Samstag, 19. Februar 2022

Zweischneidiges Schwert. Die Macht des Wortes, Predigt für Sexagesimae 2022, Heb 4, 12f

 

Predigt

12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.

Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.

 

Liebe Gemeinde!

 

Ein übles Wort ist schnell gesagt – und kann nicht mehr zurückgenommen werden. Wir können uns mit Worten verletzen, so sehr, dass es viel schwieriger heilt als jede andere Wunde. Seelische Wunden sind sehr tiefe Wunden. Dadurch, dass wir sprechen können, haben wir, von Kindesbeinen an, eine scharfe Waffe bei uns. Und Erziehung meint zum nicht geringen Teil: zu lernen, mit dieser gefährlichen Waffe umzugehen. Die Zunge, sagt eine Redensart, ist schärfer als jedes Schwert, und weil das auch für die geschriebene Sprache gilt, heißt auch: Die Feder ist mächtiger als das Schwert. Ich glaube nicht, dass ich dafür viele Beispiele bringen muss. Jedem und jede wird sofort etwas einfallen. Schmerzen, die wir mit Worte anrichten, könne sehr tief gehen.

 

Aber das ist ja nur die eine Seite. Auf der anderen Seite können wir mit Worten auch Gutes tun. Ein gutes Wort zu rechten Zeit gesagt, kann sehr tröstlich, sehr heilsam und sehr aufbauend sein. Loben können wir, und unsere Zuneigung ausdrücken, ja letztlich ist auch die Liebe auf gute Worte angewiesen. Auch hier brauche ich wohl keine Beispiele zu bringen: Auch hier wird jedem und jede sofort etwas einfallen, wo ein gutes Wort heilsame Wirkung hatte, uns gestärkt und aufgebaut hat.

 

Seltsam ist nur, dass uns solche guten Worte sehr viel schwerer von der Zunge gehen. Seltsam auch, dass wir solche guten Worte oft sehr viel schwerer hören können. Einen Tadel, eine Beschimpfung, eine Rüge erreicht uns sofort. Ein gutes Wort hat es sehr viel schwerer. Sich loben zu lassen und ein Lob anzunehmen: das will offensichtlich auch geübt werden.

 

Woran liegt das? Nun, vermutlich liegt es an unserer Angst. An der Angst, nicht richtig zu sein, den Ansprüchen nicht zu genügen, ein falscher Mensch zu sein. Diese Angst hat viele Wurzeln. Sie hängt auch mit dem Bild zusammen, dass wir von uns selbst haben. Wir möchten doch gerne oft ein anderer, ein andere sein, als die, wir sind. Und da fällt natürlich ein böses Wort sofort auf fruchtbaren Boden und bestätigt uns: „Siehste, ich wusste es doch, ich bin nichts wert, ich tauge nicht, ich bringe nichts, keiner liebt mich“.

Es ist sehr bequem, sich in so einem Bild von sich selbst einzurichten – denn dafür bekommt man immer Bestätigung. Wer sich selbst klein macht, wird immer jemanden finden, der das bestätigt und befeuert. Mit unserem Selbstbewusstsein ist es nicht weit her.

Und es gibt noch einen zweiten Grund. Wenn uns jemand seine Wertschätzung und seine Zuneigung, seine Achtung oder sogar seine Liebe ausdrückt, dann spüren wir darin auch eine Verpflichtung. Da möchte jemand mit mir eine Beziehung aufnehmen. Da möchte mir jemand nahe kommen. Da möchte jemand, dass ich mich auf ihn einlasse. Davor schrecken wir auch oft zurück, obwohl wir uns zugleich mit jeder Faser unseres Leben danach sehen.

 

Menschen sind eben widersprüchliche Wesen. Hab mich lieb und lass mich in Ruhe. Komm mir nahe und bleib mir fern. Wir sind innerlich oft sehr zerrissen.

 

Das macht das Leben manchmal wirklich schwer. Paare, die schon länger zusammen sind, kennen das sehr genau. Und auch die Beziehung von Kindern und Eltern ist davon geprägt. Und in der Politik erleben wir es jeden Tag.

Wir warten auf ein gutes Wort, und wir hören es nicht. Wie sagen ein gutes Wort, und es wird nicht gehört. Aber der kleinste Anflug von Kritik macht uns nervös oder sogar aggressiv, wir ziehen uns zurück – und werden noch unerreichbarer. Ein wahrer Teufelskreis, der eine Beziehung, eine Freundschaft, ja sogar eine tiefe Liebe auf Dauer zersetzen kann.

 

Was braucht es, damit dieser Teufelskreis gar nicht erst in Gang kommt?

 

Es braucht Vertrauen. Und zwar ein doppeltes Vertrauen. Zum einen braucht es das Vertrauen in den anderen Menschen. Dass er es wirklich gut mit mir meint, auch wenn er das vielleicht nicht so ausdrücken kann. Dass er es auch gut mit mir meint, wenn er mal ein böses Wort sagt, Kritik äußert oder schlicht genervt und gereizt ist.

