Montag, 30. September 2013

Predigt zum „Kuckucksfest“, Altenritte, 1. 9. 2013, 14. S.n. Tr.; 1. Mose 28, 10-19a



Predigt zum „Kuckucksfest“, Altenritte, 1. 9. 2013, 14. S.n. Tr.; 1. Mose 28, 10-19a


Liebe Festgemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!


Ich habe einen Traum, den vor mir schon so viele geträumt haben: Den Traum vom Frieden, den Traum vom guten Leben, den Traum davon, als Mensch auf dieser Erde leben zu können ohne Angst und ohne Furcht in der Gemeinschaft der Lebendigen.


Ich habe einen Traum, dass Nachbarn sich vertragen und Arbeitskollegen sich mögen.


Ich habe einen Traum, dass Feinde sich in die Arme fallen und der Hass sich verwandelt ich Freundschaft.


Die tiefen Gräben, die Menschen trennen, sollen geflutet werden mit dem Wasser der Liebe, sodass die Boote der Versöhnung auf ihnen fahren können.


Schon die Kinder sollen das Hauen verlernen und die Erwachsenen die Furcht verlernen, einander in den Arm zu nehmen.


Ich haben einen Traum, dass wir einander die Wunden, die wir uns geschlagen haben, mit der Watte der Barmherzigkeit austupfen und mit der Salbe der Wertschätzung heilen.


Und wenn wir feiern, dann kommen wir dem Traum sehr nahe. Festzeit ist Traumzeit. Wir verlassen die Burgen unserer Häuser uns setzen uns ins Offene von Zelt und Biergarnitur. Hinter uns bleiben die Sorgen und Nöte des Alltags, und Freude und Tanz und Musik und Essen stehen in der Mitte. Wenn wir feiern, feiern wir immer das Leben, wenn wir feiern, feiern wir immer den Menschen, und wenn wir feiern, dann feiern wir immer auch Gott, der uns alles geschenkt hat.


Wenn wir feiern, dann spüren wir die Welt, wie sie sein könnte, wenn wir nicht die wären, die wir sind.






Wie aber können wir die Traumzeit des Feierns, die Freude des Festes, die Leichtigkeit des Sonntag hinüberretten, hinübernehmen in die tägliche Mühle der Mühe? Indem wir uns Orte der Erinnerung bauen und so den Traum festhalten. Nicht, wie die Träumer, die in den Himmel starren, sondern wie klare, weitsichtige Menschen, die furchtlos die Augen nach vorne richten, wo die Zukunft ist. Denn auf die Zukunft richtet sich der Glauben aus. Das teilt er mit dem Traum. Doch der Traum legt sich die Welt zurecht, wie er sie haben will. Der Glaube aber sieht die Welt, wie sie ist. Der Träumer träumt sich aus dem Leben heraus. Der Glaube träumt sich ins Leben hinein.






So will ich Euch, weil es der Predigttext von heute ist, die Geschichte erzählen von Jakob, dem Träumer. Der hat geträumt, und weil er geträumt hat und an Gottes Traum festhielt, konnte er das Leben in Angriff nehmen und der starke Vater eines ganzen Volkes werden.


Jakob, der Sohn von Isaak, der Enkel von Abraham, hat einen Zwillingsbruder, der heißt Esau. Jakob ist ein Feiner, Esau ist der Grobe. Jakob ist clever, Esau ist einfältig. Jakob ist ein Mutters Liebling, Esau ist Vaters Augapfel. Denn Esau ist der Erstgeborene. Auch bei Zwillingen gilt: Einer kommt zuerst! Und wer zuerst kommt, der erbt. Doch Jakob hat schon bei der Geburt Schwierigkeiten gemacht. Sein Name, hebräisch Ja´akof bedeutet: „Der Fersenhalter“. Er hatte seinen Bruder am Fuß gepackt, als wolle er sich schon im Geburtskanal vordrängeln. Und auch später: Der kluge Jakob stach seinen großen und groben Bruder Esaus aus. Mutter Rebekka wollte, dass Jakob der Erbe wird, nicht der Grobian Esau. Und so verabredeten sie ein Komplott, die Mutter und der Sohn, wie man den Vater um den Segen betrügen kann. Denn Esau war behaart, von Kopf bis Fuß, Jakob aber war fein und rosig und glatt. Daran konnte der alte und blinde Vater Isaak die beiden unterscheiden: Er fasste sie an die Arme, und spürte so, wen er vor sich hatte. Und eines Tages, als Jakob alt war und sein Stündlein kommen sah, rief Esau zu sich und bat ihn, ihm ein Stück Wild zu jagen und zuzubereiten, und dann werde er, Issak ihn, den Erstgebornen Esau, segnen. Was Issak nicht wusste: Jakob, der Clevere, hatte seinem begriffsstutzigen Bruder Esau das Erstgeburtsrecht abgekauft: für einen Teller Linsensuppe. Der war Esau lieber als irgendein Recht, von dem er nichts verstand. Und so musste Jakob es jetzt nur fertigbringen, auch noch seinen alten blinden Vater hinters Licht zu führen, damit er den Segen bekommt. Was tun?


