Samstag, 12. September 2015

Guten Morgen, liebe Sorgen, Predigt für den 15. S. n. Trin., Mt 6, 24-35 .


Mt 6,25-34

25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?

Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?

Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?

 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.

Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.

 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.

 

Liebe Gemeinde!

 

Die Worte Jesu stammen aus der Bergpredigt: jener großen Sammlung von Jesusworten, die am Anfang des Matthäusevangeliums steht und die in den 2000 Jahren der Geschichte des christlichen Glauben immer wieder für Zündstoff gesorgt hat. Wenn man meint, der christliche Glaube sei weltfremd und versponnen, dann kann man hier die Munition dafür finden. Es klingt wie Hohn, was Jesus hier sagt: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet…..Dabei ist das doch unsere Grundsorge, die Sorge um das leibliche Wohl. Wenn man das so einfach könnte, die Sorgen einfach wegstreichen. Ich muss an den albernen Schlager denken, der in meiner Jugend von Jürgen von der Lippe gesungen wurde: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen, na, dann ist ja alles klar“. Das ist zwar witzig, aber auch ein bisschen bitter. Ähnlich klingen die Worte des amerikanischen Komikers Groucho Marx. Der hat gesagt: “Drei Fragen treiben den Menschen um. Wo komme ich her, wo gehe ich hin, was gibt es heute Mittag zu essen?“ Wobei das ja schon eine Luxusfrage ist. Es gibt leider auf dieser Welt viel zu viele Menschen, die stellen sich die Frage: Gibt es heute Mittag überhaupt etwas zu essen?

Und ich glaube, das macht es uns letztlich so schwer, die Worte Jesu wirklich ernst zu nehmen. Denn die richtigen, die schwere, die lebensbedrohende Sorge um Essen und Trinken kennen wir nicht wirklich. Das spüre ich im Moment bei der Diskussion um die Flüchtlinge sehr deutlich: es fehlt uns in unsrem reichen und wohlhabenden Land ein wenig an der Fantasie für die Armut, für die Not und den echten Hunger. Was heißt schon Wirtschaftsflüchtlinge? Das sind Menschen, die vor der Armut, der Not und dem Hunger fliehen. Und Armut und Not meint mehr als die Sorge um den Kühlschrank. Armut und Not meint auch: für das Leben keine Perspektive mehr zu sehen. Arm ist auch jemand, der heute nicht weiß, was das Morgen bringt, ja schärfer noch: arm ist jemand, der heute Angst vor Morgen hat.

Das kennen wir nur noch, wenn wir zum Beispiel ernsthaft erkrankt sind. Diese Menschen werden die Worte Jesu in ihrer vollen Schärfe hören – und werden sie im ersten Moment als Hohn empfinden. Wer wirklich Sorge hat, dem ist doch damit nicht gedient, dass ihm gesagt wird, er solle sich keine Sorgen machen, Gott wird schon einen Weg finden. Will Jesus diese Menschen vor den Kopf stoßen?

Das glaube ich natürlich nicht. Obwohl es in der Geschichte des christlichen Glaubens diese Position und diesen Standpunkt auch gab: die Armen sollen sich nicht so anstellen, sich Sorgen zu machen, ist gottlos und zeugt von wenig Gottvertrauen. Na danke, möchte man das sagen, das ist wirklich hilfreich!

Worauf will Jesus also hinaus?

Letztlich ist es ein Aufruf dazu, sich von den Sorgen nicht auffressen zu lassen. Wir sollen sie über unser Leben nicht herrschen lassen. Denn wer sich der Sorge hingibt, der wird von ihr am Ende zerstört. Wer sich in die Ecke setzt und jammert und klagt, wird sich am Ende gar nicht mehr bewegen. So muss man die Menschen, die wir so einfach „Flüchtlinge“ nennen, auch mal sehen: Sie warten ihr Schicksal nicht ab, sie nehmen es an und bewegen sich. Das ist doch für meissten von uns kaum vorstellbar, einfach alles stehen und liegen zu lassen und aufzubrechen. Auch das muss man sehen: Diese Menschen machen sich auf, sie haben das Vertrauen, dass es anderswo tatsächlich ein besseres Leben gibt. Flucht ist immer auch Ausdruck von Hoffnung!