 

Und darum braucht es zugleich auch Selbstvertrauen, ein Vertrauen darauf, dass ich im Grunde in Ordnung bin, dass ich liebenswert bin, und dass der andere mich auch dann noch liebt, wenn ich das gar nicht spüre. Es ist ein Stück Erwachsenwerden, damit umzugehen. Einen Menschen, der ein gutes Vertrauen in sich und die anderen Menschen hat, den nennen wir reif und erwachsen, und es wäre schön, wenn wir immer so wären.

 

Erwachsene Menschen wissen, dass Wörter zweischneidige Schwerter sind, die tief verletzen können und gut heilen können. Und darum nennt der Apostel das Wort Gottes auch ein zweischneidiges Schwert. Denn mit Gottes Wort ist es genauso. Auch dieses Wort kann uns verletzen und kann uns heilen, kann uns kleinmachen und kann uns aufbauen.

 

Glaube meint nun: Darauf zu vertrauen, dass Gottes Wort zwar zweischneidig ist, aber dass es immer zum Guten gemeint ist. Dass Gott sein Wort niemals dazu einsetzt, uns zu verletzen, sondern immer nur, um uns Gutes zu tun. Alles, was wir von Gott hören, ist sozusagen von der Liebe eingeklammert, ist zu uns gesagt in der Absicht, uns zu stärken und zu trösten.

 

Nehmen wir die 10 Gebote, als die vielleicht bekanntesten Worte Gottes. Sie sind gemeint als Richtschnur zum Leben, sie beschreiben, wie das Leben gelingen kann und wie wir in Frieden leben können. Das ist gut gemeint, sehr gut gemeint sogar. Diese Gebote sind ein großes Geschenk. Aber natürlich erinnern sie uns zugleich auch daran, dass wir eben nicht so leben, wie es die Gebote sagen. Dass wir es mit der Wahrheit oft nicht so genau nehmen, dass wir eben doch auch neidisch und missgünstig sind, dass unser Begehren sich oft auf andere richtet und wir damit Beziehungen in Gefahr bringen, dass wir eben nicht ständig unser Leben vor Gott führen. Dann klingen die Gebote wie Drohungen. Obwohl sie gut gemeint sind. Obwohl sie Worte zum Leben sein wollen, hören wir sie als Anklage, oder wie man früher sagte: Als Gericht, als Verurteilung.

 

Und jetzt kommt der Glaube ins Spiel. Jetzt kommt auch Jesus ins Spiel. Seine ganze Botschaft, sein ganzes Leben war darauf ausgerichtet, uns Gottes Wort, uns die Botschaft Gottes, als etwas Gutes, Wohlmeinendes, Wertschätzendes nahe zu bringen.

 

Für mich ist das alles in den einen schönen Wort von Jesus versammelt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“. Wir sollen und brauchen uns vor Gott nicht fürchten, sondern wir können und sollen sein Wort als ein Wort der Liebe und der Zuwendung hören – auch dann, wenn es uns mal schneidend vorkommt: So ist doch zu unserem Besten gemeint. Es ist auch wichtig, und auch ein Ausdruck von Wertschätzung, dass er uns auf unsere Fehler und Schwächen aufmerksam macht, dass er uns warnt vor bestimmten Verhaltensweisen, weil sie uns Schaden zufügen. Ist das nicht das, was Eltern, Lehrer und Lehrerinnen, gute Freunde und Freundinnen und geliebte Menschen auch tun?

 

Es ist auch an uns, wie wir die Worte hören wollen. Und anders als bei Menschen, wo immer auch ein Rest an Zweifel bleiben wird, ob sie es wirklich gut mit uns meinen, und anders als bei Menschen, wo wir eben doch damit rechnen müssen, dass sie es übel mit uns meinen, ist das bei Gott eben nicht so.

 

Er meint es immer gut. Darauf können wir uns verlassen. Es ein Zeichen für einen reifen Glauben, dass er Gott nur Gutes unterstellt. Und wer aus diesem Glauben, aus diesem Vertrauen heraus lebt, der wird auch genug Selbstvertrauen, genug innere Stärke bekommen, mit den Verletzungen zu leben, die uns Menschen zufügen.

 

Wer aus diesem Glauben lebt, wird die Kraft und die Stärke finden, auf ein böses Wort mit einem guten Wort zu reagieren. Das ist was die Bibel „Versöhnung“ nennt, die der Anfang des Friedens ist.

 

Letztlich ist es eine Entscheidung, ob wir Menschen oder ob wir Gott das letzte und gültige Wort über uns sagen lassen. Für Jesus, nachdem wir uns ja nicht ohne Grund Christen nennen, ist es völlig klar: Gott kann es nur gut mit uns meinen. Er spricht das letzte und gültige Wort über mich.

 

Dieser Gedanke, dieses Wort ist der Anfang und Weg in ein gutes Leben, in dem nicht die Angst, sondern das Vertrauen unseren Weg bestimmt. Lasst Euch darauf ein, es lohnt sich. Fürchtet Euch nicht vor dem Wort Gottes, auch wenn es ein zweischneidiges Schwert ist.

Das wird euch helfen, damit zurecht zu kommen, das menschliche Worte oft zweideutig sind. Das Wort Gottes ist es nicht. Wer das gute Wort Gottes als gutes Wort hört, wird auch gute Worte für sich und andere finden und damit einen Weg zum inneren und äußeren Frieden. Das ist jedenfalls unsere Hoffnung.

 

Amen.

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