Dienstag, 28. Juli 2015

Von den anvertrauten Zentnern. Mt 25, 14-30 9. S. n. Trin.

Es mag etwas ungewöhnlich sein, eine Predigt schon vor dem Gottesdienst zu veröffentlichen, aber Matthäus-Texte sind immer eine exegetische und vor allem homiletische Gratwanderung. Vielleicht hat der reine oder andere eine schönere Idee dazu - oder kann es als Anregung gebrauchen.



Predigt

Mt 25,14-30

Von den anvertrauten Zentnern

14 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; 15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, [a]jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort.

16 Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. 18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.

 19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. 20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. 21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. 23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

 24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; 25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. 26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? 27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. 28 Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. 29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.

30 Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

 

 

Liebe Gemeinde,

das ist ganz ohne Zweifel eine der krassesten Geschichten, die Jesus erzählt. Sie verblüfft gleich auf mehreren Ebenen.

 

Zum einen klingt sie wie ein Loblied auf den Kapitalismus. Die beiden Knechte, die mit ihren anvertrauten Zentnern gewuchert haben – und zwar mit einer Rendite von 100% Prozent! – werden belohnt. Dabei kann man sich an den zehn Fingern ablesen, dass eine solche Rendite nur mit fast verbrecherischen Methoden der Spekulation erreicht werden kann. 100%! Mit Recht wäre uns jemand, der sein Vermögen in kurzer Zeit verdoppelt, ein wenig suspekt. Der vorsichtige Knecht aber wird nicht nur betraft, er bekommt nicht nur sein Geld abgenommen –nein, sein Gewinn wird auch noch dem gegeben, der ohnehin schon ein riesiges Vermögen hat! Das ist krass. Das entspricht eigentlich nicht dem, was wir von der Kanzel zu hören gewohnt sind: Dass Gott uns liebt allein aus Gnade. Etwas scheint mit diesem Gleichnis nicht zu stimmen.

Das Zweite, was schockiert, ist die absolute Härte, mit der hier geredet wird. Dem ängstlichen Knecht, der sich nicht auf das unsichere Geschäft von Handel und Wandel einlässt, wird unverblümt gesagt, wie es läuft: Wer hat, dem wir gegeben, wer aber nicht hat, dem wird auch das, was er hat genommen werden. Und am Ende landet er auch noch in der Hölle.

Das ist hart. Es ist deswegen hart, weil es doch genauso läuft – so und nicht anders lautet das Gesetz der Börse, so und nicht anders erleben es gerade die Griechen, so und nicht anders erleben es gerade die vielen Menschen, die nicht so fit, nicht so klug, nicht so mutig, ja man möchte fast sagen: nicht so dreist sind. Wer sein bisschen Geld zusammenhält, der kriegt es auch noch abgenommen, wer sich auf riskante Abenteuer einlässt, Zinsen nimmt, die weit über das Erlaubte hinausgehen und in windige Unternehmen investiert, kriegt noch eins oben drauf. Meine Großmutter hatte dafür einen drastischen Spruch, und besser kann man gar nicht sagen, was uns dieses Gleichnis offensichtlich sagen will: Der Teufel kackt auf den großen Haufen!

Ist das die göttliche Gerechtigkeit und Liebe?

Spricht Jesus hier also dem unbeschränkten, dem Raubtierkapitalismus das Wort? Ist das die Aufforderung genau das zu tun, was gewissenlose Menschen immer wieder tun: sich auf Kosten anderer bereichern?

 

