klar werden, wovon die Barmer Erklärung spricht. Sie gibt eine ganz klare, ganz einfache Erklärung darüber ab, worum es in der Kirche geht: Nämlich um Jesus Christus.

Hört die erste These: (EG KW 810)

„1. Jesus Christus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. (Joh 14,6)

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und Räuber. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden. (Joh 10,1.9)

Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

 

Die Bibelverse kennt ihr, sie sind als Taufsprüche, Konfirmationssprüche , und Trausprüche sehr beliebt -  und mit Recht. Und dann sagt die Erklärung, was sie bedeuten:

Das eine Wort Gottes ist Jesus Christus. Die Wahrheit erscheint in Gestalt eines Menschen. Er macht uns zu Christen und er macht die Kirche zur Kirche. Auf ihn sollen wir vertrauen, aus ihm kommt aller Trost. Denn er hat uns Gott nahe gebracht: in ihm begegnen wir  Gott und dem, was Gott von uns will. Und was will er? Er will, dass wir selig werden. Er will, dass wir getröstet und gestärkt werden, er will, dass wir seinen Willen kennen, respektieren und nach ihm leben, weil das gut ist für uns. Er will, dass wir uns versöhnen und so miteinander leben. Und deshalb sagt die Erklärung auch sehr deutlich, was nicht geht. Was falsch und unwahr ist: nämlich wenn jemand, und sei es eine Kirche, behauptet, es gäbe neben Jesus Christus noch andere Quellen, aus denen wir Gott und die Wahrheit erkennen könnten. Das richtet sich direkt gegen die Nazis, aber auch gegen alle schiefen Theologien, die behauptete, dass zum Beispiel die Natur eine Quelle der Gotteserkenntnis sei. Oder der Wille des Volkes oder des Führers oder der Obrigkeit überhaupt. Oder irgendwelche geheimnisvollen Orakel, Rituale oder sonstige seltsame Verrichtungen, die wir heute Esoterik nennen, von Kartenlesen über Horoskop bis was weiß ich alles. Das alles führt uns nicht zu Gott, sondern günstigstenfalls nur in die Irre, schlimmstenfalls in den Abgrund.

Das war und ist ein starker Satz. Doch er zeigte Wirkung. Es ging ein Ruck durch die Kirchen, und viele Gemeinden kamen gerade noch rechtzeitig vom falschen Weg ab und besannen sich weder darauf, was Kirche ist: Die Kirche Jesu Christi! Auch nach dem Krieg, als Deutschland in Trümmern lag, spielten diese Worte eine große Rolle, als sich die Kirchen wieder neu zusammenfanden und sich frugen, welche Rolle sie in den 12 Jahren gespielt hatten und wie sie es künftig besser machten könnten. Die Frage ist bis heute noch nicht abschließend beantwortet. Viele Kirchen haben die Erklärung von Barmen in ihre Bekenntnisse aufgenommen, wir haben sie, nicht nur als Erinnerung, deswegen im Gesangbuch.

