Mt 6,25-34
25 Darum sage ich
euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um
euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung
und der Leib mehr als die Kleidung?
Seht die Vögel unter
dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die
Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel
mehr als sie?
Wer ist unter euch,
der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch
darum sorgt?
28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung?
Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch
spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner
Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.
Wenn nun Gott das
Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen
geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?
31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir
trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden.
Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.
33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und
nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.
34 Darum sorgt nicht
für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass
jeder Tag seine eigene Plage hat.
Liebe
Gemeinde!
Die Worte Jesu stammen aus
der Bergpredigt: jener großen Sammlung von Jesusworten, die am Anfang des
Matthäusevangeliums steht und die in den 2000 Jahren der Geschichte des
christlichen Glauben immer wieder für Zündstoff gesorgt hat. Wenn man meint,
der christliche Glaube sei weltfremd und versponnen, dann kann man hier die
Munition dafür finden. Es klingt wie Hohn, was Jesus hier sagt: Sorgt euch
nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht um euren
Leib, was ihr anziehen werdet…..Dabei ist das doch unsere Grundsorge, die Sorge
um das leibliche Wohl. Wenn man das so einfach könnte, die Sorgen einfach
wegstreichen. Ich muss an den albernen Schlager denken, der in meiner Jugend
von Jürgen von der Lippe gesungen wurde: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr
auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen, na, dann ist ja alles klar“.
Das ist zwar witzig, aber auch ein bisschen bitter. Ähnlich klingen die Worte
des amerikanischen Komikers Groucho Marx. Der hat gesagt: “Drei Fragen treiben
den Menschen um. Wo komme ich her, wo gehe ich hin, was gibt es heute Mittag zu
essen?“ Wobei das ja schon eine Luxusfrage ist. Es gibt leider auf dieser Welt
viel zu viele Menschen, die stellen sich die Frage: Gibt es heute Mittag
überhaupt etwas zu essen?
Und ich glaube, das macht es
uns letztlich so schwer, die Worte Jesu wirklich ernst zu nehmen. Denn die
richtigen, die schwere, die lebensbedrohende Sorge um Essen und Trinken kennen
wir nicht wirklich. Das spüre ich im Moment bei der Diskussion um die
Flüchtlinge sehr deutlich: es fehlt uns in unsrem reichen und wohlhabenden Land
ein wenig an der Fantasie für die Armut, für die Not und den echten Hunger. Was
heißt schon Wirtschaftsflüchtlinge? Das sind Menschen, die vor der Armut, der
Not und dem Hunger fliehen. Und Armut und Not meint mehr als die Sorge um den
Kühlschrank. Armut und Not meint auch: für das Leben keine Perspektive mehr zu
sehen. Arm ist auch jemand, der heute nicht weiß, was das Morgen bringt, ja
schärfer noch: arm ist jemand, der heute Angst vor Morgen hat.
Das kennen wir nur noch,
wenn wir zum Beispiel ernsthaft erkrankt sind. Diese Menschen werden die Worte
Jesu in ihrer vollen Schärfe hören – und werden sie im ersten Moment als Hohn
empfinden. Wer wirklich Sorge hat, dem ist doch damit nicht gedient, dass ihm
gesagt wird, er solle sich keine Sorgen machen, Gott wird schon einen Weg
finden. Will Jesus diese Menschen vor den Kopf stoßen?
Das glaube ich natürlich
nicht. Obwohl es in der Geschichte des christlichen Glaubens diese Position und
diesen Standpunkt auch gab: die Armen sollen sich nicht so anstellen, sich
Sorgen zu machen, ist gottlos und zeugt von wenig Gottvertrauen. Na danke,
möchte man das sagen, das ist wirklich hilfreich!
Worauf will Jesus also
hinaus?
Letztlich ist es ein Aufruf
dazu, sich von den Sorgen nicht auffressen zu lassen. Wir sollen sie über unser
Leben nicht herrschen lassen. Denn wer sich der Sorge hingibt, der wird von ihr
am Ende zerstört. Wer sich in die Ecke setzt und jammert und klagt, wird sich
am Ende gar nicht mehr bewegen. So muss man die Menschen, die wir so einfach
„Flüchtlinge“ nennen, auch mal sehen: Sie warten ihr Schicksal nicht ab, sie
nehmen es an und bewegen sich. Das ist doch für meissten von uns kaum
vorstellbar, einfach alles stehen und liegen zu lassen und aufzubrechen. Auch
das muss man sehen: Diese Menschen machen sich auf, sie haben das Vertrauen,
dass es anderswo tatsächlich ein besseres Leben gibt. Flucht ist immer auch
Ausdruck von Hoffnung!
