Mittwoch, 13. Mai 2015

Predigt Himmelfahrt 2015. Der wahre Vatertag




Lk 24,44-49.50-53

44 Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.

Da öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden  und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten [a]am dritten Tage;

und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem  und seid dafür Zeugen. 49 Und siehe, ich will ]auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.

50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. 51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. 52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude 53 und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

 

Liebe Gemeinde!

Der wahre Vatertag habe ich diesen Gottesdienst, nicht ohne Augenzwinkern, überschrieben. Und in der Zeitung stand ja schon in einem kurzen Satz, was ich damit meine: Heute ist der Tag, an dem wir die Rückkehr des Sohnes zum Vater feiern. Denn das steht hinter „Himmelfahrt“.

Insofern ist Vater das Thema für heute.

Was ist ein Vater? Diese Frage ist heute gar nicht mehr so selbstverständlich zu beantworten, wie man meinen sollte. „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“, sagt eine alte Redensart, und die war nie so wahr wie heute.

Die Rolle des Vaters auch viel mehr durch die Kultur geprägt als die Rolle der Mutter! Denn die Aufgabe des Vaters wird in jeder Kultur anders verstanden, und auch in unserer Kultur wandelt sie sich stetig. Vatersein ist nichts Natürliches und nichts Selbstverständliches! Im Tierreich gibt es so etwas wie Väter fast überhaupt nicht, im Gegenteil muss manches Männchen nach der Zeugung zusehen, Land zu gewinnen, damit er nicht das erste Futter für die Kleinen wird!

Und im Moment ist es so, dass viele Väter, ich nehme mich da gar nicht aus, ganz verunsichert sind, was ihre Rolle und ihre Aufgabe eigentlich ist. Die „neuen Väter“ sind oft auch ganz unsichere Väter. Selbst der gute alte Vatertag, der es Männern erlaubte, für einen Tag auf Steinzeitniveau zu gehen, hat sich zu einem Familientag gewandelt. Was ist ein guter Vater? Das ist heute eine ganz drängende Frage – und sie war es im Grunde schon immer. Denn „Vaterschaft“ ist ein elementares Grundthema des christlichen Glaubens. Denn  Jesus sprach von Gott als dem Vater, aber er sprach auf eine Art und Wise von Gott als Vater, wie man sie bis daher noch nicht gehört hatte. Für Jesus war Gott ein gütiger Vater, der nicht mit harter Hand und der Macht des Gesetzes regiert, sondern der für Liebe, Sanftmut und Zuwendung steht. Für Jesu war das ganze Universum, die ganze Schöpfung, mit einer Liebe durchzogen, die für ihn eine väterliche Liebe war! Wer sich dieser Liebe anvertraut, der muss auch danach fragen, was es heißt ein Vater zu sein. Es gibt im Brief an die Epheser seine Stelle, wo die Väter ausdrücklich aufgefordert werden, ihre Kinder so zu lieben, wie der himmlische Vater seinen Sohn liebt: Mit Sanftmut und Hingabe, ohne Gewalt und mit Zärtlichkeit. „Der Vater und ich sind eins“, sagt Jesus einmal, und sie sind eins darin, ihre Liebe zu den Menschen zu zeigen. Und sie gehen darin bis zum äußersten.

Und jetzt kommen wir zum schwersten Gedanken, der uns aber ganz in die Tiefe führen wird, und den ich euch an  so einem festlichen Tage nicht vorenthalten will, weil er uns zum Kern führt.  

Was ist das für ein Vater, der seinen Sohn in den Tod gibt? Das ist ja eine alte Frage, und sie wird schon von den ersten Christen gestellt, die waren ja nicht dümmer als wir – Jesus erklärt es seinen Jüngern vor der Himmelfahrt, wie wir gehört haben, in dem er ihnen den Sinn des Ganzen auslegt. Wie kann ein Vater so etwas tun?

