Samstag, 5. Oktober 2013

Ansprache zu einer Trauung, Großenritte

Man kann viel theoretisieren, aber für uns Pfarrer im Boten- und Bodendienst (und ich rede jetzt mal schon so, als ob, sind ja nur noch ein paar Wochen) sind die Fragen nach der Bedeutung der Ehe höchst konkret: wir tun´s nämlich und müssen mit klaren Worten vor die Menschen treten, die von uns nicht Geringeres als den Zuspruch des Segens erwarten (und nicht etwa eine Grundsatzdiskussion über´s Heiraten)!

Ich hatte die große Freude, schon vor fast einem Jahr, als von Bewerbung, geschweige denn Besetzung noch keine Rede war, in Großenritte eine Trauung angenommen zu haben.
Die habe ich nun gestern vollzogen, und schön war´s.
Trauungen sind gar nicht mehr so häufig, meine letzte ist fast 3 Jahre her (!), nicht nur, weil ich keine mehr hatte, sondern weil tatsächlich die Zahl zurückgeht.

Und ich denke, wir sollten darum ringen, sie wieder in die Kirche zu holen. Denn wir haben zu diesem Thema etwas zu sagen, was sonst keiner zu sagen hat. Freilich: Es sollte dann auch gesagt werden!

Unverbindliches Mainstream-Liebes-Kitsch Blabla oder pseudokritisches Ehe-Bashing auf der Kanzel machen die Trauung belanglos. Die Predigt hier ist steil, und weil sie steil war, wurde zugehört, klar war es auch eine Herausforderung. Aber wer Spaß haben will, soll sich ein Helene-Fischer Ticket kaufen, das kann die nämlich besser.  Überhaupt: Alles andere können nämlich auch alle anderen besser. (Für mich ein Sparkriterium übrigens). Aber Segen zusprechen: das können nur wir.

Auf der Kanzel jedenfalls bewährt sich, was gefahrlos sonstwo diskutiert werden kann (weswegen ich übrigens immer fand, dass die Theologen und Theologinnen, die einigermaßen regelmässig predigten, auch zuverlässiger waren).

Nebenbeibemerkt sind "Trauungen" natürlich gar keine solchen bei uns Evangelischen, sondern einfach nur Segensgottesdienste anläßlich einer Eheschließung. (Wüßten das alle, hätten wir den Kampfplatz gar nicht, den wir gerade haben. Die Heteroehe ist nur insofern priviligiert und besonders segensbedürftig, als dass ihr die natürliche Fähigkeit zur Fortpflanzung mit all ihren auch körperlichen Risiken innewohnt.

Das ist heute etwas aus dem Blickfeld geraten, aber der sog. "Fortpflanzungsbefehl" war für die Alten eine ZUSAGE, dass es auch gelingt und Mutter und Kind es auch mehrfach überleben, man beachte den Kontext der Paradiesgeschichte mit Evas Fluch. Das ist der wesentliche Unterschied zu allen anderen Lebensformen mit sexueller Motivation: Das Schwangerschafts- und Geburtsrisiko sowie die ersten Monate der Aufzucht. Zu deren sozialer und emotionaler Absicherung dient die Ehe vor allem.

Und egal, wohin der Zug fährt: wenn wir die Frauen hier institutionell alleine lassen, weil wir keine feste und gegebenenfalls einklagbaren Bindungversprechen etablieren, dann tun wir uns nichts Gutes.
Der Geburtenrückgang spricht für mich an dieser Stelle Bände. Frauen scheuen - verständlicherweise, so wie die Dinge im Moment liegen - das Risiko von Schwangerschaft und Geburt. Hat es sie früher in das gesellschaftliche Leben überhaupt erst hineingekickt, kickt es sie jetzt oft genug heraus. Wir haben kein Problem mit dem absoluten Minderheitenphänomen "Homo-Ehe". Wir haben ein Problem mit dem Mehrheitenphänomen Hetero-Ehe).
Jedenfalls ist eine "Trauung", weil Gottesdienst,  ein öffentliches Ereignis, und folglich ist auch die Predigt common issue. Das nur so nebenher. Ich habe die Namen natürlich rausgenommen. Und falls es jemanden auffällt oder gar ärgert: ich verwende immer das liturgische Du, es sei denn, dass ich zu persönlichen Dingen etwas sage. Wir sind im Gottesdienst in einem heiligen Rollenspiel. Das sollte ruhig hörbar werden.


