Samstag, 15. November 2014

Gen 22. Predigt zum Volkstrauertag 2014


Liebe Gemeinde!

(K 3) Wir hören die bewegende Erzählung davon, wie Abraham bereit war, seinen Sohn Isaak zu opfern und von Gott davor bewahrt wurde. Sie steht im ersten Buch Mose, im 22 Kapitel:

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(K 4)Eines Tages stellte Gott Abraham auf die Probe. Er sprach zu ihm:

(K 5): Abraham!

(K 4)Und er antwortete:

(K6) Hier bin ich.

(K4) Und Gott sprach:

(K5) Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.

(K4) Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne 5 und sprach zu seinen Knechten:

(K6) Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen.

(K4) Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander.

Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham:

(K7) Mein Vater!

(K4) Abraham antwortete:

(K6)Hier bin ich, mein Sohn.

(K4) Und Isaak sagte:

(K7) Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?

(K4) Abraham antwortete:

(K6) Mein Sohn, Gott wird sich ein Schaf zum Brandopfer aussuchen

(K4) Und die beiden gingen miteinander weiter.

Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz 10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.

Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach:

(K8) Abraham! Abraham!

(K4) Er antwortete:

(K6) Hier bin ich.

(K4) Der Engel sprach:

(K8) Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deinen einzigen Sohn nicht verschont um meinetwillen.

(K4) Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.

 

Wir begehen dieses Jahr die Erinnerung an den ersten Weltkrieg, der am 1. August 1914 begann und mit rund 11 Mio Toten allein auf den Schlachtfeldern ein bis dahin ungeahntes, furchtbares Gemetzel war, das eine ganze Kultur vollständig zerstört hat und dessen Wirkungen über den Zweiten Weltkrieg wir bis heute spüren. Man kann mit Worten gar nicht beschreiben, was die Soldaten in diesem Krieg erlebt haben, und die Menge der Toten überstieg alles bis dahin gekannte. Der Krieg wurde zu einem fast schon industriellem Töten und zu einem tiefen Schock für alle, die daran beteiligt waren. Schon die Art, wie er ausbrach, ist aus heutiger Sicht erschreckend und beschämend: Es war, im Rückblick eine Kette von Fehlentscheidungen, die auf Inkompetenz, Engstirnigkeit, Verantwortungslosigkeit und vor allem auch Ehrgehabe von Militärs und Politikern beruhte. Die Köpfe waren noch voll von Idealen von Heldentum und Tapferkeit, von Kampf Mann gegen Mann, von Feldherrenherrlichkeit und Opferbereitschaft. Mahner und Warner wurden überhört, niedergebrüllt und verächtlich behandelt: Ein Kontinent war im Rausch des Krieges.

Die Ernüchterung kam bald, und sie war in einer bisher nicht gekannten Weise brutal. Nach wenigen Wochen kam der Krieg zum Stillstand, die Soldaten gruben sich ein, und man lag sich über Jahre in den Schützengraben von der Nordseeküste bis zur Schweizer Grenze gegenüber, und auch auf dem Balkan, in Russland, in den Alpen und im Nahen Osten entwickelte sich der Krieg zur einer nie gekannten Hölle. Das Elend ist unvorstellbar: ich habe Euch drei Bilder mitgebracht, sie lassen etwas ahnen. Es regierte die Artillerie mit, und das ist keine Übertreibung, hunderten Millionen von Granaten, nun regierten die Maschinen: die Blutmühle nannten es die Soldaten. Es waren keine Helden mehr, die da starben. Es war Kanonenfutter, auf allen Seiten. Ihr merkt: Es fehlen die Worte. Und was besonders beschämend ist, und gerade heute nicht vergessen werden darf: Auch von den Kanzeln herunter wurde vaterländisch gepredigt, tief machte sich die Kirche – nicht überall, nicht immer, nicht jeder: aber die allermeisten! – daran schuldig, Menschen zum Töten aufgehetzt zu haben Sie haben die Botschaft des Evangeliums missbraucht  und mit politischen Botschaften vermischt, zu ihm im denkbar weitester Entfernung standen. Hier trägt auch die Kirche schwere Schuld! I

Ich will  hier keine historische Vorlesung halten, obwohl ich glaube, es wäre bitter nötig. Ich will hier eine Stimme aus dem Schützengraben zu Worte kommen lassen, die mich tief berührt hat, als ich sie das erste Mal hörte. Es ist das Gedicht eines jungen Engländers, der auch mit hohen Idealen in den Kampf zog, und schon nach kürzester Zeit tief verzweifelt war. Er starb, wie zum Hohn, in den letzten Tagen des Krieges, am 4. November 1918, 25 Jahre alt.

