Freitag, 17. Oktober 2014

Cool bleiben! Gott loben. Predigt zu Eph 5, 15-20. 18. S.n. Tr.


So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit. Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und ]sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

 

Liebe Gemeinde.

Was uns hier gesagt wird ist, was das Leben eines Christen ausmacht. Wer getauft ist und sich auf Gott beruft, der wird auch in die Pflicht genommen. Denn die Welt ist nach Jesu Tod und Auferstehung eine andere geworden, als sie vorher war. Sie ist jetzt eine Welt, über der eine Verheißung ausgesprochen ist. Damit wird sie nicht automatisch eine bessere Welt, wahrhaftig nicht, aber der Blick für die Welt schärft sich. Es ist immer noch die Welt, die der Sünde verfallen ist: ein Blick in den Fernseher, aber auch ein Blick in die Tiefe der eigenen Seele genügt, um das zu begreifen. Es ist unverantwortliche Träumerei und geradezu Realitätsverweigerung, das nicht sehen zu wollen.

Die Welt ist, so wie sie ist, ein übler Ort und die Zeit, die irdische Zeit, ist eine üble Zeit. Sie ist dem Untergang geweiht. Über Jahrhunderte hat der christliche Glauben vor allem davon gelebt, dass er das wusste: Die Erde wird zu Ende gehen, sie wird sterben, wie jeder von uns sterben muss. Und sie sie ist, für die überwiegende Mehrheit der Menschen, ein schrecklicher Ort. Eine ernüchternde Erkenntnis.

Das zu wissen, ist weise. Das nicht zu wissen, ist töricht. Und darum, liebe Gemeinde, leben wir in ganz besonders törichten Zeiten. Wir lügen uns als gesamte Gesellschaft etwas in die Tasche, und leider, so muss ich sagen, hat die Kirche auch Züge davon angenommen. Wir tun so, als wäre alles in Ordnung, von ein paar dummen Sachen, wie Kriege, Seuchen, Hunger, Gewalt und Katastrophen mal abgesehen. Wir leben so, als wären die Ressourcen unbegrenzt. Wir tun so, als hätten wir ein Recht auf Spaß, Unterhaltung und ein gutes Leben, verstanden als ewige Party. Wir lassen uns vorspielen, wie einfach alles sein könnte, wenn wir nur richtig lebten und vor allem natürlich: die richtigen Sachen kaufen!  Die Welt, in der wir leben, ist eine Warenwelt, und die wichtigste Aufgabe der Waren, die uns umgeben, ist schon lange nicht mehr, unsere unmittelbaren Bedürfnisse zu stillen. Die wichtigste Aufgabe der vielen Dinge, die wir haben, haben sollen und haben wollen, ist, uns den Kopf zu verdrehen und uns besoffen zu machen. Und zwar von Jugend an. Die jungen Leute hier trifft es am härtesten. Sie werden mit Drogen vollgestopft, die sie betäuben. Ich meine natürlich nicht die harten Drogen. Ich meine die Drogen, die wir als Drogen gar nicht mehr wahrnehmen. Die Medien, die vielen schönen Dinge, und, was besonders übel ist, der Rausch der Geschwindigkeit und der Lärm, der uns umgibt. Das sind unglaublich starke Betäubungsmittel, die uns in einen Rausch versetzen, so dass wir gar nicht mehr richtig hinsehen und hinhören können, und auch nicht wollen. Wir werden in eine Art Schlaf versetzt und sollen davon träumen, in der besten aller Welten zu leben, in der es für alles ein Heilmittelt gibt..

