Sonntag, 17. November 2013

Predigt zum vorletzten S. d. Kirchenjahres; Volkstrauertag




Lesung: Matthäus 25, 31-46


Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann bwird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit,

32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und ber wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet,
33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.
34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!
35 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.

36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.
37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?
38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet?
39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: aWas ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.

41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das aewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!

42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben.
43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.
44 Dann werden sie ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient?
45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.
46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.



Jeremia 8, 4-7



4 Sprich zu ihnen:

So spricht der HERR:

Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde?

Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?

5 Warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen für und für?

Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.

6 Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden.

Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt.

7 Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.



Liebe Gemeinde,

harte Worte hören wir heute. Vom Weltgericht haben wir gehört, wo ganz deutlich unterscheiden wird zwischen denen, die es richtig gemacht haben und denen, die es falsch gemacht haben. Und der Prophet lässt auch kein gutes Haar an seinem Volk: Sie sind unbelehrbar und halten an ihren flaschen Götzen fest und wollen sich nicht auf Gott besinnen. Sie laufen ihren falschen Weg wie der Hengst in der Schlacht, gucken nicht rechts und nicht links und leben längst in der Lüge, ohne es zu merken.

Und wenn sie dann das Wort Gottes trifft, dann fragen sie: Ja, wann haben wir das uns das getan, es hat und keiner gesagt, das wussten wir nichts von. So wie die Verdammten Fragen: wann haben wir dich nicht gekleidet, genährt und besucht? Wann haben wir das falsch gemacht?

Ihr habt es falsch gemacht, lautet die Antwort, wenn ihr die Armen noch ärmer gemacht habt und die Verlassenen noch einsamer und die Hungrigen noch hungriger. Ihr habt es falsch gemacht, wenn ihr die einfachsten Bedürfnisse der Menschen nicht erfüllt: Kleidung, Dach überm Kopf, was zu essen, Gemeinschaft, und Vergebung.

Ihr müsst nicht auf den Himmel starren, um Gott zu finden. Ihr müsste auch nicht in den Tempel laufen, Opfer bringen und wer was noch alles für fromme Verenkungen machen. Tut einfach das Naheliegenste: kümmert Euch um die Ärmsten, dann kümmert ihr Euch auch um mich.

Das ist die Botschaft dieses Sonntages, der zugleich der Volkstrauertag ist. Es sind harte Worte, es ist aber auch ein harter Sonntag. Wir gedenken heute der Gefallenen und Vermissten der Kriege in der Welt. Nichts, kein Tsunami und kein Erdbeben, bringt so viel Elend in die Welt wie der Krieg. In diesen Tagen begehen wir das 200jährige Gedenken der Völkerschlacht von Leipzig, die vom 14. bis zum 18. Oktober stattfand. Über 500.000 Männer trafen dort aufeinander, die meisten davon kaum älter als die jungen Menschen hier, zwischen 14 und 25. Schon bevor ein Schuss gefallen war, waren Tausende an Hunger und Krankheiten gestorben, und einfach liegengelassen worden im Schlamm nach drei Tagen Dauerregen im Oktober. Schon drei Tage vor Beginn der Schlacht hatten sie alles kahl gefressen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die blühende Messestadt Leipzig hat drei Jahre gebraucht, bis die gröbsten Spuren beseitigt und die Magazine wieder gefüllt waren, noch Jahre später fand man Leichen und Verschüttete . Die Dörfer in der Umgegend waren verwüstet, die Felder zerstört. In 50 Km Umkreis gab es kein lebendes Vieh mehr. Und als die Schlacht losging, am Freitagnachmittag, setze ein Massensterben ein, wie man es bis dahin noch nie erlebt hatte. Am Dienstagabend, als die Waffen endlich schwiegen, lagen 100.000 Tote oder Schwerstverletzte auf dem Schlachtfeld und fast noch einmal dieselbe Menge Pferde. Es gab in Leipzig kein Haus, keine Straße, keine Kirche außer der Nikolaikirche, die nicht noch für Wochen von Verletzten und Schwerstkranken überquoll. Napoleon verlor die Schlacht, zog sich zurück nach Frankreich, nicht aber ohne in Hanau wenige Tage später noch einmal 20000 Tote zu hinterlassen.

