Samstag, 5. Oktober 2013

Genug ist Genug - Predigt Buß- und Bettag, M6, 24-34

Genug ist genug. Predigt für den Buß- und Bettag 2011, Christuskirche Kassel, Friedenskirche Altenbauna. Roland Kupski
Mt 6,24-34
24 Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? 27 Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Diese Worte Jesus klingen seit je manchem sicher zynisch in den Ohren - jenen nämlich, die nicht ihr Auskommen haben und die von Krankheit; Knappheit und Unheil geplagt werden. Und für manchem sind diese Worte einfach lächerlich, weltfern und weltfremd: Wie soll es gehen ohne Vorsorge, wie soll es gehen ohne weitreichende strategische Planung unseres Handelns? Und wie soll das gehen: einfach aufhören, sich zu sorgen? Das kann keine Handlungsgrundlage sein.
Zynisch und lächerlich: so klingen diese Worte. Sie rufen, wie es scheint, auf zu einer leichtfertigen und kindischen Lebensweise, die davon ausgeht, dass Pappa es schon richten wird, wenn´s eng wird.
Man kann diese Worte allerdings auch hören als einen Aufruf zu Bescheidenheit und Demut, als einen Aufruf, sich zurückzunehmen, langsamer zu leben, bewußter zu leben und eben nicht der Macht des Geldes zu verfallen.
Und das hören wir im Moment dauernd. In den Schulen, in den Zeitungen, selbst in den politischen Kommentaren im Fernsehen kann man es hören: „Wir sind dem Mammon, dem Geld und der Gier verfallen, wir müssen sparen, weniger verschwenden, bescheidener sein!“ Auf einmal reden alle wie Jesus.
Das aber kann man bald auch nicht mehr hören: es hat etwas Heuchlerisches und Verlogenes.
Hier möchte man inzwischen ganz besonders laut rufen: Genug ist genug! Wir wissen das! Wer einigermaßen bei Verstand ist, weiß das doch alles!“ Diese selbsternannten Moralprediger sind kaum noch zu ertragen. Sie machen die Krise nur noch schlimmer, weil uns dieses Moralgepredige vor die Unausweichlichkeit stellt, die das alles offensichtlich hat: was soll ich, der Einzelne, den tun? Man lässt mich ja nicht- und man lässt mich mit meinem schlechten Gewissen allein.
Worauf also laufen diese Worte Jesus von „Nicht-Sorgen“ hinaus? Für Jesus liegt unser Problem viel tiefer. Es ist nicht einfach eine Frage der Moral. Es ist eine Frage des Glaubens, um die es hier geht. Es ist die Frage nach der Ewigkeit.
Denn der Mammon hat uns viel tiefer am Wickel, als es auf den ersten Blick erscheint. Er schneidet uns von unserer Wurzel ab und verstellt uns den Blick auf das wahre Leben.
Jesus kann deswegen so gelassen von der Sorge reden, weil er vor einem andern Zeithorizont steht. Er hat die Ewigkeit im Blick. Er schaut über den Tellerrand unseres irdischen Lebens hinaus und sieht eine Weite, sieht ein Land der Güte, der Vergebung und des unermesslichen Reichtumes, in dem es keine Gier geben muss, weil keiner Angst hat, zu kurz zu kommen. Nicht nur, weil es genug gibt- sondern weil wir Frieden im Herzen haben werden und also unser Genügen.
Jesus sieht Gott, und von Gott her sieht er auf die Erde.
Es ist der Blick des Glaubens, den Jesus uns bringt.
Und da ist die Erde auf einmal nicht mehr ein Ort für verlorene und verdammte, die im Schweiße ihres Angesichtes mühsam, aber letztendlich vergeblich sich um ihr täglich Brot bemühen und sehen müssen, wie sie klarkommen.
Da ist die Erde auf einmal nicht mehr ein Ort des Todes, des Schreckens und der Vergänglichkeit. Von Gott her ist die Erde der Ort, der zu mehr und Schönerem bestimmt ist. Die Erde ist der Ort, der verwandelt werden soll in einen Raum des guten, des ewigen Lebens.
