Sonntag, 31. Dezember 2017

Vertrauen! Predigt zum Altjahresabend 2017, 2.Mose 13,20-22, Züschen.



2.Mose 13,20-22
20 So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.
21 Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.


Man könnte das Volk Israel ja nur beneiden: Gott ruft es aus der Gefangenschaft in Ägypten und lenkt sie durch die Wüste in das gelobte Land. Damit sie den Weg wissen, geht er ihnen voran: Tagsüber in einer Wolkensäule, nachts in einer Feuersäule. Wir könnten sie beneiden, darum, dass sie ihren Gott so klar vor Augen haben und ihn sehen.
Doch das funktionierte nicht wirklich. Wir kennen ja diesen Spruch: „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Sie haben ihren Gott gesehen, zumindest die Zeichen seiner Gegenwart. Aber geglaubt haben sie trotzdem nicht. Weil Glauben Vertrauen bedeutet. Und Vertrauen muss von beiden Seiten aufgebracht werden. Gott kann noch so viel für sein Volk tun: Wenn es nicht bereit ist, sich darauf einzulassen, wenn es der Zusage nicht vertraut, die Gott ihm gemacht hat, kann er noch so viele Beweise bringen. Sie werden es nicht glauben. Die Bibel erzählt: Das Volk hat den gesamten Weg durch die Wüste über ständig gemeckert, genörgelt und war unzufrieden. Sie hatten ihren Gott vor Augen, aber vertraut haben sie nicht. Deswegen dauerte ihr Weg durch die Wüste auch so lange: das Volk stand sich selber im Weg, weil es kein Vertrauen aufbrachte.

