Montag, 30. September 2013

Predigt Zeltkirmes Großenritte, 22.9. 2013. Von Rittern und Ritterinnen.

Liebe Kirmesburschen samt Kirmesvater, liebe Festgemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!


Ich glaube, es gibt kaum einen Traum, der so tief in den Herzen der Menschen verankert ist wie der vom edlen Ritter. Das habe ich gemerkt, als ich die Webseite der Zeltkirmes aufrief, schon vor Wochen, und den Ritter sah, der da kniet, auf Schild und Schwert gestützt, mit gesenktem Haupt.
Und da habe ich auflachen müssen, weil mir plötzlich klar wurde, dass auch mein alter Kindheitstraum auf eine bemerkenswerte Weise in Erfüllung geht: Ich werde, spätestens nach unserem Umzug im Oktober, auch ein „Ritter“ sein. Es war für mich auch schon deswegen immer ein Kindheitstraum, weil ich ja mit Vornamen Roland heiße – und die Rolandssage ist die Rittersage schlechthin, für das gesamte Mittelalter war Roland der edle Ritter, so wie er, wollten alle sein: Opferbereit, Höflich, Mutig, Edel.

Warum aber sitzt das so tief? Ist ein Ritter nicht letztlich eher etwas Abstoßendes und Furchtbares? Ein bis an die Zähne bewaffneter Mann, ausgebildet seit frühesten Kindesbeinen zum Töten mit den furchtbarsten Waffen: Schwert, Beil, Hammer, Lanze? Haben nicht Ritte mit dem Kreuz auf der Brust über Jahrhunderte unter den sogenannten „Heiden“ gewütet, so dass wir bis heute mit dem Islam ein getrübtes Verhältnis haben? Ist das Schwert nicht das Symbol für die Waffe schlechthin, für die Macht des Todes und die Fähigkeit des Menschen, anderer Menschen zu töten?  Steht der Ritter nicht für die schlimmste aller Verdrehungen von Religion: Für den sogenanntnen „heiligen Krieg“, die Vernichtung der Ungläubigen? Heitß es nicht im Evangelium: Wer das Schwert zieht, wird durch das Schwert umkommen?
/Schwert zeigen/
Gerade das Schwert ist starkes Symbol. Bis heute, auch im Zeitalter der technischen Waffen steht das Schwert für den Krieg, aber auch für die Gerechtigkeit. Steht es für Gewalt, aber auch für die Macht, Gewalt einzudämmen. Und dieser Traum vom Schwert wird immer noch geträumt: Heute freilich nicht mehr hoch zu Ross mit eiserner Brünne und ehernem Schild, sondern mit Lichtschwert und Raumgleiter, als Yedi oder Dark Knight Batman, ja selbst Harry Potter braucht ein Schwert von Gryffindor, um den Drachen in der Kammer des Schreckens zu töten. Das Schwert ist starkes Symbol. Und der Ritter auch. Und er ist letztlich ein Symbol für das Gute, das Menschlich, eben für Ritterlichkeit und Höflichkeit, für Schutz und Beistand. So wie das Kreuz Christi für Auferstehung steht, und nicht für den Tod.
Edel ist der Ritter: er kämpft für das Gute. Er will nicht töten, sondern Töten verhindern. Er will nicht angreifen, sondern verteidigen. Ruhm und Ehre sind seine Ziele, aber nicht der eitle Ruhm von Macht und Geld, sondern der Ruhm, ein Schützer der Schwachen und ein Verteidiger der Ohnmächtigen zu sein, und nicht die eitle Ehre von Wichtigtuerei und Ansehen will er, sondern von Hingabe und Demut. Das ist das Ideal, das ist das Ziel. Und auch, wenn es immer wieder verfehlt wird, ja gerade, weil es immer wieder in sein schrecklichen Gegenteil verkehrt wird:
Ich möchte  Euch heute, euch Großenrittern und Großenritterinnen und all Euren Gästen, den Ritter und die Ritterin ans Herz legen. Das sind starke Bilder, aus denen wir die Kraft zum Guten gewinnen können, und zwar die Kraft für den täglichen Kampf, der auf uns wartet. In der Schule, an der Arbeit, in der Familie, am eigenen Körper, in der eigenen Seele spüren wir, wie das Böse, der Tod, die Mühsal, die Müdigkeit und die Resignation nach uns greifen.
Der Apostel Paulus hat das in unübertroffener Weise ins Bild gebracht. Er schreibt an seine Gemeinde in Ephesus, und er schreibt aus dem Gefängnis, wo er damit rechnen muss, um seines Glaubens willen zum Tode verurteilt zu werden, und er schreibt an eine Gemeinde, die in sich zerstritten ist, in der es Grüppchenunwesen gibt und Streit über den richtigen Weg des Glaubens, und er schreibt:

10 Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.
11 Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels.
13 Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.
14 So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit
15 und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens.
16 Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen,
17 und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.
18 Betet allezeit mit Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit aller Beharrlichkeit im Gebet für alle Heiligen

Nichts anderes als einen Ritter des Lichtes beschreibt er hier, eine Ritterin des Lichtes. Ja, das gilt auch für Frauen und Mädchen. . Jahrhundertelang galt das alles nur für Männer, aber Paulus schreibt: Es gibt da keinen Unterschied. Also, ihr Frauen und Mädchen, auch hier tragt diese Rüstung des Glauben. Der Panzer der Gerechtigkeit, die Stiefel der Boten des Evangeliums, der Schild des Glaubens, der Helm des Heils, und schließlich: das Schwert des Geistes, das Wort Gottes.
Das ist unsere Rüstung, Schwestern und Brüder, die tragen wir seit unserer Taufe. Es ist eine Schutzrüstung, aber auch eine Rüstung, die uns mutig machen soll im täglichen Kampf.
Ich finde das ein ganz starkes Bild. Wir haben es als Christen nicht leicht in der Gesellschaft, und überhaupt haben es Menschen, die für das Gute stehen, nicht leicht. Wir haben ja in der Lesung die Worte der Bergpredigt gehört, was das Gute ist:
Gerechtigkeit statt Rache. Gerechtigkeit bedeutet, auf Rache zu verzichten, auf Vergeltung, auf Hass und Heimzahlen. Das ist schwer. Wer vor uns hat in seinem Herzen irgendwo einen alten Hass sitzen, eine alte Verletzung, eine alte Kränkung und wartet nur darauf, sich zu rächen? Rache, so sagt ein klingonisches Sprichwort, ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Aber wie furchtbar ist das. Die Rache ist das Schlimmste, was es unter uns Menschen gibt. Weil sie nie aufhört. Weil sie immer neue Gegenrache erzeugt. In welchem Ort, in welcher Familie gibt es nicht Kriege, die schon Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte dauern, weil ständig es einer dem anderen heimzahlt? Das aber kann der Weg zum Frieden nicht sein. Es war eines der wichtigen Ziele des Rittertumes, die Rache zu beenden und Frieden zu stiften, Versöhnung anzubieten Und Gott fängt an. Gott ist nämlich entgegen allen Gerüchten, kein rächender Gott, kein wütender Krieger der dunkeln Seite der Macht, sondern er liebt. Und Liebe heißt: dem andern das Beste, das Gute zu wünschen, lieben heißt zu wollen, dass der andere lebt, lieben heißt in letzter Konsequenz: das Leben des anderen höher schätzen als das eigene.

Darum gehört zu echter Ritterlichkeit auch die Feindesliebe. Hier geht es nicht um Sympathie. Ich soll den, der mich verletzt und gekränkt hat, nicht plötzlich sympathisch finden. Es geht hier nicht um die Aufforderung zum Rumschleimen, das ist ekelhaft. Sondern Du sollst Dir eine Frage stellen: Wer ist Deines Feindes ärgster Feind?
Und die Antwort lautet: Du bist deines Feindes ärgster Feind. Darum hast Du auch die Macht und die Kraft, es zu beenden. Das ist mit Feindesliebe gemeint. Unsere Feinde halten uns den Spiegel vor: von ihnen können wir am meisten lernen über uns. Das war immer schon die Spitze der Ritterlichkeit.
Dass Krieger, dass Soldaten dazu gebracht worden sind, die Feinde persönlich zu hassen, ist eine Erfindung der Moderne und eine der Wurzeln des modernen Terrorismus. Der Heilige Krieg, der den Unglauben ausrotten will, ist das perverseste, was es auf der Erde gilt: hier wird mit dem Heiligen Schindluder getrieben. Das ist wahrhaft teuflisch, und hier gilt der Satz: wer sein Schwert erhebt, wird durch das Schwert umkommen.
Und wir wissen, dass dieses Denken – den Feind zu vernichten -  bis unser Wirtschaftsleben vorgedrungen ist. Hier herrscht Krieg, und das ist fruchtbar, denn wie jeden Krieg müssen es vor allem die kleine ausbaden, die Zivilisten, die Schwachen.