Was ist das mit dem Krieg? Was tun wir da? Preußen, Russland, Österreich und viele kleine Staaten kämpften gegen Napoleon um die Freiheit Europas. Aus dem gleichen Grund aber war Napoleon 15 Jahre vorher aufgebrochen: Er wollte die Freiheit, die Frucht der französischen Revolution, nach Europa bringen, die Fürsten und Kirchenknechtschaft beenden. Das hat er auch getan. Das Königreich Westphalen mit seinem Sitz in Kassel war einer der modernsten Staaten der Welt, mit einer parlamentarischen Verfassung, Freiheit für die Juden, mehr Rechte für Frauen und Ausländer, und mit einem Gesetzbuch, das in vielen Ländern der Welt bis heute gilt. Und noch war es ein primitiver Eroberungsfeld zu, ausgeplündert hat er Europa und in bester korsischer Manier überall seine Brüder als Könige auf die Throne gesetzt und seine Freunde versorg mit Adelstiteln und Macht: alles war auf Lüge gebaut, auf bloßen, nackten Machtstreben eines größenwahnsinnig gewordenen Artillerieleutnants.

Warum ich Euch davon erzähle: Weil es gut ist und wichtig, sich immer dran zu erinnern, was Krieg bedeutet. Wisst ihr, was das Hauptproblem ist? Es erzählen immer nur die Überlebenden. Allein das erweckt einen falschen Eindruck. Und viele derer, die überleben sind so verstört und verschreckt, dass sie von Grauen gar nicht reden können. und viele haben gar keine Wahl: sie müssen die verlorenen Jahre ihre Jungen zu ihren besten erklären, wenn sie nicht verrückt werden wollen. Und noch mehr Überlebende kommen voller Trauer und Hass nach Hause, lebenslanger Groll füllt sie an: Quelle für neuen Krieg.

Der Volkstrauertag soll uns daran erinnern, was Krieg bedeutet. Er ist schon lange kein Heldengedenktag mehr, es ist der Gedenktag an die Soldanten und zivilen Opfer des Krieges. Es ist der Gedenktag menschlichen und politischen Scheiterns. Darum habe ich die Konfirmanden gebeten, mitzumachen. Hier müssen wir ansetzen. Wenn wir den Volkstrauertag verkommen lassen zum Tag für die Alten und zum Pflichtprogramm für Politiker und Chöre, tun wir uns und unsere Jugend nichts Gutes. Wir werden den Krieg nicht einfach so aus der Welt bekommen. Aber wir haben es in Europa geschafft. Nicht zuletzt die grauenhafte Schlacht von Leipzig, wenige Jahre später das Gemetzel von Waterloo mit noch einmal fast 60000 Toten an einem Tag und dann die entsetzlichen Kriege von 1870/71, von denen ja die Gedenktafeln hier noch stehen und auf denen eine erschreckend hohe Zahl von Opfer steht, nicht zuletzt aber die unendlichen Grauen des Ersten Weltkrieges und des zweiten Weltkrieges haben uns in Europa gelehrt, das alles, was dem Frieden dient, uns sei es noch so teuer, und sei es noch schwierig und sei es mit noch so vielen Zugeständnissen und komplizierten Bündnissen verbunden besser ist als der Krieg. Wir haben gelernt, uns über den Gräbern zu versöhnen. Wir haben gelernt, unsere Kraft und Macht einzusetzen für Wohlstand und Frieden, weil wir gelernt haben, dass nur Menschen, die zufrieden sind, die Hand von der Waffe lassen. Selbst die Gewaltkriminalität ist, allem öffentlichen Geschwätz entgegen, bei uns so niedrig wie nie. Jahrhundertlang hat Europa den Krieg in die Welt gebracht. Jetzt haben wir die Chance, den Frieden in die Welt zu bringen. Der Nackte, der Hungrige, der Unbehauste, der Gefangene von dem im Gleichnis die Rede ist: das sind die Menschen in den Ländern, die – und das muss man deutlich sehen – über Jahrhunderte von uns geplündert worden sind und jetzt nicht auf die Beine kommen. Die brauchen das Einfachste: Essen, Trinken, Dach überm Kopf, Frieden im Haus. Dann bleiben sie auch zu Hause und bringen ihren Krieg nicht zu uns. So einfach ist das. Und es ist so einfach. Wir selber sind der Beweis. Ein Leopardpanzer kostet so viel wie die Ernährung einen ganzen Dorfes in Afrika auf Lebenszeit seiner Bewohner. Mindestens 2-3 Millionen Euro. Ich bin nicht naiv. Wir brauchen den Leopard und wir brauchen auch Waffen. Die Frage ist nur die nach der Gewichtung der Ausgaben. Entwicklungshilfe ist sehr viel billiger als Krieg.

