Sonntag, 11. Mai 2014

Bäume voller Saft und Kraft. Predigt zur Konfirmation Großenritte, Kol 2, 6-10, 11.5.2014

Kleine Vorbemerkung: Es war eine reine Jungengruppe. Also wirklich: Nur Konfirmanden. War übrigens ein beeindruckendes Bild!

 
Kolosser 2, 6
Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm
7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.
8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.
9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig
10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.


Liebe Konfirmanden, liebe Gemeine, Schwestern und Brüder im Herrn!

Ich liebe Bäume. Schon immer, aber je älter ich werde, umso mehr. Sie stehen so fest in der Erde, sie haben so etwas Majestätisches. Sie sind auch so lebendig. Und man sieht Ihnen die Spuren des Alters an, sie werden immer schöner, je älter sie werden, obwohl – oder gerade weil? – sie Falten kriegen wir wir, Narben und Verletzungen.

 Manchmal wäre ich gerne wie ein Baum. Der Wechsel der Jahreszeiten macht ihnen nichts aus, und doch ist er für sie wichtig. Sie ragen in den Himmel, und doch stecken sie tief in der Erde, aus der sie ihre Kraft ziehen. Bäume haben etwas Festes und Gefestigtes, gleichzeitig aber sind sie biegsam und schmiegsam: Der Wind muss schon äußerst brutal sein, um sie zu brechen. Und selbst dann haben viele noch die Kraft, aus dem Stumpf neue Äste und Blätter wachsen zu lassen. Als ich Kind war, vielleicht so 8 oder 9 Jahre, wurden in unserem Garten 5 mächtige Säulenpappeln gefällt, was mir sehr weh tat. Aber aus dem Stumpf kamen bald wieder neue Äste, die für viel Verdruss sorgten. Aber nicht bei mir: ich freute mich und spürte eher eine klammheimliche Freue. Was für ein Wille zum Leben.

Darum ist das Bild von den Wurzeln so kraftvoll und schön. Und darum liebe ich auch diese Worte, die ihr eben in der Lesung von Herrn Palmié gehört habt und die ich eben noch einmal vorgelesen habe.

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm 7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.
 

Der Glaube gibt uns Wurzeln und festen Grund. Wie ein Baum sind wir in ihm verankert, damit die Stürme des Lebens uns nicht brechen und stürzen können.

 

Das haben wir im Grunde versucht, das eine Jahr lang: Euch Eure Wurzeln spüren zu lassen. Das Bild vom Baum ist nämlich ganz gut geeignet, das zu erfassen, was wir als Eltern, Lehrer, Pfarrer, Freunde tun. Aus dem kleine Schössling, der da aus der Erde guckt, einen starken und kräftigen Baum werden zu lassen und ihn seine Wurzeln spüren zu lassen. Erziehung ist ein wenig wie Gärtnern. Der Baum braucht am Anfang ein wenig Unterstützung und Halt, aber nicht zu viel, und wenn er gute Frucht bringen soll (und nicht selber zum Früchtchen wird), muss wohl auch einmal der eine oder andere falsche Ast abgeschnitten werden. Aber irgendwann steht er aus eigener Kraft und Schönheit.

Aber freilich: Erziehung wird auch überschätzt. Wir können nichts anderes tun, als die Kinder ein wenig lenken und behüten, mit ihnen das Wichtigste einzuüben, was sie können und wissen möchten und ihnen vorsichtig zur Seite stehen. Aber was wir können: wir können Ihnen Lebensmut und Lebenskraft geben, und diese Kraft heißt Liebe. Und diese Liebe ist nicht nur ein Gefühl, das wäre doch zu wenig und wenig verlässlich. Es gibt doch immer wieder Eltern, die einen weiten Weg brauchen, um ihre Kinder auch emotional zu lieben, und auchimmer Kinder, die auch Zeit brauchen, ihre Eltern emotional zu lieben – aber die Liebe, von der wir hier reden  heißt: Wertschätzung, Solidarität, Achtung und Hingabe. Und darum ist der Baum des Glaubens, der die Frucht der Liebe trägt, auch in Jesus Christus gegründet. Denn er hat uns den Glauben gebracht: die Wertschätzung, Solidarität, Achtung und Hingabe Gottes an uns Menschen. An ihm lernen wir, was Liebe ist, nicht aus kitschigen Romanen, Vorabend-Daily-Soaps  und auch nicht aus, na sagen wir vorsichtig, erotischen Filmen, die ja heute so allgegenwärtig sind. Christlicher Glaube heißt: Glauben an Christus, Glauben an die menschgewordene Liebe. Darum ist er auch keine graue Theorie, und auch nicht so etwas wie die fromme Straßenverkehrsordnung, die man ohne sie verstanden zu haben, eingetrichtert bekommt, damit man künftig spurt. Nein: Wir erzählen die Geschichte eines Menschen, der ganz Liebe war, bis zum Kreuz. Es gibt ein wundervolles mittelalterliches Bild, wo aus dem Kreuz Aste und Blätter wachsen: Der Baum des Lebens! Ihm zu begegnen: das ist der Sinn all dessen, was wir als Kirche tun. Dafür gibt es uns. Und es gibt uns. Heute morgen finden ca. 20.000 Gottesdienste statt, in denen gut eine Million Menschen sitzen, Krankenhausgottesdienste und ähnliches nicht gerechnet. Es gibt uns, und das hat gute Gründe und wir sollten etwas dafür tun, dass das auch so bleibt. Denn wir sind, um das Bild nun aber auch bis aufs Letzte auszureizen, die Baumschule Gottes, wie alle miteinander als Gemeinde und Kirche Jesu Christi, in ihm verwurzelt.