Rahel, die kluge Mutter schlachtete ein Schaf, bereitete es als Wildpret zu und gab ihrem feinen Sohn das Fell, dass dieser sich über den Arm streifte.


So ging er zu Isaak ins Zelt, dieser aß das vermeintlich Wild, dann winkte er Jakob zu sich heran, der mit verstellter Stimme sprach, fühlte am Arm, wer es sei, fand dort struppige, übel riechende Locken – und segnete den Zweitgeborenen, weil er dachte, es wäre Esau. Jakob nun also war sein Erbe sein. Segen ist Segen, das war für die Alten unumstößlich wie ein Versprechen.


Als Esau von der Jagd nach Hause kam mit großem Getöse und erfuhr, was geschehen ist, gab´s Riesenkrach und machte sofort Jagd auf seinen Bruder. Der aber hatte schon das Weite gesucht, und ging in Richtung Haran nach Osten zum Bruder seiner Mutter, Laban, der auch ein feines Kaliber war, aber die Geschichte erzähle ich ein andermal.


Auf der Flucht also, und wahrlich nicht ohne Grund, legt sich Jakob erschöpft uns müde inmitten in der Wüste, mit einem Stein unter dem Kopf, dass ihm nicht Viehzeug in die Ohren kriecht, auf den Boden.


Und jetzt geschieht´s. Wir hören die Bibel im Original: „Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.


15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. 16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! 17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.


Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goß Öl oben darauf.“






Der Obergauner und Familienbetrüger Jakob hat einen Traum, der sein Leben verändert. Er träumt von Gott, er träumt vom offenen Himmel. Er sieht eine Treppe, oben sitzt Gott, die Engel steigen auf und ab. Ein Treppenheiligtum, wie es gar nicht selten war in der Antike im Orient, wo die Tempel, wie hier in Altenritte die Kirche, oft auf einer Höhe standen und man Stufen hinaufgehen musste zum Wohnort Gottes. Und Jakob hört, und was er hört, ist doch ungeheuerlich. Es ist eine Verheißung, ein Zusage. Ihm, dem Betrüger und Schlitzohr, werde Gott treu sein, wie er es seinem Vater versprochen hat. Ihm, dem Betrüger, sagt Gott zu: „Durch Dich und Deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe“.






Warum tut Gott das? Weil er sich an seine Versprechen hält und Segen nicht zurücknimmt, egal, was wir Menschen tun. Gott ist nicht moralisch, Gott setzt auf die Kraft von Liebe und Versöhnung, Gott ist barmherzig. Mit dem Traum von der Himmelsleiter macht er Jakob innerlich stark, seinen Weg zu gehen, und es wird ein langer Weg, Über 40 Jahre wird Jakob in der Fremde leben, vier Frauen wird er heiraten, 12 Söhne wird er bekommen und eine Tochter, reich wird er werden und angesehen, aber immer auf der Flucht. Immer voller Angst vor Esau. Das ist der Schatten über seinem Leben. Bis er die Kraft findet, umzukehren und heimzukehren. Bis er die Kraft findet, sich vor Esau zu stellen und um Vergebung zu bitten. Bis Jakob, im wahrsten Sinne des Worte, über den Fluss des Zankes und Streites schreitet und sich vor Esau stellt und sagt: Hier bin ich, tue, was du für richtig hältst, aber verschone meine Familie.


Jakob hat die Kraft dazu aus einem Traum gewonnen. Jakob wusste Gott immer an seiner Seite. Jakob vertraute und glaubte, und das machte ihn stark, sein Leben zu leben, klug, besonnen und kraftvoll. Jakob glaubte dem Traum von der Himmelsleiter. Jakob war ein ganzer Kerl, ein ganzer Mann, ein ganzer Mensch, weil er auf Gott vertraute, auf seinen Traum von Gott, und so das Leben lebte. Und so fand er die Kraft, um Vergebung zu bitten und bekam dafür Frieden. Esau und Jakob lagen sich weinend in den Armen. So geht er aus, der Traum. Und die Steine, die Jakob aufgerichtet hat, sie standen immer noch und erinnerten an den Tag und die Stunde, wo Jakob träumte von Gottes Nähe.






