Montag, 14. Dezember 2020

Der Lockdown des Zacharias. Predigt zum Benedictus.

 Premium-Predigt (Bergmoser und Höller-Verlag) für den dritten Advent zum Benedictus Lk 1,67–79


Liebe Gemeinde, Schwerstern und Brüder im Herrn!

Wir sind in der zweiten Welle der Corona-Pandemie, und es zeigt sich: Sie ist deutlich heftiger als die erste Welle. Die Inzidenzzahlen sind, regional unterschiedlich, aber in der Summe, besorgniserregend hoch, die Zahl der Menschen in Intensivbehandlung an der Belastungsgrenze, die Zahl der Toten erschreckend. 

Der „Lockdown light“ bringt nicht den erhofften Effekt. In der Luft liegen strengere Maßnahmen bis hin zum wirklich harten Lockdown - und das vor und über Weihnachten. Die Situation ist angespannt. Denn an Weihnachten wird uns das noch viel härter treffen als im Frühjahr, weil die Erwartungen an das Weihnachtsfest viel höher sind. Hat uns der Lockdown im Frühjahr vor allem innerkirchlich sehr betroffen, würden härtere Maßnahmen über Weihnachten auch Menschen, für die Weihnachten längst kein religiöses Fest mehr ist, treffen. 

Es ist deutlich zu spüren, wie die politische und gesellschaftliche Debatte davon beeinflusst ist. Keiner traut sich so recht, zu sagen, was eigentlich zu sagen wäre: es muss einen harten Lockdown geben. Und so mehren sich auch die Stimmen innerhalb der Kirche, die sagen: Sollten wir als Kirchen hier nicht sogar vorangehen und aus Verantwortung und Nächstenliebe auf größere Veranstaltungen an Weihnachten von uns aus verzichten? 

Und es gibt genau andersherum die Stimmen, die sagen: Nein, gerade nicht, wir haben als Kirchen gezeigt, dass verantwortliche Gestaltung von Veranstaltungen möglich ist. Immerhin hat es im Bereich der verfassten Kirchen keinen größeren Vorfall, keinen „Cluster“, gegeben. Das stellt auch das diese Woche veröffentlichte Gutachten der nationalen Akademie der Wissenschaften „Leopoldina“ deutlich fest: Die Kirchen haben sich als so regelkonform erwiesen, dass für die Gottesdienste keine zusätzlichen härteren Regeln notwendig sind. Das ist auf jeden Fall schon einmal eine gute Nachricht, und vielleicht zeigt es doch, dass Glauben und Verantwortung gut zusammengehen. 

Doch wie auch immer: Wir erleben eine sehr besondere Adventszeit. Das Warten auf das Christkind, um es einmal ganz schlicht zu formulieren, wird überlagert vom Warten auf den Impfstoff und das Ende der Pandemie. 

Während der Impfstoff quasi in der Luft liegt, ist das Ende der Pandemie aber eher noch in weiter Ferne. 

Wie aber umgehen damit? Was tun, wenn doch der harte Lockdown kommt? Wie damit umgehen, dass auch unter den Bedingungen des sanften Lockdown Weihnachten dieses Jahr ein schwieriges Fest wird? Verlieren wir hier als Kirche, als glaubende Menschen, nicht etwas Wesentliches und Wichtiges? 

Nun, dahinter steht die Frage, worum es an Weihnachten überhaupt geht. Und faszinierenderweise gibt uns der der Predigttext, der uns für diesen Sonntag vorgegeben ist, da einen wichtigen Hinweis und eine große Hilfe. Er erzählt nämlich von einem Menschen, der einen sehr persönlichen Lockdown ganz eigener Art erlebt hat: Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer. 

Das Evangelium des Lukas erzählt uns ausführlich die Vorgeschichte der Weihna+chtsnacht, der Geburt Jesu. Denn die Geburt des Messias, des Erlösers, des lang erwarteten Heilands ist eingebettet in eine lange Geschichte der Hoffnung und des Wartens, sie reicht weit in die Geschichte des Volkes Israel hinein, die uns im Alten Testament überliefert ist. 