Und heute, 80 Jahre nach Barmen? Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft, wie es sie so auf deutschem Boden noch nie gab. Es geht uns gut wie nie, auch wenn es zunehmend viele Verwirrte gibt, die damit leichtfertig umgehen, wie die Europawahl erschreckend zeigte. Die Situation ist mit 1934 nicht einmal annähernd zu vergleichen. Bis auf einen Punkt: Wir müssen uns wieder einmal neu und mutig auf das besinnen, was uns zur Kirche macht und wozu wir da sind. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind groß. Die Barmer Theologische Erklärung erinnert uns mit ihren wenigen, klaren und steilen Sätzen daran, wo wir anfangen müssen, wenn wir uns fragen: Wer sind wir als Kirche? In der dritten These heißt es: „Die christliche Kirche ist die Gemeinde von Brüdern – heute würden wir sagen: von Geschwistern – in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. …wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen“. Nur der Heilige Geist, durch den Jesus Christus zu uns spricht, hat uns zu sagen, wer wir sind. Alle Ansprüche daran, was wir als Kirche zu tun und zu lassen, zu sagen und nicht zu sagen haben sollten sich allein daran messen. Und nicht an der öffentlichen Meinung, politischen Überzeugungen, Philosophien und allerlei wissenschaftlichen Konzepten. Das älteste evangelische Bekenntnis, das von Augsburg 1530, sagt: Kirche ist überall dort, wo das Wort Gottes lauter und rein verkündigt und die Sakramente gemäß der Heiligen Schrift gereicht werden. Es braucht also nur drei Dinge für eine Kirche: Jesus Christus, die Heilige Schrift, in der er uns begegnet und die Gemeinde, die das Wort Gottes hört. Damit müssen wir immer wieder beginnen. Dann werden wir als Kirche, diese Verheißung und Zusage Gottes haben wir, nicht untergehen. Wenn wir das Evangelium verkünden, die gute Nachricht, und wenn wir zeigen, sagen und leben, was das für unser Leben bedeutet, werden wir auch gehört und ernst genommen, das erfahre ich in jedem Gottesdienst aufs Neue. Alles andere können auch alle anderen. Darum können und sollen wir die Veränderungen, auf die wir zugehen, auch wenn sie wehtun, schmerzhaft und oft schwer zu verstehen sind, als Herausforderung annehmen, die Kirche wieder einmal und immer wieder aufs Neue von innen heraus neu zu bauen. Wie das im Einzelnen aussehen wird? Wir werden es herausfinden, wenn wir uns nicht fürchten und  nicht ängstlich am Alten festhalten. Und wer weiß: vielleicht wird vieles, das wir heute für unverzichtbar halten, schon in wenigen Jahren zu dem gehören, von dem wir sagen: Gut, dass wir es los sind, es war doch nur ein Klotz am Bein.
Als 1918 das sogenannte Landesherrliche Kirchenregiment, also die Herrschaft der Fürsten über die Kirche, zu Ende ging, predigten viele Pfarrer, als wäre der Weltuntergang vor der Tür. Sie sahen nicht, dass es auch eine Befreiung war. Heute können wir es uns gar nicht mehr vorstellen, dass die Kirche von Fürsten regiert wird, damals war es eine Horrorovorstellung. Die Kirche hat es nicht nur überlebt: es hat ihr gutgetan. Das nur als ein Beispiel dafür, wíe verhaftet man manchmal, ohne es zu merken, dem Alten ist und daher unnötige Angst vor dem Neuen hat.
 Vielleicht wird vieles, von dem wir heute Rettung und Bewahrung erwarten, sich als unnötig und falsch herausstellen. Aber das wird nur gelingen, wenn wir uns wieder und wieder darauf besinnen: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Streben zu vertrauen und zu gehorchen haben“. Unter diesem Satz hat die Kirche die Nazis überlebt und ist vor dem Untergang und der Vernichtung bewahrt worden. Wir haben guten Grund zu der Hoffnung, dass dieser Satz auch uns ein guter Leitfaden ist für das, was auf uns zukommt: Kirche wieder neu zu denken, zu leben und zu bauen.

Nächste Woche ist Pfingsten: Da erinnern wir uns daran, dass es der Heilige Geist ist, der die Kirche baut, weil er Menschen beruft. Niemand sonst. Geben wir ihm eine Chance, in dem wir auf ihn hören.

Lasst uns darauf vertrauen und das Wort Gottes in Großenritte niemals verstummen: dann werden wir als Kirche nicht nur bleiben, sondern für viele Menschen eine unverzichtbare Dienerin für das Leben werden: Ein Ort des Trostes, der Heilung, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Amen.

Sonntag, 11. Mai 2014

Bäume voller Saft und Kraft. Predigt zur Konfirmation Großenritte, Kol 2, 6-10, 11.5.2014

Kleine Vorbemerkung: Es war eine reine Jungengruppe. Also wirklich: Nur Konfirmanden. War übrigens ein beeindruckendes Bild!

 
Kolosser 2, 6
Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm
7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.
8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.
9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig
10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.


Liebe Konfirmanden, liebe Gemeine, Schwestern und Brüder im Herrn!

Ich liebe Bäume. Schon immer, aber je älter ich werde, umso mehr. Sie stehen so fest in der Erde, sie haben so etwas Majestätisches. Sie sind auch so lebendig. Und man sieht Ihnen die Spuren des Alters an, sie werden immer schöner, je älter sie werden, obwohl – oder gerade weil? – sie Falten kriegen wir wir, Narben und Verletzungen.

 Manchmal wäre ich gerne wie ein Baum. Der Wechsel der Jahreszeiten macht ihnen nichts aus, und doch ist er für sie wichtig. Sie ragen in den Himmel, und doch stecken sie tief in der Erde, aus der sie ihre Kraft ziehen. Bäume haben etwas Festes und Gefestigtes, gleichzeitig aber sind sie biegsam und schmiegsam: Der Wind muss schon äußerst brutal sein, um sie zu brechen. Und selbst dann haben viele noch die Kraft, aus dem Stumpf neue Äste und Blätter wachsen zu lassen. Als ich Kind war, vielleicht so 8 oder 9 Jahre, wurden in unserem Garten 5 mächtige Säulenpappeln gefällt, was mir sehr weh tat. Aber aus dem Stumpf kamen bald wieder neue Äste, die für viel Verdruss sorgten. Aber nicht bei mir: ich freute mich und spürte eher eine klammheimliche Freue. Was für ein Wille zum Leben.

