Montag, 9. März 2015

Predigt zu Luk 9, 57-61, Okuli, 8.März 2015


Vom Ernst der Nachfolge

57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

 59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

 61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.

Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

 

Liebe Gemeinde!

1. Jesu, geh voran

auf der Lebensbahn!

Und wir wollen nicht verweilen,

dir getreulich nachzueilen;

führ uns an der Hand

bis ins Vaterland.

Das ist eines der beliebtesten Kirchenlieder, und es wird vor allem bei Hochzeiten gesungen. Es hat auch eine schöne, geradezu schmissige Melodie. Doch sieht man genau hin, dann merkt man, dass hier doch ganz ernste Dinge verhandelt werden. Ein Leben in der Nachfolge Jesu zu führen ist keine leichte Sache. Jesus macht überhaupt keinen Hehl daraus, und sein Leben zeigt es ja auch, dass man damit in gehörige Schwierigkeiten geraten kann. Denn man gerät in Widerspruch zu vielen, von dem die Welt denkt, es sei wichtig, richtig und anständig. Wer auf das himmlische Vaterland zugeht, von dem das Lied singt, der wird in der Welt erst einmal ein Fremder und der Glaube wird befremdlich.

57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

 

Das Vaterland, die Heimat: Ein Ort, wo wir hingehören, ein Ort, aus dem wir stammen, und an dem es uns am besten geht, weil uns alles vertraut ist. Doch wer Jesus nachfolgt, verliert diese Heimat. Der Menschensohn, damit meint Jesus immer sich selbst, ist heimatlos. Er hat keinen festen Ort.

Jedenfalls nicht hier auf der Erde. Unsere Heimat, so sagt es Paulus, ist im Himmel. Dort wartet auf uns, so beschreibt es das Buch der Offenbarung, das himmlische Jerusalem, ein Ort, an dem Gott und Mensche zusammen wohnen wie einst im Paradies. Und der Brief an die Kolosser schreibt. Trachtet nach dem, was droben ist, achtet auf eure himmlische Berufung. Das meint auch das Lied mit dem Vaterland.

Jesus nachfolgen heißt, sich auf eine andere, eine neue Heimat auszurichten. Denn alle irdische Heimat vergeht. Die himmlische Heimat bleibt. Darum geht es Jesus. Wir sollen, brauchen und müssen nicht alles stehen und liegen lassen, um Jesus nachzufolgen. Aber wir sollen unsere Abhängigkeiten und Bindungen aufgeben. Jesus will uns aus den falschen Bindungen herausreißen, aus dem, was uns krank macht und uns daran hindert, unser Leben in Freiheit vor Gott zu führen. Wer sich an ein Stückchen Erde, an ein Haus, an einen Ort oder auch an einen Menschen innerlich so bindet, dass er davon nie fortkommt, der ist ein Gefangener. Wer sich auf den Glaube einlasst, wer den Ruf Jesus hört, der geht erst einmal in die Fremde, bricht auf in ein fernes Land, das wir nur vom Hörensagen kennen: das Land der Liebe und der Freiheit, das Land der Gottesnähe und der Sanftmut, ein Land, wahrhaftig hinter den Hügeln liegt. Die Fremde, in die Jesus uns führt, ist unsere wahre Heimat. Aber dafür braucht es Mut und Vertrauen.  Für die Jünger genügte es, Jesus zu hören, um zu wissen: hier gehe ich den richtigen Weg!

59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

 

Mit Jesus durchs Leben gehen – mit dem Auferstandenen, mit dem, den Gott aus dem Grab geholt hat – bedeutet: Abschied nehmen von der Vergangenheit und nach vorne schauen, denn vorne ist das Leben, das wahre Leben. Vorne ist die Erlösung. Denn Jesus kommt aus der Zukunft. Die Vergangenheit hat ausgedient. Das Kreuz ist für Jesus die Vergangenheit, der Tpd ost Vergangenheit, das Ewige Leben ist seine Gegenwart und damit unsere Zukunft. Darum kann Jesus den scheinbar so schockierenden Satz sagen: Lasst die Toten ihre Toten begraben. Sie gehören in die Vergangenheit. Sie sind Eurer Sorge enthoben. Das heißt nicht, dass wir die Menschen nicht ordentlich begraben sollen. Aber wir sollen eben gerade nicht an den Lebenden, und schon gar nicht an den Toten kleben. Wer Jesus nachfolgt, wird frei. Kein Mensch hat das Recht, den anderen zu binden und zu fesseln, und schon gar nicht die Toten. Wie viel Elend ist schon über die Welt gekommen, weil Menschen die Befehle von Toten ausgeführt haben, anstatt mit den Lebenden zu reden? Es ist mir völlig unbegreiflich, wie das Christentum zu so einer Religion der Familie werden könnte. Wenn Jesus etwas radikal in Frage stellt, dann doch die Familie! Sie ist wichtig, keine Frage, aber sie darf unser Leben nicht bestimmen. Sie darf nicht zur Fessel werden. Lasst die Toten ihre Toten begraben: Das ist ein harter Satz, aber er ruft uns in die Freiheit und in die Verantwortung für die Welt:  Kümmert Euch um die Lebenden mit der ganzen weite Eures Herzens. Wer nur in Familie, Sippe, Volk und ähnlichen, rein zufälligen Konstellationen denkt, wird nie frei sein, den Menschen selber zu sehen. Wer auf die Toten hört, sieht auch nur Totes.

