Samstag, 19. Juli 2014

Predigt zur Eisernen und Diamantenen Konfirmation, Großenritte 13.Juli 2014, Gal 6,2


Einer trage des andern Last,

so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Gal 6,2

 

 

Liebe Jubelkonfirmanden, liebe Gemeinde,

Schwestern und Brüder im Herrn!

Die Konfirmation gibt es seit 475: sie hat sich in ihrem Ablauf kaum verändert, wir benutzen im Gottesdienst noch fast diesselben Worte. Die Konfirmation verbindet die Generationen, und auch heute lassen sich noch über 90% aller Jugendlichen konfirmieren.

Und doch hat sich vieles, fast alles geändert. In den 60, bzw. 65 Jahren seit Eurer Konfirmation hat sich die Welt mehr verändert, als in den 500 Jahren vorher.

 

Und ich meine damit nicht nur die ganze Technik. Ich meine damit nicht nur die Veränderungen durch Auto, Fernsehen und dem, was früher einmal das Telefon war. Auch den Computer und das Internet meine ich nicht. Das alles wissen wir, und ich weiß, dass viele von Euch Älteren damit vielleicht manchmal überfordert sind – mit geht es oft auch schon so. Aber andererseits: Hättet ihr Euch, 1949, kurz nach dem Krieg oder 1954, als das Wirtschaftswunder so gerade anfing, träumen lassen, dass es Euch einmal so gut gehen wird? Allein der medizinische Fortschritt ist gewaltig und hat das Leben gerader älterer Menschen sehr verändert!

 

Es wird viel geschimpft auf die modernen Zeiten, und manches Schimpfen ist ja auch berechtigt. Abe bei Lichte betrachtet: es geht uns gut, unglaublich gut. Wir sind Gesegnete, jedenfalls rein äußerlich. Doch ich glaube, die größte Veränderung hat im Inneren stattgefunden. Ich will Euch kurz schildern, was ich meine. Ich fand zu Hause im Altpapier einen Prospekt von einer Buchhandlung, da wurde ein Buch für Mädchen angepriesen. Es hat den Titel:

„Wie es ist, ein Mädchen zu sein.“ Und in der Anpreisung heißt es: „Mädchen lieben Pink und stehen auf Jungs – ist da wirklich immer so? Und wer gibt eigentlich solche Regeln vor? Dieses Buch fordert Mädchen auf genau hinzuschauen, die bekannten Rollenmuster zu hinterfragen – und Spaß zu haben, sich einfach selbst zu erfinden“.

 

Das hat mich sehr bewegt, Genau so ist es. Die Jugendlichen heute haben ein Problem, das von euch mit Sicherheit keiner hatte. Ein Mädchen ist ein Mädchen, und was die zu tun und wie die zu leben haben, war doch völlig klar. Immerhin war es für Euch schon recht selbstverständlich, einen Beruf zu erlernen oder zumindest Geld zu verdienen, aber spätestens bei der Heirat war doch klar, wie es weitergeht. Ihr musstet Euch nicht neu erfinden. Ihr lebtet, wie schon Eure Mütter und Väter gelebt haben, etwas moderner, aber doch in den vorgegebenen Bahnen. Und es waren ja auch schwierige Zeiten, so direkt nach dem Krieg. Doch innerlich schien die Welt noch in Ordnung: die Frage, was mach ich mit meinem Leben, was soll aus mir werden, wie erfinde ich mich, hat sich so auch nicht gestellt, und den Jungen ganz gewiss auch nicht. Die Kinder heute stehen da viel mehr unter Druck, ihnen wird zumindest vorgegaukelt, dass sie alle Möglichkeiten der Welt haben, dass sie im Grunde die Wahl haben. Aber wie soll man sich entscheiden?  Wer gibt eigentlich die Regeln vor? fragt das Buch, und die Antwort lautet: Am Ende musst du es selbst machen! du gibst dir die Regeln vor. Und dann wirst Du Spaß haben. Das ist sicherlich ein Wort, das für Euch damals noch gar keine Rolle gespielt haben wird. Dass das Leben Spaß machen muss, ist nur wirklich ein ganz und gar moderner Gedanke. Früher suchte man sein Glück, das aber ist etwas ganz anders als „Spaß“

 

Wir wissen, dass das nicht gut gehen kann, wenn man im Leben nur Spaß haben will und danach seine Regeln aussucht.  Wenn jeder seine Regeln selbst erfinden und sich selbst aussuchen kann, an was er sich hält und an was nicht, dann zerbricht eine Gemeinschaft. Gemeinsame Regeln sind wichtig für das Zusammenleben. Zu Eurer Zeit war das noch völlig klar. Und darum haben die Pfarrer damals – und es gab ja noch keine Pfarrerinnen – so darauf gedrängt, dass ihr vor allem Regeln auswendig lernt, die Gebote, das Glaubensbekenntnis, aber auch viele Lieder und Bibelverse, die euch helfen sollten im Leben klar zu kommen. Denn damals konnte man sich noch einigermaßen darauf verlassen, dass diese Regeln für alle galten. Dass das schon damals nicht wirklich stimmte, und Nazizeit auch auf diesem Gebiete eine großer innere Zerstörung angerichtet hatte, war den wenigsten bewußt. Man war sich im Grunde einig, wie das Leben sein sollte. Arbeit und Fleiß, etwas schaffen, gemeinsam etwas aufbauen, damit bessere Zeiten kommen.