Natürlich nicht. Nicht mal im Ansatz. Es ist ein Gleichnis. Es geht hier um etwas ganz anderes. Das wird deutlich, wenn ich Euch sage, was hier im griechischen Original für ein Wort steht. Luther hat es mit „Zentner“ übersetzt. Das ist zweifelsohne richtig. Aber im Griechischen steht hier das Wort Talentos. Es geht um anvertraute Talente – und zwar genau in dem übertragenen Sinne, wie wir das Wort heute verwenden. Es geht darum, dass wir unsere Talente einsetzen sollen. Talente sind von Gott gegebene Fähigkeiten und Gaben. Wir sprechen vom musikalischen Talent, vom mathematischen Talent, oder auch vom Talent, Menschen für sich zu gewinnen oder Frieden zu stiften. Jeder von uns hat etwas mitbekommen, was er kann, und was uns das Gleichnis, freilich sehr drastisch, deutlich machen will: mit diesen Talenten sollen wir wuchern, die sollen wir anwenden und ausbauen. Denn gemeint sind natürlich all die Gaben, die uns gegeben sind, um Gutes zu tun. Und davon hat jeder etwas. Und wir haben die Pflicht, diese Gaben auch zum Nutzen der Allgemeinheit einzusetzen. Dazu gehört auch, dass wir diese Gaben fördern und entdecken. Es geht also hier um ein Grundanliegen der menschlichen Gesellschaft. Darauf will Jesus hinaus. Er nimmt das Geld als Beispiel für etwas, das viel mehr wert ist als Geld. Tatsächlich ist es so: wer seine Gaben nicht einsetzt, ist ein Verschwender und in der Tat ein törichter Mensch. Und sage niemand, er habe nicht und könne nichts. Jetzt zeigt sich, dass das Gleichnis doch sehr raffiniert ist. Denn die Knechte bekommen ja unterschiedlich viel Geld. Unsere Gaben und Talente sind unterschiedlich, manchmal meint man sogar: ungerecht. So mancher traut sich selber nichts zu, wie der ängstliche Knecht, weil er denkt, seine Gaben seien nicht wichtig. Aber das ist ein Irrtum. Es gibt nichts, das wir nicht brauchen. Und es ist eine wichtige Aufgabe für uns als Gesellschaft, als Menschen, als Erzieherinne und Erzieher, unsere Talente zu entdecken und zu fördern. Zum einen weil es die Lebensfreude fördert und einen Menschen innerlich stärkt, wenn er spürt, dass er etwas kann. Deswegen haben wir ein Bildungssystem entwickelt, das niemanden zurücklässt und jedem die Förderung angedeihen lässt, die er braucht. Ich habe das sehr eindrücklich gelernt in der Zeit, als meine Frau in der Schule für praktische Bildbare gearbeitet hat. Konfirmandenunterricht und Schulunterricht für schwer geistig behinderte Menschen? Ja hat das denn einen Zweck, lohnt sich denn diese Investition? Ich war immer wieder sehr berührt, wenn ich mit Schülerinnen und Schülern aus ihrer Schule zu tun hatte. Sie waren, allein dadurch, dass sich Menschen ihnen zuwandten und ihnen halfen, zu entdecken, was sie können, auch stolze, fröhliche und engagierte Menschen – auch wenn sie vielleicht in all den Jahren auf der Schule gerade mal gelernt haben, ein paar Worte zu sprechen. Aber mit ihnen zu reden war eine Bereicherung, und sie machte es glücklich. Das gilt für alle Gebiete unseres Lebens. Jedem ist ein Talent anvertraut, niemand kann nichts. Jesus will uns anspornen, daraus etwas zu machen. Denn wenn man sein Talent zum Nutzen aller einsetzt, dann treibt man eben gerade keinen Wucher! Und ihr merkt: So herum betrachtet wird das Gleichnis nun doch zu einer harten Kritik am Kapitalismus – denn der treibt Wucher auf Kosten der andren Menschen. Wer aber sein Talent einsetzt, fördert und ausbaut, der wuchert mit seinem Talent zum Wohl anderer Menschen.

Wer hat, dem wird gegeben: das ist eine Erfahrung, die man auf diesem Gebiet wirklich machen kann, man wächst mit seinen Aufgaben. Man wird bereichert, ohne sich zu bereichern. Wer seine Talente verkümmern lässt, der wird arm, dem wird tatsächlich etwas genommen – oder genauer gesagt: der nimmt sich selber etwas. Viel Verbitterung unter den Menschen kommt aus dieser Quelle: Wer über sich selber sagt, ich hab nichts, ich kann nichts – der kann schnell in dieser Höhle der Traurigkeit festsitzen. Da braucht es dann doch auch mal einen kräftigen Anstoß: wie ihn Jesus mit seinem Gleichnis ja auch gibt.