Auch Religion kann so eine Droge sein, jede Form von Fanatismus und Gläubigkeit, die zu einer Abhängigkeit geworden ist. Denn Drogen machen abhängig: man kann nicht mehr ohne. Wenn der Rausch aufhört, kommt der Kater und das böse Erwachen, also gleich noch einen drauf. Ich weiß noch, als ich noch Alkohol getrunken habe: das beste morgens nach der Fete war, gleich noch eine Flasche Bier draufzutrinken. Den Spiegel halten, heißt das dann. Gesund war das nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, die alles dafür tut, dass wir wie besoffen leben und aufgeregt durch das Leben jagen, wie Süchtige von Kick zu Kick.

Sauft Euch nicht voll Wein, denn daraus folgt ein unordentliches Wesen, schreibt der Apostel, und wenig vorher hat er geschrieben: Wache auf, der du schläfst, erhebe dich von den Toten, dann wird dich Christus erleuchten….!

Genau darum geht es. Der christliche Glaube ist zu allererst ein Weckruf: Wach auf! mach die Augen auf! Schaue hin! Und er ist ein Ruf in die Nüchternheit: Sauft Euch nicht voller Wein daraus folgt ein unordentliches Wesen! Damit ist nicht das Glas Wein am Abend oder das Bier auf einer Feier gemeint. Damit ist gemeint: lasst Euch nicht durch Drogen aller Art den Verstand rauben, lasst Euch nicht einlullen und für dumm verkaufen! Bleibt nüchtern!

 

Nüchternheit ist eine der wichtigsten Tugenden für einen Christen. Sauft Euch nicht voll Wein, sondern lasst Euch vom Geist erfüllen. Der Geist, der hier gemeint ist, ist der Geist Gottes. Und es geht jetzt gerade nicht darum, dass wir den einen Suff der schönen neuen Waren- und Medienwelt austauschen sollen gegen den Suff der Religion. Das wäre eine schöne Bescherung! Wir sehen ja gerade, dass Religionen, wenn sie als Droge verwendet und benutzt werden, warhhaft teuflische Energien freisetzten können. Glaube ist keine Droge. Wenn er es wird, ist ein kein Glaube mehr, sondern Aberglaube

 

Nein, der Glaube will nüchtern machen. Und es ist äußerst ernüchternd, was der Glaube über die Welt sagt, weil es die Wahrheit ist:. Sie ist ein Ort der Sünde. Sie ist im große und Ganzen ein höllischer Ort, wo man auf der Hut sein muss, das man nicht in den Abgrund gezogen wird.

Das macht es dem christlichen Glauben natürlich schwer. In einer Gesellschaft, die vom verlogenen Optimismus lebt, die davon lebt, sich selber vorzugaukeln, es sei im Grunde alles in Ordnung, hat es so eine Botschaft natürlich schwer. Vor allem, weil sie zur Nüchternheit ruft. Ich höre schon die Einwände: Aber wir wissen doch, was los ist. Ebola! Arbeitslosigkeit! Isis, Syrien, Kurden, Ukraine, Pflegenotstand, das Bildungssystem, die Windkraftanlagen und was noch alles: Aufreger, wohin man schaut.  Es gibt doch lauter Katastrophen und Skandale! Ja, aber schaut einmal genau hin: wird hier nüchtern darüber geredet? Oder wird hier nicht eben doch immer eine neue Sau durchs Dorf gejagt? Was für eine Entrüstung und was für ein Geschrei wird gemacht, was für eine Panik und was für ein Geheule: Es müssen immer gleich Köpfe rollen, oder Maßnahmen ergriffen werden oder Gesetze erlassen oder dies oder das. Merkt ihr was? Dieses ständige Geschrei, das bei uns herrscht, ist nur die andere Seite dessen, was ich vorhin beschrieben habe. Sobald uns die Droge weggenommen wird, fangen wir an zu jammern, zu klagen, Vorwürfe zu erheben. Mir macht das wirklich Sorgen! Wie wollen wir eine vernünftige, nüchterne und auf Lösungen zielende politische Kultur aufbauen, wenn immer gleich geschrien und gejammert wird? Eine ganze Gesellschaft verhält sich wie ein Kindergarten oder wie eine Horde Junkies, denen man ihr Spielzeug und ihre Drogen wegnimmt, wenn die Wirklichkeit an die Türe klopft. Aber Geschrei hilft niemanden. Wir berausch uns an unserem Geschrei.