Zacharias war ein Priester am Tempel in Jerusalem, er stammt aus einer Familie von Priestern, wie auch seine Frau, Elisabeth, die zudem eine Cousine von Maria, der Mutter Jesu ist. Beide waren nach damaligem Verständnis schon sehr alt und kinderlos, Elisabeth war aus dem Alter, Kinder zu bekommen, schon hinaus. 

Das bedeutete für beide einen großen Kummer! Und nun geschieht etwas Unglaubliches: Während Zacharias im Tempel seinen Dienst tut, hat er eine Erscheinung. Ein Engel spricht zu ihm: „Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Johannes geben“ (Lk 1, 13). Der soll ein besonderes Kind sein, nämlich der Vorläufer und Prophet des Messias, des Christus. 

Zacharias aber hat einen Einwand: Wie soll das gehen? Meine Frau ist zu alt dafür. Er leugnet das Wunder, das hat Folgen. Denn der Engel antwortet: Du wirst verstummen und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die erfüllt werden sollen zu ihrer Zeit. 

Zacharias wird quasi in einen persönlichen Lockdown geschickt. Er kann die frohe Botschaft, die er gehört hat, nicht verkündigen können. Dabei betrifft sie sowohl sein persönliches Leben als auch das ganze Volk, ja die ganze Welt! Er bekommt sozusagen eine persönliche Kontaktsperre - eine sicherlich schwer zu ertragende Situation. Zacharias muss verstummen in einer Situation, die Reden erfordert. Er verliert sogar den Kontakt zu seiner Frau. Eine angespannte Situation. 

Nun wird Elisabeth schwanger und ist überglücklich. Freilich wäre sie noch glücklicher, wenn sie wüsste, was für eine besondere Schwangerschaft das ist – auch sie ist in einer Art Lockdown. Das Leben der beiden ist gedämpft. Beide ziehen sich ins Gebirge zurück, um mit der späten Schwangerschaft nicht zum Gespött der Leute zu werden. 

Allerdings erfährt Elisabeth dann doch, was geschieht: Sie bekommt nämlich Besuch von ihrer Cousine Maria, die damals noch ein ganz junges Mädchen war, unverheiratet, aber ebenfalls schwanger. Und als die beiden aufeinandertreffen, rührt sich in Elisabeths Mutterleib das Kind und der Heilige Geist kommt über sie. Sie erkennt, was geschieht: Maria trägt den Erlöser, sie trägt den Propheten, der ihn ankündigt. Aber auch das geschieht im Stillen, niemand bekommt davon etwas mit: Maria bleibt drei Monate bei ihr im Rückzug. Beide Frauen loben Gott und freuen sich - ganz für sich. 

Nun kommt die Zeit der Geburt, und Elisabeth bekommt einen Jungen. Die Menschen um sie herum freuen sich, und fragen: Wie soll er heißen? Elisabeth antwortet: Johannes! Alle wundern sich: Der Name ist in eurer Familie nicht üblich! Fragen wir den Vater. Der nun kann immer noch nicht reden, und so benutzt er ein anderes Medium, er schreibt auf eine kleine Tafel: Der Junge soll Johannes heißen. Mit einem Schlag wird klar, dass er alles wusste! Jetzt ist es öffentlich. Die ganze Geschichte, die bisher allen ein Rätsel war, wird klar. Und nun öffnet sich endlich der Mund des Zacharias. Aber anstatt eine lange Erklärung abzugeben, fängt er an zu singen: Er singt ein Gotteslob. Gott hat besucht und erlöst sein Volk, er löst seine Versprechen ein, die Zeit des Heils ist gekommen! Und er begrüßt seinen Sohn, nicht allein aus Vaterfreude, sondern weil er weiß: Jetzt geht in der Finsternis die Sonne auf, jetzt wächst aus dem vertrockneten Baum ein neues Reis, ein neuer Zweig, jetzt erscheint die Barmherzigkeit Gottes! 

Die Zeit des Lockdown ist zu Ende, die Zeit der öffentlichen Rede beginnt, nun können auch alle wissen, was es mit der Schwangerschaft der Maria auf sich hat. Auf eine Zeit des Schweigens, der Stille, der Kontaktarmut folgt eine Zeit des Jubels und der Hoffnung, eine Zeit des Neubeginnes mitten im Alten. 6 Monate später wird Jesus geboren, und die Geschichte nimmt ihren bekannten Lauf. 

