Donnerstag, 19. August 2021

Predigt zum 12.S.n. Trin. Mk 7, 31-37. Heilung.Fanatismus.Auftrag.

 

Jesus heilt einen Taubstummen

Markus 7, 31-37 (Basisbibel)

31Danach verließ Jesus das Gebiet von Tyros wieder. Er kam über Sidon zum See von Galiläa, mitten ins Gebiet der Zehn Städte. 32Da brachten Leute einen Taubstummen zu ihm. Sie baten Jesus: »Leg ihm deine Hand auf!« 33Jesus führte ihn ein Stück von der Volksmenge weg. Er legte seine Finger in die Ohren des Taubstummen und berührte dessen Zunge mit Speichel. 34Dann blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte: »Effata!«, das heißt: Öffne dich! 35Sofort öffneten sich seine Ohren, seine Zunge löste sich, und er konnte normal sprechen.36Jesus schärfte ihnen ein, nichts davon weiterzuerzählen. Aber je mehr er darauf bestand, desto mehr verkündeten sie, was Jesus getan hatte.

37Die Leute gerieten völlig außer sich vor Staunen und sagten: »Wie gut ist alles, was er getan hat! Durch ihn können die Tauben hörenund die Stummen reden!«

 

 

Liebe Gemeinde!

Jesus hat Menschen geheilt. Das war es, was die Menschen für ihn begeistert hat. Und er heilte, ohne vorher zu fragen. Er wollte von Ihnen nicht wissen, ob sie wirklich glauben. Er machte keine Prüfung vorher. Er heilte, weil er die Not der Menschen sah. Und er heilte sie am Körper und an der Seele.