Ihr merkt, worauf es hinausläuft. Paulus ruft uns auf, Ritter und Ritterinnen des Lichtes zu werden, Kämpfer für das Gute und die Liebe, mutig, einsatzbereit. Das ist das Ideal, und wir sollten nicht davon ablassen, wo wir doch den Ritter im Namen tragen – mit ein bisschen Augenzwinkern und Humor kommt man nämlich besser durchs Leben.

Wir, liebe Gemeinde, sind berufen, Ritterinnen und des Lichtes zu sein, Kämpfer und Kampferinnen für das Gute im Alltag.
Wer also ist so ein Ritter, so eine Ritterin?
Feuerwehrmänner und Frauen, Rettungssanitäter, fallen einem sofort ein, aber ich sehe auch die junge Frau mit den Ringen unter den Augen, die 8 Stunden an der Kasse sitzt und zu Hause ihre demente Mutter pflegt, und noch Zeit findet, ihre Kinder in der Schule zu unterstützen.
Ich sehe den Bankangestellten, der dem klammen Kunden nicht auch noch einen gefährlichen Kredit aufschwätzt.
Ich sehe die Lehrerin, die Tag für Tag in die Klasse geht und sich bemüht, aufrechte, klar denkende Menschen zu erziehen. Ich sehe Menschen, die sich in der Politik engagieren zum Wohle der Allgemeinheit, und dafür Hohn, Spott, Missverständnis, ja sogar schiere Verachtung in Kauf nehmen müssen.
Ich sehe Schüler, die eingreifen, wenn sie mitbekommen, dass Mitschüler gemobbt werden. Ich sehe Krankenschwestern und Pflegedienste, die für einen Hungerlohn Übermenschliches leisten. Ich sehe den Superreichen, der seinen Reichtum in Stiftungen und nachhaltige Projekte investiert, ich sehe den Hip-Hopper in Schlabberhosen mit Stöpsel im Ohr, der aufsteht, wenn die alte Dame die Straßenbahn betritt.
Ich sehe dich und mich im alltägliche Kampf darum, Menschen zu werden, Menschen zu bleiben. Der wahre Ritter, die wahre Ritterin, ist längdt vom Ross herabgestiegen, so wie Gott aus einem fernen Himmel herabgestiegen ist und den Kampf für das Gute auf Augenhöhe aufnahm. Dieser Kampf endete am Kreuzt, denn im Kampf für das Gute ist alles erlaubt, aber eines niemals: Gewalt, weder psychisch noch körperlich.
Das ist der Kern unseres Glaubens, und auch der Kern des scheinbar so kriegerischen Bildes von der Geistlichen Waffenrüstung: Liebe, statt Gewalt, Versöhnung statt Rache, Hingabe statt Ausbeutung.

Heute aber stellen wir die Waffen in die Ecke. Wir feiern, wir machen Pause, wir genießen die Früchte unserer Arbeit. Wir zeigen uns die Zähne nur zum Lachen, wir singen, tanzen, wir reden, wir proben das Leben ohne Kampf und Not, wir zeigen uns von der besten Seite. Das ist der Sinn solcher Feste. Und darum gehrt dieser Gottesdienst dazu, und ich freue mich, dass er stattfinden kann: damit wir erinnert werden, dass wir in Gottes guter Schöpfung leben, die zu behüten und zu bewahren wir berufen sind. Die Taufe ist unsere Schwertleite, in der uns die Rüstung angelegt wird, mit der wird durchs Leben kommen: Mit offenem Visier, Auge in Auge, aufrecht und Mutig, und in ritterlicher Solidarität: Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, Junge und Alte, Fremde und Eingeborene, Fromme und Unfromme, Christen und Nichtchristen, Freunde und Feinde: hier und jetzt sind wir nur eines: Gottes geliebte Kinder, Ritter und Ritterinnen des Lichtes, Menschen im besten Sinne.
Wir sind das alles nicht aus eigener Kraft: Gottes Gabe ist es. So steht am Anfang allen Tuns, allen Kämpfens und allen Feierns das Gebet, die Einkehr, die Stille, das Hören auf das ermutigende Wort: Alle Kraft, die wir brauchen, zum Guten, kommt von ihm.


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