Das ist heute ganz anders. Wir müssen mit den Jungen Menschen darüber reden, warum Regeln gelten, wozu sie da sind und woher sie kommen. Wir müssen für den Glauben, der uns die Regeln gibt, werben, und wir müssen es oft genug sogar schon gegen die Eltern und gegen die Schule tun, bei denen der Glaube oft gar keine Rolle mehr spielt. Der christliche Glaube mit seiner Vorstellung davon, wie das Leben gelingen kann, ist nicht mehr selbstverständlich. In diesem Sinne haben es die jungen Leute heute viel schwerer als ihr, auch wenn sie auch vom äußeren Leben her ein sehr viel angenehmeres Leben führen, als ihr damals. Jedenfalls auf den ersten Blick.

Und darum habe ich den Wochenspruch als Motto über Eure Jubelkonfirmation ausgewählt, denn er nennt eine ganz einfache Regel, mit der das Leben gelingen kann, eine Grundregel dessen, was für uns Christen wichtig und richtig ist: „Einer trage des anderen last, dann werdet ihr das Gebot Christi erfüllen“. Es geht im Glauben um die Liebe. Und Liebe bedeutet für uns Christen: Wertschätzung, Respekt und Vergebung. Denn nur so kann das Gemeinschaftsleben gelingen. Gerade Eure Generationen hat eine erstaunliche gemeinschaftliche Leistung erbracht, Ihr habt unsere moderne Wohlstandsgesellschaft erarbeitet, und dafür müssen wir Nachgeborenen Euch danken. Einer war für den anderen da, weil niemand in der Lage war, die Aufgaben in dem zerstörten und innerlich zerrissenen Land, das Deutschland damals war, allein zu lösen. Es ging nicht zuerst um Euch, es ging nicht um die Frage, ob und wie ihr Euch erfindet, es ging darum, die Aufgabe zu lösen, das Land wieder auf Vordermann zu bringen und für alle Gerechtigkeit und Wohlstand zu schaffen. Ich merke es immer sehr deutlich, wie tief das in Euch eingepflanzt wurde, und wie sehr gerade Eure Generation oft überhaupt nicht mit dem Verhalten der jungen Menschen klar kommt, die, so scheint es jedenfalls, immer zuerst an sich denken. Darum ist es so wichtig, dass die Generationen zusammenarbeiten und  zusammenhalten. Wir können und müssen voneinander lernen. Die Konfirmation ist nach wie vor ein Fest, in dem ein Teil des Lebens, die Kindheit abgeschlossen ist. Für Euch begann damals der Ernst des Lebens, und es wird auch bei Euch für manchen ein Schock gewesen sein, in die Welt der Arbeit einzutauchen: Als Stift, wie man damals sagte, als Haushaltshilfe oder einfach nur als Ungelernter, Hauptsache, man hatte Arbeit, Lohn und Brot. Nur wenigen machten nach der Konfirmation mit Schule  weiter, am wenigsten die Mädchen. Heute findet die Konfirmation mitten in der Jugend statt, die meisten  haben den längeren und schwierigeren Weg der Ausbildung noch vor sich: manch einer braucht nach der Konfirmation noch fast 10 Jahre, bis er wirklich eigenständig leben kann, in dem Alter, in dem ihr Eure Kinder schon entlassen hattet, bekommen heute viel erst ihre Kinder.

 

Da hat sich die Welt am meisten verändert. Und da wünsch ich mir, dass die Alten und die Jungen gut miteinander ins Gespräch kommen, um voneinander zu lernen. Da ist die christliche Gemeinde, ist die Kirche, genau der richtige Ort für. Denn der Glaube gilt für alle gleichermaßen, man muss sich nicht neu erfunden haben, um zu Gott zukommen. Zum Abendmahl sind heute alle geladen: jung und alt. So lernen wir, wie wichtig der Zusammenhalt der Generation ist. Einer trage des anderen Last:

Das ist ein guter, ein starker Satz über Generation hinweg! Ich wünsche Euch, dass ihr Euch mit Dankbarkeit und Freude daran erinnert, konfirmiert worden zu sein. Das ihr, gerade an einem Tag wie heute, die Spuren Gottes und seines Segens in eurem Leben findet und dankbar annehmen könnt, dass der Trost und die Ermutigung des Glauben euch helfen und bewahren, auch die Lasten des Älterwerdens gut zu tragen – und dass ihr den Kontakt, die Nähe und die Gemeinschaf mit den jungen Menschen nicht verliert, die viel mehr als ihr es sein musstet, auf der Suche sind danach, wie das Leben gelingen kann: Von Euch können sie es erfahren. Da habt ihr, als Jubelkonfirmanden, immer noch eine gute, eine wichtige, eine starke Aufgabe, für die Gott Euch Kraft, Mut und Humor schenken möge. Damals wurdet ihr vollgültige Mitglieder der Gemeinde Gottes: Ihr seid es auch heute noch. Der alte Segen ist nicht erloschen, er ist stark wie damals. Möge die gemeinsame Feier des Mahles Euch und uns immer daran erinnern. Wir können die Lasten des Lebens gemeinsam tragen, weil Gott, der in Jesus Christus Mensch wurde, uns tragen hilft und uns durch sein Wort, durch Brot und Wein und durch sein Wort beisteht. Bis in Ewigkeit.

Amen.

 

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