Darum ist das Bild von den Wurzeln so kraftvoll und schön. Und darum liebe ich auch diese Worte, die ihr eben in der Lesung von Herrn Palmié gehört habt und die ich eben noch einmal vorgelesen habe.

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm 7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.
 

Der Glaube gibt uns Wurzeln und festen Grund. Wie ein Baum sind wir in ihm verankert, damit die Stürme des Lebens uns nicht brechen und stürzen können.

 

Das haben wir im Grunde versucht, das eine Jahr lang: Euch Eure Wurzeln spüren zu lassen. Das Bild vom Baum ist nämlich ganz gut geeignet, das zu erfassen, was wir als Eltern, Lehrer, Pfarrer, Freunde tun. Aus dem kleine Schössling, der da aus der Erde guckt, einen starken und kräftigen Baum werden zu lassen und ihn seine Wurzeln spüren zu lassen. Erziehung ist ein wenig wie Gärtnern. Der Baum braucht am Anfang ein wenig Unterstützung und Halt, aber nicht zu viel, und wenn er gute Frucht bringen soll (und nicht selber zum Früchtchen wird), muss wohl auch einmal der eine oder andere falsche Ast abgeschnitten werden. Aber irgendwann steht er aus eigener Kraft und Schönheit.

Aber freilich: Erziehung wird auch überschätzt. Wir können nichts anderes tun, als die Kinder ein wenig lenken und behüten, mit ihnen das Wichtigste einzuüben, was sie können und wissen möchten und ihnen vorsichtig zur Seite stehen. Aber was wir können: wir können Ihnen Lebensmut und Lebenskraft geben, und diese Kraft heißt Liebe. Und diese Liebe ist nicht nur ein Gefühl, das wäre doch zu wenig und wenig verlässlich. Es gibt doch immer wieder Eltern, die einen weiten Weg brauchen, um ihre Kinder auch emotional zu lieben, und auchimmer Kinder, die auch Zeit brauchen, ihre Eltern emotional zu lieben – aber die Liebe, von der wir hier reden  heißt: Wertschätzung, Solidarität, Achtung und Hingabe. Und darum ist der Baum des Glaubens, der die Frucht der Liebe trägt, auch in Jesus Christus gegründet. Denn er hat uns den Glauben gebracht: die Wertschätzung, Solidarität, Achtung und Hingabe Gottes an uns Menschen. An ihm lernen wir, was Liebe ist, nicht aus kitschigen Romanen, Vorabend-Daily-Soaps  und auch nicht aus, na sagen wir vorsichtig, erotischen Filmen, die ja heute so allgegenwärtig sind. Christlicher Glaube heißt: Glauben an Christus, Glauben an die menschgewordene Liebe. Darum ist er auch keine graue Theorie, und auch nicht so etwas wie die fromme Straßenverkehrsordnung, die man ohne sie verstanden zu haben, eingetrichtert bekommt, damit man künftig spurt. Nein: Wir erzählen die Geschichte eines Menschen, der ganz Liebe war, bis zum Kreuz. Es gibt ein wundervolles mittelalterliches Bild, wo aus dem Kreuz Aste und Blätter wachsen: Der Baum des Lebens! Ihm zu begegnen: das ist der Sinn all dessen, was wir als Kirche tun. Dafür gibt es uns. Und es gibt uns. Heute morgen finden ca. 20.000 Gottesdienste statt, in denen gut eine Million Menschen sitzen, Krankenhausgottesdienste und ähnliches nicht gerechnet. Es gibt uns, und das hat gute Gründe und wir sollten etwas dafür tun, dass das auch so bleibt. Denn wir sind, um das Bild nun aber auch bis aufs Letzte auszureizen, die Baumschule Gottes, wie alle miteinander als Gemeinde und Kirche Jesu Christi, in ihm verwurzelt.

Darum, liebe Eltern, und vor allem, liebe Großeltern, die es noch anders kennen, ist der Konfirmandenunterricht kein stures Auswendiglernen von leeren Formeln mehr. Darum ist er auch kein Zurechtbringungs-Drill mehr. Die Erwartung, wir Pfarrer würden den letzten Schliff an die jungen Menschen legen, müssen wir enttäuschen, um Christ Willen. Hier wird nicht geschliffen. Hier wird sanft gegärtnert und nachhaltig geförstert. Es geht darum, sich des eigenen Glaubens bewusst zu werden, so von Baum zu Baum. Wir verwenden weder das Beil noch die Kettensäge, wir düngen und bringen, wenn es sein muss, Stützen an. Aber das Ziel ist, dass aus den jungen Bäumchen kräftige Baume werden, die gute Früchte tragen. Und zwar ihre Früchte. Wer von einem Birnbaum Äpfel erwartet, wird enttäuscht werden. Ich habe aber den Eindruck, dass das der Trend ist in unserer Gesellschaft: möglichst Einheitsbäume. Das erinnert mich an diese entsetzlichen Fichtenschonungen, die man nach dem Krieg angelegt hat: die hässlichsten Wälder, die wir je hatten. Wollen wir so leben? Wenn nicht, dann braucht es eine feste Überzeugung, was im Leben richtig ist und was falsch ist. Eine Überzeugung aber ist das Ergebnis von Überprüfung und selber denken. Glauben ist nicht borniert. Wo er es ist, ist es kein Glauben, sondern dummer Fundamentalismus. Darum sagt der Apostel nicht nur: das wir durch die Taufe und den Glauben fest in Christus verwurzelt sind. Er sagt auch.