Ich höre im Wort des Apostels eine wirklich weise und kluge Mahnung. Kauft die Zeit aus: das ist ja eine merkwürdige Formulierung. Sie klingt wie: Nutze die Zeit! Mach was aus deinem Leben! Verschwende keine Zeit! So hören wir das, weil wir genau das gewohnt sind: die Hektik, die Arbeit, das „immer muss was gemacht werden“  ist auch eine Droge. Und der Satz wurde auch oft so verstanden, und auch so gepredigt. Wir dürfen als Christen keine Zeit verschwenden. Wir müssen doch, wir sollten doch und zwar jetzt und gleich und sofort und am besten alle und am besten rund um die Uhr.

Merkwürdigerweise meint der Satz genau das Gegenteil. Er sagt gerade nicht: Sauft Euch voll, macht euch besoffen, stürzt Euch in die Welt und krempelt sie um.  Er sagt gerade nicht, dass wir uns betäuben sollen mit hektischer Aktivität. Sondern nüchtern sollen wir werden. Die Zeit ist böse. Und gut ist Gott. Darum heißt die Zeit auskaufen: die Zeit damit füllen, Gott zu loben und zu preisen und einander mit dem Gotteslob zu stärken und zu ermuntern. Ja, in der Tat: beten sollen wir, singen, auf das Wort Gottes hören, uns besinnen. Dann kaufen wir die Zeit aus, weil wir Gott in unser Leben lassen. Darum geht es.

Nun hören wir bei dem Wort „Besinnen“ sofort: „Besinnlich“, das heute schon fast dasselbe bedeutet wie: Gemütlich. Die Kirche also ein Ort der Besinnung, das meint dann oft: die Kirche als ein Ort, wo wir es uns gemütlich machen.

Aber weit gefehlt. Darum geht es hier nicht. Es geht nicht um Gemütlichkeit. Die gehört ins Wohnzimmer! Hier geht es darum, sich darauf zu besinnen, wo wir wirklich leben: in der vergehenden Welt, über der Gott aber seinen Segen ausgeschüttet hat, seine Verheißung. Dafür steht das Kreuz. Es ist ein Durchhaltezeichen, ein Trostzeichen. Es durchkreuzt im wahrsten Sinne des Wortes unsere Träumereien, weil es uns zeigt: So ist die Welt! Und es wäre unerträglich, wenn das alles wäre, was über die Welt zu sagen ist. Der Glaube sagt aber eben auch noch etwas anderes über die Welt: sie ist bestimmt als Ort der Verwandlung!

Wir reden doch auch, nein, wir reden zuallererst von der Auferstehung, und dann vom Kreuz. Das ist die Erfahrung, die die ersten Christen gemacht haben und als eine Erfahrung des Geistes verstanden haben: Diese Welt, dieser Ort des Schreckens, ist der Ort, den Gott erwählt hat, um in ihm mi t uns zu wohnen, bis er dem ein Ende macht und alles verwandeln wird. Aber bis dahin, liebe Schwestern und Brüder, leben wir in der Hoffnung. Sie ist die Kraft, die aus der Nüchternheit kommt. An sie sollen wir erinnern, auf sie sollen wir uns einstimmen. Darum kommt nach dem Ruf zur Nüchternheit eben kein politisches Programm, kein Fitnesplan für das Gutmenschentum und kein Aufruf zu heiligen Kriegen gegen alles Böse in der Welt. Sondern es folgt ein Aufruf, Gottesdienst zu feiern. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. 21 Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