Das wird auch in dieser Geschichte erzählt. Dem hör- und sprachgeschädigte Mensch wurde nicht nur die Ohren geöffnet und die Zunge gelockert, er wurde nicht einfach nur gesund gemacht. Er wurde geheilt. Denn indem Jesus ihm seine körperliche Schwäche nahm, befreite er auch seinen Geist. Der Mensch kann ein neues Leben beginnen, er wird die Welt jetzt ganz neu wahrnehmen. Und er wird seine Zunge auch dazu nutzen, Gott und die Menschen zu loben. Mitten in seinem Elend traf ihn das Wort, das ihn gesund machte. Das brauchen wir auch. Gerade die Ereignisse der letzten Wochen: Überschwemmungen, Brände und natürlich die schrecklichen Nachrichten aus Afghanistan verschlagen uns die Sprache. Mich machen solche Ereignisse auch stumm, und in gewisser Weise auch taub. Ich kann es nicht mehr hören, ich will es nicht mehr hören, es überfordert mich. Was soll man dazu sagen? Wenn einem die Welt so schrecklich begegnet, macht einen das stumm und taub. Und dann brauchen wir Trost und Zuwendung, die uns wieder neu sehen lassen und neu hören lassen. Das geschieht, wenn uns Jesus begegnet. Das kann auch heute noch geschehen: In Jesus. Deswegen erzählen wir ja diese Geschichten. Weil sie uns eine Hoffnung machen, eine Hoffnung darauf, dass Gott uns zwar manchmal verborgen ist, aber auf seine Weise eben doch da ist. In dem er Menschen beruft und bewegt, durch das, was wir von ihm erzählen. Er will uns wieder ins Leben holen, wenn uns Angst und Not stumm und taub machen. Indem er uns zusagt, dass er uns liebt und bei uns ist. Dass er uns begleitet und trägt. Auf eine verborgene, stille Weise. Denn Gott ist kein Zauberer, der einfach so in das Weltgeschehen eingreift. Er hat uns Freiheit geschenkt, und zur Freiheit gehört auch, dass wir Fehler machen, schreckliche Fehler sogar. Er hat unsere Lebenszeit begrenzt, damit uns das Leben kostbar wird und wir damit sorgfältig umgehen. Das will er uns entdecken lassen. Manchmal geschieht das auf eine stille Weise, die wir kaum mitbekommen. Wer weiß, ob nicht gerade dieser Gottesdienst zum Lesen etwas auslöst und Augen und Ohren öffnet, so dass die Welt in einem neuen Licht erscheint. Die christliche Kirche, die Gemeinschaft der Menschen, die die Hofffnung nicht aufgegeben hat, hat diese Erfahrung gemacht. Immer wieder sind Menschen von ihrer Angst, ihrem Verstummen geheilt worden, weil sie von Gott etwas hörten, was sie noch nie gehört haben: dass Gott ein gnädiger Gott ist. Oder auch ganz dramatisch, wie es bei Paulus war, als er noch seinen jüdischen Namen Saulus trug.Das ist ja eine meiner liebsten Geschichten. Er hasste und verachtete die Menschen, die sich an Jesus hielten und die sich „der neue Weg“ nannten. Er hasste und verachtete sie, weil er der Botschaft von der bedingungslosen Liebe, die nicht nach Frömmigkeit, Glauben und Guten Werken fragt, nichts abgewinnen konnte. Er hielt sie sogar für gefährlich, weil er der Meinung war, dass Gott sich nur „guten Menschen“ zuwendet, Menschen,die nach den Regeln leben, von denen Paulus dachte, sie wären von Gott. Und so wurder er in seinem Haß, seinem religiösen Haß, beinahe zum Mörder, er wurde ein schlimmer religiöser Eiferer, und ich denke, was das heißt, wissen wir in diesen Tagen genauer, als uns lieb ist. Aber selbst für die gibt es eine Chance! Paulus jedenfalls ließ sich eine Vollmacht ausstellen, die Christen zu verfolgen, wo er sie fand, und deswegen machte er sich auf nach Damaskus. Dahin hatten sich die ersten Jünger und Jüngerinnen Jesu nämlich in Sicherheit gebracht. Und dann geschah es: Auf dem Weg nach Damaskus begegnete ihm Jesus, von dem Paulus ja vorher schon so viel gehört hat und vo dem er alles zu wissen meinte. Das ist ja oft so, dass wir unsere vermeintlichen Feinde oft besser kennen als unsere Freunde. Und deswegen erkannte Paulus die Stimme auch sofort, aber er war völlig überrascht. Und wieder: Jesus macht ihm keine Vorhaltungen. Er stellt nur eine Frage: „Saul, Saul, warum verfolgst Du mich?“ Paulus kann kaum glauben, was er hört, und fragt zurück: „Wer bist du?“ „Ich bin Jesus, den du verfolgst“. Und dann bekommt Paulus einen Auftrag: Er soll nach Damaskus gehen. Da wird das weitere geregelt. Und Paulus wird blind. Seine Augen waren verschlossen. Was einen bei so einem Ereignis ja auch nicht wundert – ein tiefer Schock. Und das dauerte drei Tage, so lange, wie Jesus im Grab lag. Paulus war sozusagen für sein altes Leben gestorben wie Jesus. In Damaskus dann trifft er auf Hananias, der auch nicht glauben kann, was geschehen ist: Der, der die Christengemeinde so hasste, soll nun getauft werden, und nicht nur das: Er soll jetzt der Bote werden, der den christlichen Glauben über die Grenzen von Damaskus und Jerusalem hinaus in die ganze Welt trägt. Und so geschieht es dann auch. Der ehemalige Verfolger wird der wichtigste und wirkmächtigste Bote Gottes, in dessen Spuren wir bis heute gehen. Und er wird der Bote der Liebe Gottes, die Menschen heil macht, ohne auf die Vorgeschichte zu schauen. Er wird er Bote der bedinungslosen Liebe, von der er immer dachte, die könne es doch gar nicht geben. Paulus wurde nicht einfach nur berufen. Er wurde geheilt. Geheilt durch einen einzigen Satz, der sein ganzes vorheriges Leben in Frage stellte: „Warum verfolgst Du mich?“ Paulus hatt eine heilsame, wenn auch erst einmal schmerzhafte Begegnung, die ihn gesund werden ließ – er erkannte erst im Rückblick, wie krank er durch seinen Haß und seine Verachtung war. Genau das aber machte ihn zu dem Boten, der er dann wurde: Er wusste, wovon er redete! Er war ein Geretteter.