Das ist es, was Jesus sieht, weil er glaubt. Der Glaube sieht über die Erde hinaus, und sieht so die Erde im neuen Licht. Denn der Glaube ist eine festes Vertrauen in die Güte Gottes, gegen allen irdischen Augenschien. Und daher gewinnt er die Kraft, der Sorge die Gelassenheit entgegenzusetzen und der Hysterie die Besonnenheit. Denn darum geht es: um Gelassenheit und Besonnenheit. Nicht als moralische Forderung, sondern als menschliche Haltung gegenüber dem Leben.
Das wirklich teuflische und höllische am Mammon ist, dass er uns einredet, wir seien von Gott verlassen, wir seien allein und hätten im Grund keine Zukunft. Der Mammon redet uns ein, wir müssten unser Leben selber halten und gestalten, wir wären unseres Glückes Schmied, und Liebe und Erlösung, Freiheit und Glück wären nur ein Frage von Erfolg, Status, und Besitz. Der Mammon lässt uns vergessen, dass das Leben etwas ganz anderes ist: ein Geschenk, das auf Ewigkeit angelegt ist, durch die Sterblichkeit hindurch. Der Mammon verdunkelt unseren Horizont. Und das macht uns hysterisch, hektisch und besinnungslos, bis wir erschöpft zusammenbrechen: müde, resigniert und ohne Phantasie für das Leben. Der Mammon ist gottlos, denn er ist nur ein Spiegel unseres gottlosen Inneren. Das ist die bittere, viel tiefere Wahrheit der Worte Jesu- darum stoßen sie sofort auf Widerstand.
Und sie wirkten deswegen damals so zynisch und lächerlich wie heute. Sie haben damals wie heute die Menschen ihrer Gottlosigkeit, also ihres mangelnden Vertrauens, überführt: Tagellöhner und Reiche, Kluge und Törichte, Juden und Heiden. Sie haben alle das Gefühl, nicht genug zu kriegen, sie haben alle das Gefühl, zu kurz zu kommen - wir leben alle fern von der Quelle des wahren Reichtums und der wahren inneren Friedens. In Wahrheit rühren dieses Wort an einen tiefen Schmerz und einen tiefen Kummer. So wollen uns die Worte Jesu zur Umkehr führen, zur wirklichen Buße: Das ist die Hinwendung zum Liebe und zum Leben. Ja, es mag ein wenig verrückt klingen, aber  die wirkliche Buße kommt aus einer tiefen Gier, die Gier nach dem Leben aus der Fülle, und dass gibt es nur bei Gott. Wer aus Angst von Strafe umkehrt, wechselt nur von einem Stress zum nächsten, von einer Hysterie zu anderen. Jesus aber will uns, wie Luther es einmal sagt, locken.
So haben diese Worte der Bergpredigt mit vordergründiger Moralpredigt nichts zu tun - hier geht es nicht ums Handeln, hier geht es ums hören. Sind wir bereit zu hören, dass wir bedingunslos geliebt werden? Sind wir bereit zu hören, dass unser Leben in Gottes Hand liegt? Sind wir bereit zu hören, dass das einzige, was wir tun können ist - uns lieben zu lassen, selbst dann, wenn der Mammon uns zu einem tiefen Selbsthass geführt hat?
Darum zeigt uns Jesus die Vögel und die Blumen: Sie zeigen uns das Leben, das wir nicht gemacht haben und das wir nicht halten können. Der Mammon aber ist die Todesmacht, die uns einredet, wie müssten alles tun, um leben zu dürfen.
So einfach ist es Grunde. In diesem Lichte erscheint es als zutiefst zynisch und lächerlich, sich nicht für Gott zu entscheiden.
Genug ist Genug: Für den Glauben hat dieser Satz daher ein doppeltes Gesicht. Er meint nicht einfach nur: es reicht! Ab morgen machen wir alles besser! Das zu sagen ist wichtig, und das geschieht ja gerade auf der ganzen Welt, nicht nur in christlichen Ländern..
Denn „Genug ist genug!“ ist  noch kein Satz des Glaubens, das ist ein Satz der schieren Vernunft.
Zum Glaubenssatz aber wird er, wenn er auch eine Alternative anbieten kann: die Gnade Gottes!
Es war der Hysteriker und Hektiker, der unermüdliche Schaffer und Macher Paulus, der sich sagen lassen musste: „Lass dir an meiner Gnade Genügen, meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“