8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

Es geht auch darum, euch innerlich fest zu machen gegen das Geschwätz und das Geschrei der Welt. Und das ist heute eine viel schwierigere Aufgabe als es früher war. Die Dieter Bohlens, Stefan Raabs und Heidi Klums dieser Welt erziehen kräftig mit. Fernseher, Internet, Zeitschriften aller Art, der absolute freie Zugang zu allem und zu jedem macht es heute den Kindern und Jugendlichen schwer, sich zurechtzufinden. Wir leben in einer Gesellschaft, die, wenn der Eindruck nicht täuscht, immer mehr auf Leistung, Geschwindigkeit, Fitness und beste Noten setzt, die immer mehr auf die Macht des Geldes, des Erfolges und des Schulabschlusses setzt, als seien sie der Schlüssel zum Glück. Aber das ist im Kern eine Lüge, und zwar eine schlimme. Die hohe Geschwindigkeit unseres modernden Lebens bringt uns alle an den Rand des Wahnsinns. Der Umgangston, so finde ich jedenfalls, wird immer rauer und gereizter, die Erwartungen immer höher, die Möglichkeiten, sie zu erfüllen aber immer weniger. Wann hattet ihr das letzte  Mal Zeit, richtig Zeit, gefüllte Zeit, also Muße, für ein ausführliche Gespräch oder für – einfach mal miteinander rumsitzen und die Gemeinschaft von Menschen zu genießen? Wann hattet ihr das letzte Mal zeit, wie ein Baum, einfach dazustehen, den Wind zu genießen, die Sonne scheinen zu lassen und die Wurzeln zu spüren? Wer den Herrn der Ringe kennt: Mich beeindrucken die Ents, die Baummenschen, die so ruhig sind und Zeit haben, aber sowohl in Ihrem Zorn, als auch in Ihrer Zuwendung, wenn sie sie denn mal loslassen, überwältigend sind, weil tief in sich gegründet.

Lasst Euch nicht verführen von trügerischer Philosophie und trügerischem Geschwätz. Das ist für mich ein Schlüsselsatz geworden, wenn man mich fragt, warum wir junge Menschen immer noch konfirmieren und nicht locker lassen, ihnen den Glauben zu vermitteln. Weil wir sie innerlich stark machen müssen für ein Welt, die es darauf anlegt, dass wir so schnell wie möglich müde und kaputt werden, wie gebrochenes Holz herumliegen und nicht die Kraft haben, unser Leben als unser Leben zu leben. Wir werden gelebt, das ist das Gefühl, das viele heute haben. Ich habe heute manchmal das Gefühl, dass wir unseren Kindern die Kindheit rauben, indem wir sie schon ab dem Kindergarten in die Optimierungsfalle jagen und ihnen einreden, sie müssten ständig was bringen, um was zu werden. Im Grunde unsere Herzens aber wissen wir, dass auch das eine Lebenslüge ist. Man wird nur dann etwas, wenn man weiß, wer man ist. Der Glaube spricht es uns in der Taufe zu: Ein Kind Gottes. Das kann uns keiner nehmen. Und darum die Konfirmation: dazu sagt ihr Ja, und wir alle auch. Ja, wir sind Kinder Gottes, wir leben unter seiner Macht, mögen all die anderen Mächte auch noch so brummen, schreien und krakeelen. Früher wurde der Glaube oft so verstanden, als verlange er Anpassung, Mitmachertum und Kuscherei. Aber das ist falsch verstandene Demut, hier hat die Kirche Jahrhundertelang geirrt. Es ist doch so: Wer sich unter Gott stellt, stellt sich nicht unter Menschen. Wer sich unter Gott stellt, ist kein Unkraut, das man jätet, sondern wird ein Baum, gepflanzt an einem Bach, wie es im ersten Psalm heißt, den wir im Konfirmandenunterricht immer wieder einmal gebetet haben.

