Mt 28. Wie immer: bezogen auf ein aktuelles Ereignis der Woche.
1 Als aber der
Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena
und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. 2 Und siehe, es geschah ein
großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und
wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. 3 Seine Erscheinung war wie der
Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. 4 Die Wachen aber erbebten aus
Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. 5 Aber der Engel sprach zu den
Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die
Stätte, wo er gelegen hat; 7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er
ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa;
da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. 8 Und sie gingen
eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen
Jüngern zu verkündigen. 9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid
gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm
nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und
verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich
sehen.
Liebe Gemeinde!
Die Bilder von den Attentaten in
Ägypten stehen uns noch vor Augen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist längst ein
weltweiter Konflikt geworden, der uns Sorgen macht, weil seine Auswirkungen bis
zu uns spürbar sind. Überall auf der Welt sind vor allem Christen in
Bedrängnis. Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt: hunderttausende unserer
Glaubensgeschwister leiden unter Unterdrückung und Verfolgung, aus dem einzigen
Grunde, dass sie sich zum auferstandenen Herrn bekennen. Aber auch Muslime
leiden untereinander, auch wenn das nicht so stark unsere Aufmerksamkeit
beansprucht. In Indien geraten Hindus, Sikhs, Moslems und Christen ständig
aneinander, in Afrika verbreiten radikale Anhänger ihrer Religionen Angst und
Schrecken. Die tödliche Macht der Religion steht uns vor Augen, wie schon lange
nicht mehr. Dieses Ostern ist eingebettet in Gewalt. Woran liegt das? Was
geschieht hier? Wieso verfallen gerade die, die doch dem Frieden, von dem die
Religionen zumindest immer reden, so der Gewalt? Und warum werden gerade auch
Christen ständig Opfer?
Es ist offensichtlich etwas am
Glauben und an der Religion, das man ganz schnell missverstehen kann, so dass
sich in sein Gegenteil verkehrt, was als heilsame Botschaft gedacht war.
Das ist von Anfang an so.
Vergessen wir nicht: Der Ostermorgen ist der Morgen nach einem Justizmord.
Jesus wurde Opfer genau jener Form von Gewalt, die wir gerade erleben. Es waren
die Frommen, die ihn töteten, und es war ein religiös geprägter Staat, der den
Mord vollzogen hat. Wenn davon die Rede ist, dass „die Juden“ und „die Römer“
Jesus getötet haben, wird genau das zum Ausdruck gebracht: Religiöse Fanatiker
und kalte Machtmenschen. Es geht hier nämlich gar nicht um die Schuld „der
Juden“ und „der Römer“. Etwas platt gesagt: wir sind alle mögliche Juden und
Römer Sie stehen hier als Beispiele
dafür, wie Verblendung und Machtgier, wie Angst und falsche
Gewissheiten, Vorurteile und Propaganda Menschen dazu bringen können, sich
selber Schaden zuzufügen. Denn genau das ist ja hier geschehen! Mit der
Ermordung des Jesus von Nazareth wurde der Bote der Liebe umgebracht, der
Prediger der Versöhnung, der Gottessohn selber.
Warum? Weil er die Erwartungen
der Menschen enttäuschte. Alle warteten, wie heute, auf einen Menschen, der die
Erlösung bringt, der den Frieden bringt, der Unterdrückung und Not beendet, der
Versöhnung ermöglicht. Genau das hat Jesus ja auch gebracht – aber eben auf eine
ganz andere Weise, als alle erwartet haben. Nicht mit Gewalt, nicht mit
Aufstand und öffentlicher Erregung, auch nicht durch Gründung einer revolutionären
Gruppe oder einer politischen Partei. Jesus setzte konsequent auf die Macht des
Wortes, und zwar eines Wortes, das Menschen nicht kleinmacht, erniedrigt und
entwürdigt im Namen Gottes, sondern aufrichtet. Seine Worte waren Ermutigungen,
Zuspruch und heilsame Zuwendung. Und zwar: ohne Voraussetzungen seitens der
Menschen.
Er ging zu denen, die keine Hoffnung mehr hatten, weil sie keine Hoffnung mehr hatten. Er
ging zu denen, die verzweifelt waren, weil
sie verzweifelt waren. Er ging zu denen, die allen Glauben aufgegeben hatten, weil sie allen Glauben aufgegeben
hatten. Er frug nicht nach Herkunft, nicht nach Würdigkeit und Zugehörigkeit,
er überschritt alle Grenzen, auch und gerade die Grenzen der Religion und der
Völker. Er heilte den Sohn des heidnischen, sprich: römischen Hauptmannes, er
heilte die Tochter der syrophönizischen Frau, spricht: einer Ausländerin und
erzählt sein schönes Gleichnis von der Nächstenliebe ausgerechnet von einem
Samaritaner, einem verhassten „Ungläubigen“. Er pries die selig, die von den
anderen ausgegrenzt wurden, er kritisierte die, die sich ihres Glaubens allzu
gewiss waren, er ließ sich von politischer Macht nicht beeindrucken. Am Ende
ertrug er die Gewalt, anstatt sie auszuüben und entlarvte sie auf diese Weise. Gerade
die, die Gott allzusehr auf ihrer Seite wähnten, erwiesen sich als zutiefst
gottlos – selbst seine Jünger ließen ihn im Stich!
Und nun hat Gott den, der so
getötet wurde, auferweckt! Das heißt ja nichts anderes, als dass Gott diese
Botschaft beglaubigt hat, dass Gott sich auf das Spiel von Gewalt und
Gegengewalt nicht eingelassen hat. Das ist doch der Kern der Osterbotschaft:
Gott vergibt seinen Mördern!