Doch die Frage hat einen inneren Zynismus, der davon ablenkt, dass die wirklich Frage heißen muss: Wie können die menschlichen Väter ihre Söhne zu tausenden, zu Abermillionen in den Tod schicken, wie es im vergangene Jahrhundert doch der Fall war, wie nie zuvor? Von dieser Frage nach den unbarmherzigen und grausamen menschlichen Vätern lenkt die Frage nach Gott völlig ab. Aber genau diese Frage stellt uns Gott. Denn er gibt seinen Sohn dahin, um ihn wiederzubekommen, verwandelt und verändert. Indem Jesus stirbt, durch Menschenhand, wird die Menschenhand in der Geschichte sichtbar. Wir können Väter so etwas tun, wo doch menschliche Väter die Kraft nicht haben, ihre Söhne aus den Gräbern zu holen? In der vemeintlichen Grausamkeit Gottes spiegelt sich die tatsächliche Grausamkeit der Menschen. Der wahre Vatertag: genau hier, genau hier am Kreuz wird uns die Frage gestellt, was denn ein wahrer Vater ist. Ein wahrer Vater ist einer, der nur und ausschließlich auf das Leben aus ist, der schenkt und gibt und sich verausgabt für die, die ihm anvertraut sind, der Gewalt erduldet, anstatt sie auszuüben. Ein wahrer Vater ist die Quelle von Zärtlichkeit und Sicherheit, von Geborgenheit und Versöhnung. Ein wahrer Vater ist stark darin, aus  der Schwäche heraus zu leben und darin seine Kinder zu stärken. Nicht die Rute, sondern die ausgestreckte Segenshand ist das Symbol des Vaters. Das ist die Botschaft des Glaubens zum Thema „Vater“. Gerade wenn wir Gott Vater nennen, müssen wir darüber nachdenken, was es heißt, ein Vater zu sein. Die Kirche hat diese Botschaft wahrhaftig nicht immer durchgehalten: immer wieder fiel sie dahinter zurück. Anstatt von Gott dem Vater her danach zu fragen, was es heißt, ein menschlicher Vater zu sein, machte sie es genau andersherum: Sie baute sich ein Gottesbild, dass den menschlichen Vater zum Vorbild nahm: Streng, gewaltbereit, distanziert, auf Strafe aus, emotional verkümmert.

Darin hat die Kirche am stärksten gesündigt und sich verfehlt: sie machte aus Gott den Vater ein Zerrbild von menschlichen Vätern, um Herrschaft auszuüben, statt Liebe einzuüben. So ein Gott kann nur unglücklich machen: so ein Gott fordert geradezu dazu heraus, sich gegen ihn aufzulehnen und ihn abzulehnen und mit ihm nichts zu tun haben zu wollen. Es ist kein Wunder, dass die Moderne von Gott nichts hören will: denn das Merkmal der modernen Zeit ist ja gerade die Auflehnung gegen den Vater: gegen den Herrschafts-, Macht- und Gewalt-Vater.

 

Es wird Zeit, dass wir lernen, von menschlichen Vätern zu reden, wie Jesus von seinem Vater sprach und Vaterschaft so anzunehmen. So ein Vater will ich sein! Da haben wir das Leitbild, das alle so verzweifelt suchen: gibt es eine innigere Vater-Sohn-Beziehung als die von Jesus und Gott ?  Der Glauben versteht Vaterschaft von Anfang an als zärtliche Hingabe und solidarische Partnerschaft: das Ziel ist, dass die Söhne heimkehren und beim Vater ankommen: das Feiert Himmelfahrt!

Der Kreis schließt sich. Gott ist der Vater, der das Universum, den Himmel mit einer väterlichen Energie füllt, die nichts anderes ist als reine Liebe, die sich öffnet für alle Geschöpfe. Und darum ist gerade das Bild von der Himmelfahrt Christi, so märchenhaft es uns erscheint, von einer ungeheuren Kraft, wenn man es auf sich wirken lässt: Der Himmel wir aufgerissen, die verschlossene Kammer der Vaters, der Machtbereich Gottes, wird geöffnet und steht fortan jedem offen, der sein Herz diesem liebenden Vater zuwendet. Das ist doch ein wirklich anrührendes Bild: Vater und Sohn, in Liebe vereint, im Geist versammelt, regieren und herrschen sie so anders, wie alle menschlichen Väter und Söhne es tun: In Sanftmut und Geduld, in Hingabe und Zuwendung, in zärtlicher Zugewandtheit, verbunden durch einen gemeinsamen Geist.

Und was ist mit Müttern? Das ist eine andere Predigt zu einem anderen Tag. Gönnt es uns Vätern doch mal, für einen Moment im Zentrum von Aufmerksamkeit zu stehen: so ist Himmelfahrt auch in der Kirche der wahre Vatertag.

Himmelfahrt ist die andere Seite von Weihnachten: Gott und Mensch vereint als eine große Familie, Schöpfer und Geschöpf vereint als Fleisch und Geist, himmlischer Friede als Verheißung des irdischen Friedens, der offenen Himmel als Horizont der Zukunft.

Der alte Vatertag gehört zur alten Welt: da hat er sein gutes Recht: sollen die Väter ihren Spaß haben, ich war da früher auch dabei, und nicht zu knapp.

Der wahre Vatertag aber gehört zur neuen Welt: und da sollen wir alle, ja alle Geschöpfe Freude haben und Gott aus vollem Herzen loben und preisen – und genau das tun wir jetzt auch.

Amen.

Amen.