Meine Lieben, der Glaube bietet Euch einen Ruhepol im Leben, er will Euch verwurzeln in Jesus Christus, der der wahre Herr der Schöpfung ist. Das sind mächtige Worte, ich weiß, aber sie haben doch eine große Faszination. In einer Welt, in der man gar nicht mehr so recht weiß, wer eigentlich die Macht hat, ist es gut zu wissen, wer sie wirklich hat. Darum fängt der Apostel am Ende seiner Worte an zu singen:

9 Denn in ihm wohnt/
die ganze Fülle der Gottheit/
leibhaftig
10 und an dieser Fülle habt ihr teil/

in ihm/,
der das Haupt ist/
aller Mächte und Gewalten.

Meine Lieben, wenn wir euch heute segnen, dann gießen wir diese Fülle über euch aus und verbinden Euch mit euren Wurzeln. Dann möchten wird, dass ihr wachst und gedeiht, jeder, wie er ist.

Eine starke Eiche,
eine majestätische Buche,
ein Apfelbaum voller köstlicher Früchte,
eine zarte Birke,
eine wundersame Magnolie,  
eine vornehme Robinie,
eine ruhige, stille Tanne,
ein duftender Flieder,
eine knorrige Lärche,
eine quecksilbrige Espe.
Das ist ein schöner Lebenswald!

Hauptsache, ihr habt starke Wurzeln.
Das meint konfirmieren: Die Wurzeln stärken, das Ungeziefer abhalten.

Und ihr Eltern, Großeltern, Paten: Wir nehmen die Stützen weg, immer mehr. Heute ist auch der Tag, wo es zu begreifen gilt, dass sie auf eigenen Wurzeln zu stehen beginnen. So mag dieser Tag heute auch Euch helfen, Eure Eigenen Wurzeln zu finden, Euren eigenen Glauben und Euch zu fragen, wer ist eigentlich der Herr über mein Leben und welchen Unfug lasse ich mir Tag für Tag einreden und von wem?. Vom Chef? Von meiner Angst? Von meinem Bankkonto? Von meinem Feind, der mich piesackt? Wem räumt ihr Macht ein? Auch über Euch steht die Macht des liebenden Gottes. Wir vergessen es nur immer wieder, weil wir uns im Getriebe des Alltags zu Kleinholz zerhacken lassen. Darum:

Wir müssen immer wieder aufs Neue konfirmiert werden, aufs Neue befestigt und gestärkt werden durch den Segen, der uns den Geist Gottes einhaucht. Die Konfirmation ist kein Ende. Sie ist ein Anfang.
Sie vergewissert uns der Gnade des Dreieinigen Gottes, Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten:

Denn Christus ist der Boden,
         in dem unsere Wurzeln stehen.
Der Heilige Geist
         ist die Kraft, die uns wachsen lässt.
Gott ist der Himmel,
         dem wir entgegenwachsen,

wie ein Baum, gepflanzt an den Bächen.

Gott segne Euch!

Amen.

 

Donnerstag, 8. Mai 2014

Staatstragender Predigtquark - oder: Kanzelirrsinn zur Konfirmation

Es ist ja doch vielleicht instruktiv, oder zumindest ein Spaß, mal so richtigen Quark zu lesen. Und was war ich stolz, als ich fertig war. Aber so ist das, wenn man meint, ein paar Einfälle könnten harte Arbeit ersetzen und ich könne am Mittwoch schon alles fertig haben, um meine Nerven zu schonen. Also ob ich Pfarrer geworden wäre, um meine Nerven zu schöne. Große Sünden straft der Herr langsam und qualvoll. Ein Menetekel! Ich haue das jetzt unkorrigiert raus, weil ich es versprochen habe. In Wahrheit ist natürlich schon so, dass solche Kasualpredigten eine ganz eigene Herausforderung darstellen: meint man doch, heute, hier und jetzt müss einfach alles gesagt werden, und zwar möglichst unterhaltsam, natürlich menschennah (also irgendwie einfach), aber auch dem Auftrag entsprechend (also irgendwie anpsruchsvoll), natürlich exegetisch korrekt (Gott hört mit!), dabei launig (aber nicht witzig) und doch seriös (also staatstragend).

Die Sünde aber, schreibt Paulus, kommt aus dem Gesetz.
Ein guter Twitter-Freund schrieb: fang doch mit ´nem Haiku an. Habe ich gemacht. War guter Anfang für was Neues:

Da habe ich nun
/den Glauben eingetrichtert
/in das leere Herz.

| Das Hirn aber kocht
/sein Emotionensüppchen
/oder andersrum?

 Viel Vergnügen. Liebe junge Kollegen und Kolleginnen: Lernt was draus. Wer findet die Fehler (nicht die Tippfehler, die habe ich drin gelassen, weil ich damit jetzt nicht auch noch Zeit verschwenden wollte. Aber: je unklarer die Gedanken, umso höher die Vertipper-Frequenz).
Liebe ältere Kollegen und Kolleginnen: Ihr kennt das.
Liebe Sonstige: Ein Blick die Werkstatt. Genauer: in die Mülltonne. Da könnt ihr mal sehen, was Euch erspart bleibt (manchmal).