Mit dem, was an Ostern geschah, bricht eine ganz
neue Welt an, das, was Jesus immer das „Reich Gottes“ nannte, und das alle
missverstanden, weil sie meinten, er spräche von einem irdischen Reich, einen
Gottesreich. Aber er sagt immer wieder. Mein Reich ist nicht von dieser Welt.
Aber es ist in dieser Welt, dort
nämlich, wo Menschen Gottes Liebe vetrauen. Und hier liegt die Quelle des Missverständnisses:
Wer meint, das Reich Gottes sei eine irdische Größe – der hat das Schwert schon
in der Hand.
Es ist immer wieder der Wunsch nach dem Paradies auf Erden, das
die Hölle beschworen hat!
Die Ostererzählung macht das sehr
deutlich. Wir hören sie durch den Filter
von drei Generationen Erzählen – das Matthäusevangelium wurde erst rund 50
Jahre nach den Ereignissen aufgeschrieben – doch die Erschütterung ist noch zu
spüren. Drei Frauen gehen zum Grab, um den hastig beerdigten Toten die letzten
damals üblichen Ehren zu erweisen: den Leichnam waschen und salben. Man muss
sich das Übermaß ihrer Verzweiflung vorstellen: Jesus war das ganz und gar
unschuldige Opfer von religiöser und staatlicher Gewalt geworden. Ein unfassbares
Ereignis, das eben nicht nur ein Leben zerstörte, sondern auch die Hoffnungen
aller, die auf ihn vertraut haben.
Hier geht es um mehr, als um Trauer! Und
dann erleben sie den nächsten Schrecken: Ein Erdbeben erschüttert den Boden, die
vorsorglich aufgestellten Wachen fallen in Ohnmacht, ein Engel öffnet das Grab
– und es ist leer. Panik macht sich breit. Der Engel spricht: „Ihr sucht den
Gekreuzigten, er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat und
nach Galiläa gegangen“. Das alles können wir uns ganz schwer vorstellen: Was
genau ist hier geschehen? Die Auferstehung selber wird ja gar nicht berichtet,
nur ihre Wirkung. Mit Furcht und Freude laufen die Frauen davon, eine wahrlich
beindruckende Gefühlsmischung! Und schließlich sehen sie auch den
Auferstandenen, und auch er sagt: Fürchtet Euch nicht!
Denn das ist im Grunde der Kern
der österlichen Botschaft. „Fürchtet Euch nicht!“ Denn die Furcht ist die
Quelle allen Übels: Menschen töten aus Angst. Aus Angst zu kurz zu kommen, aus
Angst, vergessen und übersehen zu werden, aus Angst, ausgegrenzt und nicht
geliebt zu werden, aus Angst von Gott verworfen zu werden. Das Reich Gottes aber
ist das Reich, in dem die Angst besiegt ist, weil der Tod besiegt ist. Fürchtet
Euch nicht vor Gott, denn er liebt Euch uneingeschränkt und will das Böse
nicht. Fürchtet Euch nicht vor den Menschen, denn sie haben genauso Angst wie
ihr!
Wem diese Botschaft zu wenig ist,
wer meint: Hier müsse doch mehr sein, hier müsse doch mehr geschehen – der
prüfe sich, ober er nicht schon auf dem Pfad ist, mit Gewalt durchsetzen zu
wollen, was doch nur mit Liebe, Sanftmut und dem Wort durchgesetzt werden kann.
Das ist unsere Hoffnung für diese Welt voller Gewalt und Tod: dass dieser
Glaube Frieden bringen kann und aller Menschenverachtung in Religion und
Politik ein Ende macht. Und in diesem Glauben können wir auch beten für unsere
Geschwister im Glauben, die um dieses Glaubens willen getötet worden sind und
für die, die um sie trauern. In diesem Glauben können wir auch beten für alle,
die im Grab von Hass und Verachtung gefangen liegen, dass Gott sie erleuchten
möge - wie er die drei Frauen am Grab
und nach ihnen alle Apostel und Zeugen erleuchtet hat zu Boten des Friedens.
Mehr als diese Hoffnung haben wir nicht.
Aber eine Hoffnung zu haben, ist das
stärkste Mittel gegen die Angst: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig
auferstanden! Hallelujah!.
Fürbitte
Herr, unser Gott, durch Deine
Auferstehung hast du den Tod besiegt und die Mächte des Todes in ihre Schranken
verwiesen. Sie ist das starke Zeichen deiner Liebe, die noch ihren Feinden
vergibt. Dafür danken wir dir, darüber freuen wir uns, daraus leben wir.
So bitten wir dich:
Lass Christus auferstehen in
unseren Herzen und in den Herzen aller, die gefangen sind im Grab der Angst,
der Verzweiflung und des Hasses. Schenke den Regierenden Weisheit und
Nüchternheit, den Völkern Geduld und Großmut. Denen, die in deinem Namen Töten,
falle in den Arm, heile ihren Irrtum. Widerspreche denen, die dein Wort
missbrauchen, um Menschen zu demütigen und zu erniedrigen. Lass Deine Kirche
ein Botin des Friedens sein, die selbst Versöhnung mit den ärgsten Feinden
sucht. Erweiche die harten Herzen, rolle alle Steine weg, die auf unserer Seele
liegen, schaffe den Armen Gerechtigkeit, tröste die Trauernden, nimm die Toten
bei dir auf. Lass das Wort der Freude in die Welt gehen und gehört werden: Er
ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.