So, Blablah finito: Der Text der Ansprache. Darf übrigens von jedem gerne verwurstet werden, Predigten unterliegen nicht dem Copyright. Wir sind keine Künstler oder Literaten, auch wenn mancher so auftrittt (lächerlich).



Ansprache zur Trauung, Großenritte, 29.6.2013. 

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. 1. Kor 13,13

Liebes Brautpaar, Liebe Angehörigen, Liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!

Diesen Vers habt ihr ausgesucht als den Vers, der als Segensspruch über Eurem gemeinsamen Lebensweg stehen soll. Der ja heute nicht beginnt, aber einen, wie es heutzutage so schön heißt, neuen Level erreicht. Ihr macht es nochmal: jetzt vor Gott und vor dem Zeugen aus Familie und Gemeinde.

Verheiratet seid ihr ja schon eine Weile, vor dem Gesetz, bürgerlich verheiratet. Ihr habt den großen Vertrag schon geschlossen: Miteinander, voreinander und vor dem Staat. Er verspricht Euch, Eure Ehe zu schützen und zu stützen, ihr versprecht ihm, die Gesetze zu halten. Das ist alles.

Aber wer unter der Golden Gate Bridge heiratet, im fernen Amerika, der will natürlich mehr. Das Foto hat mich beeindruckt, wo man dieses imposante Bauwerk im Hintergrund sieht. Der Name ist ja ein Programm: durch die Bucht von San Franzisko, das „goldene Tor“, kamen die Goldsucher während des großen Goldrausches 1848 ins Land, auf der Suche nach dem Glück. Die wenigsten fanden es, wie wir wissen. Und Gold ist auch nicht das Glück. Und doch ist die Brücke ein Symbol für die Suche nach dem Glück.

Für den christlichen Glauben hat das Glück einen Namen: Es heißt „Segen“. Wer gesegnet ist, darf sich glücklich schätzen.

Und Segen: Der kann nur von Gott kommen. Denn ein Segen: das ist der Zuspruch der Kraft Gottes. Wenn jemand gesegnet wird, dann heißt das: Die Kraft Gottes liegt auf dir. Und deswegen seid ihr hier. Und ich glaube, ich darf es sagen: Anders als bei vielen anderen Ehepaaren, die hier manchmal strahlend, ein wenig naiv und unbekümmert fröhlich sitzen, wisst ihr schon sehr genau, wozu ihr den Segen braucht und warum. Ihr wisst schon, dass die Ehe - wie das Leben überhaupt - ein Weg ins Ungewisse ist. Und dass sie, mehr als jede andere Form des menschlichen Lebens, einen Segen braucht: den Zuspruch der Kraft Gottes. Eine Ehe kann nicht aus sich allein heraus leben. Sie braucht die Unterstützung von Außen. Und genau um die geht es hier.

Einmal haben wir da das Wort Jesu, das wir gleich noch hören werden. Es ist sozusagen der Anlass, warum wir überhaupt Hochzeit feiern: Weil Jesus davon spricht, wozu die Ehe da ist. Als Gott die Menschen schuf, schuf er sie als Mann und Frau, sagt Jesus und bezieht sich damit auf die Schöpfungsgeschichte. Und dann sagt er: Und darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und sie werden ein Fleisch sein. Es geht gar nicht vordergründig um Familie, wie manche meinen. Es geht um Menschwerdung und Menschsein.

Und dahinter steckt ein wundervoller Gedanke: Dass Mann und Frau nur zusammen einen ganzen Menschen ergeben. Als Mann und Frau sind sie das Ebenbild Gottes. Denn Gott ist die Liebe. Um nicht mehr und nicht wenig geht es in der christlichen Ehe: Die beiden verschmelzen zu einem Körper, zu einem Leib, zu einem Fleisch und werden darin ein Ebenbild Gottes, und das ist sowohl ganz wörtlich als auch ganz geistlich gemeint. Und dieser Gedanke steht hinter jenem Vers des Apostels Paulus, den ihr ausgewählt habt: „Glaube, Hoffnung Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“. Und wenn die Ehe tatsächlich das stärkste Ebenbild der Schöpfung ist - dann müssen Glaube, Hoffnung und Liebe für sie eine besondere Rolle spielen. Schauen wir sie uns noch einmal an:

Der Glaube: das ist nichts anderes als blindes Vertrauen. Denn der Glaube, so heißt es an andere Stelle, ist das Vertrauen auf das, was man nicht sieht. Wie anders als in solchem Vertrauen, als in solchem Glauben kann eine Ehe funktionieren? Als es im beim Sport „Peng“ machte - war das das Ergebnis langen Nachdenkens? Hast Du ein Notizbuch rausgezogen: Aha, so und so groß, so und so alt, die habe ich gesucht? Hast Du in Deinem Traumtypenapp geblättert und gesagt: Aha, der und der Beruf, vom Dorf, so und so groß - den nehme ich? Habt ihr Euch erst Fragebogen vorgelegt und bei der Schufa angerufen?