Der Text ist doch für eine Konfirmation wie geschaffen. Er klingt nach dem Konfirmationssegen.


Kol 2, 6-10
6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm

7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.

8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftiga

10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

 

Liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!

 

Seit 2007 gibt es funktionsfähige Smartphones. Man wird nicht übertreiben, wenn man sagt: Sie werden unser Leben verändern. Das sind jetzt 7 Jahre. Die meisten von Euch werden sie also schon als Kinder kennengelernt haben.

 

Am 6. August 1991 ging das World Wide Web los, seit 1981 gibt es das Internet, seit 1961 die dafür notwendige Technik. Das sind also 10 bis 50 Jahre.

1921 wurde die Fußballabteilung des GSV Baunatal gegründet.

Das sind 93 Jahre

1886 wurde das Patent auf ein selbstfahrendes Fahrzeug mit Otto-Motor ausgestellt, das Auto war erfunden. Das sind 128 Jahre.

1717 wurde in Preußen die allgemeine 6jährige Schulpflicht durchgesetzt. Das sind 297 Jahre.

Das alles sind Entwicklungen, die unser und Euer Leben bestimmen, bis heute und wohl auch noch in weiterer Zukunft. Wir stehen in einer langen Kette von Entwicklungen, und wir sind immer auch die Nachfahren, die Nachkommen, die von dem leben, was die Vorfahren gesagt, getan und eingerichtet haben. Viele dieser Institutionen und Einrichtungen sind alt: die Schulpflicht schon fast 300 Jahre.

Das ist aber alles nichts gegen das, was wir hier heute tun. 1539 wurde die Konfirmation erfunden und zum ersten Mal in Hessen gefeiert. Seitdem werden Jahr für Jahr alle getauften Jungen und Mädchen in einem Gottesdienst konfirmiert: Die Eltern und die Kirchengemeinde lösen das Versprechen ein, das sie bei der Taufe gegeben haben und die jungen Menschen sagen JA zu ihrer Taufe, nachdem sie im christlichen Glauben unterrichtet worden sind. Das sind 475 Jahre. In so einer langen Kette der Tradition steht ihr mit dem, was wir heute tun. Es gibt in usnerem Leben fast nichts mehr, was so tief in die Vergangenheit zurückreicht. Ich habe „fast“ gesagt: darauf komme ich noch zurück. Es gibt etwas, das ist noch älter und noch ehrwürdiger, und das haben wir gestern Abend gefeiert:

Seit 2000 Jahren feiern wird das Abendmahl. Seit 2000 Jahren sind es immer noch dieselben Worte, die Jesus zu seinen Jüngern sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leibe, nehmet hin und trinket, das ist mein Blut!

2000 Jahre christlicher Glaube, 2000 Jahre Kirche mit alle ihrem Glanz und ihrem Schrecken, all ihrem Gelingen und ihrem Versagen. 2000 Jahre geben wir die heilige Flamme des Glaubens weiter,  des Glaubens an Jesus Christus. Das ist eine Tradition, die unser Leben bestimmt, mehr als all die anderen Sachen, die ich am Anfang genannt habe. Unter allem Fortschritt, aller Entwicklung der Menschheit ist das der stabile Faktor, das schlechthin verlässliche.

Warum aber? Wozu der Glaube, wozu die Konfirmation? ist das nicht, gerade weil es so alt, ist völlig überholt? Ist das nicht, gerade weil es so alt ist, nur etwas für Alte Leute, die von Vorgestern sind?

Viele sehen das so. Aber das ist ein Irrtum. Und dieser Irrtum ist darin begründet, dass so viele Stimmen heute mitreden bei der Erziehung, in der Politik, in der öffentlichen Meinung. Wir leben in einer Gesellschaft, die zutiefst verunsichert ist, weil alle Meinungen, alle Überzeugungen und jeder Standpunkt zu Wort kommen darf und es auch tut. Und das ist gut so. Das ist nämlich die errungene Freiheit in unserem Land, die wir unter gar keinen Umständen, niemals!, aufgeben dürfen. Hier muss und soll Raum für jeden sein! Und diese Freiheit hat ihre Wurzeln im christlichen Glauben. Denn darin sind wir ja evangelisch, darin sind wir ja Protestanten, dass wir uns nicht bevormunden lassen von einer Kirche, die meint, die Wahrheit mit Löffeln gefressen zu haben oder von einer politischen Macht, die meint, uns vorschreiben zu können, wie wir zu leben und zu denken haben. Es ist gerade ein Erbe des christlichen Glaubens, dass wir in aller Freiheit vor Gott stehen, der uns eben nicht nach dem beurteilt und bewertet, was wir tun und sagen, was wir bringen und wie wir drauf sind. Die Kernbotschaft lautet: Alle sind geladen, und alle sind die Freiheit gerufen, weil Gott uns in Jesus Christus als Mensch unter Menschen begegnet. Es ist so einfach!