Darum, liebe Eltern, und vor allem, liebe Großeltern, die es noch anders kennen, ist der Konfirmandenunterricht kein stures Auswendiglernen von leeren Formeln mehr. Darum ist er auch kein Zurechtbringungs-Drill mehr. Die Erwartung, wir Pfarrer würden den letzten Schliff an die jungen Menschen legen, müssen wir enttäuschen, um Christ Willen. Hier wird nicht geschliffen. Hier wird sanft gegärtnert und nachhaltig geförstert. Es geht darum, sich des eigenen Glaubens bewusst zu werden, so von Baum zu Baum. Wir verwenden weder das Beil noch die Kettensäge, wir düngen und bringen, wenn es sein muss, Stützen an. Aber das Ziel ist, dass aus den jungen Bäumchen kräftige Baume werden, die gute Früchte tragen. Und zwar ihre Früchte. Wer von einem Birnbaum Äpfel erwartet, wird enttäuscht werden. Ich habe aber den Eindruck, dass das der Trend ist in unserer Gesellschaft: möglichst Einheitsbäume. Das erinnert mich an diese entsetzlichen Fichtenschonungen, die man nach dem Krieg angelegt hat: die hässlichsten Wälder, die wir je hatten. Wollen wir so leben? Wenn nicht, dann braucht es eine feste Überzeugung, was im Leben richtig ist und was falsch ist. Eine Überzeugung aber ist das Ergebnis von Überprüfung und selber denken. Glauben ist nicht borniert. Wo er es ist, ist es kein Glauben, sondern dummer Fundamentalismus. Darum sagt der Apostel nicht nur: das wir durch die Taufe und den Glauben fest in Christus verwurzelt sind. Er sagt auch.

8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

Es geht auch darum, euch innerlich fest zu machen gegen das Geschwätz und das Geschrei der Welt. Und das ist heute eine viel schwierigere Aufgabe als es früher war. Die Dieter Bohlens, Stefan Raabs und Heidi Klums dieser Welt erziehen kräftig mit. Fernseher, Internet, Zeitschriften aller Art, der absolute freie Zugang zu allem und zu jedem macht es heute den Kindern und Jugendlichen schwer, sich zurechtzufinden. Wir leben in einer Gesellschaft, die, wenn der Eindruck nicht täuscht, immer mehr auf Leistung, Geschwindigkeit, Fitness und beste Noten setzt, die immer mehr auf die Macht des Geldes, des Erfolges und des Schulabschlusses setzt, als seien sie der Schlüssel zum Glück. Aber das ist im Kern eine Lüge, und zwar eine schlimme. Die hohe Geschwindigkeit unseres modernden Lebens bringt uns alle an den Rand des Wahnsinns. Der Umgangston, so finde ich jedenfalls, wird immer rauer und gereizter, die Erwartungen immer höher, die Möglichkeiten, sie zu erfüllen aber immer weniger. Wann hattet ihr das letzte  Mal Zeit, richtig Zeit, gefüllte Zeit, also Muße, für ein ausführliche Gespräch oder für – einfach mal miteinander rumsitzen und die Gemeinschaft von Menschen zu genießen? Wann hattet ihr das letzte Mal zeit, wie ein Baum, einfach dazustehen, den Wind zu genießen, die Sonne scheinen zu lassen und die Wurzeln zu spüren? Wer den Herrn der Ringe kennt: Mich beeindrucken die Ents, die Baummenschen, die so ruhig sind und Zeit haben, aber sowohl in Ihrem Zorn, als auch in Ihrer Zuwendung, wenn sie sie denn mal loslassen, überwältigend sind, weil tief in sich gegründet.