Ich denke, das kommt uns bekannt vor. Das vergangene Jahr war ganz besonders davon geprägt, dass wir eine Krise des Vertrauens hatten. Und zwar auf allen Ebenen. Ein paar Beispiele: Das Vertrauen in die Wirtschaftslenker ist geschwächt: Kein Wunder, nach den Betrügereien in der Automobilindustrie, die wirklich alles Bisherige überschreiten. Aber von den 3,4 Millionen anderen Wirtschaftsbetrieben arbeiten die allermeisten gut, zuverlässig und ohne Probleme und sorgen für eine extrem stabile Wirtschaft. Steht halt nur nicht in der Zeitung.
Das Vertrauen in das Recht ist bei vielen Menschen getrübt: Dabei ist es doch gerade unser Bundesverfassungsgericht, das im vergangen Jahr an einigen Stellen die Politik und die Gesellschaft in die Schranken verwiesen hat, was alle akzeptieren, die etwas zu sagen haben. Der Rechtsstaat funktioniert, selbst wenn einzelnen Behörden und Einrichtungen Murks bauen oder es immer wieder zu Härtefällen kommt, die dann freilich sofort in der Zeitung landen. Und so weiter und so weiter. Die allgemeine Unzufriedenheit, ja sogar lautstarke Empörung ist von außen gesehen an vielen Punkten nicht wirklich zu verstehen, wie uns so gut wie jeder bestätigt, der Deutschland von außen sieht. Das betrifft auch die Frage des Umganges mit den Flüchtenden, die zu uns kommen. Die Menschen kommen uns, weil sie um unsere Stabilität, unsere Sicherheit und nicht zuletzt um unseren Reichtum beneiden und daran teilhaben wollen. Niemand flieht auf ein sinkendes Schiff! Es ist unser Wohlstand, der uns hier in große Aufgaben führt und in die Pflicht nimmt. Doch diese Perspektive teilen nur wenige. Die Vetrauenskrise lebt davon, dass wir uns ganz schnell in Panik versetzen lassen, anstatt in Ruhe nachzudenken.
Was nicht bedeutet, dass hier alles in Ordnung ist und wir nicht eine Menge zu tun haben, alles noch besser zu machen oder Vergessenes, Übersehenes und Verdrängtes zu bearbeiten: da gibt es wahrlich genug! Aber für Katastrophengeschrei, Untergangsvisionen und Endzeitstimmung gibt es keinen Grund. Der Satz: „Früher war alles besser!“ ist schlichter Unfug. Die Israeliten sehnen sich bei ihrem Gemecker auch immer zurück an die Fleischtöpfe Ägyptens. Und sie blenden völlig aus, dass sie in Ägypten in entsetzlicher Unfreiheit und Bedrückung lebten. Sie scheuen die Mühe der Freiheit und vergessen, wie es war. Dabei könnten sie es besser wissen. Mose wird nicht müde, sie immer wieder daran zu erinnern.
Deswegen sendet Gott seinem Volk – und damit auch uns – eben nicht nur Zeichen für die Augen. Denn die sind doppeldeutig, die sagen noch gar nichts. Es muss noch etwas dazu kommen: eine Stimme. Es muss noch ein Wort dazukommen. Ein Wort, dass uns von Außen sagt, wie die Dinge stehen. Deswegen spricht Gott zu seinem Volk. Es ist das Wort Gottes, dass die Menschen zum Gauben führt. Wolkensäule und Feuersäule allein sagen noch gar nichts: das könnte ja auch ein Wetterspuk sein. Nur wer Gottes Wort gehört und verstanden hat und bereit ist, ihm Vertrauen entgegen zubringen, wird in Feuer und Wolke auch Gottes Führung und Leitung sehen. Zum Glauben gehört die Bereitschaft, sich einzulassen. Wer mit verschränkten Armen an der Seite steht und abwartet, wer meint von einer höheren Warte aus einen Überblick zu haben, wird am Ende entweder voller Furcht sein oder eine unerträgliche Besserwisserei entwickeln, die niemand mehr für voll nimmt oder in sektenhafte Spinnerei abdriftet.
Der Glauben beruht auf Vertrauen, und zwar nicht auf dem Vertrauen auf Menschen, sondern auf dem Vertrauen auf Gott. Dafür hat uns Gott Jesus Christus gesandt, der zu uns spricht, der uns mit Worte bewegt und mit seinen Taten überzeugt. Wollen wir Gewissheit, wollen wir Sicherheit und wollen wir unsere Angst verlieren, müssen, können und dürfen wir unser Vertrauen auf Christus richten. Er zeigt uns den Weg. Welchen Weg geht Jesus? Er geht auf Menschen zu. Er hört ihnen zu. Er fragt nicht nach Herkunft, Geschlecht, Religion oder Begabungen. Er fragt die Menschen nach ihrer Not und wie ihr abhelfen kann. Er weist die Übermütigen zurecht in aller Sanftmut, kann aber auch deutlich werden, wenn Gottes Barmherzigkeit in Frage gestellt wird.
Er verurteilt Menschen nicht, aber er rückt sie zurecht, wenn er spürt, dass sie aus Angst oder Hass auf einen für sie selber schädlichen Weg gekommen sind. Er spricht Trost zu. Er fordert nicht, er ermutigt. Er wartet nicht, er kommt auf uns zu. Er ist gelebte Versöhnung, gelebte Vergebung, er ist die Alternative zur Sünde, die uns auf uns selbst zurückwirft und uns vorgaukelt, wir wüssten Bescheid und kennten den Weg auch ohne ihn. Denn die Sünde ist die Quelle allen Geschreis und aller Panik. Sie ist die Wüste, in der wir wandern.
Und Jesus Christus ist unsere Wolke und unsere Feuersäule.
Am Ende eines Jahres blicken wir zurück, das ist gut. Das ist wichtig. Wir machen Bilanz, fragen und nach Gelungenem und Misslungenen, nach Freude und Schmerz, wir nehmen uns das eine oder andre vor. Und wir treten vor Gott mit dem Bekenntnis unserer Sünde: Nicht, weil wir elende Kreaturen sind, sondern seine geliebten Kinder, sein Volk, dass er ins gelobte Land führen will wie einst sein Volk Israel. Aber entmündigt uns nicht, gängelt uns nicht, sondern geht uns voran. Damit wir in Bewegung bleiben. Vergebung der Sünde meint: die Möglichkeit zum Neuanfang, Neuausrichtung auf die Feuer- und Wolkensäule.
Ich wünsche Euch allen, ich wünsche uns als Gemeinde, als Kirche, ich wünsche uns als Volk, ja als Menschheit nichts anderes als das: neues Vertrauen in Gott. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir damit als Christen allen Menschen einen großen Dienst erweisen, den wichtigsten überhaupt: für Vertrauen werben.
Wir sind, als Kirche, als Christen, das sichtbare Zeichen dafür, dass Gott nicht ins Leere redet und dass der Glauben für Millionen Menschen die Wolken- und die Feuersäule ist, die ihnen hilft, ihren Weg im Leben zu finden – und zwar gerade deswegen, weil wir nicht unfehlbar sind, sondern Unterstützung und Zuwendung brauchen. Ich wünsche mir für das kommende Jahr, dass wir noch mehr hören, was Gott uns zu sagen hat, noch mehr weitersagen, was wir gehört haben, noch mehr beten, noch mehr verkünden, noch mehr glauben, noch mehr um die Wahrheit streiten und werben, noch mehr auf die Wolken- und Feuersäule zeigen, auf Jesus Christus. Ich bin mir sicher, dass das Beste ist, was für unsere Gesellschaft tun können. Denn Gottes Weg ist der Weg zum Menschen. Und es geht um den Menschen. Es geht um uns. Wollt ihr einen guten Vorsatz für das nächste Jahr fassen? Dann nehmt euch doch einmal vor, mehr zu vertrauen und andere Menschen zum Vertrauen einzuladen. Das ist besser, hilfreicher und förderlicher, als in den Chor der Nörgler und Meckerer, der Besserwisser und Faktenverdreher einzustimmen. Erst einmal hören, dann reden, um es noch einfacher zu sagen. In Zeiten verlorenen Vertrauens ist der Glaube die Stimme der Vernunft, denn Vernunft kommt von „vernehmen“, und vernehmen heißt: Hören! So wünsche ich offene Ohren für das Wort Gottes für das kommende Jahr, damit wir die Zukunft nicht aus den Augen verlieren und gefangen bleiben in der Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es nie gab, damit wir sehen, dass Gott uns in Feuer und Wolke vorangeht und sein Wort hören, das uns den Weg weist: den Weg zum Menschen. Gott segne Euch!

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