Mk
16,1-8
161 Jesu Auferstehung
Und
als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter
des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
2
Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne
aufging.
3
Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
4
Und sie sahen hin und wurden gewahr, daß der Stein weggewälzt war; denn er war
sehr groß.
5
Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand
sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
6 Er
aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den
Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo
sie ihn hinlegten.
7
Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, [a] daß er vor euch hingehen
wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
8
Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte
sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
Liebe
Gemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!
Das
ist keine Auferstehungsgeschichte. Wir erfahren gar nicht so genau, was
geschehen ist. Wir erfahren nur: das Grab war leer. Der Tote war nicht dort, wo
man ihn normalerweise vermutet: er war nicht im Grab. In der gesamten Bibel
gibt es keine Erzählung davon, was genau am Ostermorgen geschehen ist. Wir
erfahren nur etwas über die Wirkungen. Aber was heitß hier „nur“. Auf die
Wirkung kommt es ja an. Und die Wirkung, dessen, was das geschehen ist, die
spüren wir bis heute.
Die
Frauen finden ein leeres Grab. Sie haben ein Vision: Ein Engel sagt ihnen, dass
Jesus auferstanden ist, er ist nicht hier. Sie sollen aber zu den Jüngern
gehen, nach Galiläa, wohin sie geflohen sind. Dort werden Sie Jesus sehen.
Und
was machen die Frauen: sie geraten, was wohl nur mehr als verständlich ist, in
Panik und fliehen. Und sie schweigen.
So
war es, als das erste Licht des Tages anbrach. Die Frauen haben gesehen, was
geschehen ist, aber sie haben es nicht begriffen. Und sind sie uns, denke ich
mal, doch sehr nahe. Das leere Grab bedeutet gar nichts. Es ist ein leeres
Grab, und das ist eine merkwürdige Vorstellung. Darüber kann man spotten,
darüber kann man sich fürchten, darüber kann man in abergläubische Ehrfurcht
verfallen. Aber Glauben ist das nicht.
Was
wir heute, an diesem Tage feiern, ist das Ergebnis eines Verstehensprozesses,
der fünfzig Tage dauerte. Darum beginnt heute die österliche Freudenzeit.
Darum
feiern wir ja auch die österliche Festzeit bis Himmelfahrt. In den folgenden 50
Tagen geschahen die eigentlichen Wunder, die den Osterglauben entzündeten: die
Überwindung des Schreckens, des Zweifels und der Ohnmacht. Das Leere Grab ist
nur der Anfang: und die Geschichte zeigt uns sehr deutlich, dass es bei
Auferstehung um mehr und um etwas anderes geht als um die Wiederbelebung eines
Toten. Es geht um einen radikalen Wandel des Denkens. Das leere Grab ist im
Grunde ein Symbol für unser leeres Herz. Und gefüllt werden kann es nur durch
Verstehen und Begreifen, und das geht nur in der Gemeinschaft.
Davon
erzählen die Ostergeschichten.
In
der Folge begegneten Menschen dem Auferstandenen Jesus. Aber nicht in Fleisch
und Blut, sondern als Vision und Erscheinung. Und immer ging es darum,
gemeinsam zu essen! Zuerst erschien er zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus,
aber sie erkennen ihn nicht. Er legt ihnen die gesamte Bibel aus, um sie zu
trösten, aber sie begreifen kein Wort. Erst als sie beim Essen sitzen,
geschieht es:
Jesus
nimmt das Brot, bricht es und gibt es ihnen – und sie erkennen plötzlich, was
geschehen ist: Jesus ist bei ihnen. Sie erkennen ihn an den Zeichen, die er
tut. Doch in dem Moment, wo sie ihn erkennen, verflüchtigt sich die Erscheinung.
Er ist kein wiederbelebter Toter, er ist reiner Geist, der ihnen in
körperlicher Gestalt erscheinen ist; und doch sagen sie: Brannte nicht unser
Herz? Das Feuer des Glaubens war in ihnen entzündet, nicht, weil sie in einem
leeren Grab standen, sondern weil sie bei Feier der Abendmahls plötzlich seine
Nähe erfahren haben. Sie laufen zu den anderen, erzählen ihnen das, die hatten
inzwischen auch von den Frauen gehört, was geschehen ist – und natürlich auch
nicht geglaubt. Erst als auch ihnen der Auferstandene erschien und mit ihnen
das Brot brach, verstanden auch sie, was geschehen ist: Gott hat die Mauer des
Todes niedergerissen und spricht zu uns von jenseits dieser Mauer, um uns zu
trösten. Jetzt erst macht sich der Osterjubel breit, aber langsam – noch in der
Abschiedszene an Himmelfahrt hören wird, dass etliche der Jünger zweifeln! Wir
hören es von Paulus in der Lesung. Erst erschien er dem Petrus, dann ein paar
andren, schließlich 500 Brüdern –das ist das, was uns die Pfingstgeschichte
erzählt. Erst langsam brach sich das begreifen Raum, und plötzlich war die
Frage, was da genau am Ostermorgen geschehen ist, völlig unwichtig – deswegen
wird uns übrigens die Geschichte vom Ostermorgen von Markus, Matthäus, Lukas
und Johannes in ganz verschiedenen Fassungen erzählt!. Sie spürten die Kraft
des Auferstandenen, sie spüren, dass der Schrecken von Karfreitag nur ein Durchgang
war durch das Leiden zum Jubel, durch den Schrecken zur Dankbarkeit und zur
Freude, und dass damit die normale Ordnung des Lebens- die ja mit dem Schrecken
des Todes endet – auf den Kopf gestellt war. Der Tod Gottes war der Anfang des
Ewigen Lebens. Der tiefste Moment seiner Erniedrigung war der Anfang seiner Erhöhung.