Ein Lockdown, liebe Gemeinde, muss keine verlorene Zeit sein. Ein Lockdown, so hart er ist, kann auch eine Zeit der Besinnung sein, eine Zeit, in der sich die Dinge neu sortieren, eine Zeit, in der wir neu und intensiv darüber nachdenken können, was Erlösung, Heil und Gnade bedeuten, ein Lockdown muss keine Zeit der Trübsal sein, keine verlorene Zeit, sondern gefüllte Zeit. In der Tradition der Kirche war die Adventszeit, als sie noch nicht die „Vorweihnachtszeit“ mit ihrem Jubel und Trubel war, eine Fastenzeit, eine Zeit des inszenierten „Lockdowns“, des Innehaltens und der Besinnung, nichts, vor dem wir uns als Kirche fürchten müssen. Nun liegen die Dinge heute anders, es gibt durchaus Grund, sich zu fürchten, und der Lockdown, der uns blüht, kommt nicht von Gott. 

Aber die Geschichte des Zacharias kann uns Mut machen, auch das durchzustehen und als eine Zeit der Schwangerschaft zu verstehen, an deren Ende die Geburt des Lichtes mitten in der Finsternis steht. Das mag uns eine Hilfe sein durchzustehen, was da noch kommen wird, und mit den Mitteln, die wir haben, mit aller Vorsicht, aller Besonnenheit, aller Verantwortung auch weiterhin zu verkündigen, zu vermelden, zu singen, was Gott an uns tut. 

Wie Zacharias, der, weil er schweigen musste, es eben auf ein Täfelchen schrieb. 

Es gibt keinen Grund, die Hoffnung zu verlieren, nur weil es dieses Jahr nicht so ist wie immer. Und wer weiß: Vielleicht lernen wir Weihnachten und das Wunder, um das es geht, ganz neu kennen: Gott wird Mensch und nimmt, in der Zeit der Kontaktverbote, Kontakt mit uns auf. 

Das mag uns ein Trost und eine Stärkung sein in dieser ganz besonderen Adventszeit. Nehmen wir sie an, als Herausforderung, unseren christlichen Glauben gerade darin zu bewähren, dass wir in besonderer Weise Verantwortung übernehmen und so ein Zeichen des Lichtes zu werden, und wenn wir nicht singen können, so können wir doch innerlich frohlocken: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels. Denn er hat besucht und erlöst sein Volk“. 

Amen.

Fürbitte

Herr unser Gott, du führst uns durch schwierige Zeiten, die uns oft müde machen, zornig, resigniert und mutlos. 

Wir können nicht so handeln und sein, wie wir möchten, alles Gewohnte bricht gerade weg, und wir fragen uns: Wie lange noch? Und: Machen wir es richtig? 

Wir bitten dich: stärke uns mit deinem Wort, das uns ein Licht sein will in dieser seltsamen Finsternis. 

Stärke vor allem die, die schwere Entscheidungen fällen müssen, bei denen es oft sogar ums Leben geht. 

Stärke die, die erkrankt sind oder positiv getestet, stärke die, die mit ihnen leben. 

Stärke die, die einen Menschen verloren haben und jetzt nicht wie gewohnt trauern können. 

Stärke die Menschen, dass sie mit Zuversicht und Geduld ertragen, was verhängt wird, kritisch prüfen, was gesagt wird, tapfer tun, was getan werden muss. 

Sende den Regierenden Weisheit und Besonnenheit, den Geist der Versöhnung über Grenzen hinweg und Mut, das zu tun, was als richtig erkannt wurde. 

Sende uns den Geist der Zuversicht und der Geduld. 

Steh uns bei, wenn wir kleinmütig werden, wecke die Phantasie, andere Wege zu gehen. 

Verwandele die Zeit der Erstarrung in eine Zeit der Besinnung. 

Heile uns, Gott, unser Herr, an Leib und Seele, komm zu uns, wie du versprochen hast, rühre uns an in dieser Zeit der fehlenden Berührung.

Amen. 

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