Deswegen sagt Jesus: Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes, dann wird euch das alles zufallen. Deswegen der Hinweis auf die Vögel am Himmel und die Blumen auf dem Felde. Sie überlassen sich ganz dem Gang der Natur, vertrauen sozusagen darauf, dass der Tisch reich gedeckt ist. Schaut man genauer hin, dann wird einem aber schon klar: Auch die Vögel legen Vorräte an und bauen Nester. Aber sie tun es mit einem geschöpflichen Vertrauen, das wir Menschen, weil wir zweifeln und grübeln, sehr schnell verlieren. Was uns von den Vögeln unterscheidet ist, dass wir Angst vor Morgen haben.  Im Grunde heißt die Botschaft: Schaut genau hin, es ist genug für alle da, der Tisch ist reich gedeckt.

Es ist dieser andere Blick auf die Welt, zu dem uns Jesus führen will. Wir sollen nicht auf den Mangel starren, sondern auf das, was da ist. Und es ist ja etwas dran. Der Tisch ist reich gedeckt. Die Nahrung, die wir produzieren, würde reichen, ein Vielfaches der bisherigen Weltbevölkerung zu ernähren. Denn Knappheit ist nicht unser Problem. Unser Problem ist die Verteilungsgerechtigkeit. Das wird sichtbar, wenn man über die Worte Jesus ein wenig länger nachdenkt. In Paris haben diese Woche die Bauern demonstriert, weil sie so viel Milch produzieren, dass die Preise zusammenbrechen, und ähnliches gilt auch für die Fleischpreise und den Getreidepreis. Das ist doch ein großer Widerspruch. Auf der einen Seite eine Armee von Menschen, die zu uns kommt, weil sie nicht satt werden und kein Dach mehr über dem Kopf haben, weil sie nicht in Sicherheit leben können und täglich mit vielfältigem Tod rechnen müssen, auf der anderen Seite eine Gesellschaft, die nicht weiß, wohin mit ihren Gütern. Es hat mich daher sehr berührt, als ich die Bilder von den überquellenden Spenden sah, die die Menschen in München, Dortmund, Wien und Düsseldorf zusammengetragen haben, es sind ja so viele Spenden zusammengekommen, dass die Helfer schon sagen: Wir brauchen nichts mehr! Das zeigt doch, in welchem Überfluss wir leben, denn niemand, der da etwas hingebracht hat, wird deswegen selber in der Armut enden. Wir geben ab von unserem Überfluss, denn es ist genug da. So ist das gemeint. Das ist die Logik des Reiches Gottes, nachdem wir trachten sollen. Jesus ist nicht naiv. Es geht hier nicht darum, dass er sagt, dass Gott uns die gebratenen Tauben in den Mund fliegen lässt. Er will darauf hinweisen, dass genug für alle da ist, und dass im Reiche Gottes Gerechtigkeit herrschen soll, und damit ist auch die Verteilungsgerechtigkeit gemeint. Darum sollen wir uns von der Sorge nicht auffressen lassen, sondern uns die Frage stellen, wie wir die Güter gerecht verteilen. Und damit wird die Bergpredigt doch unmittelbar politisch. Bismarck soll ja gesagt haben: Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen. Das halte ich für einen törichten Satz. Man kann sehr wohl damit Politik machen, wenn man aus dem Geist der Bergpredigt heraus handelt. Und in einem freiheitlichen Staat ist es geradezu die Hauptaufgabe der Politik, Menschen die Sorgen um das tägliche Brot zu nehmen, indem sie Solidarität organisiert. Freilich: man kann darüber streiten, ja man muss es sogar, wie das am besten geschieht. Es ist sicher nicht hilfreich, hier Essen und Wohnraum zu verteilen, wenn man nicht gleichzeitig dort, wo die Not entsteht, für Abhilfe sorgt. Solange in Syrien, in Eritrea und im mittleren Afrika Krieg herrscht, werden die Menschen von der Sorge um das nackte Überleben zu uns getrieben. Solange in den Balkanstaaten die wirtschaftliche Situation so schlecht ist, wie sie ist, wird die Sorge sie zu uns treiben. Würden wir es anders machen? Haben wir nicht auch in unserem Lande eine starke Migration dorthin, wo es den Menschen gutgeht? Die Menschen kommen doch aus der ganzen Republik nach Baunatal, weil sie hier einen Arbeitsplatz und gute Bedingungen finden – man muss gar nicht weit fahren, ums selbst in Deutschland in Gegenden zu kommen, wo Arbeit so knapp ist, dass die Menschen weggehen. Und nicht nur das. Wir stehen doch einigermaßen fassungslos vor dem Phänomen, das Menschen aggressiv und gewalttätig auf die Fremden reagieren, weil sie das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird. Das muss man schon ernst nehmen, selbst wenn diese Angst bei Lichte betrachtet wenig begründet ist – unser Finanzminister, wahrhaftig kein verschwenderischer Typ – weist immer wieder darauf hin. Geld ist kein Problem. Aber die Verteilung. Das ist, was die Menschen aggressiv macht. Also ist der Satz des Jesus, dass wir uns nicht sorgen sollen, gerade auch an uns Reiche gerichtet. Wir dürfen uns von unserem Überfluss und unseren Verlustängsten nicht das Herz versteinern lassen, sondern immer wieder einmal genau hinschauen, wie gut es uns im Grunde geht. Dass die Menschen hierher kommen, weil es uns gut geht, ist doch ein deutliches Zeichen dafür.