61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.

Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

 

Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit meinem Großvater gepflügt habe. Wir haben hinter meinem Elternhaus einen schiefen Acker mit dem schweren Lehmboden des Werratals, da war mit einem Schlepper nicht viel zu machen – aber mit dem Holder, einem kleiner Einachser, hinter dem ein einfacher einschariger Wendepflug angebracht war. Es war eine unglaubliche Schinderei, den Einachser und den Pflug auf Spur zu halten. Man musste ganz konzentriert nach vorne schauen, eine kleine Unachtsamkeit, und die Furche war krumm und schief, und das hieß unter verschärften Bedingungen von vorne anfangen. Beim Pflügen musst Du nach vorne schauen, sonst wird es nichts. Ein starkes Bild, das Jesus hier verwendet. Unser Leben ist wie pflügen, und wer sich ständig umdreht und nach hinten schaut, der bleibt nicht in der Spur. Die Redewendung verwenden wir ja immer noch. Wer am alten klebt, kommt nicht voran. Es ist mir, angesichts dieser Worte Jesus ehrlich gesagt ein Rätsel, wieso gerade die Kirche oft so eine altmodische, schwerfällige Institution ist, und warum gerade Christen oft so am Alten und Vergangenen hängen. War denn früher alles besser? ist denn jetzt alles gut? Jesus ruft uns Menschen raus aus dem alten Trott, stellt alle Regeln des sogenannten gesunden Menschenverstandes und der sogenannten Sitte in Frage, weil er möchte, dass wir freie Menschen sind: Menschen, die konzentriert und nach vorne blickend durch das Leben gehen. Das Christentum fing an als eine Religion des Aufbruches, ja sogar der radikalen Abbrüche, und die Kirche kam immer in Fahrt, wenn Menschen den Ruf Jesu hörten und aufbrachen.. Die großen Namen unserer Geschichte stehen dafür: alles Rebellen: Paulus, der mit seinem Leben als frommer und ordentlicher Jude brach; Augustinus, der eine Karriere als Playboy und Starredner aufgab und ins Kloster ging, Franziskus, behüteter Sohn aus reichem Hause, der um der Armen willen alles aufgab und sich öffentlich vor seinem Vater nackt auszog, um die einfache Kutte anzuziehen; Martin Luther, der alles über den Haufen warf, was angeblich heilig, richtig und gut war in der Kirche, Martin Luther King, der mit der Unterordnung der schwarzen Rasse brach, aber auch mit dem Weg der Gewalt Sie alle überwarfen sich mit der Familie, dem Herkommen, den Autoritäten – die Kirche lebt davon, dass sie alten Krempel hinter sich lässt und aufbricht. Werft Balast ab, reinigt Euer Leben vom Müll, und geht als freie Menschen hinter mir her: es wird ein schwerer Weg, sagt Jesus, aber das ist der Weg in die Freiheit immer. Ich bleibe, müde und abgespannt, oft im Fernsehen bei solchen Reality-Shows hängen, in denen Menschen geholfen wird, die in ihrem eigenen Müll ersticken, die sogenannten Messies.  Und ich bin oft sehr beeindruckt, mit was für einer Intensität Menschen an ihrem Müll hängen. Das dürfen wir als Kirche nicht. Wir dürfen nicht die Messies unserer Traditionen werden. Sonst werden wir ersticken.

Hören wir den Ruf Jesu als Kirche, als Gemeinde, als Christen? Wollen wir nachfolgen, hinter dem Pflug hergehen, oder wollen wir, wie die Frau von Lot, nach hinten schauen und zur Salzsäule erstarren?

Der Weg der Kirche kann nur der Weg nach vorne sein. Das ist nichts für Angsthasen, Bedenkenträger und Zauderer. Das ist etwas für Menschen, die bereit sind darauf zu vertrauen, dass Gott uns führt. Das macht uns zur Kirche und zur Gemeinde Gottes. Wer die Kirche für einen Hort des alten, althergebrachten und des „das war schon immer so“ hält, der macht aus ihr einen frommen Folkloreverein, für den sich morgen keiner mehr interessiert und der einem Übermorgen nur noch im Geschichtsunterricht begegnet. Wir können als Kirche darüber jammern, wie schön es mal war. Wir können es aber auch wagen, ganz neue Wege zu gehen. Keine Fraege, was Jesus dazu sagen würde. Zwei Wörter gehören zusammen, untrennbar: Kirche und Mut. Oder: Glaube und Vertrauen. Oder: Zukunft und Aufbruch. Jesu, geh voran!

 

4. Ordne unsern Gang,

Jesu, lebenslang.

Führst du uns durch rauhe Wege,

gib uns auch die nöt'ge Pflege;

tu uns nach dem Lauf

deine Türe auf.