Wo war Gott in diesem Gemetzel? Wie konnte er es zulassen, dass sein Name so geschändet wurde?

Ist es am Ende kein gnädiger Gott, sondern doch ein rachgieriges Monster, der von uns Menschen Opfer verlangt? Wir haben die Geschichte gehört, die seit je Menschen tief verstört hat, die Geschichte davon, wie Gott Abraham auffordert, seinen Sohn Isaak zu opfern. Und Abraham ist dazu bereit! Warum? Weil er es so kannte von den Göttern seiner Umwelt, weil er gar nicht in Frage stellt, dass Gott es ernst meinen könnte damit. Erst hat er ihm Isaak, den einzigen Sohn mit seiner Frau Sarah, in hohem Alter geschenkt, nun will er ihn zurückhaben. Abraham fragt nicht. So sehr war die Gewalt für ihn ein Teil von Gott, dass er fraglos sich auf den Weg machte, Frau, Kinder und Knechte belog, um seinen Sohn zu töten. Was für ein grausamer Gott!

Nein, eben nicht. Gerade das erzählt die Geschichte ja eben nicht. Am Ende ist es der Engel Gottes, der Abraham in den Arm fällt. Am Ende stirbt nur ein Widder an Stelle des Menschen. Die Botschaft dieser Geschichte war für die Menschen, zu der Zeit, als sie erzählt wurde, völlig klar, und sie war revolutionär: Gott will keine Menschenopfer. Er will das Töten von Mensch zu Mensch nicht. Abraham wurde auf die Probe gestellt, ob er es durchzieht bis zum Ende. Und Abraham gehorcht in der Tat: er opfert seinen Sohn eben gerade nicht. Gott ist ein Gott des Lebens. das ist die Botschaft dieser Geschichte: Gott ist die Macht der Liebe. Die Menschheit begreift das nur schwer. Es musste mit dem Tod Jesus noch einmal zu einer Katastrophe kommen, zu einem unschuldigen Tot im Namen Gottes, damit nun aber auch jeder sehen kann: Gott will das Töten nicht, und allerwenigsten in seinem Namen.

 

Warum fällt uns das so schwer? Wieso muss Gott immer wieder herhalten als Grund für Gewalt?

Die Frage stellte sich auch der junge englische Dichter Wilfred Owen. Und er fand die Antwort, und drückte sie ein diesem wundervollen, aber auch sehr schmerzvollen Gedicht aus, das ich Euch habe austeilenn lassen, zusammen mit den Bildern.

Er nimmt die Geschichte von Abrahams Opfer auf. Und er erzählt sie so, dass sie durchsichtig wird auf den Krieg, den Owen erlebt, mit seinen Schützengräben und Schanzen, Seinen Uniformen mit Gürteln und Helmen, mit seinen Stacheldrahtverhauen und Mordmaschinen:

 

Daher erhob sich Abraham und hackte das Holz und ging

und nahm das Feuer mit und ein Messer.

Und als sie beide verweilten,

sprach Isaak, der Erstgeborene und er sagte: Mein Vater,

alles hast du vorbereitet, hast Feuer  und Eisen,

aber wo ist das Lamm für das Brandopfer?

Da fesselte Abraham den Knaben mit Gurten und Riemen,

baute dort ein Gerüste und Schützengräben

und strecke das Messer aus, seinen Sohn zu schlachten.

Doch siehe, die Stimme eines Engels rief ihn vom Himmel und sprach: Lege nicht Hand an den Jüngling, und tu ihm auch sonst nichts.

Sieh doch, ein Widder hat sich im Dickicht mit seinen Hörnern verfangen:

Opfere den Widder des Stolzes an seiner Stelle.

Doch der alte Mann wollte nicht

und erschlug seinen Sohn –

und die Hälfte des Samens Europas,

einen nach dem anderen

die Häfte des Samens Europas, einen nach dem anderen

Fast schon zynisch, aber auf jeden Fall zutiefst vom Menschen enttäuscht und verbittert, erzählt Owen die Geschichte anders zu Ende: Abraham schlug seinen Sohn, und die Hälfte des Samens Europas, einen nach dem anderen, die Hälfte des Samens Europas, einen nach dem anderen.