Es ist genug für alle da. Gott sorgt für uns. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Gaben auch alle erreichen. Das Gegenteil von Sorge ist Glück. Und am glücklichsten sind wir doch alle, wenn alle glücklich sind. Ungerechtigkeit ist am Ende am schwersten zu ertragen, vor allem dann, wenn man erkennt, dass die Ungerechtigkeit von Menschen gemacht ist. Denn nur gegen diese Ungerechtigkeit können wir in einer gemeinsamen Anstrengung etwas unternehmen. Dafür müssen wir aber das Gefühl verlieren, dass uns daran hindert, genau hinzusehen: und das ist die Angst. Darum geht es Jesus in Wahrheit am meisten. Auch in diesen Wort der Bergpredigt, die so weltfremd klingen und so naiv wirkt, ist die Kernbotschaft des Evangeliums verborgen: Fürchtet Euch nicht! und mehr noch: Habt Vertrauen! Der Gott, der sogar die Mächte des Todes besiegt hat, wird auch die Mächte der Ungerechtigkeit besiegen, und er will, dass wir dabei mitarbeiten, damit wir am Ende stolz sein können auf unser Werk; und wenn wir scheitern, dann sollen wir nicht verzweifeln, sondern im Gebet uns Gott anvertrauen und ihn bitten, uns neue Wege zu zeigen, wie wir das Glück der Menschen fördern können. So würde sich das Abendland, von dem immer so viel die Rede ist, als ein wahrhaft christliches zeigen. Das ist alles andere als naiv.

Ja, jeder Tag hat seine eigene Sorge. Darum sollen wir uns auf die konzentrieren, und uns immer wieder vergewissern, dass Gott uns nicht alleine lässt. Die Angst macht uns kirre. Um Gottes und vor allem um der Menschen willen sollen nicht die Sorge, sondern das Vertrauen in unserm Herzen herrschen lassen. Denn die Angst macht uns dumm und gewalttätig. „Trachtet zuerst nach dem  Reiche Gottes, dann wir Euch das alles zufallen“ kann man auch ganz einfach übersetzten: habt Vertrauen, dann werdet ihr frei, gute Lösungen zu finden und werdet nicht von der Angst beherrscht. Das also ist das, was wir als Christen tun können: Neben der ganz konkreten Hilfe, die wir leisten können, können und sollen wir auch vom Vertrauen reden, Vertrauen schaffen und um Vertrauen beten: da kann wirklich jeder etwas tun. Denn Vertrauen ist die Quelle des Glücks, weil es das Heilmittel gegen die Angst ist. Dafür steht Jesus mit seinem Leben, mit seinem Tod und mit seiner Auferstehung.  Dafür stehen wir Christen mit der Botschaft von Gottes schenkender Gerechtigkeit, die nichts anderes ist als: Liebe. Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Schert Euch zum Teufel, denn da kommt ihr her.

Amen

 

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