Donnerstag, 12. Oktober 2017

Der reiche Jüngling. Mk 10, 17-27, 15.10. Züschen



Mk 10,17-27
17 Und als er sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? 18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.«

20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf. 21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!
22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.
 23 Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: [a]Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!
24 Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist's, ins Reich Gottes zu kommen! 25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. 26 Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? 27 Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.


Liebe Gemeinde°
„Zum Gelde drängt, am Gelde hängt doch alles“, reimte der vermeintlich allwissende alte Heide Goethe. Aber eines wusste er offensichtlich nicht: Das Reich Gottes hängt nicht am Gelde. Es hängt am Glauben. Und Glauben ist ein festes Vertrauen darauf, dass Gott uns gnädig ist aus reiner Liebe – und das heißt, Gott wartet nicht darauf, dass wir etwas tun. Er schenkt uns, was wir brauchen, nicht, was wir verdient haben.

Und das ist der eigentliche Witz der Geschichte vom reichen Jüngling. Sie klingt ja auf den ersten Blick recht erschreckend. Alles weggeben? Das ist hart. Für einen Armen vielleicht nicht so sehr, aber für einen Reichen schon. Und wir sind Reiche! Das Gleichnis fährt uns die Knochen! Hindert uns unser Reichtum, unser gutes Leben daran, in der Nähe Gottes zu leben? Eher geht ein Kamel durch das Nadelöhr, als das ein Reicher in das Reich Gottes kommt? Das klingt nach einem vernichtenden Urteil.

Und das genau ist die Falle, in die auch der reiche Jüngling tappt. Es ist nicht das Geld, das ihn von Gott entfernt. Sondern es ist das, was das Geld mit ihm macht. Denn Geld hat so eine ganz eigene Logik, die tief in uns sitzt. „Nichts ist umsonst“, heißt diese Logik, „Nichts wird dir geschenkt“, heißt diese Logik. Wer reich ist, hat hart dafür gearbeitet, und wenn er es geerbt hat, dann haben seine Vorfahren daran hart gearbeitet. Geld muss verdient werden. Geld lebt davon, dass wir in Gabe und Gegengabe denken. Geld gibt den Dingen einen Wert, an dem wir die Dinge messen. Selbst Menschen werden in Geld gemessen, wenn wir für die Zeit und die Kraft, die wir investieren, unseren Lohn kriegen. Das scheint ein ehernes Gesetz zu sein, das ganz tief in uns sitzt. Es ist die Logik des Tauschens, die im Kern heißt: Ich gebe, damit du gibst.
Das ist die Denk- und Glaubensfalle, in der der reiche Jüngling sitzt.
Er fragt ganz in diesem Sinne: Was muss ich tun, damit ich das Reich Gottes ererbe? Schaut man genau hin, dann ist das sogar eine ganz und gar fatale Frage: Hier wird sogar das Erbe als Belohnung verstanden! Das kennen wir ja auch: Das Erbe als Belohnung. Wenn Du dich als Kind gut und richtig verhältst, wenn Du tust, was Deine Eltern wollen, dann wirst du erben. Und wenn nicht, dann wirst du enterbt. Ich denke, jeder von Euch kennt Familiengeschichten, wo gerade die Frage des Erbes Familien über Generation entzweit hat. Die Logik des Geldes, die nur in Gabe und Gegengabe, nur in Lohn und Verdienst denken kann, ist vernichtend. Wenn wir nur bekommen, was wir verdienen, steht es schlecht um die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft.
Jesus nun packt den Jüngling genau bei diesem Denkfehler. Der Jüngling stellt die falsche Frage, also bekommt er auch die passende Antwort: „Du weisst genau, was du zu tun hast!“ Jesus spürt, dass der junge Mann mit schlechtem Gewissen vor ihm steht, wie die allermeisten von uns ja auch. Jesus zitiert zuerst aus den zehn Geboten: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.«
Das tue ich doch alles, sagt der Jüngling, ich bin ein guter und frommer Jude. Also, sagt Jesus, dann weisst du ja auch, was als Nächstes zu tun ist.
Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!
Jesus sagt er ihm, was er längst weiß: Du musst alles den Armen geben. Du musst Dein Leben radikal ändern. Keine Frage, dass das den Jüngling traurig macht und erschreckt. Er geht betrübt von dannen.

Und auch die Jünger erschrecken zutiefst. Nicht nur weil die Forderung Jesu so hart ist, dass niemand auf der Welt sie erfüllen kann – oder will. Sondern weil sie wohl  auch spüren, dass in dieser Antwort noch mehr liegt, dass hier ein grundlegender Denkfehler vorliegt. Sie sind tief beunruhigt. Aber Jesus löst das nicht einfach auf. Er gibt ihnen zu denken: Eher geht ein Kamel durch das Nadelöhr, als das ein Reicher in das Reich Gottes kommt. Aber bei Gott ist alles möglich!
Nur, was ist bei Gott möglich?
Bei Gott ist möglich – dass die Logik von Gabe und Gebengabe gar nicht funktioniert. Dass Gott gar nicht denkt wie ein Banker, ein Lehrer oder ein Arbeitgeber! Das ist der Schlüssel. Wir denken so. Er aber denkt wie ein liebender Vater, der seinen Kindern schenkt, was sie brauchen, allein, weil sie seine Kinder sind. Gott schachert nicht.