Darum dürfen wir niemanden zurücklassen, darum dürfen wir uns auch selber nicht zurücklassen. Das gilt zum Beispiel auch für die vielen Menschen, die zu uns kommen, weil sie sich hier ein besseres Leben erhoffen: All die Menschen, die zu uns kommen, bringen auch Talente mit: wir sollten alles dafür tun, sie zu fördern und auszubauen, wir brauchen jeden und jeder kann etwas beitragen, wenn man ihn nur lässt. Von vornherein zu sagen, es sind Schmarotzer und Taugenichtse, die sich auf unsere Kosten ein gutes Leben machen wollen, ist genau der falsche Ansatz. Jeder Mensch, der kommt, bringt etwas mit, und wenn man ihm Gelegenheit gibt, das zu zeigen, wird er es dankbar tun.

So also ist das mit diesem schockierenden Gleichnis: es dreht unser Denken genau herum: Im Ersten Moment scheint es unseren finstersten Ängste zu bedienen. Auf den zweiten Blick macht es uns Mut. Niemand ist nutzlos. Niemand ist unbegabt. Jeder ist gefordert und gebeten, das, was er kann, für andere einzusetzen. Nur so kann unser Leben funktionieren, nur so kann eine Gemeinschaft wirklich wachsen und gedeihen. Und selbst wenn es nur ganz wenig ist: es ist wertvoll. Wir sind von Gott begabte Wesen. So lasst uns mit unseren Talenten wuchern, zum Wohle aller, und uns aneinander bereichern, ohne uns voneinander zu bereichern. Der Lohn, den du bekommst, ist ganz einfach: du wirst wachsen! Gott schaut nicht auf das, was wir nicht können, sondern auf das, was wir können. Er nimmt uns nicht bei unseren Defiziten, sondern bei unseren Stärken. Er fordert nicht, er fördert. Er misttraut uns nicht, er traut uns etwas zu.

So sollten wir es auch tun: denn es tut uns gut.

Amen.

Mittwoch, 15. Juli 2015

Pfarrstelle




Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

ich muss eine unerfreuliche Mitteilung machen: Ich werde die halbe Pfarrstelle Großenritte-Altenritte 3 nach genau zwei Jahren verlassen und nur noch auf der halben Pfarrstelle im Büro des Bischofs weiterarbeiten.

Die Gründe dafür sind ausschließlich persönlicher und gesundheitlicher Natur: Ich habe die Belastung falsch eingeschätzt und muss einen Schritt zurücktreten. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Die Arbeit in der Gemeinde hat mir große Freude bereitet. Ich fühle mich hier wohl, die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Der Entschluss, mich daraus zurückziehen, fällt mir ausgesprochen schwer und hat viel Zeit gebraucht.

Mein letzter Arbeitstag in der Gemeinde wird, wenn nichts dazwischen kommt, der 30. September sein.

Die Tätigkeit meiner Frau bleibt von alledem völlig unberührt: Sie ist und bleibt weiterhin Gemeindepfarrerin in Großenritte und Altenritte. Als „Pfarrmann“ bleibe ich Gemeindemitglied und mit Ihnen in Verbindung.

Jetzt schon möchte ich von Herzen allen danken, die meine Arbeit unterstützen und begleiten, allen voran meinen beiden wunderbaren Kolleginnen, dem Kirchenvorstand, den nebenamtlich Tätigen und der großen Gruppe von ehrenamtlich Mitarbeitenden und all den anderen, mit denen zusammenzuarbeiten ich die Freude habe.  Das werde ich sehr vermissen!

Der Gottesdienst zu meiner Verabschiedung ist für den 18. Oktober geplant. Näheres dazu, wenn die notwendigen verwaltungstechnischen Schritte getan sind.

Bis dahin werde ich natürlich meinen Dienst vollständig wahrnehmen.

Ich hoffe, in meinem e-mail Verteiler niemanden übersehen zu haben, sofern er oder sie mit mir per e-mail in Kontakt standen.

Mit den besten Grüßen

Roland Kupski