Wir habe die Lektion gelernt. Wir haben tatsächlich innegehalten und haben es nicht so gemacht, wie es der Prophet seinem Volk vorwirft. Wir haben gelernt. Aber sitzt das Gelernte wirklich tief? Haben wir die Bestie Krieg wirklich gebändigt? Es gibt immer wieder Menschen, die nur Gewalt kennen, weil sie eben nur Gewalt kennen. Die müssen wir im Auge behalten. Es ist naiv anzunehmen, dass wir Gewalt nur mit Sanftmut aus der Welt bringen. Unser Frieden wird immer ein bewaffneter Frieden sein müssen. Da haben wir eine wahnsinnige Verantwortung, und wir können diese Verantwortung unseren jungen Menscheng gar nicht tiefe genug in die Herzen senken. So wie Gott und die Schöpfung anvertraut hat, dass wir sie hegen und pflegen, hat er uns, indem er Menschen wurde, die Menschen anvertraut, dass wir einander hegen und pflegen. Dazu braucht es Politik. Es gefällt mir gar nicht, wie hierzulande über Politik geredet wird und was für ein negatives Bild gerade unseren jungen Menschen vermittelt wird. Das ist unverantwortlich. Alles, wirklich alles ist besser als Schießen. Reden aber, verhandeln, auch mit durchaus schwierigen Mitteln, ist teuer, langsam und mühsam. Schießen, zuschlagen und vernichten, ist immer leichter. Aber das ist nicht der Wille Gottes. Und es kann auch unser Wille nicht sein. Die, die immer am lautesten nach gewaltätigen Lösungen und einfache Politik schreien, sind immer auch die, die als erste darunter leiden. Den Krieg haben schon immer die kleinen Leute ausbaden müssen. Politik ist die Kunst, den Frieden redend zu bewahren. Für Carl von Clausewitz, der die Völkerschlacht in Leipzig als junger Offizier erlebt hat und später ein berühmtes Buch „vom Kriege“ schrieb stand fest: Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Das hat unser Denken geprägt, bis zum ersten Weltkrieg, ein verhängnisvoller Satz. In Teilen der amerikanischen Politik gilt er bis heute, ganz offiziell.

Wir aber haben gelernt: Krieg ist das Scheitern von Politik. Krieg entsteht, wenn Politik nicht mehr weiter weiß; Krieg entsteht, wenn Menschen sich Frieden nur als Vernichtung des Feindes vorstellen können. Als Kirche, als Christen haben wir den Auftrag, den Willen Gottes in die Welt zu tragen. Und dieser Will heißt, um Christi willen, der am Kreuz gestorben ist, Frieden stiften durch Versöhnung, Wohlstand und Wertschätzung. Denn das Gleichnis von den Böcken und den Schafen geht ja so aus: Keiner kommt in die Hölle. Christus selber wird sich an die Stelle der Böcke setzen und ihre Schuld und ihr Versagen auf sich nehmen. Das ist die gute Botschaft: am Ende steht die Versöhnung. Die zur Linken, die Verdammten werden nicht vernichtet, sondern zum Gespräch geladen, für das sich Gott, wenn es sein muss, eine Ewigkeit lang Zeit nimmt.

Das ist ein harter Weg, viel härter, als der Krieg oft fälschlich erscheint. Weil das erste Opfer des Krieges immer die Wahrheit ist.

Keiner kann sagen, wir hätten es nicht gewusst. Keiner kann sagen er habe nicht gewußt, was Gottes Wille ist. Es steht geschrieben. Klar und deutlich. Wir haben es gehört, aus dem Mund dieser jungen Leute. Die sieben Werke der Barmherzigkeit. Sei weisen uns den Weg zum Frieden.

Hungrige speisen,

Durstige tränken

Fremde aufnehmen,

Nackte kleiden

Kranke besuchen

Gefangene nicht allein lassen.

Tote begraben.

So einfach ist es.

Gott gebe uns die Kraft dazu. Amen.

1 Kommentar:

  1. Das hat mir gutgetan. Danke. Denke momentan oft, was das Wort in seiner "Fremdheit" doch in meinem Herzen anstößt - Ich bin mir selbst einfach nicht genug...
    LG
    JH

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