Das erzählt Jesu in seinen Gleichnissen immer und immer wieder. Alle Arbeiter im Weinberg bekommen denselben Lohn, trotz unterschiedlicher Arbeitszeiten: Aber sie bekommen alle den maximalen Lohn, damit alle davon auch leben können! Der jüngere Sohn, der sein Erbe verjuxt und verprasst hat, wird wieder aufgenommen, ohne Wenn und Aber, ohne Bedingungen und ohne Vorhaltungen, einfach, weil er der Sohn ist. Das kommt uns ungerecht vor. Immer wieder, wenn ich gerade diese Gleichnisse mit Konfirmanden oder Schülern oder an Bibelabenden auch mit Erwachsenen besprochen habe, gab es an dieser Stelle Widerstand. Wie, Gott belohnt nicht? Heißt das auch, das Gott nicht straft? Ja, genau das heißt es. Das ist nämlich der Kern unseres Christlichen Glaubens. Unsere Sünde – und von der ist ja hier die ganze Zeit der Rede -ist uns immer schon vergeben, weil Jesus alle unser Schuld auf sich nimmt. Wir können vor Gott treten als freie und befreite Menschen, ohne Angst und ohne Furcht, und wir müssen auch kein Zeugnis vorlegen. Das Leben ist keine Castingshow, in der nur die Guten weiterkommen. Wer ist schon gut? Wer bitte liebt seine Kinder nur, wenn sie brav sind? Und wenn, würden wir das Liebe nennen?
Das also ist der Denkfehler des reichen Jüngling: Hier muss er sich ändern. Wenn er jetzt sein ganzes Erbe auflöste, nur um sich die Liebe Gottes zu verdienen, wäre er keinen Schritt weiter, die Heuchelei bekäme nur eine zusätzliche Umdrehung: Die Armen werden zum Instrument seiner Erlösung.  
Was muss ich tun, damit ich das Reich Gottes ererben? Fragt er. Die unglaubliche Antwort muss lauten: Gar nichts! Du hast schon längst geerbt. Du bist schon reich beschenkt. Das Reich Gottes steht dir offen, sobald du begreifst, dass es das Reich der Liebe ist!

Das kann problemlos wegfallen: 
Und was ist nun mit seinem Reichtum? Nun, auch hier ist die Antwort letztlich ganz einfach. Wer verstanden und begriffen hat, dass er von Gott reich beschenkt ist, wer verstanden hat, dass er von Gott unter allen Umständen geliebt wird – hat er nicht schon den größten Schatz des Leben gefunden? Wird der nicht bereit sein, abzugeben, zu teilen und helfen, wo es nur geht? Tun wir für die, von denen wir geliebt werden und für die, die wir lieben, nicht alles Mögliche, und tun wir das nicht sogar gerne? Kommt aus der Liebe nicht die Hingabe? Wer meint, sich die Liebe verdienen zu müssen, wird ein unglücklicher Mensch werden, weil es so nicht funktioniert. Wer sich aber geliebt weiß, hat schon den schönsten Schatz auf Erden, und wird darum nicht am Gelde hängen und am Gelde drängen. Darum, meine Lieben hat der Glaube ein ganz nüchternes Verhältnis zum Geld. Es ist ein Zahlungsmittel. Es ist auch ein Ermöglichungsmittel. Wer Geld hat, der hat die Möglichkeit auf eine Art und Weise zu helfen und zu unterstützen, die andere nicht haben. Darum liegt im Geld auch eine Verantwortung – aber eine vor den Menschen, nicht vor Gott. Es wäre doch auch niemanden geholfen, wenn alle gleich arm wären! Es sollen alle gleich reich sein! Nicht der Reichtum hindert uns, zu Gott zu gelangen. Sonderns das fatale Denken, dass der Reichtum in uns auslöst Wir wissen nicht, ob der Jüngling das eines Tages doch noch verstanden hat. Es ist kein leichter Gedanke. Aber was wäre ihm doch zu wünschen.
Die Jünger haben es eines Tages verstanden. Sie haben es verstanden. als Gott am Ostermorgen seinen Mördern, Verleugnern und Verächtern den auferstandenen Jesus entgegensandte und so ein Zeichen seiner Gnade setzte: Da haben sie verstanden, dass wir vor Gott nichts verdienen müssen, weil wir das gar nicht können. Sondern Gott beschenkt uns reich, reicher, als wir es jemals könnten.

 
Wann also kommt auch ein Reicher in den Himmel? Wenn er aufhört, in der Logik des Geldes zu denken, in der Logik von Verdienst und Würdigkeit, in der Logik von Gabe und Gegengabe. Ein Reicher ist schon genau dann im Himmelreich, wenn er begreift, dass auch sein Reichtum ein Geschenk ist. Ein Geschenk Gottes an ihn, auf seine Weise gutes zu tun. In dem er Menschen in Lohn und Arbeit bringt, in dem spendet und stiftet, indem mit dem Geld Barmherzigkeit übt. Nicht um wieder geliebt zu werden, sondern um Gottes Liebe weiterzugeben. Der Unterschied klingt nur minimal, aber eist gewaltig: Es ist der Unterschied von Lohn und Geschenk. Was das für unser Zusammenleben bedeutet, muss ich wohl kaum weiter ausführen. Wenn wir die Frage stellen: Hast Du das auch verdient? Steht dir das auch zu? Dann bauen wir eine ungerechte Gesellschaft, in der die Armen, Verlorenen, die Schwachen, Kranken, die Seltsamen und die Schwierigen keine Chance haben.
Die einfache Frage aber: Was brauchst du? Was kann ich für dich tun?  – geht durch die offene Tür des Himmelreiches und bringt die Liebe in die Welt.
Hoffen, wir, dass der Jüngling doch noch dazu gekommen ist, die richtige Frage zu stellen:
Meister, ich von Gott so reich beschenkt, was kann ich damit tun? Es hängt eben nicht alles am Gelde. Es hängt alles an der Liebe.

Amen.

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