In dieser Welt, in diesem schrecklichen Ort, sollen wir einander erinnern, was Gott uns verheißen hat. Wir sollen hören auf das, was er sagt. Und er sagt eben nicht: Tod und Vernichtung! Er sagt eben nicht: Untergang! Sondern: Verwandlung, ewiges Leben, Reich Gottes. Das ist es, worauf wir Christen warten, seit der Ruf Gottes in der Welt ist. Ganz nüchtern sollen wir werden. Bevor wir uns alarmieren lassen von all den Hiobsbotschaften oder uns betäuben lassen von all den schönen Dingen:: erst einmal innehalten und nach dem Wort Gottes fragen. Bevor wir tausend Programme zur Weltbeglückung auf den Weg bringen: erst einmal beten! Bevor wir Menschen verdammen oder in den Himmel loben, bevor wir unser Hoffnung auf vergängliche Dinge setzen, erst einmal genau hinhören, erst einmal den Gang der Dinge unterbrechen. Kauft die Zeit aus heißt: haltet sie an, denkt nach, besinnt euch, bringt Ordnung in das Leben, lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen durch die Versprechungen der Werbung, aber auch nicht durch das Geschrei der Medien. Bittet Gott um Weisheit, stellt Euch unter das Kreuz, betet und weckt in Euch die Hoffnung. Seht sorgfältig darauf, wie ihr das euer Leben lebt. Im griechischen steht hier ein Wort, dass die meisten von euch kennen: akribisch. achtet akribisch darauf, wie ihr lebt. Werdet langsam, haltet inne. Das ist das, was das Wort „sich besinnen“ einst meinte. Und auch das Wort Demut meinte genau das: Achtet die Tatsache, dass die Welt und die Dinge größer sind als ihr, rechnet mit Irrtum, rechnet mit der Sünde. Seid nüchtern, dient einander mit Klugheit..

Kann man das Menschen vermitteln, kann man das Konfirmanden vermitteln? Ist das nicht total altmodisch, konservativ und völlig überholt: Seid nüchtern?

Ich glaube nicht. Gerad die Jugendlichen haben ein schönes Wort dafür, auch wenn es langsam aus der Mode kommt. Bleibt cool.

In der Tat: so zu leben, also nüchtern, besonnen, mit der Hoffnung auf Gott und gehörigem Abstand zu allem, was uns besoffen machen will, das ist cool. Glauben ist cool. Die völlig überhitzte Welt voller Leid und Geschrei braucht diese Coolness: Kauft die Zeit auf. Werdet langsam, lasst Euch Zeit. Gott schenkt sie euch. Die ganze Ewigkeit. Darum ist Gottesdienst eben gerade keine Zeitverschwendung, sondern Zeitgewinn: wir teilen Glaube, Liebe, Hoffnung, wir üben Dankbarkeit ein und lernen, akribisch hinzusehen. Damit wir gestärkt, ernüchtert, aufgeweckt ins Leben gehen können.

Hört noch einmal den ganzen Text: ist das nicht cool?

Ich lese Euch die Worte noch einmal vor, in einer modernen Übersetzung:

15Darum achtet genau auf eure Lebensweise! Lebt nicht wie Unwissende, sondern wie Menschen, die wissen, worauf es ankommt.

16Nutzt die Zeit; denn wir leben in einer bösen Welt*.

17Seid also nicht uneinsichtig, sondern begreift, was der Herr von euch erwartet.

18Betrinkt euch nicht; denn zu viel Wein verführt zu einem liederlichen Lebenswandel. Lasst euch lieber vom Geist* Gottes erfüllen!

19Ermuntert einander mit Psalmen und Lobliedern, wie der Geist sie euch eingibt. Singt und spielt Christus, dem Herrn, von ganzem Herzen.

20Dankt Gott, dem Vater, zu jeder Zeit für alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Darum geht es: Aus Glauben klug zu werden und cool zu bleiben. Anstatt kollektives Besäufnis: die nüchterne Liebe! Damit dienen wir der Welt. Die braucht das: dringend!

Amen.

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