Deswegen sagt Jesus: Trachtet
zuerst nach dem Reiche Gottes, dann wird euch das alles zufallen. Deswegen der
Hinweis auf die Vögel am Himmel und die Blumen auf dem Felde. Sie überlassen
sich ganz dem Gang der Natur, vertrauen sozusagen darauf, dass der Tisch reich
gedeckt ist. Schaut man genauer hin, dann wird einem aber schon klar: Auch die
Vögel legen Vorräte an und bauen Nester. Aber sie tun es mit einem geschöpflichen
Vertrauen, das wir Menschen, weil wir zweifeln und grübeln, sehr schnell
verlieren. Was uns von den Vögeln unterscheidet ist, dass wir Angst vor Morgen
haben. Im Grunde heißt die Botschaft: Schaut
genau hin, es ist genug für alle da, der Tisch ist reich gedeckt.
Es ist dieser andere Blick
auf die Welt, zu dem uns Jesus führen will. Wir sollen nicht auf den Mangel
starren, sondern auf das, was da ist. Und es ist ja etwas dran. Der Tisch ist
reich gedeckt. Die Nahrung, die wir produzieren, würde reichen, ein Vielfaches
der bisherigen Weltbevölkerung zu ernähren. Denn Knappheit ist nicht unser
Problem. Unser Problem ist die Verteilungsgerechtigkeit. Das wird sichtbar,
wenn man über die Worte Jesus ein wenig länger nachdenkt. In Paris haben diese
Woche die Bauern demonstriert, weil sie so viel Milch produzieren, dass die
Preise zusammenbrechen, und ähnliches gilt auch für die Fleischpreise und den
Getreidepreis. Das ist doch ein großer Widerspruch. Auf der einen Seite eine
Armee von Menschen, die zu uns kommt, weil sie nicht satt werden und kein Dach
mehr über dem Kopf haben, weil sie nicht in Sicherheit leben können und täglich
mit vielfältigem Tod rechnen müssen, auf der anderen Seite eine Gesellschaft,
die nicht weiß, wohin mit ihren Gütern. Es hat mich daher sehr berührt, als ich
die Bilder von den überquellenden Spenden sah, die die Menschen in München,
Dortmund, Wien und Düsseldorf zusammengetragen haben, es sind ja so viele
Spenden zusammengekommen, dass die Helfer schon sagen: Wir brauchen nichts
mehr! Das zeigt doch, in welchem Überfluss wir leben, denn niemand, der da
etwas hingebracht hat, wird deswegen selber in der Armut enden. Wir geben ab
von unserem Überfluss, denn es ist genug da. So ist das gemeint. Das ist die
Logik des Reiches Gottes, nachdem wir trachten sollen. Jesus ist nicht naiv. Es
geht hier nicht darum, dass er sagt, dass Gott uns die gebratenen Tauben in den
Mund fliegen lässt. Er will darauf hinweisen, dass genug für alle da ist, und
dass im Reiche Gottes Gerechtigkeit herrschen soll, und damit ist auch die
Verteilungsgerechtigkeit gemeint. Darum sollen wir uns von der Sorge nicht
auffressen lassen, sondern uns die Frage stellen, wie wir die Güter gerecht
verteilen. Und damit wird die Bergpredigt doch unmittelbar politisch. Bismarck
soll ja gesagt haben: Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen. Das halte
ich für einen törichten Satz. Man kann sehr wohl damit Politik machen, wenn man
aus dem Geist der Bergpredigt heraus handelt. Und in einem freiheitlichen Staat
ist es geradezu die Hauptaufgabe der Politik, Menschen die Sorgen um das
tägliche Brot zu nehmen, indem sie Solidarität organisiert. Freilich: man kann
darüber streiten, ja man muss es sogar, wie das am besten geschieht. Es ist sicher
nicht hilfreich, hier Essen und Wohnraum zu verteilen, wenn man nicht
gleichzeitig dort, wo die Not entsteht, für Abhilfe sorgt. Solange in Syrien,
in Eritrea und im mittleren Afrika Krieg herrscht, werden die Menschen von der
Sorge um das nackte Überleben zu uns getrieben. Solange in den Balkanstaaten
die wirtschaftliche Situation so schlecht ist, wie sie ist, wird die Sorge sie
zu uns treiben. Würden wir es anders machen? Haben wir nicht auch in unserem
Lande eine starke Migration dorthin, wo es den Menschen gutgeht? Die Menschen
kommen doch aus der ganzen Republik nach Baunatal, weil sie hier einen
Arbeitsplatz und gute Bedingungen finden – man muss gar nicht weit fahren, ums
selbst in Deutschland in Gegenden zu kommen, wo Arbeit so knapp ist, dass die
Menschen weggehen. Und nicht nur das. Wir stehen doch einigermaßen fassungslos
vor dem Phänomen, das Menschen aggressiv und gewalttätig auf die Fremden
reagieren, weil sie das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird. Das
muss man schon ernst nehmen, selbst wenn diese Angst bei Lichte betrachtet
wenig begründet ist – unser Finanzminister, wahrhaftig kein verschwenderischer
Typ – weist immer wieder darauf hin. Geld ist kein Problem. Aber die
Verteilung. Das ist, was die Menschen aggressiv macht. Also ist der Satz des
Jesus, dass wir uns nicht sorgen sollen, gerade auch an uns Reiche gerichtet.
