Samstag, 12. Dezember 2020

Postheroische Askese

 Es gibt Askese aus Zwang und Angst, Selbst- und Weltverachtung. Sie ist furchtbar, verlogen und letztlich gewalttätig. Und es gibt eine Askese aus Einsicht und Vernunft, aus Selbstliebe und Liebe zur Schöpfung. Sie bewahrt Leben und öffnet für Solidarität.Askese nur vom Verzicht her zu denken: das macht sie unmöglich. Askese als Befreiung zu denken: das öffnet ihre transformative Kraft. Askese meint: Üben, trainieren. „Nächstenliebe üben“ sagen wir. Aber es geht nicht darum, dass die Anderen meine Nächsten sind, sondern dass ich den Anderen zum Nächsten werde. Und das gilt auch für jene Anderen, die ich als meine Feinde bezeichne.  Und wenn mein Handeln für die Anderen schädlich ist,sollte ich mich zurückhalten. Hier ist Askese kein Zwang, sondern tätige Liebe, die mir und den Anderen Raum gibt zum Leben, anstatt Leben zu gefährden.Askese wird für mich zum Schlüsselbegriff für meine christliche Ethik des 21. Jahrhunderts. Da hat die Corona-Erfahrung etwas verstärkt, was ich eigentlich schon seit meiner Kindheit gelernt habe: „Teilen“ heißt nicht nur „abgeben“. Teilen heißt vor allem auch: Maßhalten.Und: Sich mäßigen. Nicht aus selbstverachtender „Bescheidenheit“. Nicht aus gebrochener „Demut“. Sondern aus einer Erfahrung der Kraft: wie wenig man braucht. Denn was ich als Fülle erlebe, hängt von meinem Bedarf ab. Askese trainiert, das Wenige zu lieben .Askese ist in der Überfluss- Verschwendungs- und Präsenzkultur etwas fundamental anderes als in einer Kultur der Knappheit, in der sie entwickelt wurde. Traditionelle Askese will weniger vom „Schlechten“, wobei das „Schlechte“ metaphysisch isoliert wird: Sex, Nahrung, Beziehung.Postheroische Askese will weniger vom „Guten“, das aber kontextuell definiert wird. Das heißt aber: zu dieser Askese gehört auch der „Verzicht“ auf einfache Lösungen. Das nämlich hat die klassische Askese gewalttätig gemacht. Askese und Gewalt müssen entkoppelt werden, wie auch ,Askese und Verdienst. Hier sehe ich Jesus, und stärker noch Paulus, sehr weit vorne. Es geht um „fröhlichen Verzicht“ nicht aus einem Gefühl des Mangels und Versagens, sondern der Fülle und der Kraft.Wir sollten auf Präsenzgottesdienste „verzichten“. Es liegt der Hauch des Todes auf ihnen. Es wäre ein Zeichen von Kraft und Stärke, von postheroischer Askese.

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