Nun ist nicht jeder von uns ein Paulus. Und nicht jeder von uns ist stumm und gehörlos in dem Sinne, wie er der Mensch war, den Jesus heilte. Die Begegnungen mit Jesus heute verlaufen meistens doch weniger spektakulär. Wir werden mit ihm groß, wir lernen ihn kennen durch Erzählungen, durch die Feste, die wir feiern, durch den Gottesdienst, durch das Lesen in der Bibel, oder einfach auch durch unsere Kultur, die durch und durch christlich gegprägt ist. Und diese Begegnung, die oft so unscheinbar ist, kann eine heilsame Begegnung sein, die uns das Leben neu lieben lernt, und die uns nicht verzweifeln lässt. Und er begegnet uns nicht mehr so, wie er dem gehörlosen und stummen Menschen begegnet, und auch nicht so, wie er Paulus begegnte. Paulus selbst schreibt, sehr nüchtern: die direkten Offenbarungen werden aufhören. An die Stelle von Jesus – sind wir getreten. Wir sind jetzt die Botinnen und Boten Jesu, die die gute Nachricht weitergeben, dass Gott uns, gegen allen vermeintlichen Augenschein, liebt und nicht aufgibt. Und so ist unsere Aufgabe als Kirche, als Gemeinde, als Christinnen und Christen, zu Menschen zu gehen und sie einzuladen zum Glauben, damit sie die Chance bekommen, Jesus zu begegnen. Damit auch sie ihr Leben in einem neuen Licht sehen können und, jeder auf seine Weise, Heil erfahren kann: Die Zusage, dass niemand verloren geht. Wer das wirklich hört: Du bist gemeint! – der wird die Welt ganz neu sehen und selbst ein Licht in der Welt werden. Und die Welt braucht Lichter. Die Welt braucht Menschen, die Hoffnung verbreiten, in Wort undTtat. Und jeder kann dazu berufen werden – die Vorgeschichte zählt nicht. Das ist der Kern der guten Nachricht. In einer Welt, wo jeder nur nach seiner Leistung beurteilt und behandelt wird, ist das wahrlich eine gute Nachricht! Möge sie uns erreichen, mögen uns Augen geöffnet und die Zunge gelöst werden, mögen wir geheilt werden von Angst, Furcht und Wut. Zum Besten der Welt, die es so dringend nötig hat, dass in ihr laut gerufen wird: »Wie gut ist alles, was er getan hat! Durch ihn können die Tauben hören und die Stummen reden!«


Die Lesung, weil sie in der Predigt vorkommt, Apg 9. Basisbibel

Die Berufung des Saulus, der sich später Paulus nannte:

91Saulus verfolgte immer noch die Jünger des Herrnund drohte ihnen mit Hinrichtung.Er ging zum Hohepriester2und bat um eine schriftliche Vollmachtfür die Synagogen in Damaskus.Er hatte vor,dort die Anhänger des neuen Weges aufzuspüren.Er wollte sie, Männer und Frauen, festnehmen und nach Jerusalem bringen.

3Auf dem Weg nach Damaskus, kurz vor der Stadt,umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel.4Er stürzte zu Bodenund hörte eine Stimme, die zu ihm sagte:»Saul, Saul, warum verfolgst du mich?«5Er fragte: »Wer bist du, Herr?«Die Stimme antwortete: »Ich bin Jesus, den du verfolgst.6Doch jetzt steh auf und geh in die Stadt.Dort wirst du erfahren, was du tun sollst.«7Den Männern, die Saulus begleiteten,verschlug es die Sprache.Sie hörten zwar die Stimme, doch sie sahen niemanden.8Saulus erhob sich vom Boden.Aber als er die Augen öffnete, konnte er nichts sehen.Seine Begleiter nahmen ihn an der Handund führten ihn nach Damaskus.9Drei Tage lang war Saulus blind.Er aß nichts und trank nichts.

10In Damaskus lebte ein Jünger namens Hananias.Dem erschien der Herrund sagte zu ihm: »Hananias!«Hananias antwortete: »Hier bin ich, Herr!«11Der Herr sagte: »Steh aufund geh in die Gerade Straße.Dort sollst du im Haus von Judasnach Saulus aus Tarsus fragen.Er ist dort und betet.12In einer Erscheinunghat er einen Mann namens Hananias gesehen.Der kam zu ihm und legte ihm die Hände auf,damit er wieder sehen konnte.«13Hananias antwortete:»Herr, ich habe schon viel von diesem Mann gehört.Er hat deinen Heiligen in Jerusalem viel Böses angetan.14Und jetzt ist er mit einer Vollmachtvon den führenden Priestern hierhergekommen.Er will alle festnehmen, die deinen Namen anrufen.«15Aber der Herr sagte zu ihm: »Geh nur hin!Denn gerade ihn habe ich mir als Werkzeug gewählt.Er soll meinen Namen bekannt machen –vor den Völkern und ihren Königenwie auch vor dem Volk Israel.16Ich werde ihm zeigen, wie viel er leiden muss,weil er sich zu mir bekennt.«

17Da machte sich Hananias auf den Wegund ging in das Haus.Er legte Saulus die Hände auf und sagte:»Saul, mein Bruder,der Herr hat mich gesandt –Jesus, der dir auf dem Weg hierher erschienen ist.Du sollst wieder sehen könnenund mit dem Heiligen Geist erfüllt werden.«18Sofort fiel es Saulus wie Schuppen von den Augen,und er konnte wieder sehen.Er stand auf und ließ sich taufen.19Dann aß er etwas und kam wieder zu Kräften. Danach verbrachte Saulus einige Zeitbei den Jüngern in Damaskus.20Er ging gleich in die Synagogen und verkündete dort:»Jesus ist der Sohn Gottes.«

 

 

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