Wir dürfen uns von unserem Überfluss und unseren Verlustängsten nicht das Herz
versteinern lassen, sondern immer wieder einmal genau hinschauen, wie gut es
uns im Grunde geht. Dass die Menschen hierher kommen, weil es uns gut geht, ist
doch ein deutliches Zeichen dafür.
Es ist genug für alle da.
Gott sorgt für uns. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Gaben auch alle
erreichen. Das Gegenteil von Sorge ist Glück. Und am glücklichsten sind wir
doch alle, wenn alle glücklich sind. Ungerechtigkeit ist am Ende am schwersten
zu ertragen, vor allem dann, wenn man erkennt, dass die Ungerechtigkeit von
Menschen gemacht ist. Denn nur gegen diese Ungerechtigkeit können wir in einer
gemeinsamen Anstrengung etwas unternehmen. Dafür müssen wir aber das Gefühl
verlieren, dass uns daran hindert, genau hinzusehen: und das ist die Angst.
Darum geht es Jesus in Wahrheit am meisten. Auch in diesen Wort der
Bergpredigt, die so weltfremd klingen und so naiv wirkt, ist die Kernbotschaft
des Evangeliums verborgen: Fürchtet Euch nicht! und mehr noch: Habt Vertrauen!
Der Gott, der sogar die Mächte des Todes besiegt hat, wird auch die Mächte der
Ungerechtigkeit besiegen, und er will, dass wir dabei mitarbeiten, damit wir am
Ende stolz sein können auf unser Werk; und wenn wir scheitern, dann sollen wir
nicht verzweifeln, sondern im Gebet uns Gott anvertrauen und ihn bitten, uns
neue Wege zu zeigen, wie wir das Glück der Menschen fördern können. So würde
sich das Abendland, von dem immer so viel die Rede ist, als ein wahrhaft
christliches zeigen. Das ist alles andere als naiv.
Ja, jeder Tag hat seine
eigene Sorge. Darum sollen wir uns auf die konzentrieren, und uns immer wieder
vergewissern, dass Gott uns nicht alleine lässt. Die Angst macht uns kirre. Um
Gottes und vor allem um der Menschen willen sollen nicht die Sorge, sondern das
Vertrauen in unserm Herzen herrschen lassen. Denn die Angst macht uns dumm und
gewalttätig. „Trachtet zuerst nach dem
Reiche Gottes, dann wir Euch das alles zufallen“ kann man auch ganz
einfach übersetzten: habt Vertrauen, dann werdet ihr frei, gute Lösungen zu
finden und werdet nicht von der Angst beherrscht. Das also ist das, was wir als
Christen tun können: Neben der ganz konkreten Hilfe, die wir leisten können,
können und sollen wir auch vom Vertrauen reden, Vertrauen schaffen und um
Vertrauen beten: da kann wirklich jeder etwas tun. Denn Vertrauen ist die Quelle
des Glücks, weil es das Heilmittel gegen die Angst ist. Dafür steht Jesus mit
seinem Leben, mit seinem Tod und mit seiner Auferstehung. Dafür stehen wir Christen mit der Botschaft
von Gottes schenkender Gerechtigkeit, die nichts anderes ist als: Liebe. Guten
Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Schert Euch zum Teufel, denn
da kommt ihr her.
Amen
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