Und dieses Schwache: Das sind nicht einfach nur die Vögel und die Pflanzen. Dieses Schwache: Das ist auch das Wort Gottes, das schwach ist vor der Welt, weil es entweder wie Zynismus klingt oder lächerlich erscheint. Das Schwache vor der Welt ist der Rabbi aus Nazareth, der so weltfremd davon redet, dass wir uns nicht sorgen sollen und dafür am Kreuz endet. Das Schwache vor der Welt ist auch eine Kirche, die immer wieder an ihren eigenen Ansprüchen scheitert: weil sie zu hoch greift und zu viel will.
Das Schwache vor der Welt, das sind wir, die wir im privaten den Müll säuberlich trennen und öffentlich wahnsinnige Verschwender sind und von diesem Zwiespalt schier zerrissen werden. Das Schwache vor der Welt, das ist der Mensch an der Schwelle des Todes, der sich ängstet und für keinen Trost zugänglich ist. Das Schwache vor der Welt, das sind wir. Dahin will uns Jesus führen mit seinen Worten: An die Schwelle der Zerbrechlichkeit, an der Gott wohnt. Wer von dieser Schwelle zurückkehrt, dem wird sich der Horizont der Ewigkeit öffnen und dem wird sich die Hysterie des Lebenmüssens verwandeln in die Gelassenheit des Lebenwollens und Lebendürfens. Wer von dieser Schwelle zurückkehrt, dem wird sich Kälte eines scheinbar gottlosen Universums verwandeln in die Wärme einer gottdurchfluteten Schöpfung, in der Tod und Mammon das letzte Worte eben nicht haben, sondern Jesus, der scheinbar Schwache. Er überwand den Tod: durch Glauben.
Und was tut der Glaube? Etwas, was vor der Welt  als besonders schwach, ja schwächlich gilt, von dem uns aber gesagt ist, dass es das stärkste ist, was wir tun können angesichts der Zerbrechlichkeit: Beten. Beten kann man nie genug. Darum stehen in der Bergpredigt die Worte des Vaterunsers unmittelbar vor den Worten von der Sorge, und darum heißt der Tag: Buß- und Bettag, und nicht etwa Moral und Programmtag.
Denn betend üben wir Gelassenheit und Besonnenheit, betend stellen wir uns vor den Horizont de r Ewigkeit.
Die Lilien und die Vögel brauchen nicht zu beten, sie wissen nichts von Tod und Sünde, kennen darum keine Gier und kein Einsamkeit. Das ist der Unterschied. Der ist nicht lächerlich und auch nicht zynisch.
Beten macht uns zu Menschen. Davon können wir gar nicht genug haben und tun. Das ist unser erster, vornehmster und wichtigster Dienst an der Welt: Das Gebet ist das Heilmittel gegen Hysterie und Resignation, gegen Zynismus und Lächerlichkeit. Beten ist zutiefst das, was uns als Kirche aufgetragen ist, als erste Antwort auf das Wort der Liebe, das Gott zu uns spricht. Umkehr, Buße, meint genau das: unser Gesicht umkehren zu Gott. Das haben wir der Welt zu bieten. Denn der Mammon kann, wie alle Dämonen und bösen Geister, nur ausgetrieben werden durch Fasten und Beten: Wer betet, tut nichts und doch alles. Und so ist der Ruf zur Umkehr, zur Buße, zu allererst ein Ruf zum Gebet: Alle Eure Sorge werft auch ihn, denn er sorgt für Euch. Wir müssen es nur gefallen lassen wie die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde. Das ist doch ganz leicht und für den Anfang mehr als genug.
Amen.

2 Kommentare:

  1. Sehr mutige und klare(!)Predigt. Herzlichen Dank für diesen Blog. Noch schöner wäre nur das gesprochene Wort. Schön war es in Albungen...
    Herzliche Grüße in Verbundenheit
    Ihr JH

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  2. ich arbeite dran.....ist eine technische Frage. Ich bin überall "verkabelt", muss nur die richtigen Anschlüsse finden. Jetzt erst mal umziehen.

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