Einer trage des andern Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi
erfüllen. Gal 6,2
Liebe Jubelkonfirmanden, liebe
Gemeinde,
Schwestern und Brüder im Herrn!
Die Konfirmation gibt es seit 475:
sie hat sich in ihrem Ablauf kaum verändert, wir benutzen im Gottesdienst noch
fast diesselben Worte. Die Konfirmation verbindet die Generationen, und auch
heute lassen sich noch über 90% aller Jugendlichen konfirmieren.
Und doch hat sich vieles, fast
alles geändert. In den 60, bzw. 65 Jahren seit Eurer Konfirmation hat sich die
Welt mehr verändert, als in den 500 Jahren vorher.
Und ich meine damit nicht nur die
ganze Technik. Ich meine damit nicht nur die Veränderungen durch Auto,
Fernsehen und dem, was früher einmal das Telefon war. Auch den Computer und das
Internet meine ich nicht. Das alles wissen wir, und ich weiß, dass viele von
Euch Älteren damit vielleicht manchmal überfordert sind – mit geht es oft auch
schon so. Aber andererseits: Hättet ihr Euch, 1949, kurz nach dem Krieg oder
1954, als das Wirtschaftswunder so gerade anfing, träumen lassen, dass es Euch
einmal so gut gehen wird? Allein der medizinische Fortschritt ist gewaltig und
hat das Leben gerader älterer Menschen sehr verändert!
Es wird viel geschimpft auf die
modernen Zeiten, und manches Schimpfen ist ja auch berechtigt. Abe bei Lichte
betrachtet: es geht uns gut, unglaublich gut. Wir sind Gesegnete, jedenfalls
rein äußerlich. Doch ich glaube, die größte Veränderung hat im Inneren
stattgefunden. Ich will Euch kurz schildern, was ich meine. Ich fand zu Hause im
Altpapier einen Prospekt von einer Buchhandlung, da wurde ein Buch für Mädchen
angepriesen. Es hat den Titel:
„Wie es ist, ein Mädchen zu sein.“
Und in der Anpreisung heißt es: „Mädchen lieben Pink und stehen auf Jungs – ist
da wirklich immer so? Und wer gibt eigentlich solche Regeln vor? Dieses Buch
fordert Mädchen auf genau hinzuschauen, die bekannten Rollenmuster zu
hinterfragen – und Spaß zu haben, sich einfach selbst zu erfinden“.
Das hat mich sehr bewegt, Genau so
ist es. Die Jugendlichen heute haben ein Problem, das von euch mit Sicherheit
keiner hatte. Ein Mädchen ist ein Mädchen, und was die zu tun und wie die zu
leben haben, war doch völlig klar. Immerhin war es für Euch schon recht
selbstverständlich, einen Beruf zu erlernen oder zumindest Geld zu verdienen,
aber spätestens bei der Heirat war doch klar, wie es weitergeht. Ihr musstet
Euch nicht neu erfinden. Ihr lebtet, wie schon Eure Mütter und Väter gelebt
haben, etwas moderner, aber doch in den vorgegebenen Bahnen. Und es waren ja
auch schwierige Zeiten, so direkt nach dem Krieg. Doch innerlich schien die
Welt noch in Ordnung: die Frage, was mach ich mit meinem Leben, was soll aus
mir werden, wie erfinde ich mich, hat sich so auch nicht gestellt, und den
Jungen ganz gewiss auch nicht. Die Kinder heute stehen da viel mehr unter
Druck, ihnen wird zumindest vorgegaukelt, dass sie alle Möglichkeiten der Welt
haben, dass sie im Grunde die Wahl haben. Aber wie soll man sich entscheiden? Wer gibt eigentlich die Regeln vor? fragt das
Buch, und die Antwort lautet: Am Ende musst du es selbst machen! du gibst dir
die Regeln vor. Und dann wirst Du Spaß haben. Das ist sicherlich ein Wort, das
für Euch damals noch gar keine Rolle gespielt haben wird. Dass das Leben Spaß machen muss, ist nur wirklich ein
ganz und gar moderner Gedanke. Früher suchte man sein Glück, das aber ist etwas
ganz anders als „Spaß“
Wir wissen, dass das nicht gut
gehen kann, wenn man im Leben nur Spaß haben will und danach seine Regeln
aussucht. Wenn jeder seine Regeln selbst
erfinden und sich selbst aussuchen kann, an was er sich hält und an was nicht,
dann zerbricht eine Gemeinschaft. Gemeinsame Regeln sind wichtig für das
Zusammenleben. Zu Eurer Zeit war das noch völlig klar. Und darum haben die Pfarrer
damals – und es gab ja noch keine Pfarrerinnen – so darauf gedrängt, dass ihr
vor allem Regeln auswendig lernt, die Gebote, das Glaubensbekenntnis, aber auch
viele Lieder und Bibelverse, die euch helfen sollten im Leben klar zu kommen.
Denn damals konnte man sich noch einigermaßen darauf verlassen, dass diese
Regeln für alle galten. Dass das schon damals nicht wirklich stimmte, und
Nazizeit auch auf diesem Gebiete eine großer innere Zerstörung angerichtet
hatte, war den wenigsten bewußt. Man war sich im Grunde einig, wie das Leben
sein sollte. Arbeit und Fleiß, etwas schaffen, gemeinsam etwas aufbauen, damit
bessere Zeiten kommen.