Ab jetzt können Gott und Mensch nur noch zusammen gedacht werden. Was am
Karfreitag gestorben ist, ist ein falsches Bild von Gott. Was am Ostermorgen
sich in den Menschen breit macht, ist ein neues Bild von Gott, in dem Gott und
Menschen vereint sind, wo Tod und Leben kein Widerspruch sind, wo
Vergängnlichkeit und Ewigkeit vereint sind.
Glaube
entsteht, wenn Menschen von Jesus ergriffen werden und erkennen, wer er für sie
ist. Glauben entsteht, wenn Menschen
hinter den Buchstaben und Wörtern, die ja auch bloß eine Art leeres Grab sind,
plötzlich Gott erkennen und begreifen, dass er zu ihnen spricht. Dann geschieht
Auferstehung jeden Tag, so ist jeden Tag Ostern: wenn ein Menschen aus seiner Angst, aus seiner
Schuld und seiner Ohnmacht geholt wird, weil er die Nähe Jesu erfährt. Wenn ein
Mensch die Angst vor Gott verliert und Vertrauen in seine Kraft findet, dann
ist Auferstehung, neues Leben mitten im Alten. Die Auferstehung am jüngsten Tage ist dann nur
die Vollendung dieses Geschehens, das Ziel der Hoffnung, die aber jetzt schon
nach uns greift, denn jetzt brauchen wir sie.
Darum
müssen wir erzählen, und nicht schweigen – die Frauen haben ja am Ende auch
erzählt, was ihnen wiederfahren ist, wie sie Auferstehung erlebt haben. Was das
leere Grab bedeutet, erschließt sich also im Grunde erst ganz zum Schluss. Es
ist unsere eigene innere Leere, von der hier die Rede ist. Suchen wir Gott in
der Leere unseres Herzens, werden wir in nicht finden. Wir finden ihn nur in
der Gemeinschaft der Glaubenden. Glaube ohne Kirche, Glauben ohne Gemeinde,
Glauben ohne Verkündigung ist leer, leer wie das Grab. Erst wenn unser Herz mit
dem Worte Gottes gefüllt ist, öffnet sich uns die Wahrheit. Christen glauben
nicht an ein übernatürliches Wunder von Wiederbelebung, sondern sie glauben an
das natürliche Wunder der Verwandlung aus der Kraft Gottes. Wir erkennen Gott
nur und ausschließlich in der Gemeinschaft, die sich um die Zeichen seiner
Gegenwart versammelt. Der Theologe Ernst Fuchs hat es einmal so formuliert:
Jesus ist in das Wort hinein auferstanden. Wenn wir von ihm reden, dann ist er
gegenwärtig.
Darum
feiern wir das Abendmahl. Im Abendmahl ist Jesus ganz besonders gegenwärtig:
nämlich als ein Stück Brot und ein Schluck Wein, als ein Symbol und Zeichen
seiner Nähe. Da ist er uns ganz körperlich nahe. Darum ist das Abendmahl die
zentrale Feier unseres Glaubens. Auch Brot und Wein sind letztlich nur leere
Dinge, wenn man so will: So, wie sie da jetzt stehen, sind sie ein leeres Grab.
Aber wenn wir gleich die Worte dazu sprechen, die Jesus dazu gesprochen hat,
dann werden sie zu Zeichen seiner Gegenwart. . Erst das Wort Gottes macht sie
für uns zum Zeichen seiner Gnade. Im Grunde ist es ganz einfach. Wir denken
immer viel zu kompliziert.
Und
so ist auch eine Kirche nur ein leeres Grab, wenn darin nicht das Wort Gotts
verkündigt wird. Und so sind auch wir im Grunde wie ein leeres Grab, wenn nicht
das Wort Gottes in uns einzieht und uns weckt. Darum müssen wir es immer und
wieder hören. Glauben lebt von der Verkündigung, Glauben lebt vom Hören,
Glauben lebt von der Gemeinschaft. Glauben lebt genau von dem, was wir hier
gerade tun.
Ostern
ist nicht nur der Anfang. Wir feiern
heute nicht nur die Erinnerung an etwas, was vor 2000 Jahren geschah. Ostern
ist auch Gegenwart und Zukunft: Denn an Ostern leuchtet das Licht der Ewigkeit
in unser Leben. Dafür steht diese schöne Kerze, die heute morgen aus dem Dunkel
der Nacht in die Kirche gebracht wurde.
Schwestern
und Brüder: lasst euch hineinnehmen in das Licht der Ostertages, das kein
anderes Licht ist als das Licht des ersten Schöpfungstages, als Gott aus dem
Nichts heraus die Welt in das Sein rief, lasst Euch hereinnehmen in das tiefste
Geheimnis des Kosmos, dass da lautet: Über allem waltet die Liebe, das Kreuz
ist nicht das letzte Wort!
Das ist im Grunde das, was Gott uns sagen will und was auch der Engel
den Frauen gesagt hat: Fürchtet Euch nicht!
Christus ist auferstaden! Gesegnete Ostern! JH
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