Wohl kaum. Es hat Euch etwas angezogen und hingezogen, ihr habt einfach geglaubt, was mit Euch passiert ist. Und dieser Glaube ist die Keimzelle der Liebe. Hier erfahren wir Menschen, wie es Gott mit uns macht und meint: Blindes Vertrauen. Ja sagen auf Hoffnung hin.

Und damit sind wir bei der Hoffnung. Und da wird es jetzt heikel.

Die Hoffnung wird nämlich gerne verwechselt mit der Illusion. Das fällt mir oft auf, gerade in den letzten Jahren, wo das Christliche immer mehr verschwindet. Je weniger die Menschen glauben, umso mehr verwechseln sie Hoffnung und Illusion. Aber die christliche Hoffnung ist nicht die Illusion: „alles wird irgendwie gut“. Es geht nicht um Vertröstung und Verweigerung der Wirklichkeit. Hoffnung ist das tiefe Vertrauen, dass in allem was ist, Gottes Liebe zu finden ist.

Letztlich bedeute die Hoffnung nichts andere als den Glauben daran, dass alles einen Sinn hat, auch wenn wir ihn nicht sehen. Nicht das Glück ist entscheidend für ein gutes Leben, sondern die Fähigkeit, Glück und Unglück gleichermaßen zu ertragen und zu teilen: das ist eine gesegnete Beziehung! Nicht Stärke ist entscheidend, sondern die Fähigkeit, mit den Stärken und den Schwächen zu leben und sie zu teilen. Ihr seid beide sportliche Menschen, und Sie [Ehemann] sogar in einem Bereich, der schon fast ein Risikosport ist: Ihr wisst, wie wichtig das Vertrauen ist und die Hoffnung, wie man die eigenen Kräfte kennen muss und die eigenen Schwächen, wie man sich auf die Mannschaft verlassen und muss auf den Coach: In der Ehe seid einander Mannschaft und Coach, und den größten Sieg habt errungen, wenn ihr beide gewonnen habt. Gegeneinander wird’s nichts. Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei, aber die Liebe ist die wichtigste. Denn sie ist der Grund der Ehe. Und zugleich die Trophäe: ein Fleisch!.

Und darum ist die Ehe für den christlichen Glauben so wichtig. Sie ist selber eine Art Gemeinde, wie viele andere Formen des gemeinschaftlichen Lebens auch, wenn sie unter dem Wort Gottes stehen. Und darum feiern wir einen Gottesdienst mit der Gemeinde. Die ist mehr als nur das tobende Publikum, sie spielt mit: Wir beten für Euch: Dankbar, freudig, Mitfühlend. Ihr geht nicht allein. Wir glauben für Euch, wenn Eure Glauben schwach ist. Wir hoffen für Euch, wenn Eure Hoffnung schwach ist. Wir lieben für Euch, wenn Eure Liebe schwach ist, denn in Wahrheit ist es Gott, der dies alles an uns tut.

Und wenn ihr Glaube, Hoffnung, Liebe, wie es uns Menschen manchmal so geht, aus den Augen verloren habt:

Dann erinnert Euch an diesen Moment, an diesen Tag, an dieses Ja! - und sie wird wieder sichtbar werden, die Liebe, und mit ihr der Glaube und die Hoffnung. Dann macht einen Spaziergang am Sonntagmorgen und geht in diese Kirche in den Gottesdienst: und ihr werdet Euch heilsam erinnern. In Wahrheit werden gute Ehen nämlich jeden Morgen neu geschlossen, ach was: Mit jedem Blick neu geschlossen: Danke, das Du da bist! Mit diesem Satz geht ihr jeden Morgen aufs Neue durch das Golden Gate, durch das Tor der Liebe. Es ist das große JA! Gottes in kleiner Münze. Es ist der tägliche Segen als das tägliche Glück.

Wenn ihr so anfangt: jeden Tag mit Glaube, Liebe, Hoffnung, wird der Rest wird sich finden.

Amen.

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