Das ist heute ganz anders. Wir
müssen mit den Jungen Menschen darüber reden, warum Regeln gelten, wozu sie da sind
und woher sie kommen. Wir müssen für den Glauben, der uns die Regeln gibt,
werben, und wir müssen es oft genug sogar schon gegen die Eltern und gegen die
Schule tun, bei denen der Glaube oft gar keine Rolle mehr spielt. Der
christliche Glaube mit seiner Vorstellung davon, wie das Leben gelingen kann,
ist nicht mehr selbstverständlich. In diesem Sinne haben es die jungen Leute
heute viel schwerer als ihr, auch wenn sie auch vom äußeren Leben her ein sehr
viel angenehmeres Leben führen, als ihr damals. Jedenfalls auf den ersten
Blick.
Und darum habe ich den
Wochenspruch als Motto über Eure Jubelkonfirmation ausgewählt, denn er nennt
eine ganz einfache Regel, mit der das Leben gelingen kann, eine Grundregel
dessen, was für uns Christen wichtig und richtig ist: „Einer trage des anderen
last, dann werdet ihr das Gebot Christi erfüllen“. Es geht im Glauben um die
Liebe. Und Liebe bedeutet für uns Christen: Wertschätzung, Respekt und
Vergebung. Denn nur so kann das Gemeinschaftsleben gelingen. Gerade Eure Generationen
hat eine erstaunliche gemeinschaftliche Leistung erbracht, Ihr habt unsere
moderne Wohlstandsgesellschaft erarbeitet, und dafür müssen wir Nachgeborenen
Euch danken. Einer war für den anderen da, weil niemand in der Lage war, die
Aufgaben in dem zerstörten und innerlich zerrissenen Land, das Deutschland
damals war, allein zu lösen. Es ging nicht zuerst um Euch, es ging nicht um die
Frage, ob und wie ihr Euch erfindet, es ging darum, die Aufgabe zu lösen, das
Land wieder auf Vordermann zu bringen und für alle Gerechtigkeit und Wohlstand
zu schaffen. Ich merke es immer sehr deutlich, wie tief das in Euch
eingepflanzt wurde, und wie sehr gerade Eure Generation oft überhaupt nicht mit
dem Verhalten der jungen Menschen klar kommt, die, so scheint es jedenfalls,
immer zuerst an sich denken. Darum ist es so wichtig, dass die Generationen
zusammenarbeiten und zusammenhalten. Wir
können und müssen voneinander lernen. Die Konfirmation ist nach wie vor ein
Fest, in dem ein Teil des Lebens, die Kindheit abgeschlossen ist. Für Euch
begann damals der Ernst des Lebens, und es wird auch bei Euch für manchen ein
Schock gewesen sein, in die Welt der Arbeit einzutauchen: Als Stift, wie man
damals sagte, als Haushaltshilfe oder einfach nur als Ungelernter, Hauptsache,
man hatte Arbeit, Lohn und Brot. Nur wenigen machten nach der Konfirmation mit
Schule weiter, am wenigsten die Mädchen.
Heute findet die Konfirmation mitten in der Jugend statt, die meisten haben den längeren und schwierigeren Weg der
Ausbildung noch vor sich: manch einer braucht nach der Konfirmation noch fast 10
Jahre, bis er wirklich eigenständig leben kann, in dem Alter, in dem ihr Eure
Kinder schon entlassen hattet, bekommen heute viel erst ihre Kinder.
Da hat sich die Welt am meisten
verändert. Und da wünsch ich mir, dass die Alten und die Jungen gut miteinander
ins Gespräch kommen, um voneinander zu lernen. Da ist die christliche Gemeinde,
ist die Kirche, genau der richtige Ort für. Denn der Glaube gilt für alle
gleichermaßen, man muss sich nicht neu erfunden haben, um zu Gott zukommen. Zum
Abendmahl sind heute alle geladen: jung und alt. So lernen wir, wie wichtig der
Zusammenhalt der Generation ist. Einer trage des anderen Last:
Das ist ein guter, ein starker
Satz über Generation hinweg! Ich wünsche Euch, dass ihr Euch mit Dankbarkeit
und Freude daran erinnert, konfirmiert worden zu sein. Das ihr, gerade an einem
Tag wie heute, die Spuren Gottes und seines Segens in eurem Leben findet und
dankbar annehmen könnt, dass der Trost und die Ermutigung des Glauben euch
helfen und bewahren, auch die Lasten des Älterwerdens gut zu tragen – und dass
ihr den Kontakt, die Nähe und die Gemeinschaf mit den jungen Menschen nicht
verliert, die viel mehr als ihr es sein musstet, auf der Suche sind danach, wie
das Leben gelingen kann: Von Euch können sie es erfahren. Da habt ihr, als
Jubelkonfirmanden, immer noch eine gute, eine wichtige, eine starke Aufgabe,
für die Gott Euch Kraft, Mut und Humor schenken möge. Damals wurdet ihr
vollgültige Mitglieder der Gemeinde Gottes: Ihr seid es auch heute noch. Der
alte Segen ist nicht erloschen, er ist stark wie damals. Möge die gemeinsame
Feier des Mahles Euch und uns immer daran erinnern. Wir können die Lasten des
Lebens gemeinsam tragen, weil Gott, der in Jesus Christus Mensch wurde, uns
tragen hilft und uns durch sein Wort, durch Brot und Wein und durch sein Wort
beisteht. Bis in Ewigkeit.
Amen.
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