So sieht er seine Gegenwart:

Abraham, der hier für die Generation der Väter überhaupt steht, gehorcht Gott nicht. Er opfert nicht, was Owen den Widder des Stolzes nennt. er tötet lieber seine Sohn, er zieht es durch, er lässt sich von Gott nicht in den Arm fallen.

Drastischer kann man es nicht sagen. Krieg ist Sünde, ist Widerstand gegen Gott, Ungehorsam. Die Wurzel des Krieges aber ist der Stolz, der nicht nachgeben kann, der nicht mit der eigenen Fehlbarkeit rechnet, der das eigene Denken und Fühlen und die Ehre zum einzigen Maßstab macht und damit unfähig wird, das rettende Wort Gottes zu hören. Für Owen ist es einzig der Mensch, der Nachkomme Abrahams, der es zu verantworten hat, dass die Hälfte des Samens Europas auf den Schlachtfeldern verreckt. Und dem ist wenig hinzuzusetzen. „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart“: : Würden wir darauf wirklich hören, würden wir unseren Stolz beiseite stellen, würden wir Gott wirklich gehorchen, hätte die Versöhnung ein Chance in unserer Welt, und schon die Schützengräben, die oft genug durch Familien laufen, zwischen den Hecken von Nachbarn, könnten zugeschüttet werden.

Mich bewegt dieses Gedicht zutiefst. Mehr als alle Zahlen und drastische Bilder drückt es aus, was dieser Krieg angerichtet hat. Hier wurden Menschen geopfert, sinnlos geopfert, weil alle Opfer sinnlos sind. Das ist auch die Lehre dieses Krieges, die viele schon während des Krieges zogen. Aber es waren nicht genug. Es musste noch die viel größere Katastrophe des zweiten Weltkrieges folgen, bis auch die letzten erkannten, das Krieg nicht Gottes Willen ist, das Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll.

Über den Gräbern von Verdun und der Somme, von Tannenberg und am Isonzo entstand der Gedanke eines vereinten Europas als einziger Weg zum Frieden. Jeder, der heute an der europäischen Idee zweifelt, muss sich vor den Toten des ersten Weltkrieges verantworten und einen besseren Weg zum Frieden zeigen!

Gott ist die Macht der Liebe, die das Leben will und keine Opfer. Es gibt keinen Krieg in Namen Gottes. Es gab ihn auch nie. Und es darf ihn auch nie wieder geben. Nur so ehren wir das Andenken an jene Männer, die auf den Tafeln hier in der Kirche/draussen vor der Tür genannt werden. Der Krieg ist immer noch in der Welt. Aber wir haben verstanden: er ist kein Mittel der Politik mehr, er ist Scheitern von Politik.

Einen Gedanken noch: Abraham war auch der Stammvater der Moslems. Dort heißt er Ibrahim. Der Koran kennt die Geschichte auch. das islamische Opferfest erinnert daran. Und viele Moslems haben sie verstanden, setzen sich auch mit ihrer Gewaltgeschichte auseinander und wollen den Frieden, ohne Gewalt und ohne Waffen. Wir haben kein Recht, auf den Islam mit dem Finger zu zeigen: denn auf unseren Koppelschlössern stand auch: Gott mit uns, das ist erst hundert Jahre her.

Wir haben aber die Aufgabe, aus unserer Geschichte heraus zu verkündigen, dass Gott und Tod, Gott und Krieg nicht zusammengehören. Glaubt mir: Millionen von Moslems auf dieser Welt wissen das auch, denn der Koran ist ein Buch des Friedens. Das er, wie die Bibel, in die Hände von verblendeten Verrückten geraten ist, ist ein Unglück, an dem wir nicht ganz unschuldig sind. Es ist ein politisches Phänomen, kein religiöses! Dieser Tag, wo wir vor Millionen von Kriegstoten stehen, wo wir die Worte von Wilfred Owen direkt aus dem Schützengraben hören, sollte uns das Mahnung sein und eine Ermutigung: Lasst uns auf die Macht der Liebe vertrauen und aus ihr  heraus allen Menschen die Chance geben, den Widder ihres Stolzes zu opfern anstatt Söhne und Töchter. Der gnädige Gott wird uns darin tragen und stützen. Denn das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung: „Lege deine Hand nicht an den Knaben und tue ihm nichts!“ Das ist Gottes Gebot an Abraham, dem Vater unseres Glaubens.

 

Amen.
 
 
 

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