Lasst Euch nicht verführen von trügerischer Philosophie und trügerischem Geschwätz. Das ist für mich ein Schlüsselsatz geworden, wenn man mich fragt, warum wir junge Menschen immer noch konfirmieren und nicht locker lassen, ihnen den Glauben zu vermitteln. Weil wir sie innerlich stark machen müssen für ein Welt, die es darauf anlegt, dass wir so schnell wie möglich müde und kaputt werden, wie gebrochenes Holz herumliegen und nicht die Kraft haben, unser Leben als unser Leben zu leben. Wir werden gelebt, das ist das Gefühl, das viele heute haben. Ich habe heute manchmal das Gefühl, dass wir unseren Kindern die Kindheit rauben, indem wir sie schon ab dem Kindergarten in die Optimierungsfalle jagen und ihnen einreden, sie müssten ständig was bringen, um was zu werden. Im Grunde unsere Herzens aber wissen wir, dass auch das eine Lebenslüge ist. Man wird nur dann etwas, wenn man weiß, wer man ist. Der Glaube spricht es uns in der Taufe zu: Ein Kind Gottes. Das kann uns keiner nehmen. Und darum die Konfirmation: dazu sagt ihr Ja, und wir alle auch. Ja, wir sind Kinder Gottes, wir leben unter seiner Macht, mögen all die anderen Mächte auch noch so brummen, schreien und krakeelen. Früher wurde der Glaube oft so verstanden, als verlange er Anpassung, Mitmachertum und Kuscherei. Aber das ist falsch verstandene Demut, hier hat die Kirche Jahrhundertelang geirrt. Es ist doch so: Wer sich unter Gott stellt, stellt sich nicht unter Menschen. Wer sich unter Gott stellt, ist kein Unkraut, das man jätet, sondern wird ein Baum, gepflanzt an einem Bach, wie es im ersten Psalm heißt, den wir im Konfirmandenunterricht immer wieder einmal gebetet haben.

Meine Lieben, der Glaube bietet Euch einen Ruhepol im Leben, er will Euch verwurzeln in Jesus Christus, der der wahre Herr der Schöpfung ist. Das sind mächtige Worte, ich weiß, aber sie haben doch eine große Faszination. In einer Welt, in der man gar nicht mehr so recht weiß, wer eigentlich die Macht hat, ist es gut zu wissen, wer sie wirklich hat. Darum fängt der Apostel am Ende seiner Worte an zu singen:

9 Denn in ihm wohnt/
die ganze Fülle der Gottheit/
leibhaftig
10 und an dieser Fülle habt ihr teil/

in ihm/,
der das Haupt ist/
aller Mächte und Gewalten.

Meine Lieben, wenn wir euch heute segnen, dann gießen wir diese Fülle über euch aus und verbinden Euch mit euren Wurzeln. Dann möchten wird, dass ihr wachst und gedeiht, jeder, wie er ist.

Eine starke Eiche,
eine majestätische Buche,
ein Apfelbaum voller köstlicher Früchte,
eine zarte Birke,
eine wundersame Magnolie,  
eine vornehme Robinie,
eine ruhige, stille Tanne,
ein duftender Flieder,
eine knorrige Lärche,
eine quecksilbrige Espe.
Das ist ein schöner Lebenswald!

Hauptsache, ihr habt starke Wurzeln.
Das meint konfirmieren: Die Wurzeln stärken, das Ungeziefer abhalten.

Und ihr Eltern, Großeltern, Paten: Wir nehmen die Stützen weg, immer mehr. Heute ist auch der Tag, wo es zu begreifen gilt, dass sie auf eigenen Wurzeln zu stehen beginnen. So mag dieser Tag heute auch Euch helfen, Eure Eigenen Wurzeln zu finden, Euren eigenen Glauben und Euch zu fragen, wer ist eigentlich der Herr über mein Leben und welchen Unfug lasse ich mir Tag für Tag einreden und von wem?. Vom Chef? Von meiner Angst? Von meinem Bankkonto? Von meinem Feind, der mich piesackt? Wem räumt ihr Macht ein? Auch über Euch steht die Macht des liebenden Gottes. Wir vergessen es nur immer wieder, weil wir uns im Getriebe des Alltags zu Kleinholz zerhacken lassen. Darum:

Wir müssen immer wieder aufs Neue konfirmiert werden, aufs Neue befestigt und gestärkt werden durch den Segen, der uns den Geist Gottes einhaucht. Die Konfirmation ist kein Ende. Sie ist ein Anfang.
Sie vergewissert uns der Gnade des Dreieinigen Gottes, Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten:

Denn Christus ist der Boden,
         in dem unsere Wurzeln stehen.
Der Heilige Geist
         ist die Kraft, die uns wachsen lässt.
Gott ist der Himmel,
         dem wir entgegenwachsen,

wie ein Baum, gepflanzt an den Bächen.

Gott segne Euch!

Amen.

 

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