Wir träumen immer noch Jakobs Traum. Vor 50 Jahren hielt Martin Luther King seine berühmte Rede in Washington: I have a dream, „Ich habe einen Traum“, in der er die Vision vom Frieden zwischen den Rassen und den Menschen beschwor, und es war der Traum des Glaubens, den der fromme schwarze Pfarrer da träumte, der Traum des Jakobs vom offenen Himmel und dem großen, einigen Gottesvolk. An diese große Rede dieses großen Träumers habe ich mich angelehnt: Träume sind Aufrufe, die Welt zu verändern, aus der Gewissheit heraus, dass Gott mitgeht.


Wir träumen nämlich immer noch Jakobs Traum.


Er sollte der Vater eine großen Volkes werde, und aus diesem Volke stammt Jesus Christus, als direkter Nachfahre. Und Jesus öffnete uns den Himmel erneut, wie es Jakob träumte. Durch Tod und Vernichtung hindurch schenkt uns Jesus den Traum der Liebe und des guten Lebens, Und er gab uns diesen Traum mit auf den Weg: Feiert das Leben, feiert die Schöpfung, feiert den Ort, den Gott sich erwählt hat, um dort zu wohnen und macht daraus einen Ort des Friedens und des guten Lebens. Jede Kirche erinnert daran, Jede Kirche ist der Denkstein dafür, dass Gott uns nahe ist bis an der Welt Ende. Bethel war ein fremder Ort in der Wüste. Durch Jesus aber ist etwas geschehen: Durch ihn ist der Ort, wo Gott wohnt, überall dort, wo sich Menschen im Namen Jesu versammeln, als JETZT, HIER und HEUTE „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Wir sind es, Schwestern und Brüder, Nachbarn und Freunde, Kollegen und Kolleginnen, Damen und Herren, wie immer ihr Euch anredet und angeredet werden wollt: Wir sind es, die heute hier unter Gottes Wort stehen, und damit am Ort, wo Gott wohnt. Wie Jakob den Stein mit Öl übergossen hat, um ihn zu heiligen, sind wir mit Wasser übergossen worden in der Taufe. Jeder von uns, der Gott übergeben wurde, ist Bethel, ist der Ort, wo Gott wohnt. Die wahre Kirche ist nicht aus Stein, sondern aus Fleisch und Blut.






Ihr feiert Kuckucksfest, Ihr feiert Euch selbst und feiert, die die neu dazugekommen sind. Mit der Kuckuckstaufe knüpft ihr an die Taufe an: Ein Traumsymbol für die Neue Gemeinschaft. Was für eine schöne Idee, was für ein schöner Traum von Gemeinschaft. Und damit seid ihr auch für diese Tage in der Traumzeit vom guten Leben. Vergesst diese Tage nicht, wie Jakob seinen Traum nicht vergessen hat und wir Christen unseren Traum nicht vergessen. Die Welt braucht es, dass wir den Glauben leben. Die Welt braucht das Wort Gottes, wenn sie in Frieden und Gerechtigkeit leben will. Die Welt braucht es, dass wir in Gemeinschaft leben, wir brauchen es.


Die Kinder, damit sie fest werden innerlich und stark,


die Jugendlichen, damit sie ihren Weg finden ins Leben hinein und nicht hinaus,


die Berufsanfänger, damit sie nicht zu leben vergessen vor Arbeit und Karriere,


die Mittleren, wie ich, damit wir nicht der Müdigkeit und der Resignation verfallen,


und die Alten, damit sie nicht gefangen sind in der Vergangenheit, sondern auch nach vorne blicken können, wo das Leben ist, das uns verheißen ist.


Darum freut es mich so, Euch am Kuckucksfest zum ersten Mal zu begegnen. Wir träumen hier für eine Stunde eine Traum, für ein paar Tage einen Traum, und wenn ihr wollt, träumen wir ihn weiter, Sonntag für Sonntag, im Hause Gottes, wo wir gesagt bekommen, dass Gott uns nicht verlässt, was immer wir tun, wo immer wir sind.






Wer vom Himmel träumt, spürt, wie kostbar die Erde ist.


Wer vom Himmel träumt, sieht die Heimat mit neuen Augen: Das ist der Ort, wo man gut leben kann: der Ort, wo Gott wohnt.


Möge Segen darauf liegen heute, morgen, jeden Tag.


Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.