Und darum möchten wir, dass auch ihr jungen Menschen von dieser Botschaft hört und sie versteht und Ja zu ihr sagt. Weil es die Botschaft von der Freiheit ist.

Aber Freiheit bedeutet eben nicht: tun und lassen, was man will. Freiheit bedeutet nicht, dass jeder so vor sich hin lebt, als gäbe es die anderen nicht. Wer das denkt, ist schwer auf dem Holzweg. Aber leider macht sich dieses Denken ganz schön breit in unserer Gesellschaft. Weil sie ihre christlchen Wurzeln immer mehr vergisstt. Weil sie vergessen hat, dass die Freiheit, von der wir Christen reden, immer meint: Die Freiheit in der Gemeinschaft. Es ist nicht nur die Freiheit von etwas. Es ist auch die Freiheit zu etwas. Die 10 Gebote und das Liebesgebot Jesus, die ihr gelernt habt, machen das ganz deutlich: wirkliche Freiheit kann es nur geben, wo es Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit gibt, und gelebte Solidarität und Gemeinschaft. Nur wenn ich darauf vertrauen kann, dass mir mein Nachbar nicht den Schädel einschlägt, die Frau ausspannt oder mich belügt oder übers Ohr haut, nur wor wir gemeinsame Zeiten des Feierns und des Ruhens haben und Gerechtigkeit herrscht, kann ich in Freiheit leben. Nur wo ich mich drauf verlassen kann, dass die Regeln des Zusammenlebens gelten und auch akzeptiert werden, kann ich in Freiheit leben. Nur wo ich in aller Freiheit „Ja“ sage zu den Regeln, die unser Zusammenleben in Frieden und Sicherheit  ermöglichen, kann ich in Freiheit leben.. Darum geht es. Das ist der tiefste Sinn des christlichen Glaubens. Darin möchten wir Euch und uns immer wieder aufs neue fest machen, was ja die wörtliche Bedeutung von Konfirmation ist. Wir möchten den Glauben in euer Herz senken, das Vertrauen auf den gnädigen und freundlichen Gott, damit ihr innerliche gefestigt werdet gegen das Geschwätz und die Zumutungen einer Welt, die Euch einreden will, alles sei möglich und jeder könne so leben, wie er will, und es sei egal, ob man an Gott glaubt oder nicht: hauptsache die kasse stimmt und man hat Spaß. Diese Auffassung vom Leben wird Euch mit Garantie in extreme Schwierigkeiten bringen. Denn wer nicht solidarisch ist, wer nicht gelernt hat, Rücksicht, Toleranz und Gemeinsinn zu üben, der wird eines Tages auch allein sein. Wir sind aufeinander angewisen, und wer meint, die anderen nicht zu brauchen, wird am Ende allein, einsam und verlassen sein. Der Glaube will uns Mut machen, die Freiheit des Glaubens immer wieder neu zu ergreifen, damit wir reife, kluge und gemeinschaftsfähige Menschen werden. So fasst der Biref an die Kolloser die Botschaft zusammen, und es ist der Text, der seit alters, seit 475 Jahren, bei der Konfirmation gelesen und bedacht wurde.

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm

7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.

8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftiga

10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

Durch Eure Taufe seit ihr der macht Gottes utnerstellt, und das ist die Macht der Liebe. Alle anderen Mächte haben gegen sie keine Chance. Also lebt auch aus dieser Macht, die al einezige Macht der Welt eben nicht auf Gewalt, sondern auf Wertschätzung und Vergebung baut. Leerer Trug und Philosophhie nennt der Apostel all jene Auffassungen von der Welt, die meinen, wie seien die herren der Schöpfung und wir hätten die Macht und wir hätten den Durchblick und wir seien die schänsten, die klügsten und gescheitesten. Wer das meint, wird sehr bald eines besseren belerht werden, und wer Euch das einredet, der belügt Euch. Da bin ich, wie der Apostel, ganz kompromsisslos: Wir sin dnicht de Herren, Jesus Christus ist der Herr! und weil er herrscht, soleln und müssen wir unser leben an der Liebe ausrichten. Und die Liebe ist nicht nur so einbe Bauchgefühl. Das wäre Verleibtheit, die ist auch schän. Aber sie vergeht, weil sie eben nur ein Gefühl ist. Das Kino lebt von der Lüge, als könne diese Form der Lüge eweig halten und die Werbung lebt von der Lüge, als müssten wir nur die richtigen Sachen essen, die richtigen Klamotten tragen, das richtige Auto fahren,die richtige Versicherung abshchließen, dann könne uns nichts passieren. Das ist in der Tat leer Trug und Philisosophie im schlechtesten Sinne. Seit 2000 Jahren hören wir, dass ein gutes Leben nur ein leben ist, das aus Dankbarkeit, Ehrfurcht und Sanftmut heruas geführt wird, seit 2000 Jahren hören wir, dass in Wahrheit nur einer Macht hat übe runser Leben, und das ist Gott.

Und seit 475 Jahren versuchen wir als Gemeinde, als das von Gott berufene Volk unter den Völkern, dass den jungen Menschen ins Herz zu senken und ihnen den Glauben nicht zur als trockene und spröde Lehre einzutrichtern, sondern als ene besondere Form des Lebens nahezubringen. Und jetzt seid irh dran, als Eltern, Großeltern, Paten, als Nachbarn, Mitmenschen und als Gemeinde Gottes: es ist unser aller Aufgabe, das zu tun, wir alle arbeiten, seit 2000 Jahren an diesem großen Projekt, die Erde mit der Hilfe Gottes zu einem Ort zu machen, an dem nan sich nich fürchten muss und wo man gut leben kann. Da arbeiten wir alle dran. Ich bin als Pfarrer auf verlorenem Psoten, wenn ich das allein tun soll. Ihr sied, wir wohl und gut wisst, ich bin aja selber Vater, auf verlorenem Porsten, wenn wir meinen,d as alleine zu schafen. Wir sind als Schule, als Geslleschaft, als ARbeitgebe und Arbeitnehmer, als Kind und als Rentner, als man und als Frau, alle herausgeforder ung eingeladen, daran mitzuarbieten, dass das Feuer des Glaubens nicht erllischtun die Fackel der Freiehit in unserer Welt weiter hell leuchtet und Menschen zu Menschen werden zu lassen.

Das ist es, was wir Euch heute mitgeben, wenn ihr ja sagt zu Eurer Taufe und den Segen Gottes empfangt: . Habt Mut zu leben aus der Kraft Gottes, damit tut ihr Euch und der Welt etwas Gutes! Nur, wenn wir zusammenhalten und den Glauben leuchten lassen, haben di eMächte des Todes und der Gewalt eben keine Macht über uns. Das, und nur das, das aber mit aller Kraft, die wir haben ist der Auftrag der Kirche als der Gemeinschaft der Menschen, die auf Gottes Worte hören. Und es ist unser Auftrag, dass so zu tun, dass wir gehört werden: Modern in der Form, aber alt im besten Sinne, denn die alte Botschaft ist immer wieder neu.

Und wenn ihr heute gar nichts davon spürt, und wenn Euch der Glaube heute völlig kalt lässt, und wenn das Smartphone in Eurer Hosentasche im Moment viel wichtiger ist als alles, was wir hier heute tun, und wenn alle anderen Stimmen die auf Euch einprasseln, den Eindruck erwecken, sie sein wichtiger und richtiger: Seid gewiss, ihr werdet den Glauben noch brauchen, weil er auch gegen Lüge und falsche Lebensauffassungen schützt: Je tiefer ihr in das Leben einsteigt, je mehr ihr spürt, wie das Leben wirklich ist, um so mehr werdet ihr verstehen und begreifen, was wir Euch heute hier geschenkt haben. Wir konfirmieren, wenn man so will, auf Vorrat Und wenn ihr, Eltern, Paten und Verwandte, Nachbarn und Freunde, heute davon nichts spürt, wenn ihr vom Leben enttäuscht und frustriert, von alledem nichts hören könnt und wollt: Dann nehmt es trotzdem mit. Gott kann warten. Aber schöner wäre es, wohltuend wäre es, und darum wünsche ich es Euch allen von Herzen, wenn auch her alle heute hier ein wenige mitkonfirmiert, mit gefestigt werdet und Euren alten Glauben wieder neu spürt und wieder aufs neue spürt, dass die alten Worte keineswegs alt sind, sondern aktuell und wichtig, als wären sie gestern geschrieben:

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm

7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.

8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftiga

10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

 

Derr Herr, unser Gott, erleuchte Euren Verstand, öffne Eure Herzen und bewege Euer Gemüt, dass ihr zu ihm findet, wie er zu euch gefunden hat: Seit 2000 Jahren durch Wort und Sakrament, seit 475 Jahren durch Handauflegen und Segen: Sein Wort steht für die Ewigkeit. Und auch wenn manch einer hier mit feuchten Augen und betrübten Herzen sitzen mag, weil ihr Abschied spürt und die Wehmut des Älterwerdens: Die Konfirmation ist kein Ende und Kein Abschied. Sie ist ein Anfang . Ihr Ruf lautet:  Willkommen im Leben unter Gottes Kraft!

Amen.